Mein gutes Sterben

Keine Sorge, es geht mir gut.

Aber man kann nie früh genug anfangen, sich mit dem eigenen Sterben zu beschäftigen, wie immer es dann tatsächlich sein wird.

Mein gutes Sterben ist ein Prozess, ein bewusster Prozess – kein schnelles hinüber Schlafen, aus dem Leben gerissen ohne jegliche Anzeichen.

Mein gutes Sterben kündigt sich an, ich weiß um mein Sterben und ich mach´ mich auf den Weg – wissend, dass es um meinen letzten Weg geht. Um den letzten irdischen Weg.

Mein gutes Sterben ist schon lange vorbereitet.

Ich weiß, welche Musik ich hören möchte, wenn ich überhaupt etwas hören möchte, ich kann mir nämlich auch vorstellen, dass zu diesem Zeitpunkt die Stille, – wie Eckhart Tolle sagt, „die Sprache Gottes“ die schönste Musik ist.

Mein gutes Sterben ist ein Sterben, das begleitet wird von Menschen, nicht vielen – 2-3 vielleicht, das weiß ich noch nicht so genau -, die mich leise, sanft und aufmerksam begleiten. Sie picken nicht die ganze Zeit an mir und fragen, was ich brauche, weil viel – so glaube ich – werde ich nicht mehr brauchen. Sie sind in Rufweite oder öffnen immer wieder leise die Tür, um nach mir zu sehen.

Meine BegleiterInnen wissen, dass der Tod eine Geburt in eine neue Seinsweise ist. Sie begrüßen diesen Prozess wie sie ein Zur-Welt-Kommen, begrüßen. Sie sind daher ohne Angst, und wenn sie ängstlich oder hilflos sind, achten sie darauf, zu schauen, was sie selbst brauchen, um wieder frei zur Verfügung stehen zu können. Auch die Trauer über den menschlichen Verlust können sie zur Seite stellen für diese Zeit.

Sie sind da. Halten meine Hand, cremen mich ein, wenn ich das möchte.

Sie drängen mir kein Essen auf – schau, ein bisschen was musst ja essen. Sie geben mir schluckweise zu trinken, wenn ich überhaupt ein Bedürfnis habe, etwas zu mir zu nehmen oder sie befeuchten einfach Mund und Lippen.

Sie betten meinen Körper, sodass es bequem ist, halbwegs bequem, weil ganz bequem stell´ ich mir es auch nicht vor – das Sterben.

Sie sind eingestimmt in mich und den Prozess.

Sie atmen mit mir wie eine Hebamme wissen sie, dass mich jeder Atemzug dieser Geburt näherbringt.

Einatmen – Ausatmen

Auch habe ich dafür gesorgt – vielleicht ist das ja eines der großen Herausforderungen für mich – dass alles in Ordnung gebracht wurde, meine Überweisungen ebenso wie mein Nachlass und meine Beziehungen, die ich bestenfalls befriede, da wo Unfrieden ist.

Mein gutes Sterben ist begleitet von den Segnungen unserer Kirche, der Christengemeinschaft.

Es werden all die wunderbaren Sakramente wie die Krankenölung über die Aussegnung am offenen Sarg nach drei Tagen, die Bestattung und dann noch die Seelenmesse, die bei uns Totenweihehandlung heißt, gespendet und sie helfen mir, mich vom irdischen Sein zu lösen und in einer andere Seinsqualität überzugehen.

Das Bewusstsein, dass das alles geschieht, dass für meine Seele gesorgt wird, trägt und hält mich, es hilft mir, mich anzuheben und gleichzeitig sinken zu lassen.

Mein gutes Sterben ist auch unterstützt von den lindernden Maßnahmen der Medizin, ich möchte keine schlimmen Schmerzen ertragen, weil, so mein Empfinden, Schmerzen mich an meinen irdischen Leib festkrallen lassen.

Einatmen – Ausatmen

Irgendwann werde ich das letzte Mal ausatmen. Und dann werde ich drüben sein, aufgenommen von all meinen Lieben, meinen Eltern, meinen Seelen-Verwandten, meinen Krebsschwestern und vielleicht sogar von meinen geistigen Lehrern, dem Willi und dem Lenny zum Beispiel.

Vielleicht muss ich mich noch ein bisschen zurechtfinden, vielleicht werde ich mich auch sehnen nach Orten, Zuständen, nach den Pflanzen und Tieren.

Dennoch – ich bin gewiss, dass ich die Loslösung schon schaffe, wie ich so vieles geschafft habe in meinem Leben.

ZweiKommaVier

oder Wie Zahlen zu Dämonen werden.

Es ist nur eine Zahl, die da schwarz auf weiß auf dem Befund steht – 2,4 cm steht da, wo vor 1 ½ Jahren noch 1,9 cm stand. Das ist beeindruckend und zieht mich sofort in den Bann.

2,4

2,4

2,4

2,7

Progredient wachsend.

Nicht gut, gar nicht gut.

Das Schicksal, oder was auch immer, hat es mir erspart, dass ich diese Zahl sogleich, noch bevor ich meinen Radiologen sah, auf meinem Handy lesen musste.

So konnte er mich vorwarnen, was dann tatsächlich „unbeeinflusst und objektiv“ dastehen wird.

2,4 cm

Ein ziemliches Wachstum also, rein so gesehen.

Beeindruckend, Angst machend, zur baldigen Handlung auffordernd.

Abklären, Reinstechen, Bestimmen, was es ist.

Endlich – hätte schon längst geschehen sollen.

Sofort wird diese Realität zur einzigen Wirklichkeit, die alles andere überschattet.

Von 1,9 auf 2,4 cm, ein deutliches und stetiges Wachstum.

Da könnte ich gleich 1 und 1 zusammenzählen. Was soll das sein, noch dazu, wo es so böse aussieht.

Das ist die eine Realität.

Schritt für Schritt bläht sie sich auf.

Schon bin ich nicht mehr gesund, sondern (potentiell) schwer krank.

Schon habe ich eine fragliche Zukunft, schon kann ich mich nicht mehr in meiner Gesundheit erfahren und an ihr erfreuen.

Schon starre ich fortan auf diese 2,4 oder 2,6 oder 3,0 oder 3,5 cm.

Das ist die eine Realität.

Nur die eine.

Eine zweite zeigte sich im Gespräch, im direkten, persönlichen Gespräch mit meinem Radiologen. Er zeigte uns, meinem Mann und mir, alle 5 CT – Bilder seit 2002.

Sofort sah ich ihn, meinen Jupiter, wie ich ihn gleich einmal nannte, damals, als er mir vom 1. CT- Bild entgegen leuchtete.

Hallo, ich bin noch da!

Am selben Platz, hat seine Form nicht verändert und von der Ferne betrachtet ist er auch größenmäßig gleichgeblieben.

