Unlearn patriarchy – Schreiben

Den folgenden Beitrag habe ich nach einer schmerzlichen Erfahrung mit der „Behandlung“ eines meiner Texte verfasst.

Der Titel „Unlearn patriarchy-“ ist eines sehr lesenswerten Buches entnommen, wo die Autorinnen die teilweise oder vielleicht sogar zumeist verborgenen Dynamiken des Patriarchats hinsichtlich verschiedener Aspekte, wie Medizin, Körper, Liebe, Wissenschaft,… beschreiben. (https://www.ullstein.de/werke/unlearn-patriarchy/taschenbuch/9783548068602)

Seit einiger Zeit bin ich am Erforschen dieser unbewussten Mechanismen in den verschiedenen Zusammenhängen, aber auch und vor allem in mir selbst, jene Aspekte, die mich hindern, mich im Schöpferischen vollständig zu ver-wirk-lichen.

Die Herren bestimmen und oft haben sie das letzte Wort.

Die Herren sagen und fragen. Oft antworten sie nicht, oder nur wenn es ihnen passt.

Die Herren lassen uns arbeiten, manchmal loben sie uns, nicht zu viel, damit wir nicht übermütig werden.

Die Herren beauftragen, mach´ dies, mach´ das. Zuerst geben wir den kleinen Finger und schon stecken wir drin bis zu den Knöcheln.

„Und manchmal sagen sie was dazu“, um es mit Ingeborg Bachmann anlässlich der Gruppe 47 zu sagen. Ein ebenso sehr lesenswertes Buch von Nicole Seifert (https://www.kiwi-verlag.de/buch/nicole-seifert-einige-herren-sagten-etwas-dazu-9783462003536)

Und wir, die Frauen, wir fühlen uns geschmeichelt, dass wir überhaupt eingeladen werden.

Wow, welche Auszeichnung, ich darf dabei sein, sie wollen mich, mich wollen sie.

Und dann diene ich, übernehme die mir aufgetragenen Aufgaben, bringe den sprichwörtlichen Kaffee und gute Laune, bessere die Grammatikfehler aus, lese ihre Texte, gebe ausführliche und wohlwollende (wichtig!!) Rückmeldungen. Und die Kritik nur ganz vorsichtig formuliert.

Wenn die Herren gut gelaunt sind, dann bedanken sie sich sogar.

Und ich fühle mich einen Moment besser – nur einen Moment.

Wow, ich habe Pieps sagen dürfen und werde nicht gleich zur Schnecke gemacht.

Das ist doch schon ein Anfang.

Weiter so.

Und dann neue Aufträge empfangen, mit einem Packen rausgehen, abarbeiten, pflichtbewusst und fristgerecht – selbstverständlich.

Und dabei auf der Strecke bleiben.

Tag um Tag, Jahr um Jahr.

Denn die Herren wollen nichts Eigenständiges, zu „tendenziös, zu krass, zu radikal, zu polarisierend und überhaupt was ist der Mehrwert?“ – alles Originalzitate.

Jetzt ist Schluss damit – hoffentlich, so ganz sicher bin ich mir nämlich nicht, ob ich nicht neuerlich der Verführung erliege.

Also bitte lassen wir die Herren Herren sein.

Da ist nichts zu holen.

Aufstehen mit oder ohne Krone, das Schöpferische erwecken.

Das ist unser Job.

Nur das.

Sich ans Werk machen, ans Eigene.

Das Eigenste, das nur ich erschaffen kann, das wird dann vielleicht wild oder auch unendlich zärtlich, innig, oft sogar unverständlich, auch inbrünstig, überschwänglich, ver-rückt, entfesselt, großartig.

Und selbst für mich überraschend und immer neu.

Vor allem das:

Immer neu-geboren.

Alles zu seiner Zeit.

Zunächst die befruchtende Inspiration, dann die Schwangerschaft, ein hin und her Bewegen, ein Hegen und Pflegen. Keine vorgegebene Zeichen- oder Wortanzahl, nicht mal Grammatikregeln, schon gar keinen vorgegebenen Geburtstermin, oder wie das in diesen Zusammenhängen so unschön Deadline heißt.

Eine natürliche Geburt, eine Ent-Bindung, ein zur Welt- Bringen.

Dann ist es da, das Neugeborene, zu seiner Zeit. Und dann auch keine lektorierenden Eingriffe – so kann man das ja nun wirklich nicht sagen.

Ein Staunen, ein Lieben. Ein Annehmen und Anerkennen der je eigenen Schönheit.

Das Wesen entdecken, dieses einzigartige Wesen.

Und sich drüber freuen.

Heissa, hopsassa, wie wunderbar!

Es begrüßen, halten und tragen im Kreise der Künstlerinnenfamilie bis es seinen Weg in die Welt findet, wo es viele, viele Menschen im Herzen erreicht.

So soll es sein.

So wird es sein, wenn wir, die Weibsfrauen uns besinnen, dass wir ganz und gar frei sind, und dass es keine patriarchalen Strukturen und männliche Anerkennung braucht, um unser Werk zur Welt zu bringen.

Auf dass ich das schaffe, das durch mich, durch uns hier ge- und erschaffen werden soll.

ZweiKommaVier

oder Wie Zahlen zu Dämonen werden.

Es ist nur eine Zahl, die da schwarz auf weiß auf dem Befund steht – 2,4 cm steht da, wo vor 1 ½ Jahren noch 1,9 cm stand. Das ist beeindruckend und zieht mich sofort in den Bann.

2,4

2,4

2,4

2,7

Progredient wachsend.

Nicht gut, gar nicht gut.

Das Schicksal, oder was auch immer, hat es mir erspart, dass ich diese Zahl sogleich, noch bevor ich meinen Radiologen sah, auf meinem Handy lesen musste.

So konnte er mich vorwarnen, was dann tatsächlich „unbeeinflusst und objektiv“ dastehen wird.

2,4 cm

Ein ziemliches Wachstum also, rein so gesehen.

Beeindruckend, Angst machend, zur baldigen Handlung auffordernd.

Abklären, Reinstechen, Bestimmen, was es ist.

Endlich – hätte schon längst geschehen sollen.

Sofort wird diese Realität zur einzigen Wirklichkeit, die alles andere überschattet.

Von 1,9 auf 2,4 cm, ein deutliches und stetiges Wachstum.

Da könnte ich gleich 1 und 1 zusammenzählen. Was soll das sein, noch dazu, wo es so böse aussieht.

Das ist die eine Realität.

