Den folgenden Beitrag habe ich nach einer schmerzlichen Erfahrung mit der „Behandlung“ eines meiner Texte verfasst.
Der Titel „Unlearn patriarchy-“ ist eines sehr lesenswerten Buches entnommen, wo die Autorinnen die teilweise oder vielleicht sogar zumeist verborgenen Dynamiken des Patriarchats hinsichtlich verschiedener Aspekte, wie Medizin, Körper, Liebe, Wissenschaft,… beschreiben. (https://www.ullstein.de/werke/unlearn-patriarchy/taschenbuch/9783548068602)
Seit einiger Zeit bin ich am Erforschen dieser unbewussten Mechanismen in den verschiedenen Zusammenhängen, aber auch und vor allem in mir selbst, jene Aspekte, die mich hindern, mich im Schöpferischen vollständig zu ver-wirk-lichen.
Die Herren bestimmen und oft haben sie das letzte Wort.
Die Herren sagen und fragen. Oft antworten sie nicht, oder nur wenn es ihnen passt.
Die Herren lassen uns arbeiten, manchmal loben sie uns, nicht zu viel, damit wir nicht übermütig werden.
Die Herren beauftragen, mach´ dies, mach´ das. Zuerst geben wir den kleinen Finger und schon stecken wir drin bis zu den Knöcheln.
„Und manchmal sagen sie was dazu“, um es mit Ingeborg Bachmann anlässlich der Gruppe 47 zu sagen. Ein ebenso sehr lesenswertes Buch von Nicole Seifert (https://www.kiwi-verlag.de/buch/nicole-seifert-einige-herren-sagten-etwas-dazu-9783462003536)
Und wir, die Frauen, wir fühlen uns geschmeichelt, dass wir überhaupt eingeladen werden.
Wow, welche Auszeichnung, ich darf dabei sein, sie wollen mich, mich wollen sie.
Und dann diene ich, übernehme die mir aufgetragenen Aufgaben, bringe den sprichwörtlichen Kaffee und gute Laune, bessere die Grammatikfehler aus, lese ihre Texte, gebe ausführliche und wohlwollende (wichtig!!) Rückmeldungen. Und die Kritik nur ganz vorsichtig formuliert.
Wenn die Herren gut gelaunt sind, dann bedanken sie sich sogar.
Und ich fühle mich einen Moment besser – nur einen Moment.
Wow, ich habe Pieps sagen dürfen und werde nicht gleich zur Schnecke gemacht.
Das ist doch schon ein Anfang.
Weiter so.
Und dann neue Aufträge empfangen, mit einem Packen rausgehen, abarbeiten, pflichtbewusst und fristgerecht – selbstverständlich.
Und dabei auf der Strecke bleiben.
Tag um Tag, Jahr um Jahr.
Denn die Herren wollen nichts Eigenständiges, zu „tendenziös, zu krass, zu radikal, zu polarisierend und überhaupt was ist der Mehrwert?“ – alles Originalzitate.
Jetzt ist Schluss damit – hoffentlich, so ganz sicher bin ich mir nämlich nicht, ob ich nicht neuerlich der Verführung erliege.
Also bitte lassen wir die Herren Herren sein.
Da ist nichts zu holen.
Aufstehen mit oder ohne Krone, das Schöpferische erwecken.
Das ist unser Job.
Nur das.
Sich ans Werk machen, ans Eigene.
Das Eigenste, das nur ich erschaffen kann, das wird dann vielleicht wild oder auch unendlich zärtlich, innig, oft sogar unverständlich, auch inbrünstig, überschwänglich, ver-rückt, entfesselt, großartig.
Und selbst für mich überraschend und immer neu.
Vor allem das:
Immer neu-geboren.
Alles zu seiner Zeit.
Zunächst die befruchtende Inspiration, dann die Schwangerschaft, ein hin und her Bewegen, ein Hegen und Pflegen. Keine vorgegebene Zeichen- oder Wortanzahl, nicht mal Grammatikregeln, schon gar keinen vorgegebenen Geburtstermin, oder wie das in diesen Zusammenhängen so unschön Deadline heißt.
Eine natürliche Geburt, eine Ent-Bindung, ein zur Welt- Bringen.
Dann ist es da, das Neugeborene, zu seiner Zeit. Und dann auch keine lektorierenden Eingriffe – so kann man das ja nun wirklich nicht sagen.
Ein Staunen, ein Lieben. Ein Annehmen und Anerkennen der je eigenen Schönheit.
Das Wesen entdecken, dieses einzigartige Wesen.
Und sich drüber freuen.
Heissa, hopsassa, wie wunderbar!
Es begrüßen, halten und tragen im Kreise der Künstlerinnenfamilie bis es seinen Weg in die Welt findet, wo es viele, viele Menschen im Herzen erreicht.
So soll es sein.
So wird es sein, wenn wir, die Weibsfrauen uns besinnen, dass wir ganz und gar frei sind, und dass es keine patriarchalen Strukturen und männliche Anerkennung braucht, um unser Werk zur Welt zu bringen.
Auf dass ich das schaffe, das durch mich, durch uns hier ge- und erschaffen werden soll.