Diagnose Krebs – Begleitung

Den folgenden Text habe ich am Schluss meines Vortrags am 18.9.2015 beim EMDR – Netzwerktag gelesen. Es ist das, was ich über die Hilfen, die wir mit Traumamethoden hinaus geben können, essentiell finde in der Begleitung von krebskranken Menschen.

Die Arbeit mit Krebskranken ist eine Begegnung auf einer sehr existentiellen Ebene. Das Leid und die Schmerzen sind präsent, die Angst ist präsent, das Sterben und der Tod ist präsent. Da handelt es sich nicht um etwas Vergangenes, nein das vollzieht sich hier und jetzt-

Krebsklientinnen sind damit sehr nahe, sie sind auch nahe, weil die Angst vor dem Ergebnis im MRT den Raum erfüllt, wir danach erreichbar sein sollten, oder weil wir sie vielleicht zu Hause aufsuchen müssen, weil sie nicht mehr zu uns kommen können. Da gilt es sich nicht anstecken zu lassen und dennoch mit Mitgefühl verbunden zu sein. Es gilt auszuhalten, wenn der Klient offensichtlich dem Sterben nahe kommt, und dies nicht wahrnehmen will. Es auszuhalten, dass wir vielleicht meinen, dass ein klarer Blick auf die Tatsachen notwendig wäre, und wir dennoch wahrnehmen, dass ich die Klientin an jeden Strohhalm klammert. 

Krebs berührt uns existentiell, es berührt  unsere Konzepte, wie man damit umzugehen hat, was es mit uns macht, wenn die Klientin keiner weiteren Chemo zustimmt oder eine Therapie wählt, die uns gänzlich unpassend ja sogar schädlich erscheint, es berührt uns in unserer eigenen Autoritätsgläubigkeit und Ehr-Furcht vor Ärzten.

Es gilt, sich bewusst zu sein, dass wir  dem selben schädlichen System ausgesetzt sind, einem System, das gnadenlos die Leistung, das mehr und mehr, das über alle Grenzen gehende, das Ent-eigenende und Ent-Fremdende fördert.

Wir sind herausgefordert, über die Beschränkungen in unserem Denken hinauszugehen, zu erkennen,  dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, wie Spontanheilungen, und dass wir  gegründet auf einem Vertrauen ins Leben  zu  Veränderungs-Schritten ermutigen statt die Resignation mit dem Hinweis auf eine vermeintliche  Realität zu fördern. Dies alles verlangt uns viel ab.

Dennoch ist die Arbeit mit Krebskranken für mich ein großes Geschenk – zu erleben, wie sich die jedem Menschen innewohnende Stärke, der Mut und die Würde offenbart und teilhaben zu dürfen, wie jeder Mensch seinen je eigenen Krebsweg geht, zählt zu den bereicherndsten Erfahrungen in meinem Leben.

Letztlich ist die Konfrontation mit der Endlichkeit in der Arbeit mit Krebskranken eine beständige Ermunterung, in meinem eigenen Leben lebensfördernde Prioritäten zu setzen, für nahrhafte Ingredienzien und  mein Wohlbefinden zu sorgen und auch meine inneren Kinder zu nähren.