Ein Brüste-Liebhab-Rezept

Zeit meines Lebens als Frau hab´ ich es schwer gehabt mit meinen Brüsten, hab´ sie nur schwer annehmen können, nicht weil sie nicht schön waren, sondern weil sie mich zu sehr exponiert, zu sehr ausgesetzt haben – den begehrlichen Blicken, den An-Griffen.

Dann bei meiner dritten Brustkrebsdiagnose, habe ich entschieden, mich von ihnen zu trennen, sie mir abnehmen zu lassen.

Auch wenn ich es nicht bereue, denke ich, dass es einen Weg gibt, sie zu heil-igen und damit dem Krebs vorzubeugen, beziehungsweise ihn wieder auszuladen, wenn er schon zu Dir gekommen ist.

Deshalb mein heutiges Busen-Liebhab–Rezept mit 6 Zutaten für ein heilsames Leben mit unseren Brüsten (besonders für Frauen, die wie ich eine schwierige Beziehung zu ihren Brüsten haben):  

  1. Geh´ mit Deinen Brüsten in Kontakt – schau´ sie an, berühre sie, streichle sie, verwöhne sie mit einem duftenden Balsam, einem Puder.

Sprich mit ihnen – frag´ sie, was sie brauchen.

Frag´ sie nach ihrem Glück und ihrem Leid, ihrer Geschichte,

Freunde Dich mit ihnen an – Tag für Tag.

  • Gib´ ihnen Halt durch Deine Hände – halte sie hoch, trage sie.

Unterstütze sie – vor allem wenn sie größer sind – mit einem angenehmen, bügellosen BH, in schönen Farben, einem anschmiegsamen Natur-Stoff, wo nichts drückt und schneidet. Das nimmt Dir und ihnen die Last ab, und sie können dadurch einfach sein und sich vertrauensvoll hingeben an den äußeren Halt, umschmiegt von einem zarten, wohligen Stoff.

 Mit Schönheit gewürdigt.

  • Sei in Fühlung mit Deinen Brüsten, kehre die innere Bewegung vom energetischen Rückzug zur Präsenz um.

Da bin ich  –  ganz so, wie ich bin – eine wunderschöne Frau mit zwei schönen Brüsten.

  • Brüste wollen keinen Hormon Überschuss. Deshalb reduziere Produkte von Tieren (aus Hochzuchtsanstalten), die ja alle vollgepumpt sind davon.

Bevorzuge Gemüse, viel Grün, viel Erdnahes wie Wurzelgemüse und Vollkorngetreide wie Hirse, Reis, Quinoa, … Das stärkt die Mitte und fördert, so es basisch ist, die Abwärtsbewegung im Körper. Dann kann sich Dein Körper entspannen.

  • Entspanne Dich, leg´ Dich hin, die Hände auf die Brust gelegt, bergend, summe vor Dich hin, wie eine Mama, die ihr Kind beruhigt.
  • Lasse die Nacht Nacht sein, verdunkle Dein Zimmer. Vertiefe Dich aber auch immer wieder in das Dunkel Deiner Seele, in Deine Wildheit, in das Abgründige. Verweigere Dich dem Mainstream, dass es vor allem darum geht, im Scheinwerferlicht, im Außen zu sein.

  • Sticke, stricke, töpfere, bereite Deine Nahrung selbst zu. Das stärkt die Hestia, die Göttin des Herdes, die so ganz mit sich zufrieden, sich ausschließlich dem Innen-Sein widmet.

Noch mehr Zutaten findest Du im wunderbaren Buch: Brustgesundheit – Brustkrebs von Susun Weed. https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/ Hier finden sich auch immer wieder sehr berührende gechannelte Texte, in denen die GroßMütter sprechen.

Zum Beispiel 2 für mich sehr berührende Stellen:

„Wir sind die Alten GroßMütter. Wir sprechen für die Dunkelheit. Wir sprechen für das Chaos. Wir sprechen für den weiten Spielraum, die Kanten. Wir sind hier, um dir zu helfen, deiner leidenschaftlichen, wilden, exzentrischen Natur zuzuhören. Um dir zu helfen, deine Dunkelheit, deine Lockerheit, deine Zeitlosigkeit, deine ungeformten Kanten zu nähren.“

„Die Kraft unserer Brüste ist die Kraft jeder Frau. So wie unsere Brüste Leben bedeuten, so bedeutet die Brust einer jeden Frau Leben. Auch du, EnkelTochter: Deiner Brüste-Kraft ist die Kraft des Lebens. Deine Brüste sind heilig.“

Mein gutes Leben

Das gute Leben fängt mit dem Aufhören an – aufhören mit all den Angewohnheiten.

Ange-Wohn-heiten.

Welch ein Wort!

Da hat sich was rAn an mich gemacht, und dann dringt es ein in mich, was zuvor noch draußen war als eine Möglichkeit, eine von vielen Möglichkeiten.

Es freut sich, diese eine Möglichkeit, die ich fortan immer und immer wieder wähle – „Ja, nimm mich, ich bin gut für Dich“, sagt es, flüstert, schreit es, „ich nehme Dir Deine Unruhe, Deine Verzweiflung, Deine Langeweile, Deinen Zorn, Deine Angst – ruhig mach ich Dich, beschäftigen tu´ ich Dich und schon ist es weg, was Dich grad „gebissen“ hat.

Versprochen, Deal!

So kommt es näher und näher und schon verstellt es den Blick für all die anderen Möglichkeiten, –  für mich und das, was eigen-tlich da ist in mir.

Langsam zieht es ein, mit all den Möbelstücken, die nicht meine sind, und so wird meine Körper-Geist-Wohnung langsam ent-eignet. Nicht mehr meine.

Meine – mit all den vielen schönen Zutaten, die mein Leben reicher machen und erfreuen.

Kein Platz.

Kein Raum.

Alles verstellt.

Kein Ausdehnen, kein Atmen, renn´ mir dem Kopf an – bald einmal ausweglos.

Jetzt

Ausräumen, Zupacken, Schleppen, Stemmen oder einfach all das Gerümpel beim Fenster rausschmeißen, wie sie das in Neapel so tun zu Silvester.

Radikal.

So!

Das ist jetzt vollbracht.

Jetzt

Neu-Beginnen.

Keine unverrückbaren (Zucker, Rauch, Alkohol, Trägheits,….)- Einbauschränke mehr – unveränderbar für Jahrzehnte.

Ein leichtes, lindgrünes Sofa, vielleicht mitten im Raum, und dann mal sehen, Sitzen und Schauen, von diesem guten Platz der Freiheit aus.

Braucht´s noch was, ist´s genug?

Wären da nicht diese Ideen vom Brauchen und Müssen, ist es meistens mit wenig, manchmal, oft mit Nichts genug.

Sitzen – hier auf meinem lindgrünen OrganismusSofa.

Platz nehmen in mir.

Still sein.

Sitzen.

Schauen.

Und den unendlichen Reichtum des Lebens fühlen.

Jetzt

Vom Sinn zur Sinnhaftigkeit

                                                                                                         Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen
                                                                                                         Die sich über die Dinge ziehn.
                                                                                                         Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen
                                                                                                         Aber versuchen will ich ihn
                                                                                                          Ich kreise um Gott, um den uralten Turm
                                                                                                          Und ich kreise jahrtausendelang
                                                                                                          Und ich weiß noch nicht, 
                                                                                                          bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.

                                                                                                                                                                   Rainer Maria Rilke

                 

„Wer keinen Sinn im Leben findet, wird sich kaum heilen können“. Diesen Satz schreibt meine geschätzte Freundin Miriam Reichel in einem ihrer  fb Beiträge.

