Mein gutes Sterben

Keine Sorge, es geht mir gut.

Aber man kann nie früh genug anfangen, sich mit dem eigenen Sterben zu beschäftigen, wie immer es dann tatsächlich sein wird.

Mein gutes Sterben ist ein Prozess, ein bewusster Prozess – kein schnelles hinüber Schlafen, aus dem Leben gerissen ohne jegliche Anzeichen.

Mein gutes Sterben kündigt sich an, ich weiß um mein Sterben und ich mach´ mich auf den Weg – wissend, dass es um meinen letzten Weg geht. Um den letzten irdischen Weg.

Mein gutes Sterben ist schon lange vorbereitet.

Ich weiß, welche Musik ich hören möchte, wenn ich überhaupt etwas hören möchte, ich kann mir nämlich auch vorstellen, dass zu diesem Zeitpunkt die Stille, – wie Eckhart Tolle sagt, „die Sprache Gottes“ die schönste Musik ist.

Mein gutes Sterben ist ein Sterben, das begleitet wird von Menschen, nicht vielen – 2-3 vielleicht, das weiß ich noch nicht so genau -, die mich leise, sanft und aufmerksam begleiten. Sie picken nicht die ganze Zeit an mir und fragen, was ich brauche, weil viel – so glaube ich – werde ich nicht mehr brauchen. Sie sind in Rufweite oder öffnen immer wieder leise die Tür, um nach mir zu sehen.

Meine BegleiterInnen wissen, dass der Tod eine Geburt in eine neue Seinsweise ist. Sie begrüßen diesen Prozess wie sie ein Zur-Welt-Kommen, begrüßen. Sie sind daher ohne Angst, und wenn sie ängstlich oder hilflos sind, achten sie darauf, zu schauen, was sie selbst brauchen, um wieder frei zur Verfügung stehen zu können. Auch die Trauer über den menschlichen Verlust können sie zur Seite stellen für diese Zeit.

Sie sind da. Halten meine Hand, cremen mich ein, wenn ich das möchte.

Sie drängen mir kein Essen auf – schau, ein bisschen was musst ja essen. Sie geben mir schluckweise zu trinken, wenn ich überhaupt ein Bedürfnis habe, etwas zu mir zu nehmen oder sie befeuchten einfach Mund und Lippen.

Sie betten meinen Körper, sodass es bequem ist, halbwegs bequem, weil ganz bequem stell´ ich mir es auch nicht vor – das Sterben.

Sie sind eingestimmt in mich und den Prozess.

Sie atmen mit mir wie eine Hebamme wissen sie, dass mich jeder Atemzug dieser Geburt näherbringt.

Einatmen – Ausatmen

Auch habe ich dafür gesorgt – vielleicht ist das ja eines der großen Herausforderungen für mich – dass alles in Ordnung gebracht wurde, meine Überweisungen ebenso wie mein Nachlass und meine Beziehungen, die ich bestenfalls befriede, da wo Unfrieden ist.

Mein gutes Sterben ist begleitet von den Segnungen unserer Kirche, der Christengemeinschaft.

Es werden all die wunderbaren Sakramente wie die Krankenölung über die Aussegnung am offenen Sarg nach drei Tagen, die Bestattung und dann noch die Seelenmesse, die bei uns Totenweihehandlung heißt, gespendet und sie helfen mir, mich vom irdischen Sein zu lösen und in einer andere Seinsqualität überzugehen.

Das Bewusstsein, dass das alles geschieht, dass für meine Seele gesorgt wird, trägt und hält mich, es hilft mir, mich anzuheben und gleichzeitig sinken zu lassen.

Mein gutes Sterben ist auch unterstützt von den lindernden Maßnahmen der Medizin, ich möchte keine schlimmen Schmerzen ertragen, weil, so mein Empfinden, Schmerzen mich an meinen irdischen Leib festkrallen lassen.

Einatmen – Ausatmen

Irgendwann werde ich das letzte Mal ausatmen. Und dann werde ich drüben sein, aufgenommen von all meinen Lieben, meinen Eltern, meinen Seelen-Verwandten, meinen Krebsschwestern und vielleicht sogar von meinen geistigen Lehrern, dem Willi und dem Lenny zum Beispiel.

Vielleicht muss ich mich noch ein bisschen zurechtfinden, vielleicht werde ich mich auch sehnen nach Orten, Zuständen, nach den Pflanzen und Tieren.

Dennoch – ich bin gewiss, dass ich die Loslösung schon schaffe, wie ich so vieles geschafft habe in meinem Leben.

Grenzen setzen – die Zweite

Weggehen.

Sehr oft habe ich in meinem Leben das kleine Gartenhäuschen mit dem lauschigen Garten, umgeben vom Lattenzaun verlassen, um in die Welt zu ziehen – Trixilein ging allein in die weite Welt hinein…

Habe es gewagt, mich der Ungeschütztheit auszusetzen, war neugierig, was es noch so alles gibt.

So habe ich bei vielem mitgewirkt, in politischen, feministischen Zusammenhängen ebenso wie in therapeutischen Gruppen und onkologischen Netzwerken.

Meistens war ich Jahre, oft Jahrzehnte mit vollem Engagement und Begeisterung dabei.

Es ist schön, zu einer Gruppe dazu zugehören. An etwas gemeinsam zu wirken, eine Bedeutung zu haben und Anerkennung zu bekommen.

Auch war ich stolz, dass ich mit wichtigen Menschen und in bekannten Gruppierungen mitarbeiten konnte. Da war auch ich gleich ein bisschen wichtiger.  

Das ist verführerisch.

Jemand (scheinbar) wichtiger zu sein, gebraucht zu werden, mich wichtig machen zu dürfen.

Das war oftmals die Einladung an mich, mich selbst nicht mehr wichtig zu nehmen. Und über meine Grenzen zu gehen.  Früher oder später machte sich in mir ein Unwohlsein breit, zunehmend fühlte ich mich ausgenutzt, starrte auf die (fehlende) Anerkennung. Wurde frustrierter und frustrierter.

Und blieb.

Vielleicht ist ja doch noch was zu holen und überhaupt, ich kann doch nicht  eine derart wichtige Gruppe verlassen. Dann steh ich ganz allein da, bin überhaupt nix mehr wert.

Sehnsucht nach meinem lauschigen Gartenplätzchen.