Schritt für Schritt bläht sie sich auf.

Schon bin ich nicht mehr gesund, sondern (potentiell) schwer krank.

Schon habe ich eine fragliche Zukunft, schon kann ich mich nicht mehr in meiner Gesundheit erfahren und an ihr erfreuen.

Schon starre ich fortan auf diese 2,4 oder 2,6 oder 3,0 oder 3,5 cm.

Das ist die eine Realität.

Nur die eine.

Eine zweite zeigte sich im Gespräch, im direkten, persönlichen Gespräch mit meinem Radiologen. Er zeigte uns, meinem Mann und mir, alle 5 CT – Bilder seit 2002.

Sofort sah ich ihn, meinen Jupiter, wie ich ihn gleich einmal nannte, damals, als er mir vom 1. CT- Bild entgegen leuchtete.

Hallo, ich bin noch da!

Am selben Platz, hat seine Form nicht verändert und von der Ferne betrachtet ist er auch größenmäßig gleichgeblieben.

Vertraut irgendwie.

Schlagartig waren mein Mann und ich erleichtert, auch wenn es uns nicht gelang, meinen Röntgenologen davon zu überzeugen, dass sich augenscheinlich nichts verändert hat.

Das ist die 2. Realität: die Wahrnehmung des Augenscheinlichen.

3 ½ Jahre der Beobachtung und keine wesentliche Veränderung.

Wären da nicht die Zahlen, die mich gestern Morgen heftig wachrüttelnden.

Ja, aber warum wächst da was, und was wächst ist böse und gehört raus.

Stand by steht er da – der Befund – mit all den Zahlen und Warnungen.

Er ruft nach meiner Aufmerksamkeit.

Komm´ her, beschäftige Dich mit mir. Was, Du willst fröhlich weiterleben, Deine Dinge machen. Nix da, her mit der Aufmerksamkeit.

Schon lieg´ ich gelähmt im Bett, die Stunden vergehen.

Total freeze.

Wegen zwei Zahlen: 1,9 und 2,4

Glücklicherweise hatte ich ein erfreuliches Telefonat mit einer Freundin, wir sprachen über ihren Hund, den Bauernhof, über unsere Brust-Op´s, über die O-Töne, Streeruwitz und das Leben – alles heiter und leicht.

Jetzt nur nicht zurück – hej da war doch noch was – dieser Befund.

Meine Lebendigkeit wahrnehmen, den Himmel sehen, die Wolken ziehen lassen.

Zurück in die Wirklichkeit.

Hab´ nämlich keine Lust mehr, mich um ein Krebsgeschehen zu kümmern, schulmedizinische „Angebote“ abzuwehren, mich den nicht weniger fordernden komplementärmedizinischen Maßnahmen zu überantworten und um den Krebs zu kreisen, als Lebenszentrum.

Will forschen, mich freuen, mich bewegen, denken, lieben, gut sein…

Weiter-Gehen

Weiter-Leben

Solange ich darf,

kann

und

will.

Reden Sie mit mir, bitte!

Sofort schießt er mir ein – der Schreck.

Eine unscheinbare Email von meinem Röntgenarzt, der mich seit 28 Jahren treu begleitet, dass er wieder mal nachgesehen hätte im System und keinen CT Befund von mir findet.

Das hab´ ich jetzt über Monate erfolgreich verdrängt, hatte bereits Verordnung und Bewilligung und einen Termin, dann wurde ich krank und damit durfte, musste ich es auf die lange Bank schieben.

Ich bin also hingegangen – ein letztes Mal – muss ja auch meinem Hausverstand – ein gar nicht so schlechtes Wort, der Verstand, der in meinem Körperhaus lebt – benutzen. Und der sagt, wenn nach 3 Jahren keine wesentliche Veränderung in Wachstum und Form passiert ist, dann kann da nichts sein, kein Krebs und schon gar keine Metastase.

Also, ich bin hingegangen am Dienstag und aufgeregt war ich wieder und zigmal kontrollierte ich, ob ich eh alle Zettel dabei habe, die Verordnung, die Bewilligung und den Blutbefund – alles nicht älter als 3 Monate.

Gerade noch ganz gesund, kann ja laufen, gehen, denken, meine Sachen machen und dann die Maschinerie – und schon (tod-)krank.

Überall können sie sein, die todbringenden Herde, sie lauern im Körper, sie gehören abgeklärt, reingestochen, angeschaut, ob man darin diese bösen Zellen findet.

Kann mich nicht dran gewöhnen und voller Mitgefühl denke ich an all meine lieben Krebs-Klientinnen, die das teilweise alle 3 Monate durchmachen müssen.

Reingeschoben in die Röhre, das Kontrastmittel im Arm, Hände hinter dem Kopf abgelegt, ausgestreckt, wie aufgehängt lieg´ ich da, den Platz nahezu wortlos zugewiesen, keine Anrede, kein sich Vorstellen.

Die Maschine ist es, worum es geht.

Mein Leben, das Urteil über mein Leben einer Maschine überantwortet, kein Gesicht zu einem Befund, unemotional und damit unbeeinflusst, nennt das mein Radiologe.

Ein Stück Fleisch liegt da, lieg´ ich da, gekreuzigt am Marterpfahl der Technik.

Einatmen – Ausatmen.

Einatmen.

Den Atem halten.

Weiter atmen.

Zuvor den Fragebogen ausfüllen, die Zeilen reichen nicht aus für die vielen Diagnosen, die ich bereits hatte.

1998 rechts

2002 links

2018 beidseits.

2022 links.

Dasselbe noch einmal für die OP´s und die Bestrahlungen.

Mühsam ist das und fast geniere ich mich – das ist wahrlich keine Erfolgsstory. Vorsorglich trage ich einen Body und eine Hose ohne Metall dran, sonst müsste ich – Oberkörper nackt – in der Unterhose rein, mich entschuldigen für den Ablatio-Anblick, aber es schaut eh´ keine, der Fokus ist auf meinen Venen, pump, pump, klopf, klopf. Ist diese junge Frau überhaupt eine Ärztin, schließlich spritzt sie mir ein Kontrastmittel in die Venen. „Das möchte ich nicht im Gewebe haben“, sage ich scherzend, man will ja Kontakt haben.

Kontakt ist das Wichtigste.

„Reden Sie mit mir!“, hat sie gesagt, meine liebe Gundula, als sie ihr die Maske für die Kopfbestrahlung aufgesetzt haben.

„Reden Sie mit mir!“.

