Über das Ja und das Nein

JA GENAU, das mach ich: ich lasse mich operieren nicht von irgendeinem Chirurgen, nein von genau diesem – Professor Kolb – von meiner Seele begrüßt, ausgewählt nach vielen Kontakten mit anderen „Berühmtheiten“, für die vieles sprach – jedoch er musste es sein, JA genau. Es war ein lichtdurchfluteter Mai Tag, ein Montag um 9 Uhr früh im evangelischen Krankenhaus in Wien Währing, begleitet von meinem Mann an unserem Hochzeitstag – da wurde ich operiert von liebenden Händen, welche mir meine Brust beließen, dort wo nach State of the Art, sie mir zur Gänze genommen werden sollte.

So war es damals vor über 20 Jahren – Ja genau – eine unerschütterliche Gewissheit, der zu folgen ganz leicht ging.

In meinen zwischenmenschlichen Beziehung ist es schon schwieriger mit dem Ja und dem Nein. Vieles mischt sich da ein und oft sehe ich mich gefangen in inneren Dialogen wie dem folgenden:

 Will ich das? Meine Zeit mit einem Menschen verbringen, der für mich bedrohlich ist, in dessen Gegenwart ich mich nicht wohlfühle?

Ich glaub nicht.

Nur: hab´ ich das Recht, Nein zu sagen zu diesem Kreis, in dem wir beide mittlerweile seit fast einem Jahr einmal monatlich zusammenkommen, nur weil mir eine Person nicht so  angenehm ist.  

Und überhaupt jetzt, wo wir das bei unserem letzten Treffen angesprochen haben und wo es sich, Dank der wertvollen Unterstützung der anderen, doch auch irgendwie gelöst hat.

Und sogar etwas Versöhnliches im Raum gestanden ist. Wir beide sind halt so, jede ist, wie sie ist und jede gibt ihr Bestes und ja, da gibt es auch eine Zuneigung durch alle Schichten des Schwierigen hindurch.

Wir sind halt so, sehr verschieden, das ist nicht zu werten, nicht zu be-werten, schon gar nicht zu beurteilen. 

Das ist eine Gelegenheit zu Wachstum, zu Transformation. Solche Schwierigkeiten und Menschen, die uns herausfordern sind in unserem Leben, damit wir dran wachsen können.

Seh´ ich alles ein, verstehe ich sogar.

Nur: Es ist mir einfach unangenehm, mein Körper schreit in Form von Bauchschmerzen, nein, ich will das nicht, ich will es ganz einfach nicht.

Ich möchte es nicht aushalten müssen, ich möchte keine Grenzen setzen müssen, nicht aufmerksam machen müssen, wenn es mir wieder mal zu viel ist, in liebevoller Art, die andere verstehend.

Kurz scheint es klar, wäre da nicht auch die Angst zu kränken, kennen wir einander doch schon so lange – mehr als die Hälfte meines Lebens. Und überhaupt sind ja alle wirklich sehr nett, und ich freu mich ja auch und es ist ja auch immer wieder lustig und anregend. Und das wäre ja auch ein Verlust.“

So spricht es in mir. Und schon legt sich ein Nebel zwischen das Ja und das Nein und dieser trübt meinen Sinn.

Und ich sehne mich nach jener Bewusstseins-Klarheit rund um die 3 Krebsdiagnosen, wo ich jeweils glasklar wusste, was zu tun und was abzulehnen ist. Operation – ja, genau bei diesem Arzt, an diesem von mir gewählten Tag.

Bestrahlung –  jetzt noch nicht, aber dann nach der Zeit, die ich mir zugestanden habe – diese 4-monatige Bedenk-,  nein vielmehr Befühlzeit, voll bejaht, nein nicht im nahegelegenen Krankhaus, wo mich 36 Tage täglich ein Museum voller alter medizinischer Geräte, Folterinstrumenten gleich im Eingang begrüßt hätte, sondern da, wo ich die Wartezeit in einem einladenden, mit schönen Farben ausgestatteten Raum verbringen konnte.

Die State of the Art indizierte Einnahme vom Hormonsuppressivum Tamoxifen lehnte ich nach längerer Beschäftigung ab, wollte ich doch mit 41 Jahren nicht in einen vorzeitigen Wechsel versetzt werden mit allen Folgen.