Für mich sein. Die Erwartung auf Anerkennung durch andere aufgeben, weil da sowieso nur ich bin und niemand anderer.

Ich mit meinen kleinen Pflanzen, die so ganz meine sind und nix von mir wollen, und der große Baum, der mir ganz selbstlos Schatten spendet.

Und dann bin ich weggegangen.

Einfach weggegangen. Das war nicht einfach, hab noch oft zurückgeschaut und mich gefragt, ob das wohl eine gute Entscheidung war, und was ich vermissen werde. Wieder aus einem Zusammenhang gefallen, gegangen, wieder ein Stück mehr allein.

Weggehen.

Das ist ein großes Tabu. Selbst für mich, Meisterin des Weggehens. Das wird einem bald als Flucht ausgelegt. Flüchten – auch das so ein Tabu.

Aushalten muss man, sich anpassen, in sich gehen, die Ursachen in sich selbst aufdecken, darüber, dass es schon wieder nicht geklappt hat mit der Gruppenzugehörigkeit.

Vielleicht, so flüstert mir ein Vögelchen in meinem Garten zu, ist es jedoch ganz anders. Vielleicht muss ich allein sein, um all-eins zu sein, um in das köstliche Gefühl der wahren Verbundenheit zu kommen.

Heimkehren, Einkehren, Ankommen und dann das innere Ziehen und Zerren aushalten, widerstehen.

Das Gartentor aufsperren.

Aufatmen.

Zuhause.

Endlich wieder zuhause.

Aller Seelen

Gewidmet meinen lieben Krebsschwestern im Himmel

„In die rosarote Landschaft des Brustkrebsbewusstseins wird regelmäßig nur eine Art von Menschen, die Brustkrebs hatten, zugelassen: die Überlebenden.“ sagt in etwas provokanter Weise Anne Boyer in ihrem spannenden Buch „Die Unsterblichen – Krankheit Körper Kapitalismus“

So will ich heute all denen eine Stimme geben, die den Kampf gegen den Krebs, so wie man sagt, verloren hätten.

In dem Moment, wo sie ihr irdisches Dasein beenden, verstummen sie.

Vielmehr wollen wir sie nicht mehr sehen, aus unserer Wahrnehmung schließen wir sie aus, wollen uns nämlich nicht an das vermeintliche Scheitern erinnern, das uns schmerzlich an unser Eigenes denken lässt.

Da halten wir uns lieber an jene, die auch den unheilbarsten Krebs besiegt haben.

Sie sind unsere Heldinnen, unsere Vorbilder.

Sie haben es geschafft.

Sie leben.

Aber – so frage ich mich – sind sie deshalb geheilt?

Und was ist das eigentlich Ge-heilt-Sein?

Ist das Überleben, das Hier-Bleiben auf der Erde ein Zeichen, dass wir heil sind?

Oder gibt es nicht auch eine Heilung, die trotz des leiblichen Ablebens stattfinden kann?

Ein Heilsein, das sich vielleicht nicht an den Jahren des Überlebens, an den medizinischen Werten, am Rückgang des Tumorgeschehens bemisst, sondern in einem nur zu erahnenden Seelen-Heil, einem Frieden, einer Läuterung.

So denke ich heute an Elsa, die mir kurz vor ihrem Tod eine Stunde vollkommenen Friedens, Heil-Seins schenkte.

Kein Konflikt mehr, keine Angst, kein Widerspruch, erlöst von Kämpfen und einem Dagegen.

Da gab es keinen Unterschied mehr zwischen dem so ersehnten nachtodlichen Frieden und dem Jetzt.

Still war es – überirdisch still.

Ich denke auch an Gunda, die so ganz bewusst war über ihr bevorstehendes Sterben und eines Tages – 2 Monate vor ihrem Tod – auf meine Frage, worum es heute in unserer Stunde gehen könnte, meinte, um ihr Sterben und der Bitte, dass ich sie begleiten möge. Welch´ ein – hin und wieder durchaus herausforderndes – Geschenk.

Auf einer bewussten Ebene war sie einverstanden, sagte Ja zu ihrem jungen Sterben. Vorbildhaft regelte sie ihre Angelegenheiten, versöhnte sich, wo Versöhnung nötig war, plante minutiös ihr Begräbnis, sah dem Tod in die Augen, und dann wehrte sich ihr junger Körper, allem Sterben-Üben zum Trotz, stemmte sich, wie wenn sie eine Türe zum Öffnen zuhalten würde.

Sie starb – an meinem Geburtstag vor vielen Jahren, und dann kamen wir alle wieder zusammen, wie wir das in den letzten Wochen ihres Lebens immer wieder getan hatten.

Da lag sie, den von ihr gewählten Lippenstift aufgetragen von uns, den ihr nächsten Frauen, gewandet in ein Designerkleid – auch das sorgfältig gewählt.

An den Füßen kuschelige Socken, nicht mehr gebraucht, aber gewollt. Da lag sie dann und war überirdisch schön, eine Schönheit, die ihre weltliche noch übertraf.

Ich denke auch an Ramona, die Tapfere, die ihren Weg ging, im wahrsten Sinne das Wortes – nicht einmal verschob sie ihren Chemotermin, um den Jakobsweg zu gehen.

Sie nahm Alles in Kauf – den Haarverlust, – geh´, da gibt es echt Wichtigeres – die Schmerzen und die Eingriffe.

Sie trotzte dem Tod über viele Jahre. Von vielen wurde sie deshalb bewundert, und dann starb sie doch –  im Kreise fürsorglicher Frauen. Kein Gehen mehr, nicht mal ein Aufstehen – Hingabe statt Entgegentreten war angesagt. Das war schwer.

Sie und alle anderen, die in die andere Welt gegangen sind, haben es gemacht, wie sie es gemacht haben.

Und ich kann mit einem wertfreien Blick sehen, dass dieser je eigene Weg ein genau richtiger war, und dieser je eigene Krebsweg – immer –  einem Gesamtkunstwerk gleicht.

Dann entspannt sich etwas in mir, und bei allem persönlichen Verlust und Bedauern kann ich die Schönheit darin sehen.

Wie tröstlich zu wissen, dass, wie schmerzlich der Weg auch war, er ein von ihnen auf der Seelenebene getroffener war.