Da war er wahrscheinlich ganz schön erschreckt, der RT Mensch, dass diese Frau kein stummes Lamm auf der Schlachtbank ist, sondern ein Mensch, ein großer Mensch, der durch die Schlitze rausspricht, der vor-kommt, sich äußert mit einer Stimme, die ja hier eigentlich gar nicht angesagt ist.

„Reden Sie mit mir!“

Alle lassen wir uns sie gefallen, die Behandlung, die keine ist.

Massenmenschenhaltung.

Am Schalter den Schein abgeben, das ist das Wichtigste, die Bewilligung, die die Kohle garantiert, sonst geht gar nichts.

Code für den Befundabruf entgegennehmen.

Platz nehmen, auf einem der drei Sessel.

Aufgerufen werden, zwischen Tür und Angel Durchsprechen des Informationsblattes. Eigentlich ist mir das gar nicht recht, dass die Frau, die bereits an meinem Platz sitzt, das so alles detailliert mitbekommt.

„Da ist der Kopf“– einziger Begrüßungssatz. „Ich weiß“, schmunzle ich, „ich kenne es schon“ – so mein vorsichtiger Kontaktversuch.

„Reden Sie mit mir, bitte reden Sie mit mir!“

„Zeigen Sie mir, dass ich ein Mensch bin, dass Sie ein Mensch sind, der lächeln und antworten kann, der eine Ahnung, zumindest eine leise Ahnung hat, wie beschissen eine solche Situation ist, dass Menschen wie ich, die jetzt schon das 5. Mal auf das Urteil warten, ob der Herd, dieser hochsuspekte Herd mit dem Namen SBL – Abkürzung für Metastase-  von mir liebevoll Jupiter getauft, größer geworden ist.

Größer ist nämlich ganz schlecht, oder vielleicht sind ja sogar noch welche dazu gekommen – Aufhellungen, Verdunkelungen, da ist ja viel Platz in so einem Körper.

„Reden Sie mit mir, bitte, ich flehe Sie an, lassen Sie mich nicht allein!““

„Reden Sie mit mir! Sagen Sie mir, dass Ihnen meine Haarfarbe gefällt, fragen Sie mich, welcher Art mein Doktortitel ist, und dass Sie auch immer schon Psychotherapeutin werden wollten.

Oder erzählen Sie mir von ihrem Hund oder dass Sie froh sind, dass es jetzt gleich zu Ende ist mit all dem Nadel-Setzen und Rein- und rausschieben und Sie jetzt endlich gleich die vom Foodora gelieferte Pizza essen können.

Oder sagen Sie mir – wieder geschafft! Haben Sie noch einen schönen Abend.“

Egal was, einfach mit mir reden, mir das Gefühl geben, dass ich nicht allein bin. Weil dann lässt sich sogar ein schlechter Befund besser verdauen.

Naja, so gesehen kann man sich schon auf mit passender KI programmierte Roboter freuen, die einen mit Namen ansprechen, die Hand halten, fragen, ob ich gut liege, mich beruhigen über liebe Worte.

Einfach ganz menschlich halt.

Liebe/n

Was ist Liebe und was ist sie nicht – für mich. Natürlich weiß ich das auch nicht. Aber einige Ideen dazu sind heute morgen in mir entstanden. Versteht es bitte als eine idealtypische Annäherung.

Konflikte vermeiden um des sogenannten lieben Friedens Willen.

  • Für die eigene Klarheit sorgen und in kontaktvoller Verbundenheit dafür eintreten.

Den anderen schonen aus Angst, ihn zu verletzen

  • Ihm, ihr Halt geben durch das Geschenk der eigenen Wahrnehmung, auch wenn diese vielleicht schmerzlich ist. Die Wahrheit, so sie eine schmerzliche ist, ist es sowieso.

Romantische Gefühle

  • (Bemühen) den anderen zu sehen und entdecken, wer er ist jenseits von Gefühlsgetönten Zuschreibungen, was er für uns ist.

Sehnsucht

  • Da sein, wo ich bin und mich freuen, dass der andere da ist, wo er ist, wissend, dass wir verbunden sind über Zeit und Raum.

Haben wollen

  • Geben

Die eigenen Grenzen überschreiten aus „Liebe“

  • Der eigenen Grenzen bewusst sein und sie grundsätzlich bewahren, auch wenn wir sie im gemeinsamen Eintauchen und Verschmelzen bisweilen überschreiten. Damit eine Einladung geben, dass der andere auch die seinen beachtet und bewahrt.

Vernebelung

  • (Bemühen um) Klarheit, Gewissheit, Da Sein

Illusion

  • (Bemühen um ein) radikales in die Tiefe gehendes Wissen um mich und den anderen.

Verklärung

  • Pragmatismus: die sogenannten Schwächen des anderen liebevoll zur Kenntnis nehmen und sich damit nicht aufhalten.

Verliebt-Sein

  • Den, die andere/n als andere/n an-erkennen.

Deals

  • Geben, empfangen, empfangen, Geben, Geben, Geben, Empfangen, Empfangen, Empfangen, Empfangen, Geben, Geben, Geben, Geben, Geben. Und somit die gegenseitige Anhebung unterstützen.

Investition

  • Ich bin Geschenk genug in meinem So Sein, wie auch der andere Geschenk genug ist in seinem So Sein.

Wir haben einander gefunden.

Das ist kein Zufall.

Und damit ist es genau richtig so.

Und hier noch das Lieblingszitat von meinem Mann von Rainer Maria Rilke – damit hat er mich ein paar Mal ganz schön gequält ;-))

Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist: die Freiheit eines Lieben nicht vermehren um alle Freiheit, die man in sich aufbringt. Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies: einander lassen; denn daß wir uns halten, das fallt uns leicht und ist nicht erst zu lernen

Die Wahl

Wenn ich im Internet surfe, lese ich kein Buch.

Wenn ich Zeitung lese, lese ich kein Buch.

Wenn ich fernsehe, kann ich zwar gleichzeitig stricken, aber nur etwas Einfaches.

Wenn ich etwas höre, kann ich stricken, aber nur etwas Einfaches.

Wenn ich in den Wald gehe und dabei ein, wenn auch wertvolles Interview höre, kann ich keine Vogerln und schon gar nicht die Stille hören.

Wenn ich Zeit mit anderen verbringe, bin ich nicht allein.

Ich schreibe in dieser Zeit keine Blogbeiträge, ich lese nicht, ich stricke meistens nicht, nur manchmal in ganz vertrauten Kreisen.