Miriam weiß, wovon sie spricht, konfrontiert mit einer 8-Wochen Überlebensprognose eines Lymphoms hat sie ihr Leben vollständig umgekrempelt, von der Ernährung bis zur Veränderung des Lebensmittelpunkts von Deutschland nach Südafrika hat sie radikal eine Wende vollzogen.

Vor allem hat sie ihren Beruf als Juristin an den Nagel gehängt und ist ihrer Berufung gefolgt, Autorin zu sein. Und sie wurde gesund und ist dies seit nunmehr 18 Jahren. https://krebscoaching.org/2020/06/30/krebs-leben-die-kombination-der-moeglichkeiten/

Viele andere Menschen hören einen derartigen inneren Auf-Ruf, und oft geschieht das nach einem großen Lebens-Einschnitt, wie nach einer Krebsdiagnose.

Ihre Biographien zeugen davon, wie sie Himmel und Erde in Bewegung setzten, um diesem Ruf gerecht zu werden. Sie riskierten bisweilen Geldnot, Trennung, Verurteilung und manchmal sogar eine (Gefängnis-)Strafe, um diesem Ruf zu folgen. Und oft hatten sie – wie Miriam – Erfolg.

Solche Vor-Bilder können uns inspirieren, bekräftigen und ermutigen, dass auch wir uns auf das besinnen, was und wie wir eigentlich leben wollen.

Lese ich Miriam`s Satz mit den Augen von Menschen, die ihr Leben vielleicht gerade ganz und gar sinnlos finden, die einfach überleben, oder wie auch ich schon öfter, gerade gar keinen Grund finden, zu leben, und schon gar keinen Sinn, ist ein derartiger Appell eine große Herausforderung.

Ich denke an etwas Besonderes, etwas Herausragendes, Spektakuläres. Das leitet eine (fieberhafte) Suche im Außen ein. Was könnte das sein – mein großer Traum, meine Aufgabe, meine Seelen-Pflicht? Und ich verbinde damit den Anspruch – diesen einen Sinn zu finden.

Und dann mühe ich mich, um dieses Ziel, zu erreichen – ein sinnvolles Leben zu schaffen. Und dabei orientiere ich mich an großen Vor-Bildern: ein Kinderhilfsprojekt in Indien etwa, oder Bäume pflanzen, Nein, nicht einen Einzelnen sondern eine ganze Plantage, oder etwas vollkommen Neues zu erschaffen, oder im Hospiz Sterbende zu begleiten.

Mit derart Herausragendem darf ich mir selbst Anerkennung geben und auf den Applaus der Welt hoffen – glaube ich.

Und in der Tat konnte Le Shan feststellen, dass Menschen, die unheilbar an Krebs erkrankten, genasen, wenn sie ihren (Kindheits-)Traum aufgriffen und in einer ihnen (noch) möglichen Form realisierten. https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/

Diese Beispiele sind beeindruckend. Die Menschen griffen ihren innersten Lebensfaden auf und wurden gesund.

Es sind Zeugnisse von großem Mut und radikalen Wandlungen, die bis in die Biologie wirkten.

Diese Beispiele können uns jedoch auch blenden und wir könnten meinen, dass es derart spektakulär aussehen muss. Und vielleicht verhindert ja gerade diese Blendung, diese Aufforderung zum „Think Big“, (weil sonst ist das nichts und schon gar nicht hat es die Kraft der Heilung) eine persönliche Sinnfindung.

Auf der Suche nach diesem einen, das Leben überdauernden Sinn, übersehen wir vielleicht, dass jeder Moment sinnhaft erlebt werden kann. Dass ich die Sinnhaftigkeit meiner Existenz in kleinen Momenten erfahren kann, wo es mir zum Beispiel möglich ist, nett und freundlich und förderlich für andere Menschen zu sein, wo ich einen Kuchen backe, mich an den Zutaten, an meinem Tun und auch an der Freude der anderen erfreue, Momente, in denen ich etwas Tiefes erkennen kann oder einen Satz schreibe, der aus meinem Innersten kommt.

Dazu muss ich nicht Bäckerin werden, auch nicht Schriftstellerin oder Forscherin, wenngleich es gut ist, meinen „Freudenschaften“ zu folgen und ihnen Raum und Ausdruck zu geben, sodass aus den Knospen Blüten und Früchte werden können.

Als ich im November letzten Jahres auf der Intensivstation lag, und der Tod mir schon sehr nahe war, hatte ich eine Erkenntnis: Dass das Leben an sich wertvoll ist, dass es mir geschenkt wurde, dass ich leben darf ,und dass es einen Sinn hat, dass ich hier, zu dieser Zeit, an diesem Ort lebe. Das erste Mal habe ich diesen Sinn jenseits von äußerer Bewertung, dass meine Existenz nur einen Sinn hat, wenn ich etwas Großes leiste, erahnt.

Und so sitze ich hier in meinem Lieblingskaffee, dem Waldemar, und freu´ mich, diese Zeilen zu schreiben und weil ich ahnen kann, dass der Sinn meines Lebens vielleicht darin besteht, Aussagen, Gegebenheiten, Überzeugungen, Selbstverständliches zu hinterfragen und tiefer zu schauen.

Oder vielleicht in der Suche nach Wahrheit oder indem ich mein Leid als Basis für Mitgefühl anerkenne,  in der Befreiung von alten Belastungen oder in meinem eigenen Heilwerden…..

Vielleicht ist das ja so.

Vielleicht ist es aber auch so, dass ich in meinem Verbunden Sein mit meinem Tun, mit allem, was diesen Moment auszeichnet, auch wenn es nicht angenehm ist, in meinem Stillsein, das aus dem Einverstanden Sein entsteht, einfach die radikale Sinnhaftigkeit dieses, meines Lebens erspüren kann –  zart, unbeschreiblich vielleicht, und ganz und gar wahr.

Dann muss ich nicht wissen, ob ich, wie der liebe Rainer Maria Rilke es im oben zitierten Gedicht sagt, ein Falke bin, ein Sturm oder ein Gesang.

Dann lebe ich mit allem, was dazu gehört.

Ich koche, ich schreibe, ich gehe, ich spreche, ich meditiere, ich schaue, ich atme, ich leide – und Alles ist sinnvoll,

weil ich ganz dabei bin.

Das Leben vollzieht sich.

Einfach.

Fühlbar.

Sinnlich,

Und ganz und gar

Sinnvoll.














					

Die Auferstehung des Menschen

Die Auferstehung Christi gilt als ein Mysterium, das nur Jesus Christus vorbehalten scheint.

Es ist tief in uns im wahrsten Sinne des Wortes „eingefleischt“, dass die Materie Materie ist und damit fest und unveränderlich. Beziehungsweise ist sie nur durch massivste Einwirkung von Materie auf Materie zu verändern. Dies geschieht in der Onkologie zum Beispiel durch Chemotherapie, Operation und Bestrahlung, damit soll die Materie Krebs bekämpft und zerstört werden.

Dem gegenüber stehen Erfahrungsberichte von Menschen, die trotz einer außerordentlich schlechten Prognose und teilweise unter Verzicht auf derart materielle Einflussnahme geheilt sind. Berichte darüber finden sich zum Beispiel in Büchern wie „Spontanheilung“, „Du bist das Placebo“, „9 Wege zu einem krebsfreien Leben“ und „Geheilt“ (siehe dazu auch die Buchempfehlungen auf dieser Seite) oder auch das wunderbare Beispiel von Miriam Reichel, die ihren als unheilbar geltenden Krebs und eine Überlebensprognose von 8 Wochen mittlerweile um mehr als 17 Jahre vollkommen gesund und glücklich überlebt hat https://krebscoaching.org/2020/06/30/krebs-leben-die-kombination-der-moeglichkeiten/.