Eine Wahl genau dieses Schicksals, mit allem Drum und Dran, dem Leichten und vielem Schweren.

Wie tröstlich auch, dass sie noch immer da sind. Befreit von menschlichem Wollen können sie uns unterstützen, mit uns sein, uns bezeugen, wahr-nehmen, lieben, weil sie der Erdenschwere enthoben sind und frei.

Wie tröstlich auch, dass das Leben weitergeht, immer weiter und weiter, dass nichts zu Ende ist, niemals.

Dieses Wissen hochzuhalten und sich gleichzeitig der Endlichkeit bewusst zu sein, zu wissen, dass jeder Moment der Letzte sein kann, dass alles, was wir tun, vielleicht das Letzte ist, das wir tun können – hier auf der Erde, ermöglicht mir, mich nicht nur um die Erhaltung meiner leiblichen Existenz zu bemühen, sondern darum, meine Seelen-Bedürfnisse zu entdecken und ihnen gerecht zu werden, auch das nicht einem Bild gehorchend, sondern darin meinen ureigensten Klang, meine Tönung wahrzunehmen, die ich – und nur ich – hier in dieser Inkarnation dem Ganzen hinzufüge.

Es heißt ja immer „Ruhe in Frieden“. In dem oben gesagten Sinne wäre „Wirke in Frieden“ – wo immer Du bist – inkarniert oder gerade nicht inkarniert, der stimmigere Aufruf.

P.S. Zwei Bücher möchte ich noch empfehlen, die mich in dem Vertrauen bestärkt haben, dass die geistige Welt immer (für uns) da ist, und das Leben (auf verschiedenen Ebenen) immer weiter lebt:

Das Erste ist von Bruno Bitterli-Fürst und heißt „Tod und Leben. Mit Betrachtungen aus dem Jenseits von Elisabeth Kübler-Ross.“ In diesem schönen Büchlein meldet sich immer wieder Elisabeth Kübler-Ross, die legendäre Begleiterin von Sterbenden zu Wort und was sie da vermittelt ist unglaublich schön und ein wahrer Trost.

Ich könnte nahezu das ganze Buch zitieren, so viel Erhebendes, Inspirierendes, Tröstliches ist darin zu lesen.

Ich wähle einen Abschnitt, der für mich gerade in der jetzigen Zeitqualität von Bedeutung ist:

„Wir sind uns meistens bewusst, dass wir das, was ist, nicht wirklich verändern können. Aber wir können die Liebe, die in uns wohnt, mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, zum Ausdruck bringen. Gerade jetzt bin ich nicht die Einzige, die Worte zu Bruno spricht. Ich bin mit vier anderen Wesen anwesend. Ich kann euch sagen, dass es sehr beflügelnd ist, die eigene Individualität aufzugeben, um eine Wesen zu kreieren, das aus fünf Einzelwesen besteht. Und dann, wenn dieser Fünfer Tanz zu Ende getanzt ist, lösen wir den Verbund und lassen uns weiter von der Welle der Liebe ins nächste Abenteuer führen. Dann kann es geschehen, dass ich eure feinen Körper zusammenschliessen und aus diesem Zusammenschluss etwas gänzlich Neues entsteht. Etwas, das jemand alleine nicht hätte erschaffen können; etwas Einzigartiges, das durch die Anwesenheit exakt dieser Beteiligten möglich wurde.“

Auch das zweite Buch mit dem Titel „Menschsein im Jetzt“ ist ein wahrer Schatz.

Hier hat Ana Pogacnik Gespräche mit der Seele ihrer verstorbenen Schwester Ajra geführt. Ich habe fast das ganze Buch unterstrichen, und ich könnte viel Wertvolles zitieren.

Ich habe einen Absatz gewählt, weil in ihm die ewige Natur der Seele betont wird. Das ist gerade in einer (medizinischen) Welt, die das irdische Weiterleben, so finde ich, überbetont sehr wesentlich und darüber hinaus auch beruhigend.

„Wenn wir die zyklische und ewige Natur der Seele kennen und wissen, dass wir als Seelen gerade deswegen durch verschiedene Inkarnationen reisen, um zu lernen, zu üben, zu heilen und zu wandeln, dann verstehen wir auch, dass die Seele immer wieder durch Nadelöhrsituationen hindurch gehen muss, um sich tiefer zu reinigen, noch gründlicher mit sich selbst zu konfrontieren, noch deutlicher ihr eigenes Sein zu begreifen, noch klarer herauszuschälen, worum es im Leben eigentlich geht und so noch konkreter im Leben zu landen.“

Neu

Vielleicht ist es ja ganz anders.

Von überall schallt der Ruf, dass es Zeit für Neues ist, dass wir die große Chance zur Veränderung wahrnehmen sollen.

Jetzt, genau jetzt ist der große Sprung zu wagen.

Etwas Neues, was Eigenes, das Ureigenste gilt es zu finden und zu verwirklichen.

Wer bin ich wirklich, was ist die beste Version meiner Selbst, was gilt es zu tun, was sind meine Gaben für die Welt?

Und ich?

Bin so lahm wie nie zuvor in meinem Leben. Manchmal ist mir sogar so fad, dass ich glaube, an der Fadesse sterben zu müssen.

Da ein kleiner Gedanke, hier eine kleine Inspiration, ein Ent-Wurf, der nie zu einem Wurf wird.

Das ist schwer auszuhalten für mich – Schützisch-Begeisterungs-Suchende, die ich bin.

Nix da.

Das Buch, mein Buch wird nicht geschrieben, das Konzept zu einem Workshop gedeiht nicht zu einer Ausschreibung.

Schau´ staunend all den Tatkräftigen, Veränderungsbereiten zu.

 Und bleib´ am Platz.

Nicht angenehm.

Dann geh´ ich all die Erklärungenswege ab – vielleicht muss ich mich ja noch erholen von den vielen Anstrengungen der letzten Jahre, wahrscheinlich fehlt mir eine Gemeinschaft, habe meine Disziplin verloren, die mir über Jahrzehnte Halt gab, bin einfach zu träge, nicht mutig genug für (gewagte) Schritte…..

Und vielleicht ist es ja ganz anders und das Neue, das wirklich Neue ist ganz anders.

Es bewegt sich in mir, es kreiert sich in mir, unbemerkt wie die Lebendigkeit der Bäume im Winter, die bereits die Blüten und Früchte in sich tragen.