Wenn ich fernsehe, schreibe ich nicht.

Ich höre keinen Bach, keinen Beethoven und auch keinen Mozart.

Wenn ich mich mit Zores beschäftige, bin ich ärgerlich und nicht freudig.

Wenn ich eine Topfengolatsche esse, esse ich nichts Frisches, Grünes, Belebendes.

Wenn ich in Gesprächen jammere und mich über dies und das ereifere, werde ich danach eher ab- als aufgebaut sein, ich werde beim Rausgehen den Kopf hängen lassen und nicht erfreut in den Himmel blicken – „Ach ist das Leben schön.“

Wenn ich allein schlafe, schlafe ich nicht neben meinem Liebsten.

Und wenn ich neben meinem Liebsten schlafe, schlafe ich nicht allein.

Wenn ich am Sofa gnotze, tanze ich nicht.

Wenn ich die Arbeit von anderen mache, mache ich in dieser Zeit nicht meine Eigene.

So ist alles ganz einfach.

Und ich habe die Wahl.

Und auch wenn jede Wahl grundsätzlich gleich-gültig ist, so weiß ich doch, dass ich meinem Leben Gutes tue, wenn ich Bücher lese, schreibe, tanze, Nährendes zu mir nehme, still bin, lausche und schaue, wenn ich oft allein und zeitweise mit anderen bin.

Dann ist auch das Leben gut zu mir – erhebt und erfreut mich, ich spüre meine Kraft und Lebendigkeit, meine Freiheit und Freude.

Mit jeder guten Wahl – oder wie mein lieber Carl Rogers sagt, mit jeder organismischen Wahl – bekräftige ich mein eigenes Leben.

Ich eigne es mir an.

Mache es mir zu eigen.

Muss nicht mehr gegen Fremdes angehen.

Keine Verbiegung.

Keine mühsame Verdauungstätigkeit von Unverdaulichem.

Öffnen – Schließen

Öffnen – Schließen

Oder vielmehr

Schließen – Öffnen

Schließen – Öffnen

Ganz einfach.

Eine Tür schließen

Eine andere öffnen

Verweilen

Mich freuen,

bis mich ein neuer Ruf ereilt.

Grenzen setzen – die Zweite

Weggehen.

Sehr oft habe ich in meinem Leben das kleine Gartenhäuschen mit dem lauschigen Garten, umgeben vom Lattenzaun verlassen, um in die Welt zu ziehen – Trixilein ging allein in die weite Welt hinein…

Habe es gewagt, mich der Ungeschütztheit auszusetzen, war neugierig, was es noch so alles gibt.

So habe ich bei vielem mitgewirkt, in politischen, feministischen Zusammenhängen ebenso wie in therapeutischen Gruppen und onkologischen Netzwerken.

Meistens war ich Jahre, oft Jahrzehnte mit vollem Engagement und Begeisterung dabei.

Es ist schön, zu einer Gruppe dazu zugehören. An etwas gemeinsam zu wirken, eine Bedeutung zu haben und Anerkennung zu bekommen.

Auch war ich stolz, dass ich mit wichtigen Menschen und in bekannten Gruppierungen mitarbeiten konnte. Da war auch ich gleich ein bisschen wichtiger.  

Das ist verführerisch.

Jemand (scheinbar) wichtiger zu sein, gebraucht zu werden, mich wichtig machen zu dürfen.

Das war oftmals die Einladung an mich, mich selbst nicht mehr wichtig zu nehmen. Und über meine Grenzen zu gehen.  Früher oder später machte sich in mir ein Unwohlsein breit, zunehmend fühlte ich mich ausgenutzt, starrte auf die (fehlende) Anerkennung. Wurde frustrierter und frustrierter.

Und blieb.

Vielleicht ist ja doch noch was zu holen und überhaupt, ich kann doch nicht  eine derart wichtige Gruppe verlassen. Dann steh ich ganz allein da, bin überhaupt nix mehr wert.

Sehnsucht nach meinem lauschigen Gartenplätzchen.

Für mich sein. Die Erwartung auf Anerkennung durch andere aufgeben, weil da sowieso nur ich bin und niemand anderer.

Ich mit meinen kleinen Pflanzen, die so ganz meine sind und nix von mir wollen, und der große Baum, der mir ganz selbstlos Schatten spendet.

Und dann bin ich weggegangen.

Einfach weggegangen. Das war nicht einfach, hab noch oft zurückgeschaut und mich gefragt, ob das wohl eine gute Entscheidung war, und was ich vermissen werde. Wieder aus einem Zusammenhang gefallen, gegangen, wieder ein Stück mehr allein.

Weggehen.

Das ist ein großes Tabu. Selbst für mich, Meisterin des Weggehens. Das wird einem bald als Flucht ausgelegt. Flüchten – auch das so ein Tabu.

Aushalten muss man, sich anpassen, in sich gehen, die Ursachen in sich selbst aufdecken, darüber, dass es schon wieder nicht geklappt hat mit der Gruppenzugehörigkeit.

Vielleicht, so flüstert mir ein Vögelchen in meinem Garten zu, ist es jedoch ganz anders. Vielleicht muss ich allein sein, um all-eins zu sein, um in das köstliche Gefühl der wahren Verbundenheit zu kommen.

Heimkehren, Einkehren, Ankommen und dann das innere Ziehen und Zerren aushalten, widerstehen.

Das Gartentor aufsperren.

Aufatmen.

Zuhause.

Endlich wieder zuhause.

Flat is beautiful

Vor mittlerweile über zwei Monaten hat mich eine Journalistin angefragt, ob ich einen Beitrag zum Thema Veränderung/Trennung schreiben könnte.

Der Artikel ist dann Ende September unter dem Titel „Happy? End!“ in der österreichischen Zeitung Woman erschienen. Meine Antworten auf die Fragen von Nina Horcher sind dem begrenzten Raum geschuldet, jedoch sehr einfühlsam gekürzt worden, und so will ich an dieser Stelle meine vollständigen Antworten veröffentlichen.

Beim Schreiben wurde mir bewusst, wie groß der Schritt der Ablatio war und auch wie wesentlich.

Welche Veränderung/Trennung hat dein Leben rückblickend nachhaltig verändert?

Es war die Trennung von meinen Brüsten nach einem nahezu 50-jährigen Leben mit ihnen. 

Wann und warum / wie kam es dazu?