Vertraut irgendwie.

Schlagartig waren mein Mann und ich erleichtert, auch wenn es uns nicht gelang, meinen Röntgenologen davon zu überzeugen, dass sich augenscheinlich nichts verändert hat.

Das ist die 2. Realität: die Wahrnehmung des Augenscheinlichen.

3 ½ Jahre der Beobachtung und keine wesentliche Veränderung.

Wären da nicht die Zahlen, die mich gestern Morgen heftig wachrüttelnden.

Ja, aber warum wächst da was, und was wächst ist böse und gehört raus.

Stand by steht er da – der Befund – mit all den Zahlen und Warnungen.

Er ruft nach meiner Aufmerksamkeit.

Komm´ her, beschäftige Dich mit mir. Was, Du willst fröhlich weiterleben, Deine Dinge machen. Nix da, her mit der Aufmerksamkeit.

Schon lieg´ ich gelähmt im Bett, die Stunden vergehen.

Total freeze.

Wegen zwei Zahlen: 1,9 und 2,4

Glücklicherweise hatte ich ein erfreuliches Telefonat mit einer Freundin, wir sprachen über ihren Hund, den Bauernhof, über unsere Brust-Op´s, über die O-Töne, Streeruwitz und das Leben – alles heiter und leicht.

Jetzt nur nicht zurück – hej da war doch noch was – dieser Befund.

Meine Lebendigkeit wahrnehmen, den Himmel sehen, die Wolken ziehen lassen.

Zurück in die Wirklichkeit.

Hab´ nämlich keine Lust mehr, mich um ein Krebsgeschehen zu kümmern, schulmedizinische „Angebote“ abzuwehren, mich den nicht weniger fordernden komplementärmedizinischen Maßnahmen zu überantworten und um den Krebs zu kreisen, als Lebenszentrum.

Will forschen, mich freuen, mich bewegen, denken, lieben, gut sein…

Weiter-Gehen

Weiter-Leben

Solange ich darf,

kann

und

will.

Reden Sie mit mir, bitte!

Sofort schießt er mir ein – der Schreck.

Eine unscheinbare Email von meinem Röntgenarzt, der mich seit 28 Jahren treu begleitet, dass er wieder mal nachgesehen hätte im System und keinen CT Befund von mir findet.

Das hab´ ich jetzt über Monate erfolgreich verdrängt, hatte bereits Verordnung und Bewilligung und einen Termin, dann wurde ich krank und damit durfte, musste ich es auf die lange Bank schieben.

Ich bin also hingegangen – ein letztes Mal – muss ja auch meinem Hausverstand – ein gar nicht so schlechtes Wort, der Verstand, der in meinem Körperhaus lebt – benutzen. Und der sagt, wenn nach 3 Jahren keine wesentliche Veränderung in Wachstum und Form passiert ist, dann kann da nichts sein, kein Krebs und schon gar keine Metastase.

Also, ich bin hingegangen am Dienstag und aufgeregt war ich wieder und zigmal kontrollierte ich, ob ich eh alle Zettel dabei habe, die Verordnung, die Bewilligung und den Blutbefund – alles nicht älter als 3 Monate.

Gerade noch ganz gesund, kann ja laufen, gehen, denken, meine Sachen machen und dann die Maschinerie – und schon (tod-)krank.

Überall können sie sein, die todbringenden Herde, sie lauern im Körper, sie gehören abgeklärt, reingestochen, angeschaut, ob man darin diese bösen Zellen findet.

Kann mich nicht dran gewöhnen und voller Mitgefühl denke ich an all meine lieben Krebs-Klientinnen, die das teilweise alle 3 Monate durchmachen müssen.

Reingeschoben in die Röhre, das Kontrastmittel im Arm, Hände hinter dem Kopf abgelegt, ausgestreckt, wie aufgehängt lieg´ ich da, den Platz nahezu wortlos zugewiesen, keine Anrede, kein sich Vorstellen.

Die Maschine ist es, worum es geht.

Mein Leben, das Urteil über mein Leben einer Maschine überantwortet, kein Gesicht zu einem Befund, unemotional und damit unbeeinflusst, nennt das mein Radiologe.

Ein Stück Fleisch liegt da, lieg´ ich da, gekreuzigt am Marterpfahl der Technik.

Einatmen – Ausatmen.

Einatmen.

Den Atem halten.

Weiter atmen.

Zuvor den Fragebogen ausfüllen, die Zeilen reichen nicht aus für die vielen Diagnosen, die ich bereits hatte.

1998 rechts

2002 links

2018 beidseits.

2022 links.

Dasselbe noch einmal für die OP´s und die Bestrahlungen.

Mühsam ist das und fast geniere ich mich – das ist wahrlich keine Erfolgsstory. Vorsorglich trage ich einen Body und eine Hose ohne Metall dran, sonst müsste ich – Oberkörper nackt – in der Unterhose rein, mich entschuldigen für den Ablatio-Anblick, aber es schaut eh´ keine, der Fokus ist auf meinen Venen, pump, pump, klopf, klopf. Ist diese junge Frau überhaupt eine Ärztin, schließlich spritzt sie mir ein Kontrastmittel in die Venen. „Das möchte ich nicht im Gewebe haben“, sage ich scherzend, man will ja Kontakt haben.

Kontakt ist das Wichtigste.

„Reden Sie mit mir!“, hat sie gesagt, meine liebe Gundula, als sie ihr die Maske für die Kopfbestrahlung aufgesetzt haben.

„Reden Sie mit mir!“.

Da war er wahrscheinlich ganz schön erschreckt, der RT Mensch, dass diese Frau kein stummes Lamm auf der Schlachtbank ist, sondern ein Mensch, ein großer Mensch, der durch die Schlitze rausspricht, der vor-kommt, sich äußert mit einer Stimme, die ja hier eigentlich gar nicht angesagt ist.

„Reden Sie mit mir!“

Alle lassen wir uns sie gefallen, die Behandlung, die keine ist.

Massenmenschenhaltung.

Am Schalter den Schein abgeben, das ist das Wichtigste, die Bewilligung, die die Kohle garantiert, sonst geht gar nichts.

Code für den Befundabruf entgegennehmen.

Platz nehmen, auf einem der drei Sessel.

Aufgerufen werden, zwischen Tür und Angel Durchsprechen des Informationsblattes. Eigentlich ist mir das gar nicht recht, dass die Frau, die bereits an meinem Platz sitzt, das so alles detailliert mitbekommt.

„Da ist der Kopf“– einziger Begrüßungssatz. „Ich weiß“, schmunzle ich, „ich kenne es schon“ – so mein vorsichtiger Kontaktversuch.

