Die Ärztin – oder was wirklich wichtig ist

Seit die Entscheidung gefallen ist, werde ich immer wieder von großen Ängsten ob der Folgen (Narkose, Schmerzen, Aussehen….) überfallen. Dann stelle ich sie in Frage, mache, wie ein wunderbares Buch von Tiziano Terziano heißt, die nächste Runde am Karussell. Um mich erneut an dem Punkt wieder zu finden: Ja es ist richtig, wie ich entschieden habe.

So war es auch gestern früh auf dem Weg ins Krankenhaus, wo ein neuerliches Gespräch mit meiner Chirurgin vereinbart war.

„Ich will Sie nicht lange aufhalten“ sagte ich gleich zur Begrüßung und wollte in diesem Sinne zügig meine Fragen vorbringen. Deshalb habe sie ja den Termin an das Ende eines Dienstes gelegt, damit wir Zeit haben, alle Fragen zu klären, entgegnete sie.

Und die wurden dann auch alle ganz genau beantwortet: Ich gehe in der Folge detaillierter darauf ein, weil sie für andere Patientinnen von großer Bedeutung sind, damit das Operationsergebnis vom medizinischen wie auch ästhetischen Gesichtspunkt ein gutes ist (siehe dazu auch das Buch von Susan Weed – Brustgesundheit/Brustkrebs, das ein wahrer Schatz an Anregungen und Wissen ist- https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/).

Wie ist das Prozedere genau bei dieser Operation, wie kann ich sie mir vorstellen?

Ich finde es wichtig für meine Vorbereitung, dass ich ein gutes Bild dazu habe, damit ich die Operation innerlich begleiten kann. So finde ich die Vorstellung, dass das Gewebe Schicht für Schicht abgetragen wird –  besser als die, dass mir die Brust abgeschnitten wird.

Der Schnitt ist so kurz wie möglich, sie wird selbst nähen und das subkutan, sodass die Narbe so schön wie möglich wird. Wie die Narbe letztendlich aussieht hat sehr viel mit der Art des Nähens zu tun.

Sie wird zwar alles Brustgewebe abtragen, mir jedoch die dünne Fettgewebsschicht unter der Haut belassen, da es sich ja um eine bestrahlte Haut handelt. Das bietet ein, wenn auch geringes Potential, dass sich neuerlich Krebsherde bilden.

Ja, mein Mann kann im Aufwachraum mit mir sein, sie werde ihn dann anrufen, wann die OP fertig ist. Und ich muss nicht schon einen Tag und eine Nacht davor „einrücken“, kann in der Früh am selben Tag kommen. Viele Patientinnen denken nicht mal dran, dass sie nicht schon am Vortag im Spital sein müssen – immerhin einen Tag und eine Nacht, eine Zeit, die noch gut für eine Vorbereitung auf das Geschehen in der gewohnten, sicheren Umgebung genutzt werden kann. Die interne Operationsfreigabe kann nämlich auch schon davor –  bei einem niedergelassenen Arzt oder in der Ambulanz gemacht werden.

All das war mir wichtig, und all das habe ich gewagt zu fragen. „Gewagt“, das mag jetzt befremdlich klingen, doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass auch ich mich einschüchtern lasse von Menschen in Weiß, die oftmals eine große Autorität ausstrahlen.

Nein, ich habe dafür kein hohes Honorar in der Privatordination zahlen müssen. Das sei ihr Job, die bestmögliche Beratung und das Bemühen um ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Nochmal zeigte sie mir die Linienführung des Schnitts – sodass ich noch ein T-Shirt mit Ausschnitt tragen kann.  Wir lachten drüber, dass wir beide, obwohl schlank, diese gewissen Packerln rund ums Schulterblatt haben, und diese leider nicht zu entfernen sind.

Und dann schwebte ich gleichsam hinaus, so erleichtert war ich.