Ich war zu dem Zeitpunkt knapp 61 Jahre alt, hatte schon 2 Mal eine Brustkrebsdiagnose. Einen Tag vor meinem 61.Geburtstag wurde neuerlich ein suspekter Herd in der rechten Brust festgestellt.

Sofort, noch auf der Untersuchungsliege, im Zuge des Ultraschalls wusste ich, wenn es wieder Krebs ist, dann lasse ich mir beide Brüste abnehmen, auch wenn es nur ein einziger Herd ist. Das war eine intuitive Eingebung, wie ich sie auch schon davor bei den zwei anderen Diagnosen in Bezug auf meinen Therapie-Weg hatte. 

Was war die größte Herausforderung dabei, diese Entscheidung zu treffen? Wer oder was hat dir geholfen, es durchzuziehen?

Die größte Herausforderung war, dass es sich ja wirklich um eine endgültige Entscheidung handelte, die mein Aussehen unwiederbringlich verändern würde, anders als bei den anderen beiden Diagnosen, wo ja nur der Krebsbereich entfernt wurde.

Es war ein sehr großer Abschied, der auch viel Trauer und Wehmut mit sich brachte. Ich ging also immer wieder innerlich zahlreiche Entscheidungsrunden durch, ob es wirklich notwendig sei, noch dazu, wo es medizinisch nicht als indiziert galt, handelte es sich zu diesem Zeitpunkt doch nur um einen einzigen Herd – also warum gleich sogar beide Brüste abnehmen lassen. Ich wusste jedoch genau, ohne dass ich es erklären konnte, dass es sich hier um ein systemisches Geschehen handelt, und dass – in meinem intuitiven Wissen – wahrscheinlich beide Brüste betroffen sind.

Diese Vermutung hat sich durch den postoperativen histologischen Befund bestätigt, was meine Chirurgin sehr erleichterte, weil die beidseitige Ablatio damit im Nachhinein betrachtet auch medizinisch indiziert war. Ich hätte mir auch nur eine Brust abnehmen lassen können, doch es war für mich klar, dass ich keinen Aufbau will und auch keine Prothesen tragen möchte. Ich fand es auch schöner, symmetrisch flach zu sein als auf einer Seite.

Geholfen hat mir mein Mann, der meine Entscheidung unterstützte und Menschen, die nicht an einem Konzept festhielten, dass es für eine Frau katastrophal ist, ohne Brüste zu sein. Das war für mich nämlich zu keinem einzigen Zeitpunkt so. Außerdem war die Reaktion meiner Chirurgin sehr unterstützend, die zunächst natürlich nicht gleich ein potentiell gesundes Organ entfernen wollte, aber dann erkannte, dass meine Entscheidung aus der Tiefe kam und wohlüberlegt ist – immerhin ließ ich mir fast 3 Monate von der Diagnose bis zur Operation Zeit -, sodass sie meinem Wunsch nachkam. 

Inwiefern hat dein Alter dabei eine Rolle gespielt?

Natürlich hat das Alter eine Rolle gespielt. Bei meiner ersten Diagnose mit 41 Jahren war eine Totaloperation der einen Brust indiziert, weil das Krebsgeschehen, das sich in Mikroverkalkungen zeigte, sehr ausgedehnt war. Für mich war klar, dass das zu diesem Zeitpunkt keine Option ist. Ich habe dann auch einen wunderbaren Chirurgen gefunden, der die Operation so machte, dass trotz des großen Volumens nahezu nichts zu sehen war. Für die letzte Entscheidung, 20 Jahre danach, war wahrscheinlich auch ausschlaggebend, dass ich in einer sehr stabilen, innigen Beziehung mit meinem Mann seit mittlerweile 43 Jahren lebe.

Wenn du heute zurückblickst: Was hat sich seitdem positiv verändert?

Ich fühle mich freier, ich fühle mich unbelasteter, auch weil ich keine Mammographien mehr über mich ergehen lassen muss. Auch brauche ich nicht ängstlich auf das Ergebnis zu warten. Ein gar nicht so kleiner Benefit ist, dass ich auch beim Sport keinen BH tragen muss, das war mir nämlich immer sehr unangenehm. 

Ich fühle mich jedoch nicht nur befreit von der Angst vor einer neuerlichen Diagnose, sondern in einem viel übergreifenderen Sinn. Sofort am ersten Tag nach der OP, als ich mich, den Verband noch eng um meine Brust gebunden, im Spiegel sah, jauchzte etwas in mir.

Das Flachsein, die Brustlosigkeit spürte sich so richtig für mich an, warum auch immer. Ich fühlte mich nicht weniger als ich selbst, sondern mehr. In meinen darauffolgenden Forschungen zur Bedeutung der Brust im Leben von uns Frauen, konnte ich erkennen, dass die Brust mich immer sehr exponiert hat den Blicken und dem Zugriff, und dass hier auch viel Traumatisierung stattgefunden hat, und so war die Brustabnahme auch eine Befreiung vom Ort des Geschehens. 

Ein weiteres positives Erlebnis war, dass ich am eigenen Leib und Seele erfahren konnte, wie wichtig die innere Vorbereitung auf eine OP ist, um die Nachwirkungen gering zu halten und nicht von einem Verlusterleben nachträglich emotional überrascht zu werden. So verließ ich das Krankenhaus bereits am 4. postoperativen Tag mit dem freudigen Gefühl, eine schöne, intensive, bereichernde Erfahrung gemacht zu haben.

Kein Bedauern, kein Hadern, kein Zweifeln.

Es war eine Wahl getroffen, für die besten Bedingungen der Umsetzung gesorgt, dann war es vollbracht und das war ein großes dankbares Glücksgefühl.

Letztlich – und das ist auch eine Bereicherung für mich – bin ich mir der Endlichkeit noch einmal deutlicher bewusst geworden und habe in diesem Sinn mein Leben noch mal radikaler ausgerichtet, meine Praxistätigkeit sehr reduziert und ich schaue sehr genau, was in meinem Leben Platz haben soll und was nicht. 

Wo gab es hinsichtlich dessen die größte Umstellung / den größten Bruch im Vergleich zu früher?

Dass ich zwei sehr lange und deutlich sichtbare Narben habe, die mir nicht so gut gefallen. 

Wie nimmst du diese Veränderungen (z.B. in deiner Einstellung/Persönlichkeit) auch im Alltag war?

