Geboren Werden

Das haben wir uns gut ausgesucht – meine Zwillingsschwester und ich – in dieser besonderen Zeit geboren zu werden. 10 Tage vor Weihnachten.

Endlich, nach langer Zeit kann ich sie wieder fühlen, die adventliche Vorfreude, diese Ahnung des Großen. Auch die Jupiter Begeisterung, das Strahlende, Lichtvolle, das diese Zeit auszeichnet.

Endlich kann ich auch wieder fühlen, wie groß das Ereignis einer, meiner Geburt ist.

Oft habe ich sie in Frage gestellt, manchmal sogar verflucht, diese irdische Existenz mit all den körperlich-seelischen Schmerzen, dem Rackern und Plagen, der Dummheit und Gewalt in der Welt.

Da wollte ich nicht sein. An diesem fremden Ort.

Jetzt bedaure ich es, dass ich soviel Zeit mit meinem Hadern verbrachte, auch und gerade weil mir ja vielleicht gar nicht mehr soviel Zeit bleibt, dieses Leben zu genießen.

Heute bin ich in Fühlung mit der Großartigkeit einer, meiner Geburt. Zwar wusste ich, dass wir uns über lange, lange Zeit vorbereiten, hierher zu kommen, ganz gezielt gewählt, diesen Platz, diese Eltern, diese Umstände, diese Wachstumsmöglichkeiten, Aufgaben und auch Beschränkungen. Ich habe mich dennoch oft als Opfer gefühlt.

Jetzt mit dem Abstand und auch mit dem Nachlassen der Qualen und dem weniger Werden der Traumazustände kann ich fühlen, dass Alles gut und richtig ist, was geschah und geschieht.

Dass es mir die Möglichkeit gab, mich durchzuarbeiten durch all die Engstellen, Rohheiten, dem Umwegsamen und Schwierigem – durchzuarbeiten zu mir Selbst.

Zu meinem Selbst.

Das ist ein guter Platz. Eine Ahnung von Frieden spür´ ich da, ein Einverstandensein, auch eine Ruhe, ein Da Sein Können und ein Wahrnehmen dessen, was jetzt unmittelbar da ist.

Eine Einfachheit des Seins.

Und auch wenn es mit der Selbstliebe – was immer damit gemeint ist – noch ein bisschen „hapert“, so wächst allmählich eine Akzeptanz von der, die ich bin.

Gerade im letzten Jahr hat eine große Befreiung aus dem Korsett meiner Identität stattgefunden und damit viele erholsame Momente als Niemand.

Einfach Dinge tun, die ich tun kann, und das sind viele, auch wenn es keine großen Artikel, Vorträge, Interviews waren. Blumen säen, ihnen beim Wachsen zu sehen, Kochen, Backen, viel Stricken und Sticken, Singen, Gehen, Schwimmen, Schreiben, Malen, Sprechen, Menschen unterstützen, Schauen, Essen, Hören und viel Liegen….

Dankbar bin ich heute, dass ich noch immer hier sein darf.

Da sein will.

Dankbar für all das, das dazu beigetragen hat.

Dankbar, dass ich meine AhnInnenlinie als Kraft wahrnehmen kann, die direkt zu mir, zu uns und über mich zu meiner Tochter führt.

Dankbar, dass ich mir den für mich besten aller Orte, dieses Wien – man mag es vielleicht nicht glauben – ausgesucht habe, wo es so viel Schönes gibt.

Dankbar für so Vieles mehr – meinen liebsten Mann, meine schöne, weise Tochter, meine Gaben, die Christengemeinschaft, die mich mit dem Christuslicht und Kraft in Verbindung bringt…..

Dankbar bin ich, dass ich die Verbindung wieder spüren kann.

Dankbar vor allem, dass ich Dankbarkeit fühlen kann.

Überlebt

Zum 2.“Geburtstag“

Zum Schluss gab es noch die Topfenpalatschinken.

Grad serviert, öffnete sich die Krankenzimmertür, und ein bis zur Unkenntlichkeit verkleideter Arzt sagte dieses eine erlösende Wort – „Negativ“.

Fassungslos war ich da.

Nach gefühlt unzähligen Tagen der Enttäuschung, „noch immer positiv“, konnte ich mich plötzlich anziehen und gehen.

Der Krankentransport war im Anmarsch, so musst es schnell gehen.

Gar nicht so einfach, das Bücken, die Schuhe zubinden, die paar Sachen zusammenpacken, mich von der armen alten Frau, die seit Tagen im Nebenbett lag, verabschieden, noch die eine oder andere grausliche Bemerkung einer Krankenschwester hören.

Und dann konnte ich durch die Tür des Zimmers, das für mehrere Tage mein Gefängnis war, nach Draußen treten auf den Gang, wo sie alle standen, plötzlich mit offenem unbedeckten Gesicht – Standing Ovations.

Sie hätten nicht geglaubt, dass ich es überlebe, und sie würden sich sehr freuen.

Erstaunlich.