„Reden Sie mit mir, bitte reden Sie mit mir!“

„Zeigen Sie mir, dass ich ein Mensch bin, dass Sie ein Mensch sind, der lächeln und antworten kann, der eine Ahnung, zumindest eine leise Ahnung hat, wie beschissen eine solche Situation ist, dass Menschen wie ich, die jetzt schon das 5. Mal auf das Urteil warten, ob der Herd, dieser hochsuspekte Herd mit dem Namen SBL – Abkürzung für Metastase-  von mir liebevoll Jupiter getauft, größer geworden ist.

Größer ist nämlich ganz schlecht, oder vielleicht sind ja sogar noch welche dazu gekommen – Aufhellungen, Verdunkelungen, da ist ja viel Platz in so einem Körper.

„Reden Sie mit mir, bitte, ich flehe Sie an, lassen Sie mich nicht allein!““

„Reden Sie mit mir! Sagen Sie mir, dass Ihnen meine Haarfarbe gefällt, fragen Sie mich, welcher Art mein Doktortitel ist, und dass Sie auch immer schon Psychotherapeutin werden wollten.

Oder erzählen Sie mir von ihrem Hund oder dass Sie froh sind, dass es jetzt gleich zu Ende ist mit all dem Nadel-Setzen und Rein- und rausschieben und Sie jetzt endlich gleich die vom Foodora gelieferte Pizza essen können.

Oder sagen Sie mir – wieder geschafft! Haben Sie noch einen schönen Abend.“

Egal was, einfach mit mir reden, mir das Gefühl geben, dass ich nicht allein bin. Weil dann lässt sich sogar ein schlechter Befund besser verdauen.

Naja, so gesehen kann man sich schon auf mit passender KI programmierte Roboter freuen, die einen mit Namen ansprechen, die Hand halten, fragen, ob ich gut liege, mich beruhigen über liebe Worte.

Einfach ganz menschlich halt.

Liebe/n

Was ist Liebe und was ist sie nicht – für mich. Natürlich weiß ich das auch nicht. Aber einige Ideen dazu sind heute morgen in mir entstanden. Versteht es bitte als eine idealtypische Annäherung.

Konflikte vermeiden um des sogenannten lieben Friedens Willen.

  • Für die eigene Klarheit sorgen und in kontaktvoller Verbundenheit dafür eintreten.

Den anderen schonen aus Angst, ihn zu verletzen

  • Ihm, ihr Halt geben durch das Geschenk der eigenen Wahrnehmung, auch wenn diese vielleicht schmerzlich ist. Die Wahrheit, so sie eine schmerzliche ist, ist es sowieso.

Romantische Gefühle

  • (Bemühen) den anderen zu sehen und entdecken, wer er ist jenseits von Gefühlsgetönten Zuschreibungen, was er für uns ist.

Sehnsucht

  • Da sein, wo ich bin und mich freuen, dass der andere da ist, wo er ist, wissend, dass wir verbunden sind über Zeit und Raum.

Haben wollen

  • Geben

Die eigenen Grenzen überschreiten aus „Liebe“

  • Der eigenen Grenzen bewusst sein und sie grundsätzlich bewahren, auch wenn wir sie im gemeinsamen Eintauchen und Verschmelzen bisweilen überschreiten. Damit eine Einladung geben, dass der andere auch die seinen beachtet und bewahrt.

Vernebelung

  • (Bemühen um) Klarheit, Gewissheit, Da Sein

Illusion

  • (Bemühen um ein) radikales in die Tiefe gehendes Wissen um mich und den anderen.

Verklärung

  • Pragmatismus: die sogenannten Schwächen des anderen liebevoll zur Kenntnis nehmen und sich damit nicht aufhalten.

Verliebt-Sein

  • Den, die andere/n als andere/n an-erkennen.

Deals

  • Geben, empfangen, empfangen, Geben, Geben, Geben, Empfangen, Empfangen, Empfangen, Empfangen, Geben, Geben, Geben, Geben, Geben. Und somit die gegenseitige Anhebung unterstützen.

Investition

  • Ich bin Geschenk genug in meinem So Sein, wie auch der andere Geschenk genug ist in seinem So Sein.

Wir haben einander gefunden.

Das ist kein Zufall.

Und damit ist es genau richtig so.

Und hier noch das Lieblingszitat von meinem Mann von Rainer Maria Rilke – damit hat er mich ein paar Mal ganz schön gequält ;-))

Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist: die Freiheit eines Lieben nicht vermehren um alle Freiheit, die man in sich aufbringt. Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies: einander lassen; denn daß wir uns halten, das fallt uns leicht und ist nicht erst zu lernen

Die Wahl

Wenn ich im Internet surfe, lese ich kein Buch.

Wenn ich Zeitung lese, lese ich kein Buch.

Wenn ich fernsehe, kann ich zwar gleichzeitig stricken, aber nur etwas Einfaches.

Wenn ich etwas höre, kann ich stricken, aber nur etwas Einfaches.

Wenn ich in den Wald gehe und dabei ein, wenn auch wertvolles Interview höre, kann ich keine Vogerln und schon gar nicht die Stille hören.

Wenn ich Zeit mit anderen verbringe, bin ich nicht allein.

Ich schreibe in dieser Zeit keine Blogbeiträge, ich lese nicht, ich stricke meistens nicht, nur manchmal in ganz vertrauten Kreisen.

Wenn ich fernsehe, schreibe ich nicht.

Ich höre keinen Bach, keinen Beethoven und auch keinen Mozart.

Wenn ich mich mit Zores beschäftige, bin ich ärgerlich und nicht freudig.

Wenn ich eine Topfengolatsche esse, esse ich nichts Frisches, Grünes, Belebendes.

Wenn ich in Gesprächen jammere und mich über dies und das ereifere, werde ich danach eher ab- als aufgebaut sein, ich werde beim Rausgehen den Kopf hängen lassen und nicht erfreut in den Himmel blicken – „Ach ist das Leben schön.“

Wenn ich allein schlafe, schlafe ich nicht neben meinem Liebsten.

Und wenn ich neben meinem Liebsten schlafe, schlafe ich nicht allein.

Wenn ich am Sofa gnotze, tanze ich nicht.

Wenn ich die Arbeit von anderen mache, mache ich in dieser Zeit nicht meine Eigene.

So ist alles ganz einfach.

Und ich habe die Wahl.

Und auch wenn jede Wahl grundsätzlich gleich-gültig ist, so weiß ich doch, dass ich meinem Leben Gutes tue, wenn ich Bücher lese, schreibe, tanze, Nährendes zu mir nehme, still bin, lausche und schaue, wenn ich oft allein und zeitweise mit anderen bin.

Dann ist auch das Leben gut zu mir – erhebt und erfreut mich, ich spüre meine Kraft und Lebendigkeit, meine Freiheit und Freude.