Eigentlich nur, wenn es darum geht, dass ich mich nackt zeigen „muss“, da kann ich noch nicht so gut dazu stehen, so warne ich die Menschen immer vor, dass sie nicht erschrecken. Im angekleideten Zustand merken es die meisten Menschen gar nicht, obwohl ich eben keine künstlichen Körbchen trage, außer wenn ich ein Dirndl anziehe. Ich glaube, das ist deshalb, weil ich so selbstverständlich damit bin. 

Wie hat sich auch dein Umfeld dadurch verändert? (Freunde, Familie, Job…)?

Manche Menschen haben meine Entscheidung nicht verstanden. Ich konnte sehen, wo die Grenzen bei Einzelnen sind. In der Familie hat die letzte Diagnose neuerlich die Beziehung zu meiner Zwillingsschwester belebt und ich habe eine große Innigkeit und ein Mittragen von meinem Mann und meiner bereits erwachsenen Tochter erlebt. Es hat generell eine Art Reinigungsprozess in Bezug auf Beziehungen stattgefunden. 

Was ist dir heute wichtig, was dir früher (vor dieser Entscheidung) nicht so klar war? 

Ich kann so deutlich spüren, dass meine Weiblichkeit nicht an meine Brüste gebunden ist. Diese Botschaft möchte ich auch anderen Frauen weitergeben, vor allem, wenn sie von Brustkrebs betroffen sind. Deshalb habe ich auch eine Initiative mit dem Titel „Flat is beautiful. Breast Cancer is not the end of femininity“ ins Leben gerufen. Unter diesem Titel haben wir, eine Gruppe von Frauen im Jahr 2019 am Frauenlauf teilgenommen. Es tut mir noch immer im Herzen weh, wie unsere Brüste missbraucht werden im Sinne eines Schönheitsideals und als sexueller Reiz. Sie sind soviel mehr. 

Was hättest du rückblickend gerne schon früher gewusst oder gemacht?

Meine Brüste mehr geliebt, sie als meine Brüste gesehen, die so schön und wertvoll, lebensspendend und kräftig sind.

Ich hätte gerne radikaler auf meine Grenzen geachtet, die vielen Neins, die ich nicht gesagt habe, ausgedrückt und damit ein freudvolleres, nicht so braves, angepasstes, leistungsorientiertes Leben gelebt. Vielleicht hätte ich dann auch keinen Krebs bekommen, auch wenn ich in einem größeren Ganzen sehen kann, dass Alles gut und richtig ist, wie es ist.

Aller Seelen

Gewidmet meinen lieben Krebsschwestern im Himmel

„In die rosarote Landschaft des Brustkrebsbewusstseins wird regelmäßig nur eine Art von Menschen, die Brustkrebs hatten, zugelassen: die Überlebenden.“ sagt in etwas provokanter Weise Anne Boyer in ihrem spannenden Buch „Die Unsterblichen – Krankheit Körper Kapitalismus“

So will ich heute all denen eine Stimme geben, die den Kampf gegen den Krebs, so wie man sagt, verloren hätten.

In dem Moment, wo sie ihr irdisches Dasein beenden, verstummen sie.

Vielmehr wollen wir sie nicht mehr sehen, aus unserer Wahrnehmung schließen wir sie aus, wollen uns nämlich nicht an das vermeintliche Scheitern erinnern, das uns schmerzlich an unser Eigenes denken lässt.

Da halten wir uns lieber an jene, die auch den unheilbarsten Krebs besiegt haben.

Sie sind unsere Heldinnen, unsere Vorbilder.

Sie haben es geschafft.

Sie leben.

Aber – so frage ich mich – sind sie deshalb geheilt?

Und was ist das eigentlich Ge-heilt-Sein?

Ist das Überleben, das Hier-Bleiben auf der Erde ein Zeichen, dass wir heil sind?

Oder gibt es nicht auch eine Heilung, die trotz des leiblichen Ablebens stattfinden kann?

Ein Heilsein, das sich vielleicht nicht an den Jahren des Überlebens, an den medizinischen Werten, am Rückgang des Tumorgeschehens bemisst, sondern in einem nur zu erahnenden Seelen-Heil, einem Frieden, einer Läuterung.

So denke ich heute an Elsa, die mir kurz vor ihrem Tod eine Stunde vollkommenen Friedens, Heil-Seins schenkte.

Kein Konflikt mehr, keine Angst, kein Widerspruch, erlöst von Kämpfen und einem Dagegen.

Da gab es keinen Unterschied mehr zwischen dem so ersehnten nachtodlichen Frieden und dem Jetzt.

Still war es – überirdisch still.

Ich denke auch an Gunda, die so ganz bewusst war über ihr bevorstehendes Sterben und eines Tages – 2 Monate vor ihrem Tod – auf meine Frage, worum es heute in unserer Stunde gehen könnte, meinte, um ihr Sterben und der Bitte, dass ich sie begleiten möge. Welch´ ein – hin und wieder durchaus herausforderndes – Geschenk.

Auf einer bewussten Ebene war sie einverstanden, sagte Ja zu ihrem jungen Sterben. Vorbildhaft regelte sie ihre Angelegenheiten, versöhnte sich, wo Versöhnung nötig war, plante minutiös ihr Begräbnis, sah dem Tod in die Augen, und dann wehrte sich ihr junger Körper, allem Sterben-Üben zum Trotz, stemmte sich, wie wenn sie eine Türe zum Öffnen zuhalten würde.

Sie starb – an meinem Geburtstag vor vielen Jahren, und dann kamen wir alle wieder zusammen, wie wir das in den letzten Wochen ihres Lebens immer wieder getan hatten.

Da lag sie, den von ihr gewählten Lippenstift aufgetragen von uns, den ihr nächsten Frauen, gewandet in ein Designerkleid – auch das sorgfältig gewählt.

An den Füßen kuschelige Socken, nicht mehr gebraucht, aber gewollt. Da lag sie dann und war überirdisch schön, eine Schönheit, die ihre weltliche noch übertraf.

Ich denke auch an Ramona, die Tapfere, die ihren Weg ging, im wahrsten Sinne das Wortes – nicht einmal verschob sie ihren Chemotermin, um den Jakobsweg zu gehen.

Sie nahm Alles in Kauf – den Haarverlust, – geh´, da gibt es echt Wichtigeres – die Schmerzen und die Eingriffe.

Sie trotzte dem Tod über viele Jahre. Von vielen wurde sie deshalb bewundert, und dann starb sie doch –  im Kreise fürsorglicher Frauen. Kein Gehen mehr, nicht mal ein Aufstehen – Hingabe statt Entgegentreten war angesagt. Das war schwer.