Und konnte wieder mal erkennen, wie wichtig es ist, ein haltgebendes Gegenüber zu haben, und dass es neben aller fachlichen Kompetenz ebenso sehr um Zugewandtheit, das Bemühen um Verstehen und das Miteinander geht und auch darum, dass ich mich frei fühle, all diese Fragen, Bedenken und Sorgen zu äußern, ohne auch nur ansatzweise ein Nasenrümpfen wahrzunehmen. Dass ich zum Beispiel auch äußern kann, dass mein Organismus schon auf einen Termin eingestellt ist, und dieser Termin auch mit den Mondphasen abgestimmt ist.

Dann kann ich mich sicher und gut aufgehoben fühlen. Auf dieser menschlichen Basis kann ich sodann eine derartige Unternehmung angehen, ohne in irrationalen Ängsten unter zu gehen.

Einfach angesehen, wahrgenommen und kompetent beantwortet zu werden, auch wenn das heißt, dass bisweilen unrealistische Vorstellungen (zum Beispiel, dass es im üblichen Sinne dem weiblichen Schönheitsideal entsprechen wird) enttäuscht werden müssen.

Auf dieser Grundlage kann ich mich vertrauensvoll auf den Operationsprozess einlassen.

Sie wird da sein.

Die Entscheidung

Nach all dem anstrengendem Hin und Her, dem Für und Wider ist nun eine Entscheidung gefallen, die sich die letzten 4 Wochen gefestigt hat. Ja natürlich sind dazwischen kleine Schwenkbewegungen, aber bald einmal bin ich wieder in meiner Mitte und damit die Entscheidung:

Ja, ich lasse mir beide Brüste abnehmen. Dabei ist das Wort „abnehmen“ wichtig. Ich lasse mir meine beiden Brüste ab-nehmen.

Schon höre ich die (inneren) Stimmen: das ist doch kein Weg, da muss/könnte ich anders damit umgehen!

Und ja, auch ich weiß, dass diese Brust-Abnahme keine unbedingte Not-Wendigkeit ist, dass es bei meinem Stadium, wie übrigens in jedem Krebsstadium viele andere Heilungswege gibt.

Auch weiß ich natürlich, dass Krebs ein Ausdruck von etwas Dahinterliegendem, Ausdruck von Traumatisierung, von Undurchdrungenem,  Blockiertem sein kann. Und so könnte ich auch an dieser Ursachenbehandlung ansetzen, um Heilung zu erfahren.

Ja, es gäbe andere Wege: Achtsames Warten, Beobachten, mich ganz der Heilung zu widmen, zu entsäuern, zu entstressen, meine Nahrung von jeglichem krebsfördernden Zutaten zu befreien, – gar keinen Zucker, vielmehr gar kein oder minimalst dosierte Kohlenhydrate, jedes einzelne Glas Wein in dem Wissen eingenommen, dass es die Krebszellen befeuert und speist.

Auch würde ich natürlich Visualisierungen zur Gesundung der Zellen machen, wie ich es schon so oft mit meinen lieben Krebs-Schwestern in der Praxis machte.

All das könnte ich –  hab ich mir doch oftmals bewiesen, dass ich höchst diszipliniert ein strenges Regime durchziehen kann – teilweise über Jahrzehnte.

Und all das würde ich tun, und dann zu engmaschigen Kontrollen gehen, was bedeutet, mir die Brüste nicht nur einmal jährlich quetschen zu lassen, sondern halbjährlich immer mit einem (nicht sehr) aber doch ängstlichen Blick auf den Ultraschallbildschirm, ob meine Maßnahmen Erfolg zeigen, oder im Gegenteil die Herde größer wurden, und ich sodann neuerlich mit weitreichenden Entscheidungen befasst bin.

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass ich fortgesetzt dem Druck von schulmedizinischer Seite ausgesetzt wäre, Hormonsupressiva einzunehmen, die mir, abgesehen von den nicht zu unterschätzenden potentiellen Nebenwirkungen, den letzten Rest von weiblichem „Sprit“ nehmen würden.

Ich habe sie schon beim 1. und 2. Krebs abgelehnt, und frau/man kann mir glauben, dass das nicht leicht ist, wird ein Hormonrezeptor positiver Tumor doch als Glücksfall angesehen, weil man davon ausgeht, dass man die Rezidivrate mit Hormonsupressiva deutlich vermindern kann.