Auch in der von der Deutschen Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr herausgegebenen Zeitschrift „momentum – Gesund leben bei Krebs“ stellen immer wieder an Krebs erkrankte Menschen ihren Heilungsweg dar.

Diese Menschen haben sich, teilweise weil die Schulmedizin nichts mehr für sie tun konnte, zu einem eigenen (geistigen) Weg entschieden und siehe da – Heilung geschah. Sie sind auferstanden.

Auch wenn sich Auferstehung oftmals nicht derart spektakulär vollzieht, findet sie meiner Ansicht nach auf dem Krebsweg oft statt. Dann beispielsweise, wenn wir herausgefordert sind, für unsere Bedürfnisse, unseren Therapieweg und für unser Leben einzutreten. Aber auch, wenn wir nach einem langen Leidensweg wie Phönix aus der Asche auftauchen und wieder zu Kräften kommen. Auferstehung kann aber auch wie Manuela Mutschler es versteht als das Finden der eigenen Essenz verstanden werden  – siehe dazu http://www.helfendekräfte.com/2016/03/26.

Letztlich steht uns allen die Möglichkeit zur Auferstehung zur Verfügung wie es vom weisen Friedrich Benesch im Buch „Ostern“ so treffend beschrieben wird, nämlich im Sinne einer „Vollmacht über das eigene Bewusstsein, Vollmacht über die schaffende, liebevolle Seele, Vollmacht über die sich verwandelnde Selbst erzeugende Auferstehungs-Leiblichkeit“.

Oder um es in meinen Worten zu sagen:

Vollmacht über all mein Angelegt-Sein und mein geistiges Potential, auf dass ich aus der Determiniertheit der Gesetze der Materie mich erhebe und die Gesetze des Geistes auf die Materie wirken lassen kann.

Die wissende Lücke….

Der folgende Artikel ist erstmals im  FocusingJournal (Nr. 24, S. 20-23, 2010) erschienen. Er ist die Zusammenschrift eines Vortrages im Rahmen einer Psychoonkologietagung

Die wissende Lücke.

Zur Weisheit des Organismus im Leben mit Krebs

von Beatrix Teichmann-Wirth

Es war vor einem Jahr, im September 2008[1], als ich einer Einladung folgte, im Rahmen eines Psychoonkologie-Kongresses einen Vortrag zu halten. Ich wählte den oben genannten Titel.

Mein Vortrag sollte am letzten Tag des Kongresses stattfinden. Ich hatte in den Tagen zuvor Gelegenheit zu erfahren, wie sehr auch die Psychoonkologie – bei aller Anreicherung durch Menschlichkeit – in naturwissenschaftlichem Denken befangen ist.

Referiert wurden Ergebnisse basierend auf Untersuchungen an vielen Menschen. Die Psychoonkologie stellte sich auf diesem Kongress als eine „third person science“ dar, wie Gendlin all jene Wissenschaften bezeichnet, in denen die Person, das Subjekt, herausfällt. Dabei habe ich, inspiriert durch die Lektüre des Buches „Focusing und Philosophie“ (Wiltschko, 2008) die „Person“ vermisst.

Es war eine große Herausforderung, mich als diese „Erste Person“, die selbst von der Diagnose Krebs zweimalig betroffen war, zu zeigen. Der vorliegende Beitrag ist eine Abschrift meines Vortrages. Über große Strecken habe ich den Wortlaut des Gesprochenen beibehalten, um der Lebendigkeit des Moments Rechnung zu tragen.

Heute morgen, als ich mich entschieden hatte, zu Hause zu bleiben, um mich noch auf meinen Vortrag vorzubereiten, erhielt ich eine SMS von Birgit Konteh, einer Freundin und Mitreferentin: „Deinem Thema gemäß musst du dich wohl ganz persönlich heute der ‚Lücke’ aussetzen, um wissend zu werden – eine Absicherung gibt es nicht…“

Das hat mich sehr berührt. Eigentlich wäre es ja wirklich konsequent, jetzt die Situation hier zu „beantworten“. Das bräuchte Mut – Mut mir meine Zeit zu nehmen, auch wenn sie die mir zugestandenen 20 Minuten überschreitet; Mut für gute Bedingungen zu sorgen, also beispielsweise die Sessel umzustellen und mich um einen guten Platz zu kümmern; es bräuchte Mut zur Blöße, mich nicht hinter meinen Konzepten und Vorstellungen zu verstecken. Es bräuchte Mut, zu verzichten – darauf zu verzichten, alles, was ich an Gescheitem vorbereitet habe, auch vorzubringen. Letztlich bräuchte es Mut, dem Prozess zu folgen.

Durch all das ist auch ein krebskranker Mensch herausgefordert – mit der Notwendigkeit, für sich zu sorgen, und dem Mut, für sich einzutreten und oftmals auch Tabus zu brechen, wenn man die engen Grenzen der Konvention sprengt.

Und zuallererst bräuchte es Vertrauen – Vertrauen, dass alles da ist.

Ja, das bräuchte es jetzt: mich dieser wissenden Lücke auszusetzen, es darauf ankommen zu lassen, was sich jetzt offenbaren will – und – ich fühle, dass ich mich das jetzt gar nicht so ganz traue in diesem Kreis der vielen klugen Menschen.

So will ich sanft-mütig sein, mir und dem Ganzen Genüge tun und das geben, was mir jetzt angemessen erscheint.

So will ich im Sinne des Vortragstitels die noch verbleibenden Wissenslücken nicht mit Inhalten „stopfen“, sondern die „wissende Lücke“ offenhalten und in der Öffnung eines Erfahrungsraumes die Möglichkeit geben, mit diesem Wissen, das hinter einem vermeintlichen Unwissen liegt, in Berührung zu kommen.

Ich möchte Sie also einladen, mir mit einem – ich nenne es – „Ganzkörperohr“ zuzuhören.

 

Von einem inneren Ort

Der Ort, von dem aus ich spreche, ist ein innerer Ort. Es ist ein Platz, an dem ich jetzt, nach 10 Jahren Leben mit Krebs, angekommen bin. Das, was ich sage, gründet auf intensiver Selbsterforschung in dieser Zeit. Ich sage es im Vertrauen darauf, dass, wie Carl Rogers sagte, das Persönlichste das Allgemeinste ist.

Ich spreche auch von einem Ort, der meiner Krebserkrankung sehr dankbar ist, weil sie mir ermöglicht hat, mich auf den Weg zu machen und herauszufinden, dass es ein Leben hinter dem Erfüllen von Ansprüchen und äußeren Bewertungen gibt, mein Leben neu auszurichten nach diesem unsicheren und doch so ganz sicheren inneren organismischem Wissen.

 

Zwei „Felt Shifts“ – zwei Entscheidungen

Der Ausgangspunkt meiner Erkenntnisse über das Vorhandensein eines umfassenderen Wissens waren zwei Erfahrungen im Zuge meines Krebs-Ganges: Die erste Diagnose war zunächst ein großer Schock, der massive Angst in mir auslöste. Zugleich bemerkte ich, dass mein Bewusstsein angehoben war, sich mein Blick weitete und ich plötzlich sehr klar wusste, was jetzt zu tun ist. Diese unerschütterliche Gewissheit war mir unerklärlich, aber sie sagte mir unmissverständlich: „Ja genau, das tue ich jetzt. Von diesem Chirurgen lasse ich mich operieren, zu diesem Zeitpunkt, in diesem Krankenhaus.“

Die zweite eindrückliche Erfahrung: Nach der zweiten Brustkrebsdiagnose und im Zuge der starken unvorhersehbaren Nebenwirkungen der Bestrahlung erkannte ich, diesmal während meiner täglichen Meditation und wieder zweifelsfrei, eindeutig, mit absoluter Gewissheit, dass es darum geht, meine psychotherapeutische Praxis zuzusperren – was ich dann auch für eineinhalb Jahre tat.