So will ich mich zurücknehmen, Innehalten, Innen Halten und sehen, was ist und wird.

Vielleicht.

Auf jeden Fall ein beruhigender Gedanke.

Weil, so denke ich, das wahrhaft Neue vielleicht gar nicht aus dem Alten entstehen kann, wenngleich es auch das Alte birgt, und weil es ja vielleicht überhaupt gar kein Alt und Neu gibt, wie es keine Vergangenheit und Zukunft gibt.

Und dann steh´ ich auf und mach´ mich dran, die Blaubeermuffins zu backen, die, wenn auch nach einem oft verwendeten Rezept ganz neu und einmalig sein werden.

Die einzigartigen 3.8.2023 Blaubeermuffins!

Und hier noch das Rezept: Aus dem Buch „einfach vegan. Die süße Küche“ von Roland Rauter.

3 reife Bananen

280 g helles Weizenmehl

150 g Blaubeeren

90g Zucker

80ml Backöl

30 g Maisstärke

7 g Weinsteinbackpulver

5g Natron

1 TL Zitronensaft

½ TL Vanillepulver

Abgeriebene Schale einer Zitrone

1 Prise Salz.

Zubereitung:

Vom Zucker 1 EL abnehmen und mit den Blaubeeren mischen.

Geschälte Bananen mit Zitronensaft, Zitronenschale und Zucker zerdrücken, Öll dazugeben und mit dem Mixer schaumig aufschlagen.

Mehl mit Maisstärke, Backpulver, Natron, Vanillepulver und Salz mischen und unter die Bananen rühren.

Die Blaubeeren vorsichtig unser die Muffinmasse heben. Ein Muffinblech mit Papierförmchen auslegen und die Masse einfüllen. Muffins im vorgeheizten Ofen bei 190 Grad Celsius 20-25 Minuten backen und dann auskühlen lassen.

Man kann dann noch ein Topping machen: Mit 200ml veganer Schlagcreme, 150 g Vanillepudding, 100 g Blaubeeren, 1 El Apfelsüße.

Für die Creme Blaubeeren mit Vanillepudding und Apfelsüße mit dem Stabmixer pürieren, Die Schlagcreme aufschlagen und unter die Puddingcreme heben. Die Creme mithilfe eines Spitzbeutels auf die Muffins dressieren.

Hingabe und Auferstehung

Eine kleine Osterbetrachtung.

„Habe ich genug getan?“ Diese Frage stellte sich Gunnar Kaiser in einem berührenden Youtube Beitrag vor einigen Wochen. https://www.youtube.com/watch?v=_P2cc1fH7Jw&t=0s

Er tut dies einige Monate nachdem die Ärzte meinten, dass seine Krebserkrankung so weit fortgeschritten sei, dass er die „letzten Dinge vorbereiten“ möge.

Er erzählt uns in diesem Video, dass er zu beten begonnen habe und sich die Frage stellte, ob er genug getan hat: Habe ich genug gebetet, fragt er sich, und ob er seinen Töchtern genug (Vorbild), seiner Frau genug qualitätsvolle Zeit gegeben hat, aber auch, ob er in Bezug auf seine Krankheit und Gesundheit – Ernährung, Lebensstil – genug getan habe.

An all diesen intimen Fragen lässt er uns teilhaben. Das ist sehr berührend.

Gunnar Kaiser hat mich inspiriert, darüber nachzusinnen, was diese Frage für mich bedeuten mag.

Und wie wertvoll es ist, sich diese Frage immer wieder zu stellen. Es ist mir bewusst geworden, dass diese Ausrichtung auf´s Tun auch heikel sein kann, weil sie so nahe an der Leistung ist. Sie berührt damit ein Thema, mit dem so viele krebskranke Menschen und nicht nur sie (ihr Lebtag) zugange sind – habe ich genug getan, genug gegeben?

So führte mich meine innere Suche der letzten Tage zu einer für mich stimmigeren Frage: Wie sieht es mit meiner Hingabe aus? Habe ich mich genug hingegeben – an mich, an meine wahren Bedürfnisse, an meinen (spirituellen) Weg, in den Begegnungen mit anderen und mir selbst, oder hab´ ich mich zu sehr abgelenkt, mich verzettelt, bin dem Leid, dem Schwierigen ausgewichen und damit der Erfüllung, dem Glück?

Vielleicht – so denke ich – ist es ja nicht das, was Krebskranke machen, um Heilung zu erfahren, vielleicht ist es ja nicht Miriam Reichel´s Diät oder Bettina Flossmann´s Dispenza Meditation, die ihnen ein krebsfreies und erfülltes Leben bereitet haben.

Vielleicht ist es ja die bedingungslose Hingabe an ihren Weg, die zur Heilung führte.

Da war zunächst ein Anerkennen der Krebsdiagnose, dann ein Entschluss und dann eine Treue zu diesem Entschluss. Keine inneren Verhandlungen, keine Halbherzigkeit, eine Eindeutigkeit und Beständigkeit im Gehen dieses von ihnen gewählten Weges.

Ich erinnere mich aber auch an Menschen wie Stephanie Gleising und Anita Moorjani, die ohne Hoffnung auf Heilung gnadenvoller Weise wahrlich vom Sterbebett aufgestanden sind.

Genügt es, so frage ich mich, darauf zu vertrauen, dass es diese Gnade immer geben kann, diese Wendung.

Und was könnte mein Beitrag sein?

Vielleicht geht es ja „nur“ um diese Hingabe an das, was jetzt da ist – auch die Angst, den Schmerz, den Verlust, aber auch an das Wunderbare, das jeder Moment birgt.

Und vielleicht geht es ja vor allem darum, all meine Gedanken, Ideen und Konzepte über ein heilsames Leben hinzugeben.

Ein Sterben-Lassen dessen, was mich in das Korsett einer Identität zwängt.

Hingabe ans Sterben.

Hingabe ans Leben.

Einatmen – Ausatmen.

Ausatmen – Einatmen.

Nicht mehr und nicht weniger.

Und schon findet ein Auferstehen, eine Auferstehung im Irdischen statt.

Für diesen Moment.

Ganz unspektakulär.

Einfach So.