Da war ich ganz klar. Das Ja und das Nein  ganz einfach.

Weil es um mich ging, nur um mich.

Dieses Eindeutige schwindet leicht einmal, wenn es um Beziehungen geht, hab´ den/die andere/n zu stark in meinem Empfinden, mit all den (vermeintlichen) enttäuschten, gekränkten, wütenden Reaktionen.

Das verstellt mir den Blick auf das, was dran ist zu tun – Ja oder Nein und Punkt.

Schon spüre ich einen Aufruf an mich, mir auch diese Bastion der un-bedingten Berechtigung und Freiheit zu einem Nein und damit zu einem Ja zu mir zurück zu erobern.

Mal sehen, wie das ausgeht.

Aufregend wird es allemal.

 

Flat Is Beautiful – der Lauf

Idee und Wirklichkeit

Plötzlich war sie da – die Idee.

Damals vor einem Jahr, als ich den Frauenlauf lief, da hatte ich die Idee. Sie half mir die 5 km, untrainiert wie ich so knapp nach der Operation war, zu bewältigen. Immer, wenn mich diese Idee während des Laufs ergriff, fühlte ich, dass es einen Sinn macht, hier zu laufen, in der Hitze und der Anstrengung.

Die Idee: das mach´ ich – ein Team gründe ich mit dem Titel „Flat Is Beautiful“. Ein Zeichen will ich setzen – ein Zeichen, dass die Brustlosigkeit unsere Schönheit und Weiblichkeit nicht mindert. Dass wir schön sind, ob unsere Brüste flach, klein, groß, verschieden, wie auch immer sind.

Und dann habe ich dazu eingeladen.

5 Freundinnen haben sich bei mir gemeldet, einige andere ihr Interesse bekundet und sich auch tatsächlich angemeldet. Clara, eine nahe Freundin lief zu meiner Freude für unser Team die zehn Kilometer mit einer tollen Zeit.

Viele Ideen hatte ich: Eine Selbsterfahrungsgruppe wollte ich ins Leben rufen, wo es um unsere Beziehung zu unseren Brüsten geht, eine Fotosession veranstalten, Medien kontaktieren.

Groß aufziehen wollte ich es und so war ich auch sehr glücklich, dass mich einflussreiche Personen kontaktierten, die großzügige Angebote machten  – und dann vergaß ich gleich einmal die Kontaktadresse – dort ging es offenbar nicht lang.

So beschränkte ich mich alsbald auf unsere kleine feine Gruppe und auch da hatte ich so meine Ideen. Zum Beispiel, dass wir – der engere Kreis –  einander ja kennen lernen sollten, zumindest einmal uns zusammensetzen.

Auch das kam einfach nicht zustande.

Oder dass wir ordentlich trainieren müssten, uns einer der Laufgruppen anschließen, konsequent den Trainingsplan einhalten. Das versuchten wir dann auch und liefen einige wenige Male bei einer der vom Frauenlauf organisierten Laufgruppen mit. Es war gut, dass wir das gemeinsam taten, denn ohne die aufmunternde Gegenwart meiner Freundinnen hätte ich die Anstrengung nicht ausgehalten. Unglaublich, wie lange 3 Minuten sein können und das 10 mal. Nein, das war es auch nicht.

Alsbald entließ ich mich und die anderen aus der Pflicht aufgrund der Erkenntnis, dass uns die Freude einen soll, mehr noch, dass wir ohnedies vereint waren in der Idee, egal welche Zeit und ob überhaupt jede von uns dann tatsächlich läuft. Das war sehr befreiend.

Siehe da, eine Woche vor dem Lauf fand sich ein Termin, wo wir die ganze 5 km Runde ablaufen wollten. Wir verirrten uns und auch das war lustig.