Mit jeder guten Wahl – oder wie mein lieber Carl Rogers sagt, mit jeder organismischen Wahl – bekräftige ich mein eigenes Leben.

Ich eigne es mir an.

Mache es mir zu eigen.

Muss nicht mehr gegen Fremdes angehen.

Keine Verbiegung.

Keine mühsame Verdauungstätigkeit von Unverdaulichem.

Öffnen – Schließen

Öffnen – Schließen

Oder vielmehr

Schließen – Öffnen

Schließen – Öffnen

Ganz einfach.

Eine Tür schließen

Eine andere öffnen

Verweilen

Mich freuen,

bis mich ein neuer Ruf ereilt.

Grenzen setzen

Abgrenzen.

Gegen eine solche Aufforderung hab´ ich mich immer gewehrt.

Ab-grenzen.

Da bin ich ganz mit der Aufmerksamkeit an meiner Peripherie, versuche mit angespannte Armen für meinen Raum zu sorgen.

Grenze mich ab.

Und schon bin ich abgegrenzt, stets bedacht, die nächste Lücke zu schließen. Entäußert, abgezogen.

Da gefiel mir ein anderes Bild schon besser: So sehr in meiner Mitte verankert zu sein, dass diese wie ein ins Wasser geworfener Stein Kreise um sich zieht, weite Kreise…

Da ist Ausdehnung, die kraftvoll eine Grenze schafft.

In den letzten Wochen bin ich selbst und vor allem auch in der Begleitung von Menschen, die an Krebs erkrankt sind, damit konfrontiert worden, wieviel Kraft für die innerliche Abwehr von ungünstigen Einflüssen erforderlich ist.

Das können Eltern sein, wo wir gehorsam Zeit miteinander verbringen (müssen), weil es sich so gehört, oder auch Freudinnen, die den Namen eigentlich nicht verdienen, weil sie uns in unseren Vorhaben und Visionen nicht unterstützen, uns die eigene Wahrheit absprechen, uns bewerten und uns mit ihren eigenen unhinterfragten Konzepten befassen. Es kann aber auch ein Kollege sein, der unseren Beitrag zum gemeinsamen Projekt nicht würdigt.

Und dann hat es unser Organismus damit zu tun, all das abzuwehren. Und dann kann es sein, dass ich innerlich Runde um Runde abgehe, immer mit der Frage, wie ich das wohl mitteilen könnte, ohne den/die andere zu verletzen.

Gerade wenn unser Körper nicht gesund ist, oder es mit einem Genesungsprozess zu tun hat, wie das zum Beispiel nach einer fordernden Therapie der Fall ist, brauchen wir einen unbedrohten Raum, einen organismischen Raum, der erneut in die Ausdehnung und damit in die Pulsation kommen kann. Und das ist nur möglich, wenn dieser Raum ein sicherer Raum ist, ein unbedrohter, ein Raum, in dem wir uns niederlassen können, atmen, uns ausdehnen, atmen, pulsieren.

So tauchte vor einigen Tagen ein Bild in mir auf über den je eigenen Lebensgarten, den es zu pflegen und zu hegen und den es ebenso zu schützen gilt.

Und so ein wunderbarer Garten braucht einen Zaun, einen hölzernen Lattenzaun. Latte um Latte in braunem Holz stehen sie nebeneinander, sie schützen mich vor den Blicken und dem Eindringen. Und nein da ist nicht einfach ein kleines, leicht zu öffnendes Schloss, sondern ein richtiges, das man nur von innen öffnen kann.

Und dann schau´ ich, wer da so reinkommen will, verborgen in meinem Häuschen und dann entscheide ich, ob ich Eintritt gewähre oder nicht. Und dann darf die Person vielleicht reinkommen und da gibt es ein Salettl, wo wir auf einen Tee zusammensitzen für eine gewisse – nicht allzu lange Zeit – und dann bitte ich sie wieder zu gehen.

Und dann bin ich wieder in meinem Raum.

Ausatmen.

Mich freuen, angeregt von der Begegnung.

Und dann kann ich in aller Ruhe nachsehen, ob der Zaun wohl noch intakt ist, oder ob die Holzwürmer Löcher rein gefressen haben. Dann ist es gut, zu schauen, wo Löcher zu schließen sind. Welche Sätze sind noch nicht gesprochen? Sätze, die diese Lücken schließen, etwas Aufgewühltes abschließen.

Abschließen, rund machen, sich umdrehen, etwas hinter sich lassen, erneut in die Welt gehen.

Dann kann sich ein neuer Raum eröffnen, ein Lebensraum,

Oder wie man es in der Gestalttherapie sagt, es hat sich ein Gestaltkreis geschlossen und Neues kann in den Vordergrund treten.

Grenzen zu setzen braucht Mut.

Im Bewusstsein und tiefen Verstehen, dass dies notwendig ist, um zu heilen, können wir diesen Mut aufbringen.

Die Krebserkrankung ist ein wahrlich guter Anlass dazu.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl sozusagen. ;- ))

Flat is beautiful

Vor mittlerweile über zwei Monaten hat mich eine Journalistin angefragt, ob ich einen Beitrag zum Thema Veränderung/Trennung schreiben könnte.

Der Artikel ist dann Ende September unter dem Titel „Happy? End!“ in der österreichischen Zeitung Woman erschienen. Meine Antworten auf die Fragen von Nina Horcher sind dem begrenzten Raum geschuldet, jedoch sehr einfühlsam gekürzt worden, und so will ich an dieser Stelle meine vollständigen Antworten veröffentlichen.

Beim Schreiben wurde mir bewusst, wie groß der Schritt der Ablatio war und auch wie wesentlich.

Welche Veränderung/Trennung hat dein Leben rückblickend nachhaltig verändert?

Es war die Trennung von meinen Brüsten nach einem nahezu 50-jährigen Leben mit ihnen. 

Wann und warum / wie kam es dazu?

Ich war zu dem Zeitpunkt knapp 61 Jahre alt, hatte schon 2 Mal eine Brustkrebsdiagnose. Einen Tag vor meinem 61.Geburtstag wurde neuerlich ein suspekter Herd in der rechten Brust festgestellt.

Sofort, noch auf der Untersuchungsliege, im Zuge des Ultraschalls wusste ich, wenn es wieder Krebs ist, dann lasse ich mir beide Brüste abnehmen, auch wenn es nur ein einziger Herd ist. Das war eine intuitive Eingebung, wie ich sie auch schon davor bei den zwei anderen Diagnosen in Bezug auf meinen Therapie-Weg hatte. 

Was war die größte Herausforderung dabei, diese Entscheidung zu treffen? Wer oder was hat dir geholfen, es durchzuziehen?