Beide Erkenntnisse waren körperlich stark spürbar, im Sinne einer Öffnung, einer Erdung, so wie ein Ruck nach unten durch den Körper. Eugene Gendlin, nennt das „felt shift“.

Es gibt also etwas, das mehr weiß als ich, und dieses Etwas äußert sich, wenn ich ihm Raum gebe, in spürbaren körperlichen Reaktionen.

 

Die zweifache Realität

Im Hinblick auf die Realität einer Krebsdiagnose sind zwei Aspekte bedeutsam:

Durch den Einbruch der Diagnose in die Lebensrealität, in das Festgefügte, das immer schon so Gewusste eröffnet sich eine Lücke, und durch diese Lücke scheint ein Bewusstseinslicht – wenn es gelingt, sie offenzuhalten, ihr Raum und Zeit zu geben und somit hinter die Angst, die Wut, die Verzweiflung, das Anklagen und Hadern zu gelangen.

Das ist die eine Realität: die Eröffnung eines nicht determinierten, freien, offenen Bewusstseinsfeldes.

Die zweite, ebenso wesentliche Realität ist die äußere: die Reaktionen der Angehörigen in ihrer verständlichen Angst und Sorge, aber auch die Zugangsweisen der Betreuer, der Ärzte, die die Diagnosen mitteilen, und all der Betreuungspersonen, die rund um die Diagnosestellung an den Patienten herantreten.

Da gibt es also eine Lücke, einen Einbruch in das Strukturgewordene durch die Diagnose, ein, wenn auch erschrecktes Erwachen. Und dann gibt es eine Maschinerie, einen Ablauf, der eigenen Gesetzen folgt und der aus sich heraus erklärt auch verständlich ist.

Der von einer Krebsdiagnose betroffene Patient wird mit einer Vielzahl von Informationen konfrontiert, er ist vielen für ihn unbekannten Situationen ausgesetzt, und dies alles oftmals unter großem Zeitdruck. „Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit!“, ist eine der wesentlichen Botschaften. Alles drängt, zwingt, verengt.

Was bewirkt das? Die Lücke, gerade geöffnet, schließt sich erneut, und der Mensch kommt im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr vor.

Beim Schreiben merke ich, wie ich mich eingeladen fühle zu werten: „Ja, aber das ist doch auch notwendig und das muss man ja von ärztlicher Seite auch so machen“. Das ist es gerade, was ich vermitteln möchte: dass es hier nicht um ein Entweder-Oder geht.

Was ich sagen möchte, ist: Da gibt es ein tieferes, höheres Wissen darüber, was gut und heilsam für mich ist und welche Menschen, Orte, Behandlungsmaßnahmen von meiner Seele begrüßt werden. Dieses Wissen ist, so behaupte ich, in jedem Menschen vorhanden.

 

Mein „Spür-Wissen“ weiß mehr als ich

Dieses Wissen ist ein aus dem Körper Kommendes, es ist ein Spür-Wissen. Es ist der „Felt Sense“, dieser im Körper gefühlte Bedeutungsgehalt, der immer abrufbar ist. Man kann es auch Körperintelligenz nennen oder organismische Weisheit, zelluläres Wissen, Lücke des Impliziten, Intuition oder gefühltes Wissen.

Es ist ein Wissen, das über das, was ich weiß, hinausreicht. Es ist neu, noch nie gedacht, überraschend und ganz gewiss. Es ist ein Wissen, dass alle Umstände, alle Fakten, alle relevanten Bezüge einschließt. Es schließt die vergangenen Erfahrungen ebenso ein, wie auch die weiterführenden Schritte, die mein Leben auf „richtige“ Weise fortsetzen.

Wie Gendlin sagt: „Der Felt Sense hat in sich implizit eine ganze Menge Verbindungen“ (in Wiltschko 2008, S. 88). Carl Rogers (1959/1987) nennt dies „organismische Bewertung“ – im Gegensatz zur Bewertung, die aufgrund von Konzepten und äußeren Bewertungskriterien erfolgt.

Mein Organismus weiß, und er weiß mehr als Ich.

 

Innehalten, um sich zu spüren

Damit sich dieses Wissen entfalten kann, braucht es zuallererst Zeit-Räume – „Frei-Raum“ wird das im Focusing genannt. Ein Verweilen mit dem, was jetzt ist. Und das ist ja auch ganz natürlich. Wenn wir uns verirren, wenn unsere Landkarte des Lebens nicht mehr gilt, wie das bei einer Krebsdiagnose der Fall ist, halten wir zunächst an, wir halten inne, wir folgen sodann unserer Intuition.

Es gilt also, den Menschen einzuladen innezuhalten, mit sich in Fühlung zu kommen, sich in seiner inneren Antwort auf die Komplexität der Situation wahrzunehmen. Diese Antwort wird sich vielleicht nicht sofort einstellen, und dann ist sie da, diese Lücke des vermeintlichen Unwissens.

„Wenn man eine ganz komplizierte Situation hat, die noch nie jemand ganz genau so gehabt hat, und daher das, was in der Blaupause vorgesehen ist, nicht mehr passt – es geht nicht mehr, so wie gewohnt weiterzuleben, und das, was geht, weiß man noch nicht; der Atem ist angehalten und dann impliziert der Körper einen nächsten Schritt. Der ist so wie Ausatmen. Und doch ist er ganz neu“ (Gendlin in Wiltschko 2008, S. 119).

Wir sind nicht gewohnt, unser Inneres, unseren Körper zu befragen. Wir versuchen viel eher, über Gedanken und innere Dialoge herauszufinden, was richtig ist zu tun.

 

Verweilen im Un-ge-wissen

Verweilen im Ungewissen braucht Vertrauen, Vertrauen eben in jenes dahinterliegende Wissen. Gendlin sagt einen schönen Satz: „Es ist immer jemand drinnen“ (in Wiltschko 2008, S. 136).

Da ist immer jemand drinnen hinter dem Krebs, im Krebs, um den Krebs herum. Und diese Person, dieser Mensch, den gilt es aufzusuchen, dieses Ich, das den Krebs hat. Oft scheint es so, als ob nur der Krebs da wäre oder nur die Gefühle zu der Diagnose.

Krebs jedoch war zumindest für mich eine wunderbare Möglichkeit zu erfahren, dass ich mehr bin als meine Geschichte, meine Rollen, meine Definitionen, meine Beziehungen, mein Beruf, mein Determiniert­sein, und selbst mehr als meine Erkrankung. Dahinter, darüber hinaus, darunter bin ich, wer ich wesenhaft bin.

 

Was braucht das von uns Betreuern/­Therapeuten/Ärzten?

Zuallererst die Bereitschaft, mit sich in Fühlung zu kommen, ebenso innezuhalten, mir meiner Gefühle, meiner Gedanken, meiner Konzepte zu dieser Diagnose dieses Menschen bewusst zu sein. Das ist nicht analytisch zu erfassen, sondern nur im Wahrnehmen des Felt Sense, dieses körperlichen Gespürs über das Ganze, über die ganze Situation zu erfahren.