Gut aufgehoben – im Geboren-Werden und Sterben

Als ich vor einigen Wochen mit der Blog Serie „Gut aufgehoben…“ begann, kam mir sofort die Bedeutung des Gut Aufgehobenseins im Sterben in den Sinn. Sogleich verwarf ich diese Idee jedoch, weil dies ja nicht hoffnungsfördernd sei, und ich mich auf die „positiven“ Seiten im Krebscoaching zu konzentrieren hätte.

Heute, an meinem Geburtstag will ich es jedoch tun – auch im Angedenken an meine liebe Cordula, die vor sechs Jahren an meinem Geburtstag starb.

Gut aufgehoben war ich bei meiner Geburt wahrlich nicht. Meine Mutter wusste nicht, dass sie Zwillinge erwartete, die Ärzte streikten, wollten es schnell vorbei haben, Begleitung durch meinen Vater, ihren Mann, war damals undenkbar. Er durfte ihr gerade mal das Köfferchen tragen bis zur Schwelle und sie dann ihrem Schicksal überlassen.

Ich bahnte mir zwar relativ rasch einen Weg, doch dann war da ja noch eine zweite Tochter, die geboren werden wollte, und um die rasch heraus zu bekommen, wurden härtere Mittel eingesetzt – sich auf den Bauch meiner Mutter setzen, schroff auf sie einsprechend, dass sie doch endlich mitarbeiten möge, flach auf dem Rücken liegend, festgeschnallt.

Dann waren wir da, und wie damals üblich, wurden wir sofort an den Füßen gepackt, Kopf unter hängend erhielten wir einen kräftigen Klapps auf den Po, um das Atmen in Gang zu bringen.

Hier wird das Nein zum Leben und zur Welt konstituiert, sagt mein verehrter Wilhelm Reich, ein Nein, das im Körper eingeschrieben das Potential für eine abwehrende lebenslängliche Kontraktion bildet. Ein Nein aber auch zu Menschen, war doch der erste Kontakt mit ihnen ein unverbundener, gewaltsamer.

Als ich diesen Satz von Reich das erste Mal las, fühlte ich mich erkannt. Ja, hier begann mein energetischer Rückzug vom Leben und den Menschen und ein von Angst und Vorsicht geprägtes Leben. Und ich sehe meine Krebserkrankung als einen Ausdruck dieses Rückzugs, dieses Mangels an  tiefer freudvoller Expansion, wie ich sie auch als Wendepunkt sehe zu einem Leben, das von meiner Seele begrüßt wird.

Wie anders ist es, wenn man eine natürliche Geburt erlebt, wo sich die Frau die passende Geburtsposition aussuchen kann, wo sie einfühlsam in ihren Bedürfnissen unterstützt und begleitet wird.

Hier in der Bedeutung einer von Einfühlsamkeit und Feinfühligkeit gekennzeichneten Beziehung findet sich die Verbindung von Geburt und Sterben.

In einer Begleitung, die sich durch das auszeichnet, was Wilhelm Reich als vegetative Identifikation, als eine tiefe organismische Resonanz bezeichnet. Dass ich als Begleiterin derart in eine energetische Verbindung treten kann, dass ich in meinem Organismus fühlen kann, was bei der Gebärenden ebenso wie bei der Sterbenden an Ausdrucksbewegungen stattfindet, und wie diese beantwortet werden wollen.

Wunderbar kommt diese Qualität in Antonin Svobodas Film „Cry Baby Cry“ zum Ausdruck, wenn Thomas Harms den Füßchen des Babies einen angemessenen Widerstand bietet, damit die Geburt, die für die Eltern und für das Baby traumatisierend war, zu Ende geführt werden kann, indem all die Bewegungen gemacht werden können, die es nicht machen konnte.

Es ist unglaublich beeindruckend, was uns die Babys in ihrer Körper-Sprache zeigen, wenn wir ihnen zuhören und zusehen. Sie zeigen uns in chaotischen Bewegungen, dass in den 1. Schwangerschaftswochen etwas Verstörendes passierte, sie zeigen uns über Reibungsbewegungen einer Kopfseite, dass hier ein Feststecken stattfand, und sie zeigen uns, wenn es vollbracht ist, weil dann ein himmlischer Frieden und der lang ersehnte menschliche Kontakt stattfindet.

Nie sind Konzepte so wenig und menschliche Präsenz so gebraucht, wie in der allerersten und allerletzten Lebenszeit.

Dann kann die Natur machen, was sie angelegt ist, zu tun, dann kann sich das Leben – wozu ja auch das Sterben gehört – fortsetzen.

Und ich kann als Begleiterin in Fühlung mit dem Geschehen spüren, wann der Arm einer Sterbenden Unterstützung durch einen Polster braucht, der Kopf gehalten werden will, die Füße aufgestellt, die Lage verändert. Eine wunderbare Beschreibung der sogenannten basalen Stimulation und ihrer heilsame Wirkung auf Sterbende findet sich im Buch „Die sieben Geheimnisse guten Sterbens“ von Dorothea Mihm.

Bis jetzt bedaure ich es zutiefst, dass ich diese Selbstverständlichkeit, meine wissende Präsenz nicht voll zur Verfügung hatte, damals beim Sterben meiner lieben Cordula. War zu beeindruckt von ihrer Not, die sich bisweilen als fordernde Dominanz äußerte.

Genauso wie Babys, die den Halt der Eltern brauchen, wenn sie in Not sind, brauchen Sterbende diesen Halt, um durch den heftigen Prozess der Lösung aus dem Festen gehen zu können. Da braucht es eine Selbstanbindung, wie Thomas Harms sagt, ein bei mir sein. Dann kann eine Hingabe an den Prozess stattfinden.

Ganz einfach in meinen Bauch atmen – ein – aus – ein – aus… dann kann ich einfach dem Geschehen folgen, präsent wach in der gemeinsamen Energiesuppe schwimmend – bis das Kind/der Tod geboren ist.

Sterben dürfen – Leben wollen

„Leben dürfen – Leben wollen“

habe ich einmal einen Titel einer Lesung genannt.

Ich habe darin anhand meiner eigenen Biographie aufgezeigt, wie das frühe nicht Leben Dürfen ein Leben Wollen behindert.

