Ich hatte die Freude und Ehre in einer wunderbaren Gesprächsrunde unter der Leitung von Hannes Hofbauer mit Elisabeth Mayerweck, Roland Karner und Christian Schubert ein sehr inspirierendes und grundlegendes Gespräch zum Thema Angst und Corona zu führen. Das Gespräch ist unter https://www.youtube.com/watch?v=S1bYCc_eKq4 zu sehen.
Da Roland Karner gegen Schluss einen zündenden Vergleich brachte, welcher sich als Schlusswort anbot, konnte ich meine Ideen, wie wir aus der Angst herauskommen können, nicht mehr ausführen.
Das will ich nun nachholen. Die folgenden Vorschläge lassen sich natürlich bei jeglicher Angst anwenden – auch bei der Angst nach einer Krebsdiagnose, vor einer Behandlungsmaßnahme, vor den Folgen und letztlich vor dem Tod.
Was den persönlichen Umgang mit der Angst betrifft, gibt es natürlich viele Tipps – wir können über die Atmung Einfluss nehmen auf unser Vegetativum, wir können entschleunigen, indem wir Alltagshandlungen bewusst langsamer machen, wir können Übungen machen, die unser Nervensystem beruhigen – z.B. eine Hand auf unser Herz legen, eine auf die Wange, dann diese Hand auf die Stirn, dann in den Nacken und immer ganz bewusst die Verbindung zwischen der Hand und diesem Bereich spüren und auch die Verbindung zwischen dem Herzen und dem jeweiligen Bereich. Das aktiviert den ventralen Vagus, der auch smarter oder sozialer Vagus genannt wird, besänftigt den sympathischen Aufruhr, löst uns aus dem Starrwerden und beruhigt.
Das Wichtigste ist jedoch, meiner Ansicht nach, sich seiner Gefühle und Reaktionen bewusst zu werden, und damit einen Puffer zwischen der Reaktion im Nervensystem und dem oftmals unangemessenen und öfter auch wütenden Ausdruck zu geben.
Innehalten, Wahrnehmen, Pause, dann eine umsichtige Entscheidung treffen, was zu sagen oder zu tun ist. So praktizieren wir es in der Meditation: ich nehme etwas wahr, zum Beispiel einen Impuls und ich bleibe am Kissen sitzen und kehre mit der Aufmerksamkeit zum Atem zurück, dann kann ich erleben, dass sich alles wandelt, die inneren vegetativen Reaktionen verlieren ihre Macht – ich kann mein Menschsein wahrhaft verwirklichen.
– Schaffung von sicheren Beziehungsräumen, wo eine Kultur des einander Wahrnehmens gepflegt wird, wo ich mich in meinem So- und Anderssein ausdrücken kann, ohne Gefahr zu laufen, abgekanzelt und angegriffen zu werden. Wo Sicherheit, Mitgefühl und Respekt wahrnehmbar ist.
Das Gehört- und Gesehen werden, die unhinterfragte Zugehörigkeit ist in meinem Empfinden eine existentielle Notwendigkeit.
Oft braucht das in einer derart aufgeladenen Situation ritualisierte Räume wo z.B. Achtsames Sprechen und Tiefes Zuhören wie es in buddhistischen Traditionen praktiziert wird.
– die Ebene des Alltagsbewusstseins, des Weltlichen immer wieder verlassen und mich in eine höhere Bewusstseinsebene begeben, mich verbinden mit einem übergeordneten Wissen – „life ist bigger than you“ hat einmal mein liebster Körpertherapielehrer gesagt.
Mich mit der Essenz des Lebens verbinden, mit den Lebenskräften, mit dem, wie sich der Prozess des Lebendigen ganz konkret, spürbar ausdrückt.
Letztlich meine Bereitschaft, mich in den Strom der Transformation einzugeben, die Haltegriffe loszulassen und das Leben geschehen zu lassen, wie immer es geschehen will. Sich ins Jetzt eingeben, zu erkennen, dass „das Leben per se auf Heilung ausgerichtet ist“, wie Sabine Lichtenfels sagt.
– Sich immer wieder zu fragen, was habe ich jetzt zu tun oder vielmehr was will durch mich getan werden – jetzt. Das bringt mich in die Selbstwirksamkeit, ich bin nicht Opfer der Geschehnisse, sondern kann eingreifend gestalten.
Für mich persönlich ist die Corona Krise auch ein Aufruf zum Selbst Sein und mich in diesem Selbst Sein zu verwirklichen. Und das wird für jede Einzelne verschieden sein – im stillen Rückzug ebenso wie im lauten, die Stimme erheben, im forschenden Erkunden der Dynamiken, die hier wirken ebenso wie im unschuldigen mich verbinden mit der Natur.
Vielleicht wird die Angst immer wieder kehren, mich anstupsen sozusagen, Ich muss mich jedoch nicht von ihr gefangen nehmen lassen, sondern kann sie schlicht als eine Erinnerung betrachten – dass ich allemal größer bin als sie.