Es braucht sodann eine Bereitschaft, sich dem Kontakt jetzt zu öffnen, in Verbindung mit diesem betroffenen Menschen zu treten und mich von ihm anstimmen zu lassen, jetzt, im Bewusstsein, dass es nicht meine Gefühle sind, sondern die des Patienten, welche ich über meine „organismische Resonanz“, wie Wiltschko (1992) es nennt, über diese tiefe körperliche Empathie in mir wahrnehme. Wilhelm Reich (1948/1989) nannte das „vegetative Identifikation“.

Dann ist es möglich zu spüren, ob der Patient die Behandlungsmethode ablehnt, weil er aufgrund von Mitteilungen oder Vorurteilen Angst vor ihr hat, oder weil dieses tiefe Etwas in ihm weiß, dass sie ihm nicht zum Heil gereicht. Dies gilt es auszuhalten – auch im Wissen, dass das Ja des Patienten zur Therapie ein heilsamer Faktor ist (Teichmann-Wirth, 2002).

Angereichert durch die fachlichen Informationen kann sodann ein Kreuzen stattfinden zwischen dem Felt Sense und den relevanten Fakten. Und auf dieser ganzheitlichen Basis kann dann das Verhalten „implizit gesteuert“ sein[2].

 

Der nächste kleine Schritt

Eigentlich ist alles ganz einfach. Es fängt ganz basal und damit banal anmutend an. Es ist wie mit dem Sitzen auf diesen Sesseln hier im Raum. Da gibt es einen Sessel, der mich mit seinen Lehnen begrenzt, und es gibt eine Freiheit, eben in dieser Begrenzung die jetzt stimmigste Haltung einzunehmen. Jene Haltung, die ein gesamtorganismisches Ausatmen auslöst: Ja, genau so ist es richtig. Das ist die Freiheit in der Determiniertheit.

Gendlin sagt, der Körper impliziert den nächsten Schritt. Dieser nächste Schritt trägt den Lebens-Prozess weiter; das ist ganz selbstverständlich, weil das Leben das so will oder, um mit Gendlin zu sprechen: „Das Ziel ändert sich, aber dass man leben will, ändert sich nicht. Es will leben, von Anfang an“ (in Wiltschko 2008, S. 120).

Krebskranke Menschen sind oft mit einer Vielzahl von Ratschlägen konfrontiert und auch mit der angstgetönten Überzeugung, dass sie ihr Leben zu ändern haben und zwar radikal und sofort. Das ist oft nicht zu machen.

Aber was ich tun kann, ist, zunächst dieses Nicht-mehr-weiter-Wissen, diese Lücke zu würdigen, sie da sein zu lassen und mich dann zu fragen, was ein guter nächster, vielleicht kleiner Schritt wäre.

Mit jedem kleinsten angemessenen, guten Schritt bekräftigen wir unsere Lebenskompetenz und fördern eine lebensbejahende Qualität. Um mit Le Shan (1989) zu sprechen: All diese Schritte sind wie Noten unserer Lebensmelodie, einer Melodie, die wir so vielleicht noch nie vernommen haben und in der immer wieder neue Harmonien, Obertöne und Bassstimmen hinzukommen, die aber immer unsere ureigenste Melodie ist.

In all der Endlichkeit, die uns im Leben mit Krebs so bewusst wird, eröffnet der gute Schritt, das „stimmige Jetzt“ ein zeitloses Fenster, in welchem die zeitliche Grenze unbedeutend wird.

Es ist eine große Herausforderung für den (psychotherapeutischen) Begleiter, immer wieder für die Bedingungen zu sorgen, die ermöglichen, dass die nächste Gedichtzeile im Leben des von Krebs betroffenen Menschen geschrieben werden kann. Dies erfordert eine Würdigung des Stockens, eine Würdigung des Steckenbleibens und des Noch-nicht-Wissens. Es erfordert Vertrauen. Vertrauen in dem von meinem Lehrer Michael Smith ausgedrückten Sinn, der einmal zu mir sagte: „Life is bigger than you.“ Letztlich geht es um ein tief verankertes Wissen, dass das Leben nicht mit dem Tod des Körpers endet, sondern sich immer weiter über den physischen Tod hinaus fortsetzt, sich weiter-lebt.

 

Literatur

Le Shan, L. (1989). Diagnose Krebs. Wendepunkt und Neubeginn. Stuttgart: Klett-Cotta

Reich, W. (1948/1989). Charakteranalyse. Köln. Kiepenheuer&Witsch

Rogers, C.R. (1959/1987). Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Entwickelt im Rahmen der des klientenzentrierten Ansatzes. Köln. GwG

Teichmann-Wirth, B. (2006). Von der Seele begrüßt. Das Ja zur Therapie als heilender Faktor. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (Hrsg.), Mitteilungen der Sanitätsverwaltung, 107, 11, 9-13

Teichmann-Wirth, B. (2008 ). (M)eine Krebserkrankung. Eine personzentrierte Wegbeschreibung. In M. Tuczai, G. Stumm, D. Kimbacher & N. Nemeskeri (Hrsg.). Offenheit und Vielfalt. Wien: Krammer

Wiltschko, J. (1992). Von der Sprache zum Körper. Focusing Bibliothek. Bd 2. Würzburg: DAF

Wiltschko, J. (Hrsg.) (2008). Focusing und Philosophie. Eugene T. Gendlin über die Praxis körperbezogenen Philosophierens. Wien: Facultas

 

 

 

 

 

[1] Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Psychoonkologie (ÖGPO) vom 3.-6.9. 2008 in Baden bei Wien

[2] „Kreuzen“ und „implizit gesteuert“ sind zwei Termini in Gendlins körperbezogener Philosophie (siehe Wiltschko 2008, S. 102ff)

Taumel Taumel….klingelingling

Welch´ eine Zeit! Keine Spur von der viel gerühmten Besinnlichkeit und Stille.

Ein Rauschen und Tosen ist das seit dem ersten Krebsverdacht, einen Tag vor meinem Geburtstag.

Seit dem geht´s rund.

Mein ohnedies schon zur Aufregung neigendes Nervensystem ist außer Rand und Band.

Ja, ich weiß, grad dann sollte ich keinen Kaffee trinken, nicht mal einen einzigen. Besänftigende Kräutertees wären da indiziert. Stattdessen nütze ich jede Gelegenheit  – Untersuchung, Befund abholen, Bewilligung hinbringen, um mich in das nette Kaffee Franze http://xn--kaffeersterei-omb.wien/am Rande des Kutschkermarkts zu setzen.

Wie eine Oase ist das, und da könnte ich mir gleich einen zweiten bestellen, was ich natürlich dann doch nicht tue.

Ich sollte vieles tun oder nicht tun, wenn ich meinen Ansprüchen gerecht werden will. Natürlich meine Yoga-  und Meditationspraxis konsequent fortsetzen, wie ich es über Jahrzehnte getan habe. In die Stille gehen käme jedoch einer Vollbremsung eines Lastwagens gleich, und so mache ich das jetzt mal nur, wenn es mich wirklich danach verlangt.

Und dann ist es gut und besänftigend, aber nicht, wenn ich gleich einen neuen, mich stressende Auftrag draus mache – dass ich das jetzt wirklich wieder regelmäßig aufgreife, weil es mir doch gut tut.

Auch sollte ich natürlich weiterhin Sport machen, und manchmal zieht es mich auf den Rathausplatz, um meine Runden am Eis zu ziehen. Oft bleibe ich jedoch lieber zuhause, wo kein Wind und die Masse der Menschen mich noch mehr durcheinander bringt.

Ja, da gibt es so einiges, was nicht meinen hehren und auch wohl erprobten Anforderungen an mich gehorcht.