Die Idee, ein T-Shirt designen zu lassen, fand eine wunderschöne Verwirklichung. Ich traf zufällig eine Freundin Leni Artaker http://libellen.biz/kontakt/, welche ein  wunderbares Design gestaltete – mit einer Schönheitsköniginnen gleichen Scherpenaufschrift (Flat Is Beautiful) vorne und der Botschaft (Breast Cancer is not the End of Femininity) auf der Rückseite des Shirts. Leni schlug sogleich das Geschäft  „Guter Stoff “ https://guterstoff.com/– vor, wo die T-Shirts bio und fairtrade produziert werden. In einem heiteren Prozess der Abstimmung von T-Shirt- und Aufschrift- Farbe fanden wir die schöne Kombination eines sehr weiblichen Rosas und einer kupfergoldenen Aufschrift.

Alles war leicht, einfach und freudig.

Und dann war der Lauf und natürlich waren wir alle sehr aufgeregt, aber auch sehr freudig, das gemeinsam zu machen. Und es war anstrengend und es war heiß. Und stolz waren wir, diese Botschaft in die Welt zu tragen als die rosa Punkte im sonst orangenen Leiberlmeer. Unsere lieben Männer waren auch dabei, sie haben uns liebevoll begleitet, angefeuert, fotografiert und empfangen. Alles perfekt.

Was habe ich aus der Erfahrung gelernt:

– dass der Weg die Schritte vorgibt

– dass zwar der Spirit einer Idee leitend ist, dass ich jedoch nicht an einer Vorstellung über die Form der Realisation festhalten sollte,

– dass es um die Frage geht, was jetzt wirklich (!) getan werden will.

– dass es immer richtig ist, wie es ist.

– dass es beglückend ist, sich ohne Widerstand in den Fluss des Prozesses einzugeben.

– dass eine Gemeinschaft, die sich um eine als wahr erkannte Idee rankt und die Raum gibt, dass jede Person diese Idee in der je eigenen Art verwirklicht eine Vertrautheit schafft, die sonst nur in jahrelangen Freundschaften zu finden ist.

Angefragt über ihre essentiellste Erfahrung während der Unternehmung meinten meine Mitläuferinnen einiges, was auch Gerald Hüther in seinem Buch „Wie Träume wahr werden“ beschreibt:  „dieses Gefühl der Gemeinsamkeit und Vertrautheit, obwohl wir einander ja kaum kannten.“ (Hanna), „voll Stolz deinen Spirit hinaustragen“ (Marion), „meine essentiellste Erfahrung dabei war aber, dass ich soviel Energie mobilisieren konnte, trotz denkbar schlechter Voraussetzungen!“ (Marion), „Ohne Eure Unterstützung hätte ich es nie geschafft ..“ (Bettina), „Meine essentiellste Erfahrung? Dass ich das Ganze trotz Hitze und Anstrengung so genossen habe. Dazu hat das Gemeinschaftsgefühl mit Euch, allen anderen Frauen und allen weiteren Beteiligten sehr beigetragen.“ (Laura)

Oder wie Gerald Hüther zusammenfassend im oben genanntem Buch sagt: „Menschen, die nicht mehr gezwungen werden, die Vorstellungen anderer zu realisieren, sondern selbst ein gemeinsames Anliegen verfolgen, fangen an, auf ungeahnte Weise über sich hinauszuwachsen. Ganz allmählich beginnen nun immer mehr Menschen zu ahnen, welche Kraft und wie viel Potential sie zu entfalten imstande sind, wenn sie sich gemeinsam auf den Weg begeben, um etwas zu verwirklichen, was ihnen allen gleichermaßen am Herzen liegt.“

Natürlich habe ich/haben wir so einige Ideen für das nächste Jahr: dass wir wieder laufen wollen, dass ich mich durchgängig wohlfühle während des Laufs, dass ich natürlich eine bessere Zeit laufen möchte als dieses Jahr und dass unsere Initiative vielleicht wirklich eine größere Reichweite hat….

Mal sehen, wie es dann wirklich läuft…..

Rettungsanker

Bisweilen fühlt sich das Leben ganz schön schwer an. Dann bin ich keine strahlende Heldin mehr, die mit Tatkraft ein Projekt nach dem anderen angeht. Dann bin ich verzagt und könnte untergehen in der Verzagtheit.