Die größte Herausforderung war, dass es sich ja wirklich um eine endgültige Entscheidung handelte, die mein Aussehen unwiederbringlich verändern würde, anders als bei den anderen beiden Diagnosen, wo ja nur der Krebsbereich entfernt wurde.

Es war ein sehr großer Abschied, der auch viel Trauer und Wehmut mit sich brachte. Ich ging also immer wieder innerlich zahlreiche Entscheidungsrunden durch, ob es wirklich notwendig sei, noch dazu, wo es medizinisch nicht als indiziert galt, handelte es sich zu diesem Zeitpunkt doch nur um einen einzigen Herd – also warum gleich sogar beide Brüste abnehmen lassen. Ich wusste jedoch genau, ohne dass ich es erklären konnte, dass es sich hier um ein systemisches Geschehen handelt, und dass – in meinem intuitiven Wissen – wahrscheinlich beide Brüste betroffen sind.

Diese Vermutung hat sich durch den postoperativen histologischen Befund bestätigt, was meine Chirurgin sehr erleichterte, weil die beidseitige Ablatio damit im Nachhinein betrachtet auch medizinisch indiziert war. Ich hätte mir auch nur eine Brust abnehmen lassen können, doch es war für mich klar, dass ich keinen Aufbau will und auch keine Prothesen tragen möchte. Ich fand es auch schöner, symmetrisch flach zu sein als auf einer Seite.

Geholfen hat mir mein Mann, der meine Entscheidung unterstützte und Menschen, die nicht an einem Konzept festhielten, dass es für eine Frau katastrophal ist, ohne Brüste zu sein. Das war für mich nämlich zu keinem einzigen Zeitpunkt so. Außerdem war die Reaktion meiner Chirurgin sehr unterstützend, die zunächst natürlich nicht gleich ein potentiell gesundes Organ entfernen wollte, aber dann erkannte, dass meine Entscheidung aus der Tiefe kam und wohlüberlegt ist – immerhin ließ ich mir fast 3 Monate von der Diagnose bis zur Operation Zeit -, sodass sie meinem Wunsch nachkam. 

Inwiefern hat dein Alter dabei eine Rolle gespielt?

Natürlich hat das Alter eine Rolle gespielt. Bei meiner ersten Diagnose mit 41 Jahren war eine Totaloperation der einen Brust indiziert, weil das Krebsgeschehen, das sich in Mikroverkalkungen zeigte, sehr ausgedehnt war. Für mich war klar, dass das zu diesem Zeitpunkt keine Option ist. Ich habe dann auch einen wunderbaren Chirurgen gefunden, der die Operation so machte, dass trotz des großen Volumens nahezu nichts zu sehen war. Für die letzte Entscheidung, 20 Jahre danach, war wahrscheinlich auch ausschlaggebend, dass ich in einer sehr stabilen, innigen Beziehung mit meinem Mann seit mittlerweile 43 Jahren lebe.

Wenn du heute zurückblickst: Was hat sich seitdem positiv verändert?

Ich fühle mich freier, ich fühle mich unbelasteter, auch weil ich keine Mammographien mehr über mich ergehen lassen muss. Auch brauche ich nicht ängstlich auf das Ergebnis zu warten. Ein gar nicht so kleiner Benefit ist, dass ich auch beim Sport keinen BH tragen muss, das war mir nämlich immer sehr unangenehm. 

Ich fühle mich jedoch nicht nur befreit von der Angst vor einer neuerlichen Diagnose, sondern in einem viel übergreifenderen Sinn. Sofort am ersten Tag nach der OP, als ich mich, den Verband noch eng um meine Brust gebunden, im Spiegel sah, jauchzte etwas in mir.

Das Flachsein, die Brustlosigkeit spürte sich so richtig für mich an, warum auch immer. Ich fühlte mich nicht weniger als ich selbst, sondern mehr. In meinen darauffolgenden Forschungen zur Bedeutung der Brust im Leben von uns Frauen, konnte ich erkennen, dass die Brust mich immer sehr exponiert hat den Blicken und dem Zugriff, und dass hier auch viel Traumatisierung stattgefunden hat, und so war die Brustabnahme auch eine Befreiung vom Ort des Geschehens. 

Ein weiteres positives Erlebnis war, dass ich am eigenen Leib und Seele erfahren konnte, wie wichtig die innere Vorbereitung auf eine OP ist, um die Nachwirkungen gering zu halten und nicht von einem Verlusterleben nachträglich emotional überrascht zu werden. So verließ ich das Krankenhaus bereits am 4. postoperativen Tag mit dem freudigen Gefühl, eine schöne, intensive, bereichernde Erfahrung gemacht zu haben.

Kein Bedauern, kein Hadern, kein Zweifeln.

Es war eine Wahl getroffen, für die besten Bedingungen der Umsetzung gesorgt, dann war es vollbracht und das war ein großes dankbares Glücksgefühl.

Letztlich – und das ist auch eine Bereicherung für mich – bin ich mir der Endlichkeit noch einmal deutlicher bewusst geworden und habe in diesem Sinn mein Leben noch mal radikaler ausgerichtet, meine Praxistätigkeit sehr reduziert und ich schaue sehr genau, was in meinem Leben Platz haben soll und was nicht. 

Wo gab es hinsichtlich dessen die größte Umstellung / den größten Bruch im Vergleich zu früher?

Dass ich zwei sehr lange und deutlich sichtbare Narben habe, die mir nicht so gut gefallen. 

Wie nimmst du diese Veränderungen (z.B. in deiner Einstellung/Persönlichkeit) auch im Alltag war?

Eigentlich nur, wenn es darum geht, dass ich mich nackt zeigen „muss“, da kann ich noch nicht so gut dazu stehen, so warne ich die Menschen immer vor, dass sie nicht erschrecken. Im angekleideten Zustand merken es die meisten Menschen gar nicht, obwohl ich eben keine künstlichen Körbchen trage, außer wenn ich ein Dirndl anziehe. Ich glaube, das ist deshalb, weil ich so selbstverständlich damit bin. 

Wie hat sich auch dein Umfeld dadurch verändert? (Freunde, Familie, Job…)?

Manche Menschen haben meine Entscheidung nicht verstanden. Ich konnte sehen, wo die Grenzen bei Einzelnen sind. In der Familie hat die letzte Diagnose neuerlich die Beziehung zu meiner Zwillingsschwester belebt und ich habe eine große Innigkeit und ein Mittragen von meinem Mann und meiner bereits erwachsenen Tochter erlebt. Es hat generell eine Art Reinigungsprozess in Bezug auf Beziehungen stattgefunden. 

Was ist dir heute wichtig, was dir früher (vor dieser Entscheidung) nicht so klar war? 