So ist das jetzt.

Sehr anders ist es, als es bei den letzten beiden Malen war, als ich mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war, und ich spüre auch eine leise Enttäuschung (über mich) und ein Bedauern, dass es mich diesmal nicht sogleich an diesen inneren Ort bringt, wo es still und zentriert ist.

Diese Vor-Stellung, dass es so sein muss, damit es heilsam ist, möchte ich jetzt einmal hingeben und mich dem (jetzt halt reißenden) Strom der Erfahrung überlassen – im Vertrauen, dass alles gut ist, so wie es ist, wenn man es da sein lässt, oder wie mein lieber Lehrer Michael Smith sagte: „Life is bigger than you“ – sowieso.

So will ich jetzt aufstehen, vielleicht den Sauhaufen am Schreibtisch beseitigen, dann vielleicht einen Kaffee trinken, den restlichen Teig zu Vanillekipferl formen – sehr beruhigend! – und dann weitersehen, was ich bis zum heutigen nachmittäglichen Termin bei der Chirurgin noch mache – vielleicht doch raus in die Sonne gehen?

Vom Müssen, Dürfen und Wollen – das Wollen

Nein, kein roher Apfel jetzt, mag er noch so gesund sein.

Vielleicht etwas Warmes oder etwa gar nichts?

Nein, nicht hinausgehen jetzt, auch wenn ein strahlend schöner Tag ruft.

Mich hinlegen, hier auf mein rotes Sofa – am hell-lichten Tag.

Nein, keine Nachrichten hören und auch keine Freundin anrufen.

Einfach still sein.

Vor einem Jahr habe ich mit einer Blogserie zum Thema „Vom Müssen, Dürfen, Wollen“ (https://krebscoaching.org/2016/10/; https://krebscoaching.org/2016/11/13/ueber-das-muessen-duerfen-und-wollen-teil-2-das-duerfen/)  begonnen.

Es hat eine Zeit gebraucht, um zum Wollen zu kommen.  Nun ist er da. Frisch, ohne lange dran zu basteln, entstand er aus meinen Morgenseiten.

Einfach so.

Wollen, wie ich es meine, ist frei und bedürfnisnah. So sind auch die sogenannten höheren Bedürfnisse, wie die in der Maslow´schen Bedürfnishierarchie genannten Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und Transzendenz, meinem Verständnis nach, in enger Verbindung mit dem Organismus.

Sie entspringen nicht leibfernen oder vielleicht sogar leibfeindlichen Ideen bestimmter Lebens- und Gesundheitspraktiken, weil ich mich dann als ein besserer und an seiner Gesundheit engagierter Mensch fühlen darf.

Nein, wirkliches Wollen entspringt einer tiefen organismischen Quelle.

Ganz natürlich.

Ich muss mir nichts vornehmen – dass ich z.B. jetzt wirklich endlich mit etwas „Gesundem“ beginne. Ich mache es oder auch nicht. Keine Auflagen. Zuerst Aufräumen in meinem Inneren, Bereinigen von (selbst) auferlegten Ideen, Konzepten, was gut, richtig und gesund ist.

Re-Set.

Natürlich ist es hin und wieder oder öfter mal so, dass wir uns den Zugang zu unseren organismischen Bedürfnissen im Wortsinn ver-baut haben. Weil ich zum Beispiel über lange Zeit verklebende und den Körper irritierende Nahrungsmittel zu mir genommen habe, oder weil ich mich schon von früh morgens, gleich nach dem Aufwachen mit (Internet-)nachrichten füttere.

Dann kann eine Bereinigung anstehen. Auch dieses Bedürfnis entsteht aus einer vitalen Erkenntnis.

Oh ja, da freu ich mich, weil ich sogleich spüren kann, dass ich meinen Körper damit entlaste. Da freu ich mich, wenn ich merke, wie sich eine Zuckerkarenz auf meine Wachheit, mein Wohlbefinden auswirkt. Und ich wieder frei bin – mich an Bewegung zu freuen, am Tanzen, Yoga und was immer mich beglückt.

Dann hab ich den organismischen Faden aufgegriffen, hab mich erneut eingeklinkt in den Strom des Lebens.

Und dann weiß ich, was jetzt dran ist, und das wird sich rhythmisch immer wieder verändern – nein, heute nicht laufen, weil ich mehr kontinuierliche Erdnähe brauche, heute vielleicht walken, wo ich in aller Ruhe herum schauen kann, atmen oder einfach spazieren gehen.

So können wir täglich die Re-Set-Taste drücken und von Neuem spüren, was dran ist.

Für mich sind hier die Tagesanfänge bedeutsam – mir Zeit zu lassen, in der Welt anzukommen, in den Tag hinein zu gleiten.

Ganz wichtig ist für mich dabei, abzuwarten, wann sich wirklich Hunger meldet – (das ist bei mir zum Beispiel erst nach einigen Stunden nach dem Aufwachen). Dann ist es gut, dem Rechnung zu tragen,  und nicht meinen Magen gleich nach dem Aufstehen zu füllen, auch wenn das von verschiedenen Ernährungswissenschaften propagiert wird.

Nur dann, wenn ich wirklich Hunger habe, kann ich, oder vielmehr mein Organismus, nämlich spüren, was wirklich gut ist, zu mir zu nehmen. Wenn ich hier genau bin – ist es heute ein warmes Porridge, eine Schnitte Brot, ein Smoothie oder Obst, dann steht der Tag auf einem guten Fundament. Dann bin ich nicht von vornherein belastet und in einer „organismischen Schräglage“.

Über meine Aufrichtung kann ich mich sodann von himmlischen Inspirationen speisen lassen, gehe gut gegründet auf der Erde meinen Tages-Weg und bin, da ich ja nicht mit dem Verdauen von schwer oder gänzlich Unverdaulichem beschäftigt bin, offen für das, was zu tun ist, und was von den anderen zu mir kommt.

Ja So Ist Es. Und das ist dann wahrlich ein gutes, freudvolles Leben.

Von der Patientin zur Zeugin

Patiens bedeutet im Lateinischen erleiden, erdulden.

In der Tat spielt das Erleiden und Erdulden im Zusammenhang mit Krebs eine große Rolle.

Zunächst ist es die Diagnose, welche ins Leben herein bricht, teilweise aus heiterem Himmel. Sogleich wird das medizinische System aktiv, mit all den Maßnahmen, die aus dieser Sicht notwendig sind, und die sofort angewandt werden sollen.

Da ist es schwer, aufrecht zu bleiben, die eigene Selbstwirksamkeit zu bewahren, das Ebenbürtige, Autonome und Eigenverantwortliche. Grad noch ein selbstbewusster, erwachsener Mensch wird man alsbald zum Patienten.

So taumeln viele Menschen (zu) schnell in sehr fordernde Therapien, zu welchen sie sich nicht mit vollem Bewusstsein entschieden haben, weil dafür keine Zeit gegeben wurde. Und dann – innerlich nicht ausreichend vorbereitet – erleiden sie all die Prozeduren, welche an ihnen angewandt werden.

Ich konnte am eigenen Leib erfahren, wie wesentlich es ist, sich für die Therapiewahl die je eigene Zeit zuzugestehen. In meinem Fall waren es über 4 Monate, um mich für die Bestrahlung zu entscheiden – trotz des Drucks von allen Seiten.

Die Entscheidung bezog nicht nur die statistischen Daten, die Nebenwirkungen und Gefahren mit ein. Sie wurde aus einer tieferen Ebene meines Organismus getroffen, oder wie ich es einmal in einem Vortrag beschrieb: Sie wurde von meiner Seele begrüßt.

