Diagnose Krebs – Von der Selbstverständlichkeit zum Selbstverständnis

Angeregt durch den Titel eines Workshops, das ich im November am Klinikum in Essen halten werde mit dem Titel „Diagnose Krebs – Verlust an Selbstverständlichkeit und Gewinn an Lebensintensität“, habe ich mich mit der Frage beschäftigt, welche Selbstverständlichkeiten es sind, die mit einer Krebs- Diagnose verloren gehen. Folgender Text ist daraus entstanden:

Was wir als selbstverständlich annehmen:

Dass ich mich auf meinen Körper in seiner Funktionstüchtigkeit verlassen, ihm vertrauen kann, dass das Leben ewig weitergeht, dass ich auch morgen in die Arbeit gehen werde, meine Kinder betreuen, mit meinen FreundInnen zusammen sein kann. Dass ich die bin, die ich gewohnt bin, zu sein, dass ich nur bestimmte Aspekte meines Seins realisiere, ver-wirk-liche, dass ich einen selbstverständlichen Lebensstil pflege, esse, was ich immer esse, zu mir nehme, was sich mir anbietet, dass ich Dinge tue, weil es andere auch tun, dass ich über meine Grenzen gehe, dass ich mich wohl verhalte, meine Wut unterdrücke, weil ich nur dann glaube, dass ich meinen Arbeitsplatz oder auch meine sozialen Beziehungen behalte.

Vor allem –  dass ich meine Sehnsüchte nicht mehr wahrnehme. Sehnsüchte nach einem intensiven Leben, das erfüllend und befriedigend ist.

So ist es oftmals im Leben von Krebskranken vor der Diagnose.

Sie berichten von einem Leben, das sich für sie nicht mehr sinnvoll anfühlt, von einem Leben der Entfremdung und Ent-Eignung, das zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Und dann die Diagnose. Ein Einbruch in das Festgefügte, Struktur Gewordene, Selbstverständliche. Das ist ein Schock.

Und auch eine Chance für einen, wie Le Shan sagt, „Wendepunkt und Neubeginn“.

Krebs berechtigt.

Es berechtigt uns, auf unser Leben zu schauen, wahrzunehmen, dass dies hier mein Leben ist, und dass dieses mein Leben geachtet werden will, befürsorgt und gelebt.

Und Krebs gibt Erlaubnis – endlich darf ich  für meine Bedürfnisse eintreten, Nein sagen, wo bislang ein Entsprechen – Wollendes Ja gestanden ist. Darf mir die Frage stellen,  was ich eigen-tlich will. Darf meinen schöpferischen und ursprünglichen Ideen und Impulsen Raum  geben.

Und augenblicklich gewinnt das Leben an Intensität.

Und – es ist ein Leben, das aus dem Einverständnis mit mir Selbst ein neues Selbstverständnis kreiert.

Ein Gedanke zu “Diagnose Krebs – Von der Selbstverständlichkeit zum Selbstverständnis

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