Nein, das alles will ich nicht.

Ich will, dass mir beide Brüste abgenommen werden, in einer Sitzung. Nein diesmal nicht von meinem damals so fürsorglichen und liebevoll praktizierenden Chirurgen, sondern von einer Frau, die kompetent und offen all meine Fragen beantwortete, und die mich sicherlich im Bewusstheit meines Frauseins und der Ästhetik operieren wird.

Und nein, ich werde mir auch keinen Brustaufbau machen und auch keine Implantate einsetzen lassen. Werde sodann flach sein, mit dem spielerischen Frei-Raum eines größeren oder kleineren Fake Dekolletés.

Und auch, wenn mir bei der konkreten Vorstellung der Dimension eines derartigen Eingriffs, die Vorstellung des Akts der Operation und der doch längerdauernden Folgen (Schmerz, Narbenbildung, Sichtbarkeit….) doch etwas unbehaglich zumute wird, so ist die Tat-Sache, dass es so geschieht, eine immense Erleichterung, und da meine ich nicht nur die Befreiung von Krebs.

Schon sehe ich mich leichtfüßig durch ein mir gemäßes Leben hüpfen, wie jener Pinguin, https://www.facebook.com/EdinburghZoo/videos/10155906184747243/, der mich immer und immer wieder erheitert.

Die Bärin

Die Bärin

Der folgende Text ist nach einer schamanistischen Krafttierreise bei meiner Freundin Manuela Pusker (https://manuelapusker.com/) entstanden.

Das Spur-Finden, und diesen meinen Weg gehen, welches ich im Blogbeitrag https://krebscoaching.org/2018/02/11/aus-der-spur/ beschrieben habe, fußt im wahrsten Sinne des Wortes auf diesem Erleben der Kraft der Bärin.

Die Bärin bäumt sich auf

Kraft im Rücken

Kraft in den Hinterbeinen

Bei sich sein

Nichts tun müssen

Bereit!

Kräftige Ruhe

Durchgehen

Durch-Gehen

Einfach Durch-Gehen

Ohne Aufwand

Ohne inneren Widerstand

Die Kraft ent-scheidet,

Trennt das, was im Weg steht,

Schafft den Weg.

Die Entscheidungskraft sitzt in der Mitte der Stirn

Gezielt

Aus sich heraus

Da ist kein Ziel im außen.

Es ist ein Ziel aus dem Innen

Einfach Gehen, wohin auch immer es geht.

Und dann ausruhen.

Und dann sich erneut erheben…

Und dann…..

Aus der Spur?

Diesmal ist es anders.

Das 1. Mal, als ich mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war, lief alles wie am organismischen Schnürchen. Zumindest ist es in meiner Erinnerung so abgebildet.

Mein Organismus wusste, was nicht zu tun ist – mir die eine Brust ganz entfernen zu lassen, und mehr noch, nach State of the Art, gleich auch die zweite und die Eierstöcke dazu. Nein, das wusste ich genau, das wollte ich nicht, das war nicht dran, mit 41 Jahren, die ich damals war. Und mein Organismus wusste auch, was zu tun ist – welcher Chirurg, wann und wo und wie. (siehe dazu auch https://krebscoaching.org/eine-seite/18-2/)

Alles ging sehr stimmig und wie geführt vonstatten.

Nun, Mitte Dezember 2018 war ich zu meiner Überraschung erneut mit einem Krebsgeschehen, mit Sicherheit in einer und vielleicht auch in der 2. Brust konfrontiert.

Wieder wandte ich mich an meinen Chirurgen, nahm zunächst gar nicht an, dass er – aufgrund seines fortgeschrittenen Alters – noch arbeitete. Siehe da, es war eine Handynummer angegeben, und sogleich hörte ich seine sonore, professorale Stimme. Gleich am nächsten Tag konnte ich zu ihm kommen – „Wir behandeln ja keine Befunde, sondern Menschen, und deshalb möchte ich Sie sehen.“

Das war äußerst beruhigend, er ist noch da, ich kann zu ihm in die gute, vertraute Praxis kommen. Wie schön.