Voll entschieden zu dem Zeitpunkt des Bestrahlungsbeginns und des konkreten Ortes – dort wo die Räume hell und einladend sind, verfügte ich über ein gutes Fundament, um die Therapie nicht bloß zu erleiden sondern mitzutragen.

Und – es war zu allererst eine sehr intensive, bereichernde, gute Erfahrung.

So machte ich mich – das mag jetzt sehr ungewöhnlich klingen –  freudig täglich auf den Weg ins radioonkologische Institut des KFJ. In der Wartezeit konnte ich vieles wahrnehmen, Menschen in unterschiedlichen Phasen der Erkrankung, verschiedenen Alters und Geschlechts, doch vereint in der Diagnose Krebs – ein intimer Kontakt der Schwesterlichkeit.

Ich fühlte mich in meiner Mitmenschlichkeit berührt und wurde als Mensch berührt.

Auch  der Kontakt mit dem röntgentechnischen Personal, welches im Wissen der schwierigen Situation besonders behutsam war, war wohltuend.

Dann die Erfahrung des Bestrahlungsprozederes: Mich hinlegen auf die Liege, das Bestrahlungsfeld wird eingestellt, alle verlassen den Raum, eine rote Lampe leuchtet auf, ein warnendes Geräusch ertönt, und ich bin allein, für ein paar Minuten, kon-zentriert, dass die Strahlen nur dieses bestimmte Areal be-treffen, dass sie heilsames Licht sind, die meine Krebszellen umhüllen. Das alles war zu allererst eine sehr intensive Erfahrung, und ich war dankbar dafür.

Natürlich ist eine derartige Haltung weit schwieriger, wenn man es mit größeren Beschwerden zu tun hat, etwas mit der Übelkeit, den Sensiblitätsstörungen, dem unangenehmen Geschmack im Mund usw. während einer Chemotherapie.

Aber auch da ist es manchen Menschen möglich, in der wertungsfreien Wahrnehmung zu bleiben. So war ich sehr beeindruckt im wunderbaren Buch von Sandy Boucher “ Im Herzen des Feuers. Eine buddhistische Frau durchlebt Krebs“ zu lesen, wie sie vollkommen geschwächt durch die Erkrankung und die Behandlung das nahezu unmögliche Stiegensteigen zu einer Achtsamkeitsübung nützte.

Ich möchte diesen Text nicht als Aufforderung zum positiven Denken verstanden wissen, als ein Schönreden von Leid.

Möchte vielmehr aufzeigen, dass es meistens – außer ich habe es mit überwältigenden Schmerzen und Schwäche zu tun – einen Frei-Raum gibt, die Situation in ihrer Vielschichtigkeit wahr zu nehmen, wozu auch die Intensität der Situation zählt, die vielen Facetten dieser Erfahrung – meine Gefühle, meine Empfindungen  – und auch das Gute – die Fürsorge, die Zuwendung, das Engagement, die Hilfe und Unterstützung.

Die Krebserkrankung konfrontiert uns mit dem (scheinbar!) Unausweichlichen. In unserer Stellungnahme dazu sind wir frei.

Wir sind frei in der Qualität der „zärtlichen Bejahung“, das anzuerkennen, was ist.  Wir sind frei, sich all dem, was wir zu erleiden haben bereit-willig zuzuwenden und diese intensive Erfahrung zu erkunden.

Dann schwindet das Erleidende gegenüber der aktiven Zeuginnenschaft.

Und ich werde von einer Patientin zu einem Menschen, der die dem Mensch-Sein innewohnende Freiheit realisieren kann.

Die Disziplin der Lust

Sport, regelmäßige Bewegung, Meditation, gesundes Essen, Chi Gong oder Yoga – all das regelmäßig und konsequent durchgeführt gilt als gesund und im Fall einer Krebserkrankung als unerlässlicher Teil einer Rezidivprävention.

Viele von einer Krebsdiagnose betroffene Menschen übernehmen die Verantwortung für ihre Gesundung und tragen in diesem Sinne ihren Beitrag bei.

Konsequent erfüllen sie ihr Heilprogramm, auch wenn sich bereits ein leichter oder schwererer Widerwillen breit macht.

Zu groß ist die Angst, aus der Disziplin heraus zu fallen und sich damit aufzugeben.

Diese Disziplin ist an sich etwas Gutes – wir übernehmen Verantwortung für unser Leben und unsere Gesundheit, und wir bleiben auch dran, wenn es uns heute nicht genehm ist.

Ich konnte jedoch an mir selbst und an einigen KlientInnen erkennen, dass sich diese Disziplin auch gegen uns wenden kann.

Eine so verstandene  Disziplin, die starr befolgt wird und ohne Spielräume ist, verengt und dimmt das Lebenslicht. Es wird zur ungeliebten Hausübung und die Verbindung zur gefühlten Sinnhaftigkeit geht verloren.

Da braucht es einen Feinschliff, eine Anpassung an die Wirklichkeit, wie sie jetzt ist.

Es braucht ein anderes Verständnis von Disziplin –  nicht eine, die etwas durchzieht gegen alle innere Rebellion und Nein´s,.

Es braucht eine Disziplin, die meinem Körper, mir folgt, die mir konsequent treu bleibt in den stets sich verändernden Bedingungen. Al Baumann nannte dies die Disziplin der Lust –  eine Disziplin, die die Pulsation, die Ausdehnung, die Lebendigkeit fördert.

In einer meiner Beratungsstunden mit einer Frau, die von einer Krebsdiagnose betroffen war, zeigte sich eine derartige Erschlaffung der Freude und Begeisterung in ihrer täglichen Heilpraxis. Dennoch wurden die Energie- Übungen weiter  in voller Länge durchgeführt.

Ich lud sie ein, mit ihrem organismischen Spürsinn jede einzelne Einheit in ihrem Programm hinsichtlich der Stimmigkeit abzutasten.

Stimmt es jetzt grundsätzlich noch, die Energieübungen zu praktizieren?  Wie steht es mit den Visualisierungen?  Sind die überhaupt noch gebraucht, sollten sie adaptiert werden, weniger Simonton´sche Ritter, die noch vor ein paar Wochen so dienlich waren und vielleicht anstelle dessen mehr Vorstellungen über ein Aufkeimen von Gesundheit und heilstrahlender Zellen?

Das ist eine subtile Arbeit, und wie immer in meinem Ansatz ist dies keine intellektuelle Betrachtung. Nein, es ist das Instrument der organismischen Resonanz, welches uns spüren lässt, was jetzt dran und damit lebensfördernd ist.

Und oft ist es nicht ein „ganz-oder-gar-nicht“, wo wir das Kind mit dem Bade ausschütten, indem wir ganz mit einer für uns grundsätzlich guten und förderlichen Praxis aufhören.

Im oben beschriebenen Fall meiner Klientin teilte ihr ihr Organismus mit, dass es darum ging, die „Daumenschrauben“ zu lockern, nein nicht ganz mit den Energie- Übungen aufzuhören, aber auch nicht 1 1/2 Stunden täglich üben zu müssen, sondern z. B. eine Minimalzeit der täglichen Praxis festzulegen, eine Zeitspanne, wo sie sich freudig dran machen kann, zu üben, oder aber ohne vorgegebene Zeit ins Üben zu gehen, und dem Körper Gehör zu schenken, wann es Zeit ist, für heute zu enden.

Diese Feinabstimmung ermöglichte ihr, weiter dran zu bleiben, im Gefühl, dass sie einen Beitrag zum Gesundwerden leistet, jedoch ohne Anstrengung und Belastung.