Sie und alle anderen, die in die andere Welt gegangen sind, haben es gemacht, wie sie es gemacht haben.

Und ich kann mit einem wertfreien Blick sehen, dass dieser je eigene Weg ein genau richtiger war, und dieser je eigene Krebsweg – immer –  einem Gesamtkunstwerk gleicht.

Dann entspannt sich etwas in mir, und bei allem persönlichen Verlust und Bedauern kann ich die Schönheit darin sehen.

Wie tröstlich zu wissen, dass, wie schmerzlich der Weg auch war, er ein von ihnen auf der Seelenebene getroffener war.

Eine Wahl genau dieses Schicksals, mit allem Drum und Dran, dem Leichten und vielem Schweren.

Wie tröstlich auch, dass sie noch immer da sind. Befreit von menschlichem Wollen können sie uns unterstützen, mit uns sein, uns bezeugen, wahr-nehmen, lieben, weil sie der Erdenschwere enthoben sind und frei.

Wie tröstlich auch, dass das Leben weitergeht, immer weiter und weiter, dass nichts zu Ende ist, niemals.

Dieses Wissen hochzuhalten und sich gleichzeitig der Endlichkeit bewusst zu sein, zu wissen, dass jeder Moment der Letzte sein kann, dass alles, was wir tun, vielleicht das Letzte ist, das wir tun können – hier auf der Erde, ermöglicht mir, mich nicht nur um die Erhaltung meiner leiblichen Existenz zu bemühen, sondern darum, meine Seelen-Bedürfnisse zu entdecken und ihnen gerecht zu werden, auch das nicht einem Bild gehorchend, sondern darin meinen ureigensten Klang, meine Tönung wahrzunehmen, die ich – und nur ich – hier in dieser Inkarnation dem Ganzen hinzufüge.

Es heißt ja immer „Ruhe in Frieden“. In dem oben gesagten Sinne wäre „Wirke in Frieden“ – wo immer Du bist – inkarniert oder gerade nicht inkarniert, der stimmigere Aufruf.

P.S. Zwei Bücher möchte ich noch empfehlen, die mich in dem Vertrauen bestärkt haben, dass die geistige Welt immer (für uns) da ist, und das Leben (auf verschiedenen Ebenen) immer weiter lebt:

Das Erste ist von Bruno Bitterli-Fürst und heißt „Tod und Leben. Mit Betrachtungen aus dem Jenseits von Elisabeth Kübler-Ross.“ In diesem schönen Büchlein meldet sich immer wieder Elisabeth Kübler-Ross, die legendäre Begleiterin von Sterbenden zu Wort und was sie da vermittelt ist unglaublich schön und ein wahrer Trost.

Ich könnte nahezu das ganze Buch zitieren, so viel Erhebendes, Inspirierendes, Tröstliches ist darin zu lesen.

Ich wähle einen Abschnitt, der für mich gerade in der jetzigen Zeitqualität von Bedeutung ist:

„Wir sind uns meistens bewusst, dass wir das, was ist, nicht wirklich verändern können. Aber wir können die Liebe, die in uns wohnt, mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, zum Ausdruck bringen. Gerade jetzt bin ich nicht die Einzige, die Worte zu Bruno spricht. Ich bin mit vier anderen Wesen anwesend. Ich kann euch sagen, dass es sehr beflügelnd ist, die eigene Individualität aufzugeben, um eine Wesen zu kreieren, das aus fünf Einzelwesen besteht. Und dann, wenn dieser Fünfer Tanz zu Ende getanzt ist, lösen wir den Verbund und lassen uns weiter von der Welle der Liebe ins nächste Abenteuer führen. Dann kann es geschehen, dass ich eure feinen Körper zusammenschliessen und aus diesem Zusammenschluss etwas gänzlich Neues entsteht. Etwas, das jemand alleine nicht hätte erschaffen können; etwas Einzigartiges, das durch die Anwesenheit exakt dieser Beteiligten möglich wurde.“

Auch das zweite Buch mit dem Titel „Menschsein im Jetzt“ ist ein wahrer Schatz.

Hier hat Ana Pogacnik Gespräche mit der Seele ihrer verstorbenen Schwester Ajra geführt. Ich habe fast das ganze Buch unterstrichen, und ich könnte viel Wertvolles zitieren.

Ich habe einen Absatz gewählt, weil in ihm die ewige Natur der Seele betont wird. Das ist gerade in einer (medizinischen) Welt, die das irdische Weiterleben, so finde ich, überbetont sehr wesentlich und darüber hinaus auch beruhigend.

„Wenn wir die zyklische und ewige Natur der Seele kennen und wissen, dass wir als Seelen gerade deswegen durch verschiedene Inkarnationen reisen, um zu lernen, zu üben, zu heilen und zu wandeln, dann verstehen wir auch, dass die Seele immer wieder durch Nadelöhrsituationen hindurch gehen muss, um sich tiefer zu reinigen, noch gründlicher mit sich selbst zu konfrontieren, noch deutlicher ihr eigenes Sein zu begreifen, noch klarer herauszuschälen, worum es im Leben eigentlich geht und so noch konkreter im Leben zu landen.“

NEU erlich

Eigentlich ist es einfach.

Vorgestern noch spürte ich eine Stagnation, sprach von der Fadesse, die mich in den letzten Wochen/Monaten einnahm, fühlte mich schlecht, weil ich mich nicht an den verkündeten Flow der Neuerschaffung anschließen konnte.

Und dann drückte ich genau dies aus, ich outete mich in meiner vermeintlichen Erfolg-losigkeit. https://krebscoaching.org/2023/08/03/neu/

Und dann folgte ich einem Impuls – die überreifen Bananen zu Heidelbeermuffins zu ver-Wert-en.

Dann stellte ich meinen Text online, und einige Menschen fühlten sich verstanden, gesehen in dem, womit auch sie es zu tun haben – mit der Schwäche, dem Mangel an Inspiration und dem Fehlen einer Zuversicht, dass sich dieser Zustand je ändern könnte.

All das zog den Stoppel aus meinem Seelengefäß.

Und schon entstanden Ideen über weitere Texte, Unternehmungen, Kreationen.

Und hier mein heutiges 5.8.2023 Rezept, diesmal aus meinem persönlichen Lebenserfahrungskochbuch:

  • Bewusstheit: Sei Dir bewusst über all die Zutaten, die gerade „Zuhause“ sind. Wenn es an exotischen Zutaten für ein Rezept aus einem großartigen Rezept-Buch mangelt, greife auf jene zurück, die Dir gerade zur Verfügung stehen – wie ein Zen Koch, der mit jenen Zutaten arbeitet, die gerade da sind und sei es auch nur ein einfacher Reis.