Leben Dürfen heißt für mich, von liebevollen, achtsamen, feinfühligen Menschen im Leben willkommen geheißen zu werden, begrüßt zu werden in dem, wer ich bin, ruhig oder quicklebendig, neugierig und ausdrucksstark oder scheu und zurückhaltend.

Leben Dürfen heißt, dass ich mich ausdehnen darf ins Leben hinein, ohne darin behindert zu werden.

Leben zu dürfen heißt, dass ich meiner Berufung folgen kann und darin ermutigt werde, das zu leben, wozu ich angelegt bin zu sein, meiner Lebensmelodie zu folgen, wie das Le Shan in seinem sehr lesenswerten Buch „Diagnose Krebs Wendepunkt und Neubeginn“ (siehe dazu: https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/ so wunderbar beschreibt.

Leider sind die Bedingungen jedoch allzu oft  gänzlich andere. Viele Menschen leiden lebenslänglich unter den Folgen von teilweise in der frühen Kindheit stattfindenden Traumatisierungen – zu diesen Folgen zählen ständiger Schmerz,  Übererregung, die Angst vor allem und jedem, die Schlaflosigkeit, die Unfähigkeit, Gefühle zu erleben….

Oftmals empfinden sie eine grenzenlose stumme Verzweiflung, sehen keinen Ausweg,  fühlen keine Berechtigung, dieses Leben zu einem ihnen gemäßen zu verändern.

Dann wollen sie weg von diesem derart bedrohlichen Ort. Und wenn man ihnen Gehör schenkt, dann „gestehen“ sie ihre Todessehnsucht.

So war das auch bei mir.

Dann die Diagnose: sie war ein Ausweg, eine Möglichkeit, sie gab Erlaubnis und Berechtigung. Endlich durfte ich mich um mich selbst kümmern, Termine absagen, Verpflichtungen – undenkbar zuvor – durften gelöst werden. Ich durfte mich pflegen und be-handeln lassen.

Kurz spürte ich das Leben in seiner Essenz, die Stille draußen im Wald, das bei mir Sein. Und Ausdehnung fand statt.

Geblieben ist das grundsätzliche Unwohlsein im Leiblichen. Nein, da will ich nicht bleiben, in diesem Körper, der schmerzvoll, eng und rasend ist.

„Du musst kämpfen, Du darfst jetzt nicht aufgeben, Du musst hoffnungsvoll und zuversichtlich bleiben“ wird krebskranken Menschen oft gesagt. Niemand fragt danach, ob der Mensch überhaupt leben will.

Auf einer oberflächlichen Ebene wird diese Frage zumeist auch bejaht. Jedoch gibt es  – das ist meine Erfahrung –  sehr oft in der Tiefe ein Nein zu diesem meinem Leben.

Dies gilt es, wie mein verehrter Carl Rogers sagt, un-bedingt wert zu schätzen. Zu allererst nur einmal das – ja, da gibt es ein Nein zu dieser leiblichen Existenz, ein Sterben Wollen, ein zurücklassen Wollen dieses ungemütlichen Körper-Wohnortes.

Behutsam gilt es zu erkunden, wo sich die Unerträglichkeit befindet. Was es auszuhalten gilt, was eigentlich unaushaltbar ist, wo die Verzweiflung über das eigene Leben wohnt. Dies kann eine schwierige Partnerschaft sein, wo eine Trennung unmöglich scheint, oder ein Job, der unbefriedigend oder überfordernd ist, wo ich jedoch Angst vor existentieller Not habe, oder es ist dieses oben angesprochene Unwohlsein im Körper, das das Leben schmerzvoll macht.

Auch hier  – einfach wahrnehmen, benennen, ohne gleich eine Veränderung  planen zu müssen –  weil das neuerlich Angst macht und verengt.

Sodann können wir nach der Sehnsucht fragen – was verheißt der Ort im Jenseits – Ruhe, Stille, Freisein von Schmerz, Aufruhr und Konflikt?

Oft ist die Sehnsucht nach dem Tod nämlich eine Sehnsucht nach dem (ungelebten) Leben – eine Sehnsucht nach Stille, dem unbelastet Sein, dem einfachen Sein, losgelöst von allem Zwang und Fremdbestimmtheit. Letztlich eine Sehnsucht nach mir selbst.

Und dann können wir vielleicht gemeinsam schauen, was in diesem Sinne zu verändern ist – nichts Großes, neuerlich Überforderndes.

Unmittelbar jetzt – wie mag ich mich setzen, vielleicht hinlegen, vielleicht eine Decke zum Schutz über mich nehmen, mich wärmen, gehalten werden, Ruhen….

Wenn ich dann meinen Körper als einen wohligen Ort empfinde kann, und das Jetzt und Hier eine ewige Dimension gewinnt,  kann erneut Ausdehnung ins Lebendige stattfinden, es wird still und ruhig.

Und das Leben wird zu einem guten Wohnort, wo ich bleiben möchte.

Dann kann es sich wenden das Sterben Wollen zu einem Leben Dürfen und Wollen.

P.S. Zwei Empfehlungen, die sich auf die beiden Pole des Lebensanfangs und Lebensendes beziehen: Die Arbeit von Thomas Harms, welche im Film „Cry Baby Cry“ https://www.youtube.com/watch?v=V1G531Cn9Ek   dokumentiert wird, und wo spürbar gezeigt wird, wie wichtig es ist, dass Traumatisierungen, die sich in der Schwangerschaft und rund um die Geburt ereignet haben, behandelt werden. In seinem Buch „Körperpsychotherapie mit Säuglingen und Eltern“ werden dazu in umfassender Weise  therapeutische Wege aufgezeigt. Nichts ist Wichtiger als ein guter Lebensbeginn, davon bin ich überzeugt.

Und eine neue Webseite von meiner Freundin Manuela Pusker https://manuelapusker.com/, die einen furchtlosen Blick auf das Sterben richtet und Unterstützendes für diese, wie sie sagt, sensibelste Lebensphase zur Verfügung stellt.

Trotzdem und sowieso heil…..

Irgendwann werden sie länger die Antwortzeiten auf eine Nachricht, irgendwann bleiben sie ganz aus.

Irgendwann beginnt das Sterben, der Rückzug aus unserem Kontakt, und möge er noch so innig gewesen sein, bei den letzten Schritten bin ich oftmals nicht mehr dabei.