Doch dann sind sie da, die Rettungsanker, wie zum Beispiel jetzt die Sendung über den Misthaufen in Ö1 – wie cool ist das, 5 Minuten über die Unterschiede zwischen Pferde- und Rindermist, mit einer derartigen Ernsthaftigkeit und der spürbaren Beglückung, dass er, der Herr Pöllinger über sein Spezialgebiet 5 Tage lang 5 Minuten sprechen darf. https://oe1.orf.at/player/20190429/550653

So gibt es Einiges, was mich aus dem Sumpf zieht:

– das Grün der Blätter, wenn ich sie wahrnehmen kann

– wenn ich mich erinnere, dass jede Rückkehr der Aufmerksamkeit zur Atmung kostenloses, einfaches Glück ist.

– das Gesichtchen meiner Tochter – ja sie ist schon 31 Jahre alt, aber das Gesichtchen gibt es immer noch, besonders morgens nach dem Aufstehen, wenn sie mal wieder auf Wien Besuch aus Montreal da ist und wir zusammen leben dürfen.

– ein bereicherndes Gespräch, in dem ich mich aus mir herausgehört fühle.

– die anrührende Zärtlichkeit in Schuberts Musik https://www.youtube.com/watch?v=Re44iVdo0bA

– oder Sätze wie jener der Zen-Lehrerin Katherine Thanas „When we are most completely ourselves, we´re most completely free of ourselves.“

– Stricken natürlich, besonders wenn mich komplizierte Muster herausfordern, weil alles rundherum dann untergeht.

So das waren jetzt die „(politisch) korrekten“  Zutaten eines guten Lebens – jetzt die tabuisierten, über die zu sprechen gar nicht so leicht ist.

Als diese sind:

– eine Serie schauen – nein, nicht die anerkannten, über die man sich mit anderen intellektuellen Menschen austauschen kann sondern solche, für die man sich genieren muss und die mir selbst teilweise zu blöd sind, die mir aber gerade in Krisenzeiten eine wenn auch eigenartige Heimat sind.

-Seeekt! ja auch das – tststs! – weil Sekt oder andere Alkoholika mich die im Trauma-Eis erstarrten Gefühle zum Ausdruck bringen lassen.

– ein Schlafmittel, weil sich dann endlich nach all dem Schlaf raubenden Aufruhr eine wohlige Entspannung ausbreitet

– und mein Freund Gustav, nein das ist kein menschlicher Freund, das ist mein freches Alter-Ego, der alles sagen darf und es auch tut.

Der größte Rettungsanker ist jedoch, wenn sich hinter all dem Dickicht meiner Leid bringenden Hirngespinste eine Lücke der Empfänglichkeit auftut und das Licht der Wirklichkeit mein Leben erhellt.

Und

auf einmal steht es neben dir,
an dich gelehnt –
Was?
Das, was du so lang ersehnt.

wie es der liebe Joachim Ringelnatz so schön ausdrückt….

Die Passion

Man/frau könnte meinen, dass die Krebsdiagnose zu den schlimmsten Ereignissen im Leben eines Menschen gehört. Für mich war es das nicht – wie schon öfter beschrieben.

Da gibt es vieles, was mich weit mehr belastet und leiden lässt. Jetzt gerade kommen beispielsweise  (quälende) Fragen hoch, ob ich wohl wertvoll bin, wenn ich nicht mal mehr psychotherapeutisch arbeite, ob mein Leben einen Wert hat, wenn ich es nicht durch bisweilen über meine Grenzen gehende Leistungen rechtfertige.

Ist mein Leben etwas wert, einfach wenn ich hier bin, hier auf der Erde?

Ist es noch etwas wert, wenn ich nicht an immer neuen Projekten, nicht an herausfordernden (wichtigen!) Artikeln arbeite, wenn ich keinen anderen Menschen helfe, wenn ich nicht spirituell praktiziere, mich (strengen) Regimen unterwerfe, wenn ich einfach mein Leben lebe – so wie ich es  in https://krebscoaching.org/2019/04/03/mein-gutes-leben/ beschrieben habe.

Da kann ich dann ganz schön verzweifelt werden und im Leid untergehen. Möchte sogleich einen Ausweg suchen, eine Lösung finden. Und weiß doch, dass sie nirgends zu finden ist. Dass es vielmehr um eine Bejahung, oder wie Thich Nhat Hanh meint, um eine Umarmung dieses meines Leides geht.