Ich kann so deutlich spüren, dass meine Weiblichkeit nicht an meine Brüste gebunden ist. Diese Botschaft möchte ich auch anderen Frauen weitergeben, vor allem, wenn sie von Brustkrebs betroffen sind. Deshalb habe ich auch eine Initiative mit dem Titel „Flat is beautiful. Breast Cancer is not the end of femininity“ ins Leben gerufen. Unter diesem Titel haben wir, eine Gruppe von Frauen im Jahr 2019 am Frauenlauf teilgenommen. Es tut mir noch immer im Herzen weh, wie unsere Brüste missbraucht werden im Sinne eines Schönheitsideals und als sexueller Reiz. Sie sind soviel mehr. 

Was hättest du rückblickend gerne schon früher gewusst oder gemacht?

Meine Brüste mehr geliebt, sie als meine Brüste gesehen, die so schön und wertvoll, lebensspendend und kräftig sind.

Ich hätte gerne radikaler auf meine Grenzen geachtet, die vielen Neins, die ich nicht gesagt habe, ausgedrückt und damit ein freudvolleres, nicht so braves, angepasstes, leistungsorientiertes Leben gelebt. Vielleicht hätte ich dann auch keinen Krebs bekommen, auch wenn ich in einem größeren Ganzen sehen kann, dass Alles gut und richtig ist, wie es ist.

Aller Seelen

Gewidmet meinen lieben Krebsschwestern im Himmel

„In die rosarote Landschaft des Brustkrebsbewusstseins wird regelmäßig nur eine Art von Menschen, die Brustkrebs hatten, zugelassen: die Überlebenden.“ sagt in etwas provokanter Weise Anne Boyer in ihrem spannenden Buch „Die Unsterblichen – Krankheit Körper Kapitalismus“

So will ich heute all denen eine Stimme geben, die den Kampf gegen den Krebs, so wie man sagt, verloren hätten.

In dem Moment, wo sie ihr irdisches Dasein beenden, verstummen sie.

Vielmehr wollen wir sie nicht mehr sehen, aus unserer Wahrnehmung schließen wir sie aus, wollen uns nämlich nicht an das vermeintliche Scheitern erinnern, das uns schmerzlich an unser Eigenes denken lässt.

Da halten wir uns lieber an jene, die auch den unheilbarsten Krebs besiegt haben.

Sie sind unsere Heldinnen, unsere Vorbilder.

Sie haben es geschafft.

Sie leben.

Aber – so frage ich mich – sind sie deshalb geheilt?

Und was ist das eigentlich Ge-heilt-Sein?

Ist das Überleben, das Hier-Bleiben auf der Erde ein Zeichen, dass wir heil sind?

Oder gibt es nicht auch eine Heilung, die trotz des leiblichen Ablebens stattfinden kann?

Ein Heilsein, das sich vielleicht nicht an den Jahren des Überlebens, an den medizinischen Werten, am Rückgang des Tumorgeschehens bemisst, sondern in einem nur zu erahnenden Seelen-Heil, einem Frieden, einer Läuterung.

So denke ich heute an Elsa, die mir kurz vor ihrem Tod eine Stunde vollkommenen Friedens, Heil-Seins schenkte.

Kein Konflikt mehr, keine Angst, kein Widerspruch, erlöst von Kämpfen und einem Dagegen.

Da gab es keinen Unterschied mehr zwischen dem so ersehnten nachtodlichen Frieden und dem Jetzt.

Still war es – überirdisch still.

Ich denke auch an Gunda, die so ganz bewusst war über ihr bevorstehendes Sterben und eines Tages – 2 Monate vor ihrem Tod – auf meine Frage, worum es heute in unserer Stunde gehen könnte, meinte, um ihr Sterben und der Bitte, dass ich sie begleiten möge. Welch´ ein – hin und wieder durchaus herausforderndes – Geschenk.

Auf einer bewussten Ebene war sie einverstanden, sagte Ja zu ihrem jungen Sterben. Vorbildhaft regelte sie ihre Angelegenheiten, versöhnte sich, wo Versöhnung nötig war, plante minutiös ihr Begräbnis, sah dem Tod in die Augen, und dann wehrte sich ihr junger Körper, allem Sterben-Üben zum Trotz, stemmte sich, wie wenn sie eine Türe zum Öffnen zuhalten würde.

Sie starb – an meinem Geburtstag vor vielen Jahren, und dann kamen wir alle wieder zusammen, wie wir das in den letzten Wochen ihres Lebens immer wieder getan hatten.

Da lag sie, den von ihr gewählten Lippenstift aufgetragen von uns, den ihr nächsten Frauen, gewandet in ein Designerkleid – auch das sorgfältig gewählt.

An den Füßen kuschelige Socken, nicht mehr gebraucht, aber gewollt. Da lag sie dann und war überirdisch schön, eine Schönheit, die ihre weltliche noch übertraf.

Ich denke auch an Ramona, die Tapfere, die ihren Weg ging, im wahrsten Sinne das Wortes – nicht einmal verschob sie ihren Chemotermin, um den Jakobsweg zu gehen.

Sie nahm Alles in Kauf – den Haarverlust, – geh´, da gibt es echt Wichtigeres – die Schmerzen und die Eingriffe.

Sie trotzte dem Tod über viele Jahre. Von vielen wurde sie deshalb bewundert, und dann starb sie doch –  im Kreise fürsorglicher Frauen. Kein Gehen mehr, nicht mal ein Aufstehen – Hingabe statt Entgegentreten war angesagt. Das war schwer.

Sie und alle anderen, die in die andere Welt gegangen sind, haben es gemacht, wie sie es gemacht haben.

Und ich kann mit einem wertfreien Blick sehen, dass dieser je eigene Weg ein genau richtiger war, und dieser je eigene Krebsweg – immer –  einem Gesamtkunstwerk gleicht.

Dann entspannt sich etwas in mir, und bei allem persönlichen Verlust und Bedauern kann ich die Schönheit darin sehen.

Wie tröstlich zu wissen, dass, wie schmerzlich der Weg auch war, er ein von ihnen auf der Seelenebene getroffener war.

Eine Wahl genau dieses Schicksals, mit allem Drum und Dran, dem Leichten und vielem Schweren.

Wie tröstlich auch, dass sie noch immer da sind. Befreit von menschlichem Wollen können sie uns unterstützen, mit uns sein, uns bezeugen, wahr-nehmen, lieben, weil sie der Erdenschwere enthoben sind und frei.

Wie tröstlich auch, dass das Leben weitergeht, immer weiter und weiter, dass nichts zu Ende ist, niemals.

Dieses Wissen hochzuhalten und sich gleichzeitig der Endlichkeit bewusst zu sein, zu wissen, dass jeder Moment der Letzte sein kann, dass alles, was wir tun, vielleicht das Letzte ist, das wir tun können – hier auf der Erde, ermöglicht mir, mich nicht nur um die Erhaltung meiner leiblichen Existenz zu bemühen, sondern darum, meine Seelen-Bedürfnisse zu entdecken und ihnen gerecht zu werden, auch das nicht einem Bild gehorchend, sondern darin meinen ureigensten Klang, meine Tönung wahrzunehmen, die ich – und nur ich – hier in dieser Inkarnation dem Ganzen hinzufüge.