Und dann kommt die Nachricht „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass meine Frau vergangenen Montag gestorben ist..“

Und jedes Mal ist es wieder ein Schock – die Tat-Sache, dass sie mir nicht mehr gegenüber sitzen wird, mit der ihr eignen Anmut, die Beine übereinander geschlagen, die schönen Hände das von ihr Gesagte unterstreichend.

Dankbar bin ich, dass ich diesen intensiven Weg begleiten durfte.

Dankbar bin ich über das Vertrauen.

Dankbar bin ich, dass wir miteinander in die höchsten geistigen Sphären vordringen konnten.

Dankbar bin ich, dass Du dann in unserer letzen Stunde von der Seligkeit sprachst, die Du manchmal erlebst, einfach liegen, keine Übungen mehr, einfach liegen,

Sein.

Da hab ich das Einverstanden-Sein wahrgenommen, dass Einverstanden-Sein, dass das irdische Leben zu Ende geht. Und dass das in Ordnung ist, weil es ein tiefes Wissen gibt, dass das Leben nicht aufhört, auch wenn wir diesen Körper ablegen.

Dankbar bin ich, dass Du Dich in Deiner Wesenhaftigkeit, in diesem kristallklaren, strahlenden Sein wahrnehmen konntest.

„Trotzdem und sowieso heil“, hab ich einmal nach einer unserer letzten Stunden über das Protokoll geschrieben.

Trotzdem und sowieso heil – das warst Du, das bist Du und das wirst Du immer sein.

DANKE, dass ich dabei Zeugin sein durfte.

https://www.youtube.com/watch?v=zAaJzTWX_Io

 

Für die Heilung ist es nie zu spät

Zumeist spricht man bei Krebs von Heilung, wenn ein Mensch gegen den Krebs angekämpft und den „Kampf“ gewonnen hat.

Er/ sie darf in diesem Prozess nicht aufgeben, die Hoffnung nicht verlieren, muss alles dran setzen, an der Heilung zu arbeiten, alles, was möglich ist, dafür tun, um gesund zu werden. So wird es an die Menschen herangetragen. Das ist ein enormer Druck.

So werden alle Möglichkeiten der Schul- und Komplementärmedizin in Anspruch genommen, Heiler und andere Helfer aufgesucht und Tausende Euro ausgegeben, um ja keine Möglichkeit auszulassen, „den Krebs zu besiegen.“  Das ist verständlich.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von Beispielen, wo Menschen – wie es heißt – aufgegeben wurden, wo sie hören mussten, dass man nun leider wirklich nichts mehr für sie tun könne, und sie sich noch eine schöne letzte Zeit machen sollten,  und wo sie letztlich zum Sterben nach Hause entlassen wurden.

Und – die, ohne sichtbares Zutun, eine vollständige Heilung erfuhren.

Von drei Frauen, bei welchen eine derartige Totalremission wie eine Spontanheilung auch genannt wird, stattfand, will ich erzählen:

Teil 1 : Die heilende Kraft des Hier und Jetzt

Stefanie Gleising berichtet in ihrem gleichnamigen Buch von ihrer „wundersamen Heilung“.

Sie, die mit der Diagnose  Brustkrebs konfrontiert war, hat wirklich alles versucht, was an Möglichkeiten zur Verfügung stand – von der Operation, über Virenimpfung, Hyperthermie, Mistel, Infusionen mit Vitamin B17, Hormontherapie, Sport, Meditation, Lachtherapie bis zur Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen.

Und dennoch – der Tumor wuchs und streute, bis in die Knochen und ins Gehirn.

Jedoch –  immer wieder, bei all dem Stress und der Angst tat sich ein Feld des Friedens, der Stille und der Glückseligkeit auf.

Sie schreibt: „Ich musste so viel loslassen, meine Brust, Sport machen zu können, ein schmerzfreier Körper. Vor allem aber die Illusion, die Zukunft planen zu können. Im Grunde kann das keiner wirklich, auch die scheinbar Gesunden nicht. Dies alles katapultiert mich immer wieder direkt ins Hier und Jetzt. Manchmal kann ich dann weinen vor Liebe und Dankbarkeit, dass alles so ist, wie es ist.“ S. 199

Im sogenannten Endstadium ihrer Krankheit angelangt, kann sie nichts mehr zu sich nehmen, verliert dramatisch an Gewicht und dämmert immer länger einfach vor sich hin.

Sie ist mittlerweilen so schwach, dass sie einverstanden ist, diesen letzten Abschied – von ihrem Zuhause – zu vollziehen und in ein Hospiz zu kommen.

„Jeden Tag kamen Menschen, um sich von mir zu verabschieden. Doch anstatt zu sterben, geht es mir von Tag zu Tag etwas besser“. S. 205

Und sie – die Todkranke – kann nach einer Woche ein erstes richtiges Frühstück mit allem Drum und Dran, einem Ei, Saft, Kaffee, Topfen, Marmelade und Brötchen zu sich nehmen.

Bald kann sie in eine kleine Ferienwohnung im Hospiz übersiedeln, und nach ein paar Monaten sitzt sie wieder auf ihrem Pferd. Da sie seit 2014 keine schulmedizinische Behandlung mehr erhielt, gilt sie als geheilt.

Was trug zu dieser Heilung bei:

War es vielleicht der kathartische Traum vom KZ, den sie am Weg ins Hospiz hatte?

War es die Liebe und die unterstützenden Gedanken von vielen, vielen FreundInnen?

Oder das Absetzen eines Medikaments durch eine Hospizärztin, oder die Verdreifachung der Schmerzmitteldosis, wodurch sie leichter ins Hier und Jetzt zurückkehren konnte, da die Schmerzen sie nicht mehr vollständig bannten?

Oder war es das Auf- und Hingeben von allem Wollen, von den Illusionen dessen, was wir zu sein haben, oder wie sie selbst Markof Niemz Buchtitel zitiert: sich selbst verlieren und alles gewinnen.

Das Buch ist jedenfalls ein starkes Dokument dafür, dass egal, „wie schlimm die Umstände auch sind, es Hoffnung auf eine positive Entwicklung gibt“ S. 235

Und dass es immer wieder darum geht, ganz ins Hier und Jetzt zurück zu kehren und zu erkennen, „dass jede Situation, so schlimm sie auch nach außen sein möge, irgendwo auch einen Grund zur Freude bietet.“

Das können wir tun. Das ist unsere Wahl – zwischen einem Leben in Angst über eine unbestimmte Zukunft zu verharren oder uns für die Heilkraft des Moments zu öffnen.