Wisse, dass es immer (viele), jedenfalls genügend Zutaten gibt – und dazu zählen neben der Freude, der Begeisterung auch das Leid, die Ruhelosigkeit, der Zweifel, die Angst, die Ratlosigkeit….

Aber auch Deine Beweglichkeit – dass Du Deine Hände und Füße nützen kannst, um die Wohnung zu reinigen, ein paar Schritte zu tun, zu stricken, zu lesen, zu schreiben, zu sprechen, zu backen, zu kochen, die Rosen zu schneiden, eine Pflanze umzutopfen, Marmelade zu machen, eine Radiosendung nachzuhören….

  • Ausdruck: Drücke Dich aus in dem, was für Dich wahr ist. Bewege Dich raus aus dem verschämten Eck des Anders-Seins und Nicht-Entsprechens.
  • Großzügiges Teilen: Lade Menschen ein. Es werden die kommen, die sich vom Geruch Deines Mahles angezogen fühlen, und Ihr freut Euch gemeinsam daran.

Und schon bist Du nicht mehr allein.

  • Genieße, was Du kreiert hast. Bis zum nächsten Ma(h)l.

P.S. zwei Empfehlungen: Bernhard Glassman: Anweisungen für den Koch.  Ein wahrer Schatz, dieses Buch vom weisen Zen-Buddhisten und Begründer des Zen-Peacemaker-Ordens. https://www.medimops.de/bernard-glassman-anweisungen-fuer-den-koch-taschenbuch-M03442132746.html?variant=UsedAcceptable&creative=&sitelink=&gclid=CjwKCAjw5remBhBiEiwAxL2M969CK515eJKkbQDTn3_nqfmhuyGo6orm3uM3rpdQz2VwWysRqrYPVhoC5s8QAvD_BwE

                                              Meine Freundin Manou Gardner verfasst täglich sehr kluge Beiträge für ein seelengerechtes Leben. Gestern über den Zweifel:  https://manougardner.com/2023/08/04/zweifel-an-dir-selbst/?fbclid=IwAR2QH1mC8Uc6viiaWifmyoYQEAfGdgy78S7ITTL-QYkPwkhPUG1CaDp6yTw

Neu

Vielleicht ist es ja ganz anders.

Von überall schallt der Ruf, dass es Zeit für Neues ist, dass wir die große Chance zur Veränderung wahrnehmen sollen.

Jetzt, genau jetzt ist der große Sprung zu wagen.

Etwas Neues, was Eigenes, das Ureigenste gilt es zu finden und zu verwirklichen.

Wer bin ich wirklich, was ist die beste Version meiner Selbst, was gilt es zu tun, was sind meine Gaben für die Welt?

Und ich?

Bin so lahm wie nie zuvor in meinem Leben. Manchmal ist mir sogar so fad, dass ich glaube, an der Fadesse sterben zu müssen.

Da ein kleiner Gedanke, hier eine kleine Inspiration, ein Ent-Wurf, der nie zu einem Wurf wird.

Das ist schwer auszuhalten für mich – Schützisch-Begeisterungs-Suchende, die ich bin.

Nix da.

Das Buch, mein Buch wird nicht geschrieben, das Konzept zu einem Workshop gedeiht nicht zu einer Ausschreibung.

Schau´ staunend all den Tatkräftigen, Veränderungsbereiten zu.

 Und bleib´ am Platz.

Nicht angenehm.

Dann geh´ ich all die Erklärungenswege ab – vielleicht muss ich mich ja noch erholen von den vielen Anstrengungen der letzten Jahre, wahrscheinlich fehlt mir eine Gemeinschaft, habe meine Disziplin verloren, die mir über Jahrzehnte Halt gab, bin einfach zu träge, nicht mutig genug für (gewagte) Schritte…..

Und vielleicht ist es ja ganz anders und das Neue, das wirklich Neue ist ganz anders.

Es bewegt sich in mir, es kreiert sich in mir, unbemerkt wie die Lebendigkeit der Bäume im Winter, die bereits die Blüten und Früchte in sich tragen.

So will ich mich zurücknehmen, Innehalten, Innen Halten und sehen, was ist und wird.

Vielleicht.

Auf jeden Fall ein beruhigender Gedanke.

Weil, so denke ich, das wahrhaft Neue vielleicht gar nicht aus dem Alten entstehen kann, wenngleich es auch das Alte birgt, und weil es ja vielleicht überhaupt gar kein Alt und Neu gibt, wie es keine Vergangenheit und Zukunft gibt.

Und dann steh´ ich auf und mach´ mich dran, die Blaubeermuffins zu backen, die, wenn auch nach einem oft verwendeten Rezept ganz neu und einmalig sein werden.

Die einzigartigen 3.8.2023 Blaubeermuffins!

Und hier noch das Rezept: Aus dem Buch „einfach vegan. Die süße Küche“ von Roland Rauter.

3 reife Bananen

280 g helles Weizenmehl

150 g Blaubeeren

90g Zucker

80ml Backöl

30 g Maisstärke

7 g Weinsteinbackpulver

5g Natron

1 TL Zitronensaft

½ TL Vanillepulver

Abgeriebene Schale einer Zitrone

1 Prise Salz.

Zubereitung:

Vom Zucker 1 EL abnehmen und mit den Blaubeeren mischen.

Geschälte Bananen mit Zitronensaft, Zitronenschale und Zucker zerdrücken, Öll dazugeben und mit dem Mixer schaumig aufschlagen.

Mehl mit Maisstärke, Backpulver, Natron, Vanillepulver und Salz mischen und unter die Bananen rühren.

Die Blaubeeren vorsichtig unser die Muffinmasse heben. Ein Muffinblech mit Papierförmchen auslegen und die Masse einfüllen. Muffins im vorgeheizten Ofen bei 190 Grad Celsius 20-25 Minuten backen und dann auskühlen lassen.

Man kann dann noch ein Topping machen: Mit 200ml veganer Schlagcreme, 150 g Vanillepudding, 100 g Blaubeeren, 1 El Apfelsüße.

Für die Creme Blaubeeren mit Vanillepudding und Apfelsüße mit dem Stabmixer pürieren, Die Schlagcreme aufschlagen und unter die Puddingcreme heben. Die Creme mithilfe eines Spitzbeutels auf die Muffins dressieren.