Die Wiedersehensfreude war groß, und er nahm sogleich den Prozess in die Hand, gleich morgen könne ich eine Biopsie machen lassen, der Termin sei schon mit einem kompetenten Spezialisten vereinbart.

Ja, dann mache ich das so!

Habe ich da bereits meine innere Spur verlassen, den bedächtigen (sic!!) Gang? Dass aus mir heraus, in meinem Tempo gehen, Schritt für Schritt?

Dennoch – es war gut, die Biopsie gemacht zu haben, war es doch eine Bestätigung schwarz auf weiß, was ich bereits ahnte.

Nach einem – auch von ihm empfohlenen – kleinen Abstecher bei einer plastischen Chirurgin, wonach ganz klar war, dass ich diesen schmerzenden, aufwendigen und für mich ganz und gar unsinnigen Prozess eines Brustaufbaus auf keinen Fall machen würde, musste ich meinen Chirurgen, der durch und durch Ästhet ist, und sein ganzes Leben der Erhaltung der Schönheit, wozu für ihn wesentlich die Brüste der Frau gehören, gewidmet hat, enttäuschen.

Dennoch vereinbarten wir einen Termin für Anfang März für die Ablatio beider Brüste. Dachte ich zumindest. Denn bei einem weiteren Gespräch wurde mir ganz deutlich, dass er mir zumindest die 2. Brust erhalten will, oder zumindest auch hier eine abklärende Biopsie für sinnvoll erachtet.

Meine Entscheidung ist jedoch eine andere, und so stehe ich jetzt in der unangenehmen Situation, ihm absagen zu müssen, kann ich mich doch auf eine derartige Unternehmung nur im Bewusstsein der vollen Übereinstimmung und Sicherheit, dass er diese meine Entscheidung gerne ausführt, einlassen.

Aus der Spur?

So könnte frau/man es sehen: Dass ich vielleicht die Ingredienzien, die Bestimmungsmerkmale dieser neuen, einmaligen und noch nie da gewesenen Situation nicht genügend berücksichtigt, mir und meiner Stimme nicht genügend Gehör geschenkt habe – mit Ausnahme der großen Zeitspanne zwischen Diagnose und Operation, die sich  jetzt als hilfreich erweist.

Habe ich das Alte ins Neue gebracht, wäre es notwendig gewesen, alles ganz neu und ganz anders von Anfang an wirken zu lassen, neuer Chirurg, gar kein Chirurg, aussteigen aus dem System?

Aus der Spur?

Ich könnte, ich möchte es so sehen: Diesmal ist es kein linearer Weg, mehr ein Erkunden eines Wegs wie in einem Dschungel.

Ein Weg, der sich mir im Gehen erschließt.

Ah, da geht´s lang, da sind Schritte möglich, da eröffnet sich eine Lichtung, wo ich verweilen kann, wahr-nehmend, aus mir heraus. Einem derartigen Weg haftet nicht die (Vorstellung von) Sicherheit und Klarheit an, wie bei meinem ersten Krebsweg.

Ja, und manchmal ist ein derartiger Weg unbequem. So ist es für mich, wie gesagt,  sehr unangenehm, dass ich meinem lieben Professor absagen muss.

Diese Situation habe ich mir jedoch geschaffen – so sehe ich das.

Ich habe sie mir vielleicht geschaffen, um (neuerlich) aufzustehen, um mich in meiner Wahl zu würdigen und dafür einzustehen.

Um meine Autorität nicht nur in anerkennenden Komfortzonen leben zu dürfen, sondern zu mir zu stehen in allem, was ich bin, und was für mich richtig und notwendig ist zu tun.

Mir zu gönnen, dass ich hier bestimme, was mit meinem Körper geschieht.

Und mir Raum zu geben, genau die richtigen PartneriInnen für dieses Gesamtkunstwerk meiner Heilung zu wählen.