Für mich ist es – das ist natürlich eine Interpretation, welche von der Autorin verifiziert werden müsste –  die Hingabe, das vollständige Ja zu allem Geschehen, ja auch das Aufgeben von Lebenswillen im Einverständnis für ein Hospiz, welche die Wende bringen kann.

Es ist damit nicht (nur) der oben genannte Kampf, wiewohl alle Beiträge zur Gesundung vielleicht doch auch eine Basis für die Heilung bildeten.

War es  letztlich vielleicht vielmehr das Ja zum Schicksal, an diesem Krebs sterben zu müssen, sich von allen lieben Menschen wirklich ein für allemal zu verabschieden, welche dann die Wendung brachte. Und dass es sich bei dieser Heilung um eine radikale Wendung handelte, kann man an der raschen Erholung – bereits nach wenigen Tagen – erkennen.

Diese radikale Wendung scheint sich für mich ganz von innen – aus dem innersten Zentrum heraus – ereignet zu haben. Ein Prozess, der sich vielleicht gerade nur in jenem Dämmerzustand, im vielen Schlafen, im mehr drüben als hier Sein ereignen kann.

Wenn wir diesen Gedanken glauben, was würde das wohl für unser Verständnis von Heilung und der dafür notwendigen Prozesse bedeuten? Wären wir dann nicht angehalten, die Menschen nicht zum weiteren dagegen Kämpfen, sondern zum Anerkennen und Sein Lassen, zur Tiefe  zu ermutigen?

Viele Fragen, auf welche nur die wirklich davon Betroffene Antworten finden werden. Dazu bräuchte es genaueste tiefgehende Fragen, nicht bloß einen Fragebogen, sondern prozessorientierte Untersuchungsmethoden, die vieles offen lassen, so dass nicht einfach Altbekanntes wiederholt, sondern Neues ergründet und erforscht wird. Und wo mein Organismus als Resonanzraum genutzt wird.

Zu-Ruf statt Nach-Ruf

„Wenn nur 1% dessen, was ehrlich und wertschätzend über Politiker/innen nach ihrem Tod gesagt wird, schon zu Lebzeiten gesagt wird, wär´s gut.Und das gilt für alle Menschen, nicht nur für Politiker/innen.“ postete Christoph Chorherr am 24.2. 2017 anlässlich des Todes der  österreichischen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser.

Viel Gutes wurde über sie gesagt in den letzten Tagen – dass sie ein wertvoller, aufrichtiger, verbindlicher, positiv denkender Mensch war, der über die Parteigrenzen hinweg wertschätzende Beziehungen führte. Für mich rückten diese Wortmeldungen die mir unbekannte Frau in ein neues, angenehmes Licht.

Es zählt zu den lieb gewonnen Gepflogenheiten, dass man am Grab über die Verstorbenen Gutes sagt. Vielmehr noch – man bemüht sich, das Gute, das vielleicht zu Lebzeiten gar nicht so deutlich offenbar wurde, heraus zu streichen.

So wird beispielsweise in einem Nachruf aus einem konfliktscheuen ein verbindlicher Mensch, dem die Harmonie zwischen den Menschen über Allem stand, und aus einem  zuvor als streitsüchtig  geltendem Menschen wird  ein kompromissloser, der sich ganz und gar für eine Sache einsetzte.

Anhand dieser  Beispiele kann gesehen werden, wie unterschiedlich Sichtweisen sein können.

Und es wird darauf ankommen, wie wir eine Eigenschaft eines Menschen sehen wollen. Die Erfahrung zeigt, dass wir zu Lebzeiten mit den für uns schwierigen, unbehaglichen Seiten  eines Menschen leider oftmals  in einer be- und verurteilenden Weise umgehen.

Und das Bemühen um eine erweiterte Sicht, die das Gute im anderen sieht, findet oftmals erst anlässlich seines Todes statt – sozusagen in unserer Komfortzone.

Was würde es tatsächlich verändern, wenn wir dieses Bemühen schon zu Lebzeiten walten lassen. Wie würde sich diese Bereitschaft zur zärtlichen Offenheit für die andere in meinem Inneren auswirken, und wie würde es für die betroffen Person wirken, wenn wirkliche An-Erkennung stattfindet.

Wie würde es sich darüber hinaus auswirken, wenn ich von meinem größten Feind, der ich für mich bin, in dem  ich mich zum Beispiel  als eine sehe, die  sich immer so aufführt, die zu viel redet, immer im Mittelpunkt stehen will, zu meiner Freundin werde, die meinen Mut zur Unbestechlichkeit wahrnimmt, die einfach viel zu sagen hat, die nun mal nicht am Rand sondern in der Mitte zu stehen hat, weil das ihr Platz ist.

Ich getraue mich zu sagen, dass das das ganze Leben ändert.

Mich anzuerkennen in dem, wie ich (nein nicht halt so) angelegt bin,  zu sehen, welche Note ich dieser Welt mit meinem So-Sein hinzuzufügen haben, zu sehen, was und wie etwas durch mich zu geschehen hat – hier und jetzt.

Dann würde die Energie, welche ich mein Lebtag aufbiete, um mich in meiner Essenz zurück zu drängen für mich und mein Lebenswerk zur Verfügung stehen.

Der große Lawrence Le Shan schreibt in seinem wertvollen Buch „Diagnose Krebs – Wendepunkt und Neubeginn“ (siehe dazu auch die Buchempfehlungen auf dieser Seite) darüber, wie das grundsätzliche Problem der Verzweiflung, das zum Leben von krebskranken Menschen seiner Erfahrung nach zu gehören scheint, zu lösen sei. „Die Lösung liegt darin, mehr und mehr der Mensch zu werden, der Sie wirklich sind.“

Die/der zu werden, die/der ich bin, braucht die Unterstützung meiner Umgebung, es braucht den liebevollen Blick von mir und den anderen.

Dann kann das Leben gut werden und ich kann, wie Le Shan schreibt, ein Leben führen, das mich wirklich befriedigt, bei dem ich jeden neu Tag freudig begrüße und mit Hoffnung in die  Zukunft schaue.