Gab es doch zwar auch Menschen, die für mich engelsgleich warmherzig und fürsorglich waren. Die Krankenschwester, die sich so dezent um intime Notwendigkeiten kümmerte, mir die verwickelten Haare entknotete, sich beglückt über meine Haarfarbe äußerte, und mir schließlich die Bilder all der Betreuungspersonen zeigte, die ich ja – da vermummt – nie zu Gesicht bekam.

Oder der Oberarzt, der im Gegensatz zu den anderen seiner KollegInnen mich ermutigte, mich lobte, dass ich so gut mitwirken würde, und der mir Hoffnung gab, dass ich bald einmal von der Intensiv- auf die Normalstation wechseln könne. Ich erinnere mich an sein Erstaunen, als ich ihm meinen Dank ausdrückte und ihm sagte, wie wertvoll es sei, so bekräftig zu werden, einfach menschlich. Das sei normal, meinte er nur. Nein, war es leider nicht. Hatte ich es doch vor allem mit der Geringschätzung, der Wut und auch dem Hass, der mir entgegenschlug, zu tun.

Mir, der Ungeimpften, wegen der man diesen Scheißjob – O-Ton des Sanitäters – machen müsse, die, die selber schuld sei, wenn sie jetzt stirbt, die die es sich früher überlegen hätte sollen, die, die halt stirbt, wenn sie die künstliche Beatmung ablehnt.

Es war ein Martyrium.

Nicht nur die Krankheit, deren tödliches Potential ich unterschätzt hatte, sondern und vor allem die Unmenschlichkeit, die mir wederfahren ist.

Und Nein, das war nicht bloß Ausdruck und Ergebnis einer über damals fast 2 Jahre währenden Stressbelastung. Dieser Hass, diese Unerbittlichkeit, die Verachtung, die Härte und die Unbarmherzigkeit ließ mich in die Abgründe menschlicher Seele blicken, und erschütterte mein Vertrauen in die Menschheit und leider auch in das Medizinsystem nachhaltig so sehr, dass ich jetzt 2 Jahre danach, als ich es neuerlich mit einer Viruserkrankung zu tun hatte, genau wusste, ich werde und kann keine Rettung mehr anrufen, um um Hilfe zu bitten.

Zwei Jahre habe ich dem Geschehen in meinen Erzählungen die Spitze genommen, auch weil ich bald merkte, dass die Menschen, auch wenn sie zu meinen FreundInnen zählen, das nicht hören wollten. Kein Eingang, nur Abwehr, ja, aber die Pflegepersonen müsse man auch verstehen, einfach überfordert, fertig, konnten nicht mehr.

Dann war ich schnell einmal still, enttäuscht über das Unverständnis.

Hej, wollte ich sagen, und tat es dann oftmals doch nicht, „Hej, das, was ich und sicher viele andere – als Ungeimpfte – erlitten habe(n), ist eine, wenn auch vielleicht nicht neue, so doch eine andere Dimension.

Da geht es nicht um eine bissl mehr oder weniger grantig, forsch sein, da geht es um einen Verlust an Menschlichkeit, wo selbst einer Sterbenden nicht mit Mitgefühl begegnet wird, sie vielmehr, so sie den Notfallknopf drückt, 4 Stunden warten gelassen wird, und dann ungehalten und schreiend ins Zimmer gestürmt wird, erzürnt über die Störung.

Kein Gruß, keine Frage, nur spürbare Ablehnung.

Ich war kein Mensch mehr, sondern nur mehr eine Ungeimpfte. So habe ich das empfunden.

Und sie – die Ungeimpften – sind an allem schuld – das war common sense.

Das war der Boden, auf dem all die Ungeheuerlichkeiten stattfanden.

Das Alles – die Betretungsverbote, der Ausschluss eines Drittels der Menschen von wichtigen Lebensbereichen, die Diskriminierung, das Mobbing, der Verlust des Arbeitsplatzes, die Überlegungen, Ungeimpfte überhaupt von der medizinischen Versorgung auszuschließen, ihnen keinen Intensivplatz zuzugestehen, all das konkretisierte sich in meiner Erfahrung im Krankenhaus.

The „Body keeps the Score“ heißt ein Standardwerk des Traumaforschers Bessel van der Kolk.

Ich kann mittlerweile meine Wunden versorgen, aber – und das habe ich auch dieses Jahr neuerlich gemerkt, mein Körper weiß darum. Spürbar.

Und vielleicht ist das ja auch gut so.

Heute vor 2 Jahren bin ich entlassen – Sic! – worden.

Es war der schönste Tag in meinem Leben, auch wenn ich mich das kaum zu sagen traue, gab es doch auch die Geburt meiner Tochter, Hochzeitstage, meine Promotion, und noch so einige andere Hoch-Zeiten.

Jedoch dieser eine – der 1.12.2021 war der Allerschönste.

Ent-lassen.

Ent-kommen.

In die Arme meiner Liebsten, keine Gefahr mehr, keine Über-Macht, keine Schmerzen.

Nur Liebe, Geborgenheit und Sicherheit.

Darüber und über die Erkenntnis, wie kostbar das Leben an sich ist – ganz ohne Zutat – bin ich zutiefst dankbar.