Ich bin überzeugt, dass für ein Heilwerden nicht so sehr  ausschlaggebend ist, was wir tun, sondern die innere Einstellung, letztlich die Freude, die Begeisterung, die gefühlte Sinnhaftigkeit bei dem, was wir tun.

Wenn wir damit in Fühlung sind, können wir erkennen, dass sich stets alles verändert und dass das, was wir vor Wochen noch ganz begeistert machten, an Engagement und Kraft verliert.

Warum? Weil es nicht mehr in der Art notwendig ist. Das weiß unser Körper nämlich, weil alle Informationen in ihm gespeichert sind.

Und wenn wir diesem steten Wandel im Sinne einer Feinabstimmung unseres Tuns Rechnung tragen, kommt Freude auf.

Wie schön!

Ich darf mein Yoga machen, es fühlt sich gut an.

Was für ein Geschenk!

Für die Heilung ist es nie zu spät

Zumeist spricht man bei Krebs von Heilung, wenn ein Mensch gegen den Krebs angekämpft und den „Kampf“ gewonnen hat.

Er/ sie darf in diesem Prozess nicht aufgeben, die Hoffnung nicht verlieren, muss alles dran setzen, an der Heilung zu arbeiten, alles, was möglich ist, dafür tun, um gesund zu werden. So wird es an die Menschen herangetragen. Das ist ein enormer Druck.

So werden alle Möglichkeiten der Schul- und Komplementärmedizin in Anspruch genommen, Heiler und andere Helfer aufgesucht und Tausende Euro ausgegeben, um ja keine Möglichkeit auszulassen, „den Krebs zu besiegen.“  Das ist verständlich.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von Beispielen, wo Menschen – wie es heißt – aufgegeben wurden, wo sie hören mussten, dass man nun leider wirklich nichts mehr für sie tun könne, und sie sich noch eine schöne letzte Zeit machen sollten,  und wo sie letztlich zum Sterben nach Hause entlassen wurden.

Und – die, ohne sichtbares Zutun, eine vollständige Heilung erfuhren.

Von drei Frauen, bei welchen eine derartige Totalremission wie eine Spontanheilung auch genannt wird, stattfand, will ich erzählen:

Teil 1 : Die heilende Kraft des Hier und Jetzt

Stefanie Gleising berichtet in ihrem gleichnamigen Buch von ihrer „wundersamen Heilung“.

Sie, die mit der Diagnose  Brustkrebs konfrontiert war, hat wirklich alles versucht, was an Möglichkeiten zur Verfügung stand – von der Operation, über Virenimpfung, Hyperthermie, Mistel, Infusionen mit Vitamin B17, Hormontherapie, Sport, Meditation, Lachtherapie bis zur Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen.

Und dennoch – der Tumor wuchs und streute, bis in die Knochen und ins Gehirn.

Jedoch –  immer wieder, bei all dem Stress und der Angst tat sich ein Feld des Friedens, der Stille und der Glückseligkeit auf.

Sie schreibt: „Ich musste so viel loslassen, meine Brust, Sport machen zu können, ein schmerzfreier Körper. Vor allem aber die Illusion, die Zukunft planen zu können. Im Grunde kann das keiner wirklich, auch die scheinbar Gesunden nicht. Dies alles katapultiert mich immer wieder direkt ins Hier und Jetzt. Manchmal kann ich dann weinen vor Liebe und Dankbarkeit, dass alles so ist, wie es ist.“ S. 199

Im sogenannten Endstadium ihrer Krankheit angelangt, kann sie nichts mehr zu sich nehmen, verliert dramatisch an Gewicht und dämmert immer länger einfach vor sich hin.

Sie ist mittlerweilen so schwach, dass sie einverstanden ist, diesen letzten Abschied – von ihrem Zuhause – zu vollziehen und in ein Hospiz zu kommen.

„Jeden Tag kamen Menschen, um sich von mir zu verabschieden. Doch anstatt zu sterben, geht es mir von Tag zu Tag etwas besser“. S. 205

Und sie – die Todkranke – kann nach einer Woche ein erstes richtiges Frühstück mit allem Drum und Dran, einem Ei, Saft, Kaffee, Topfen, Marmelade und Brötchen zu sich nehmen.

Bald kann sie in eine kleine Ferienwohnung im Hospiz übersiedeln, und nach ein paar Monaten sitzt sie wieder auf ihrem Pferd. Da sie seit 2014 keine schulmedizinische Behandlung mehr erhielt, gilt sie als geheilt.

Was trug zu dieser Heilung bei:

War es vielleicht der kathartische Traum vom KZ, den sie am Weg ins Hospiz hatte?

War es die Liebe und die unterstützenden Gedanken von vielen, vielen FreundInnen?

Oder das Absetzen eines Medikaments durch eine Hospizärztin, oder die Verdreifachung der Schmerzmitteldosis, wodurch sie leichter ins Hier und Jetzt zurückkehren konnte, da die Schmerzen sie nicht mehr vollständig bannten?

Oder war es das Auf- und Hingeben von allem Wollen, von den Illusionen dessen, was wir zu sein haben, oder wie sie selbst Markof Niemz Buchtitel zitiert: sich selbst verlieren und alles gewinnen.

Das Buch ist jedenfalls ein starkes Dokument dafür, dass egal, „wie schlimm die Umstände auch sind, es Hoffnung auf eine positive Entwicklung gibt“ S. 235

Und dass es immer wieder darum geht, ganz ins Hier und Jetzt zurück zu kehren und zu erkennen, „dass jede Situation, so schlimm sie auch nach außen sein möge, irgendwo auch einen Grund zur Freude bietet.“

Das können wir tun. Das ist unsere Wahl – zwischen einem Leben in Angst über eine unbestimmte Zukunft zu verharren oder uns für die Heilkraft des Moments zu öffnen.

Für mich ist es – das ist natürlich eine Interpretation, welche von der Autorin verifiziert werden müsste –  die Hingabe, das vollständige Ja zu allem Geschehen, ja auch das Aufgeben von Lebenswillen im Einverständnis für ein Hospiz, welche die Wende bringen kann.

Es ist damit nicht (nur) der oben genannte Kampf, wiewohl alle Beiträge zur Gesundung vielleicht doch auch eine Basis für die Heilung bildeten.

War es  letztlich vielleicht vielmehr das Ja zum Schicksal, an diesem Krebs sterben zu müssen, sich von allen lieben Menschen wirklich ein für allemal zu verabschieden, welche dann die Wendung brachte. Und dass es sich bei dieser Heilung um eine radikale Wendung handelte, kann man an der raschen Erholung – bereits nach wenigen Tagen – erkennen.

Diese radikale Wendung scheint sich für mich ganz von innen – aus dem innersten Zentrum heraus – ereignet zu haben. Ein Prozess, der sich vielleicht gerade nur in jenem Dämmerzustand, im vielen Schlafen, im mehr drüben als hier Sein ereignen kann.

Wenn wir diesen Gedanken glauben, was würde das wohl für unser Verständnis von Heilung und der dafür notwendigen Prozesse bedeuten? Wären wir dann nicht angehalten, die Menschen nicht zum weiteren dagegen Kämpfen, sondern zum Anerkennen und Sein Lassen, zur Tiefe  zu ermutigen?

Viele Fragen, auf welche nur die wirklich davon Betroffene Antworten finden werden. Dazu bräuchte es genaueste tiefgehende Fragen, nicht bloß einen Fragebogen, sondern prozessorientierte Untersuchungsmethoden, die vieles offen lassen, so dass nicht einfach Altbekanntes wiederholt, sondern Neues ergründet und erforscht wird. Und wo mein Organismus als Resonanzraum genutzt wird.