Mir selbst zur Freundin werden – eine Krebs-Prophylaxe

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„Ich möchte solidarisch sein mit den Bedürfnissen meiner Seele“ sagte Andre Heller anlässlich der Entgegennahme der Platin Romy für sein Lebenswerk.

Und mehr noch, er offenbarte, er sei – auch wenn er viele glänzende Auftritte im Leben hatte, sich immer als Feind selbst gegenüber gestanden.

Und dass er entschied, sein eigenes inneres Kind so vorbehaltlos zu lieben, wie es das bei seinem Sohn Ferdinand tut.

Das hat mich sehr bewegt.

So viele von uns – ob an Krebs erkrankt oder nicht – sind sich selbst ein Feind. Wir getrauen uns nicht, unseren organismischen Bedürfnissen zu ge-horchen, lehnen uns in unseren vermeintlichen Schwächen, in unserer Mutlosigkeit, Verzweiflung oder vielleicht vielmehr noch in unserer Kraft und Stärke ab. Haben Angst, den Arbeitsplatz und damit unsere Existenzbasis zu verlieren, wenn wir für unsere Bedürfnisse, für unsere Visionen und Ideale, für uns einstehen, getrauen uns nicht, unsere Freunde mit etwas Unbequemen zu konfrontieren, haben Angst, aus einer Gemeinschaft heraus zu fallen, wenn wir nicht über-einstimmen.  Damit verlagert sich ein Konflikt, ein Nein zum Außen – zu den teilweise krankmachenden Bedingungen – nach Innen. Und es wird ein Nein zu mir selbst. Der große Lawrence Le Shan beschreibt in seinem wunderbaren Buch „Diagnose Krebs – Wendepunkt und Neubeginn“ wie sich in der Biographie von Krebskranken wiederkehrend der Verlust der Lebensmelodie findet.

Mich mir selbst zurück zu geben aus der Ent-Eignung, der Ent-Fremdung, mich mit mir also anzufreunden, mag als ein großes Ding erscheinen und kann seinerseits Angst machen. Es nicht zu schaffen, das Eigene zu finden und dann dafür die nötigen Schritte zu setzen.

Eigentlich ist es jedoch ganz einfach:

Mit jedem kleinsten angemessenen, guten Schritt  – und ich meine wirklich jeden kleinsten guten Schritt, ob ich die Straßenbahn benutze oder eine Station zu Fuß gehe und mich damit am Frühlingslicht, dem neuen Grün der Bäume, dem Vogelgesang erfreue, oder es aber genieße. gefahren zu werden, beim Fenster rausschauen zu können, nichts tun zu müssen, – mit jedem dieser kleinen Schritte bekräftigen wir unsere Lebenskompetenz und fördern eine lebensbejahende Qualität. Um mit Le Shan zu sprechen: All diese Schritte sind wie Noten unserer Lebensmelodie, einer Melodie, die wir so vielleicht noch nie vernommen haben, und in der immer wieder neue Harmonien, Obertöne und Bassstimmen hinzukommen, die aber immer unsere ureigenste Melodie ist.

Und vielleicht mag ich dann weiter gehen, indem ich schaue, was mein Lebenslicht dimmt oder erhellt. Meine  Beziehungen, meine Ernährung, meine Arbeit, meine Gewohnheiten durch scannen, wo hellt sich mein Befinden auf, wo öffnet sich Etwas in meinem Inneren, wo geht mir das Herz auf, wo jauchzt meine Seele. Einfach wahrnehmen, einen Befund meiner Seelen-Verfassung  erstellen, ohne Handlungszwang, schlicht feststellend, wie es ist.

Mich kennen lernen,  mir  zum Freund werden, der wohlwollend, aufmerksam, liebevoll zuhörend mit mir ist. Das ist – so bin ich überzeugt – die beste Krebs-Prophylaxe.

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