Und wieder war da dieser besorgte Blick beim Ultraschall, das Stillwerden, kein plätscherndes Geplauder mehr, konzentriertes Schauen. „Bin ich gesund?“ Nochmal ein Blick auf die Mammographieaufnahmen. „Das muss ich mir nochmal genauer im Schall anschauen“.
Unklarer Befund, ein Grau, wo ein Schwarz sein sollte. Noch bin ich cool, doch dann, als mir mein lieber Arzt einen Termin beim MR in 5 Tagen gibt, fängt dieser „Zustand“ wieder an, das durcheinander und aus-der-Welt Sein, muss darauf achten, nicht blind über die Straße zu laufen.
Wie gut, dass mein Mann in meinem Leben ist, den ich sogleich anrufen kann, ihm erzählen, dass ich diesmal nicht beruhigt und entlastet von der Untersuchung komme, wo ich alles benennen kann, was für und gegen einen Karzinomverdacht spricht.
Wie gut, dass sich zwischen mir und dem Röntgenologen mittlerweile eine Art freundschaftlicher Kontakt entwickelt hat. So kann ich ihn – jetzt schon gar nicht mehr cool – gleich nochmal anrufen, Fragen stellen, und er wehrt nicht ab, ist beruhigend, ohne beschwichtigend zu sein.
Das Schlimmste ist das Warten, da gilt es die Anspannung auszuhalten, die Wenn und Dann´s auszuloten.
Und da gibt es noch etwas, was ich mich fast nicht getraue, einzugestehen. Da ist in einem innersten Winkel meiner Seele eine Sehnsucht, dass es wieder Krebs ist, weil das bedeutet, dass ich wieder „aus dem Verkehr gezogen“ werde, mich um mich selbst drehen muss und darf.
Offenbar ist das in den nahezu zwanzig Jahren nach meiner ersten Diagnose noch immer nicht selbstverständlich. Noch immer braucht es eine derartige – Not-Wendigkeit, um mein Leben radikal mir gemäß gestalten zu dürfen. Unnötiges auszuräumen, wie zum Beispiel einem von vielen inneren Ansprüchen gehorchend sechs verschiedene Kekssorten backen zu müssen – generalstabsmäßig geplant – um die ganze große Familie damit zu beglücken, dort und da Geschenke zu kaufen, Basare zu besuchen, weil FreundInnen dort ausstellen – hetzen, unterwegs sein.
So ist die Sehnsucht nach einer drastischen Diagnose die Sehnsucht nach der Möglichkeit eines selbstzentrierten unmittelbaren Seins.
Still.
Eine Sehnsucht, mir zu folgen, von mir auszugehen, eine Sehnsucht nach einem schöpferischen Raum, nach Kreation, nach mir selbst.
Dann kommt der MR Befund und die Biopsie, und nun wird es sehr real – die Diagnose – wieder Krebs, multizentrisch. Und dann spüre ich sie, die Angst – Angst vor dem, was jetzt folgt, Angst vor dem Krankenhausaufenthalt, Angst vor dem Schmerz, Angst vor einer brustlosen Brust.
Und auch, wenn es befremdlich klingen mag – ich finde es gut, dass ich mittlerweile Angst wahrnehmen kann, zeigt es mir doch, dass ich nicht mehr derart von mir entfernt bin, dass nur die tapfere, mutige Frau am Werk ist, stolz, dass sie etwas wegstecken kann, was andere als eine große Belastung sehen würden, die immer (nur) das Positive sieht und sehen muss, die strahlende Heldin, unantastbar, bewundernswert, weil sie ja so toll damit umgeht.
Wären da nicht die Nächte, in welchen die Dämonen der Angst hochkriechen, wo alles groß und unüberwindbar scheint, wo ich mich fürchte wie ein Kind.
So ist es Vieles, was gleichzeitig in dieser Zeit stattfindet – neuerlich die Sehnsucht nach einer Da-Seins-Berechtigung meiner Selbst, nach einem Selbst-zentrierten Leben, das mich meint, und das es nur zu geben scheint, wenn ich mit einer unmittelbaren Sorge um meine leibliche Existenz beschäftigt bin.
Dann die Angst, Angst vor dem Unkontrollierbaren, davor, dass ich zu unachtsam war mit mir selbst und meiner Gesundheit.
Und es gibt auch das Schöne in dem Prozess – die Fürsorge meiner Ärzte, die am Abend nach der Biospsie anrufen, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen und deren wissendes Bemühen.
Das Gehaltenwerden durch meinen Mann und die Liebe meiner Tochter, das warmherzige Interesse meiner FreundInnen, welches mir zeigt, dass ich wertvoll bin als die, die ich bin, und nicht nur als die, dich ich glaube, sein zu müssen.
Für all dies und dass mir das Schreiben als Ausdrucksmittel zur Verfügung steht und damit eine Möglichkeit der Vertiefung, Klärung und Distanzierung, bin ich sehr dankbar.
Ich habe „gefällt mir“ geklickt obwohl es mir gar nicht gefällt.
Mir hat aber gefallen wie Du darüber geschrieben hast und wie Du die Situation siehst. Es ist gut so viel Unterstüzzung zu haben.
Eine herzliche Umarmung
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Liebe Beatrix……Du bist so eine Be-Reich-erung für die Welt, das kann ich kaum in Worte fassen….. Auch und gerade „Danke“ für diesen sehr persönlichen Artikel…..
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Danke liebe Manu, tut sehr gut, wenn man sich „rauslehnt“ und man bekommt eine derartige bestätigende Rückmeldung!
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Danke lieber Roland!
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