Es heißt ja immer „Ruhe in Frieden“. In dem oben gesagten Sinne wäre „Wirke in Frieden“ – wo immer Du bist – inkarniert oder gerade nicht inkarniert, der stimmigere Aufruf.

P.S. Zwei Bücher möchte ich noch empfehlen, die mich in dem Vertrauen bestärkt haben, dass die geistige Welt immer (für uns) da ist, und das Leben (auf verschiedenen Ebenen) immer weiter lebt:

Das Erste ist von Bruno Bitterli-Fürst und heißt „Tod und Leben. Mit Betrachtungen aus dem Jenseits von Elisabeth Kübler-Ross.“ In diesem schönen Büchlein meldet sich immer wieder Elisabeth Kübler-Ross, die legendäre Begleiterin von Sterbenden zu Wort und was sie da vermittelt ist unglaublich schön und ein wahrer Trost.

Ich könnte nahezu das ganze Buch zitieren, so viel Erhebendes, Inspirierendes, Tröstliches ist darin zu lesen.

Ich wähle einen Abschnitt, der für mich gerade in der jetzigen Zeitqualität von Bedeutung ist:

„Wir sind uns meistens bewusst, dass wir das, was ist, nicht wirklich verändern können. Aber wir können die Liebe, die in uns wohnt, mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, zum Ausdruck bringen. Gerade jetzt bin ich nicht die Einzige, die Worte zu Bruno spricht. Ich bin mit vier anderen Wesen anwesend. Ich kann euch sagen, dass es sehr beflügelnd ist, die eigene Individualität aufzugeben, um eine Wesen zu kreieren, das aus fünf Einzelwesen besteht. Und dann, wenn dieser Fünfer Tanz zu Ende getanzt ist, lösen wir den Verbund und lassen uns weiter von der Welle der Liebe ins nächste Abenteuer führen. Dann kann es geschehen, dass ich eure feinen Körper zusammenschliessen und aus diesem Zusammenschluss etwas gänzlich Neues entsteht. Etwas, das jemand alleine nicht hätte erschaffen können; etwas Einzigartiges, das durch die Anwesenheit exakt dieser Beteiligten möglich wurde.“

Auch das zweite Buch mit dem Titel „Menschsein im Jetzt“ ist ein wahrer Schatz.

Hier hat Ana Pogacnik Gespräche mit der Seele ihrer verstorbenen Schwester Ajra geführt. Ich habe fast das ganze Buch unterstrichen, und ich könnte viel Wertvolles zitieren.

Ich habe einen Absatz gewählt, weil in ihm die ewige Natur der Seele betont wird. Das ist gerade in einer (medizinischen) Welt, die das irdische Weiterleben, so finde ich, überbetont sehr wesentlich und darüber hinaus auch beruhigend.

„Wenn wir die zyklische und ewige Natur der Seele kennen und wissen, dass wir als Seelen gerade deswegen durch verschiedene Inkarnationen reisen, um zu lernen, zu üben, zu heilen und zu wandeln, dann verstehen wir auch, dass die Seele immer wieder durch Nadelöhrsituationen hindurch gehen muss, um sich tiefer zu reinigen, noch gründlicher mit sich selbst zu konfrontieren, noch deutlicher ihr eigenes Sein zu begreifen, noch klarer herauszuschälen, worum es im Leben eigentlich geht und so noch konkreter im Leben zu landen.“

Die Krebsbegleitung als spiritueller Weg

Angeregt durch ein Gespräch in meinem kleinen, feinen KrebsbegleiterInnenkreis, habe ich mir Gedanken gemacht, was eine Begleitung, die auch die Spiritualität (was immer das genau ist) einbezieht, auszeichnen könnte.

Die folgenden Punkte sind ungeordnet und sicher nicht vollständig:

  • Ein Abstandnehmen können von den eigenen (angstbesetzten) Konzepten über die Krebserkrankung und darüber, was richtig und falsch ist, zu tun.
  • Um die Schicksalshaftigkeit jeden Weges zu wissen.
  • Zu wissen, dass das Leben mit dem Tod nicht endet.
  • Zu wissen, dass es um den Weg geht, der immer in sich richtig ist und heilsam wird, wenn er bewusst beschritten wird – egal wie er aussieht (!?!)
  • Zu wissen, dass der (Heil-)Weg zu allererst ein Prozess ist, mit der je eigenen, individuell unterschiedlichen Zeit.
  • Ahnend zu wissen, dass die Krankheit im Verständnis von Viktor von Weizsäcker eine, wenn auch vielleicht unzureichend gebliebene „Schöpfungstat“ ist. Dass ihr also ein finaler Sinn innewohnt.
  • Zu wissen, dass es verschiedene Ebenen des Seins gibt – eine non duale, eine duale, eine Ebene des Körpers, der Seele, des Geistes,….., und dass diese Ebenen oftmals eine eigene Berücksichtigung brauchen.
  • Zu wissen, dass immer die Liebe das heilsame Agens in der Begegnung zwischen dem/der BegleiterIn und dem krebskranken Menschen ist. Und da meine ich jetzt nicht eine kitschig-sentimentale Zuneigung, sondern eine Liebe, die den anderen in seinem So- und Angelegtsein wahrnimmt und herzlich schätzt.
  • Zu wissen, dass es ein großes Geschenk ist, jemanden begleiten zu dürfen, der mit der Herausforderung einer Krebserkrankung zu leben hat.
  • Zu wissen, dass es im Beschreiten der Wege, sei es die Ernährung, die Bewegung, die Lebensveränderung… eine Haltung der Selbstfürsorge und Selbstliebe und eine innere Bejahung braucht, damit sie eine wahrhaft heilsame Wirkung entfalten können.
  • Zu wissen, dass neben unserem eigenen Beitrag, dem Machbaren immer auch Gnade waltet.
  • Zu wissen, dass die genaue Wahrnehmung dessen, was jetzt richtig und stimmig ist, Alles verändern kann.
  • Zu wissen, dass eine radikale Wendung immer möglich ist.
  • Zu wissen, dass das Leben größer ist, viiiiel größer als unsere irdische Existenz.
  • Zu wissen, dass es viele nicht sichtbare Kräfte gibt, die für uns sorgen und da sind.
  • Zu wissen, dass Alles gut ist.

Sowieso und immer.

Der Corona/Krebs – Aufruf zum Selbst-Sein

Der Corona-Krebs – Aufruf zum Selbst-Sein

Mein Krebs wurde erstmals 1997 diagnostiziert, in der rechten Brust, ausgedehnt auf 10×8 cm zeigten Mikroverkalkungen, einem Sternenhimmel gleich, ein niedrig malignes Krebsgeschehen an.

Der erste Chirurg, den ich 3 Tage nach der Diagnose kontaktierte – ein honoriger Universitätsprofessor – machte gleich mal klar: „Da muss Alles weg – die ganze Brust, dann sei ich geheilt.“

Das war der eigentliche Schock – der Verlust meiner Brust mit 41 Jahren. Das wollte ich nicht. Soviel war sofort klar.

Glücklicherweise fiel mir das wunderbare Buch „Brustgesundheit – Brustkrebs“ von Susun S. Weed in die Hände. Dieses Buch wurde zu meiner Bibel. Hier las ich – und das tat ich im Bus, in der Straßenbahn, zwischen den Therapiesitzungen, abends, morgens, überall und immer – dass wir, die von einer Krebsdiagnose betroffen sind, uns Zeit lassen dürfen, zunächst einmal innehalten, nichts tun, auf die innere Stimme hören und diesen Eingebungen folgen.

Das tat ich. Und so fand ich meinen ersten Chirurgen, der mir meine Brust beließ und mich nur von dem betroffenen Teil befreite – mit einer derartigen Kunstfertigkeit und in Liebe zu mir als Frau, sodass schon nach kurzer Zeit nichts mehr zu sehen war. Wunderbar.

Man/frau möge meinen, dass die Zeit um die Krebsdiagnose verschattet war, dunkel, bedrückend. Das war sie nicht. Vielmehr fühlte ich mich in meinen Bewusstsein angehoben. Leben durfte ich endlich, mich zum Zentrum meines Lebens machen, Leben aus mir heraus.

20 Jahre später erhielt ich die nunmehr dritte Brustkrebsdiagnose. Wieder wurden multizentrische Krebsherde gefunden und erneut traf ich ganz klar eine Entscheidung: Ich trennte mich von beiden Brüsten nach nahezu 50 Jahren Zusammenleben.

Und es war gut und richtig. Auch das mit einer gnadenvollen Geistes-Klarheit, die mir jeden notwendigen Seelen-nahen Schritt zeigte.

Dieser Chirurg, diese Chirurgin, dieser Operationszeitpunkt, diese Ernährungsumstellung, dieser spirituelle Weg, diese Ayurvedakur, das Beenden von belastenden Beziehungen, das Zusperren meiner psychotherapeutischen Praxis usw. – all das, entstand aus meinem Innersten.

Und dann vor nahezu zwei Jahren: Corona.

Auch hier war und bin ich ganz klar, was für mich zu tun und zu lassen ist. Auch habe ich keine Angst vor der Krankheit – bei aller Um- und Vorsicht. Ich weiß, dass sie, wie auch mein Krebs, der ja mein Krebs ist, mit mir zu tun hat, mit meiner Lebensweise ebenso wie mit meinem Schicksalsweg.

So weit, so ähnlich.

Es gibt jedoch im wahrsten Sinne des Wortes gravierende Unterschiede.

Ja, ich hatte es auch in Bezug auf meine Therapieentscheidungen wie viele andere, die sich für einen nicht orthodoxen schulmedizinischen Weg entschieden, mit Kopfschütteln, Infragestellen meiner Entscheidungen zu tun, und viele meiner Krebsgeschwister werden deshalb angegriffen, fallen gelassen und manchmal sogar mit dem Tod bedroht – „dann, wenn Sie diese oder jene Therapie ablehnen,  sehen wir uns am Friedhof!“ Wie in der katholischen Kirche wird mit der Verdammnis gedroht, wenn man/frau sich vom einzig wahren Glaubensweg entfernt.

Aber: es war mein Körper, mein Weg und wenn ich mir ein Herz fasste und für mich und meine Entscheidungen eintrat, erfuhr ich oftmals auch Verständnis, Interesse und Respekt – auch von schulmedizinischer Seite.

Das, womit wir es jetzt seit nahezu 2 Jahren zu tun haben, ist ein anderes Kaliber.

Von Anfang an wurde diese Krankheit über Risikofaktoren hinweg generell dämonisiert und Menschen, die versuchten, diese Gefährlichkeit – auch mithilfe von wissenschaftlichen Untersuchungen – zu relativieren, wurden sogleich mit Titeln wie CoronaleugnerInnen, Covidioten, AluhutträgerInnen disqualifiziert und ja auch verfolgt.

Die Gehirne der Menschen wurden beständig mit der vermeintlich allumfassend tödlichen Realität der Erkrankung aller wissenschaftlichen Evidenz zum Trotz infiziert.

Sukzessive kamen Menschen, die gerade noch aufgeklärt, vernünftig zum Geschehen standen, von Sinnen. Sie verloren ihre organisimische Urteilsfähigkeit und letztendlich das, was mein lieber Wilhelm Reich als Wahrheitssinn bezeichnete.

Das – und ich sage das jetzt mal ganz unverblümt – ist das wahre Verbrechen.

Weil ohne diese Basis unserer organismischen Wahrnehmungsresonanz, unserer Einschätzungsfähigkeit, was wahr und angemessen ist, was wir als richtig und falsch für uns erachten, ein gesundes, der (inneren) Körper-Geist-Natur entsprechendes Leben schwer, wenn nicht unmöglich ist.

Die Krebsdiagnose führte mich durch alle Schichten meines verbiegenden Geworden-Seins geradewegs in mein Fundament, in das, was ich wesenhaft bin. Sie ließ mich in eine den Himmel und die Erde verbindende vertikale Ausrichtung kommen.

Und hier findet sich alles Wissen, das für das Jetzt und Hier gebraucht ist – ein Wissen, das aus der Erfahrung der Vergangenheit gespeist ist und den Möglichkeitsraum der Zukunft in sich trägt.

Diese Aufrichtigkeit, dieses Selbst-Bewusstsein, im Sinne eines Bewusstseins meines Selbst gilt es in einer Krise zu erwecken, das ist meine Erfahrung.

Ich könnte auch sagen, es bleibt uns nichts anderes übrig.

Und nein, dieser Prozess ist nicht schwierig, nicht anstrengend, nicht hart, vielmehr ist es eine riesige Befreiung, eine göttliche Freude.

Und hier in der Tiefe unserer Wahrheit findet Vernetzung statt zu Gleich-Gesinnten, Menschen, die gleich schwingen.

Wir ziehen über die Kraft unserer Authentizität Menschen an, wo eine Herzensverbindung, eine Vertrautheit spürbar und ein freudvolles gemeinsames Schaffen möglich ist.

Es tun sich Welten auf, Gutes strömt uns zu, und Neues entsteht.

Ganz einfach!