Tröstlich sind dabei die Worte von großen Menschen. Wenn zum Beispiel  Friedrich Benesch, ein Pfarrer der Christengemeinschaft, meiner religiösen Heimat, davon spricht, dass das Leiden zu einer Vertiefung, einer Verwesentlichung, einer Verinnerlichung führt, wenn es freiwillig angenommen wird, dann ermutigen mich diese Worte.

Und es ist erleichternd, wenn ich folgende Zeilen von der von mir sehr verehrten Pema Chödrön lese:

Things falling apart is a kind of testing and also a kind of healing. We think that the point is to pass the test or to overcome the problem, but the truth is that things don’t really get solved. They come together and they fall apart. Then they come together again and fall apart again. It’s just like that. The healing comes from letting there be room for all of this to happen: room for grief, for relief, for misery, for joy.

Tröstlicher noch als all das Gesagte ist die göttliche Musik von  Bach in der Matthäuspassion https://www.youtube.com/watch?v=YszmEsvI6h8

Und es ist wunderbar, dass ich über das Schreiben all das ausdrücken kann.  Dass ich mich dadurch über die Niederungen erhebe, mein Blick sich neuerlich lichtet und ich wahrnehmen kann, wie groß das Leben ist.

Und schon wird die Passion zur Passion – zur leidenschaftlichen Hingabe!

(M)ein gutes Leben

Das gute Leben ist anders. Anders als wir es uns vorstellen mögen und auch anders als es die Anderen leben. Das gute Leben ist mein gutes Leben.

Es ist kein perfektes Leben, das für mich das gute Leben ist. Und es schließt vieles ein, was nicht zu einem guten Leben zu gehören scheint – Hinfallen, Krisen, Scheitern, Hoffnungslosigkeit, Krankheit und Sterben….

Mein gutes Leben ist zuallererst still. Außen und Innen still. Es ist dies diese intensiv belebte Stille, die mir nur manchmal vergönnt ist zu hören.

Mein gutes Leben  muss ich nicht mit Ereignissen füllen, im Gegenteil. Es ist er- und nicht gefüllt – vom Leben selbst. Dann brauche ich keinen Zeitvertreib (sic!!). Folge nicht mehr den unzähligen Onlinekongressen auf der Suche nach noch mehr Wissen, weil ich mir gewiss bin, dass ohnehin alles, was gebraucht ist, bereits in mir lebt.

Nicht mal einen Theater- , Konzert- oder Vortragsbesuch brauche ich, wenngleich ich das eine oder andere vielleicht hin und wieder mache.

Einfach so.

Aber da bin ich mir gar nicht so sicher, wie ich mir auch nicht sicher bin, ob ich dann noch jemanden treffen will, einfach zum plaudern.

In meinem guten Leben trinke ich meinen geliebten Waldemar Kaffee, auch wenn mir mein Ohrakupunkturarzt sagt, dass der Coffein Punkt anzeigt, dass da was nicht so günstig ist dran.

In meinem guten Leben sehe ich mich verweilen. Im Jetzt könnte man sagen, wenn es nicht so kitschig klänge.

Ich liege viel herum. Kann mich am Nichts-Tun freuen. Dann stehe ich wieder auf, wenn sich ein Bedürfnis regt. Und bald einmal lasse ich mich wieder nieder. Bis ich einen Impuls verspüre, rauszugehen vielleicht an die frische Luft, mich zu bewegen, nein auch da nicht im Sinne eines Intervalltrainings, sondern wie auch immer. Oder eine Zeile zu schreiben oder….

In meinem guten Leben sind Menschen, welche aneinander innig interessiert sind. Einfach so, nicht aus Gründen der Netzwerkbildung, nicht um einer Funktion willen. Menschen, die sich aneinander freuen. FreundInnen im Herzens-Sinn.

In meinem guten Leben gibt es viel Dürfen und Wollen und kein Müssen im alten Sinne. Und weil dem so ist, muss ich mir jetzt auch nicht noch viele andere kluge Aspekte zum guten Leben einfallen lassen, sondern darf aufhören.

Jetzt.

Einfach so.

Vom Brot des Lebens….

Ich gebe es zu: ich bin sehr empfänglich für allerlei Gesundheitswissen.

So bin ich oftmaliger Gast von Online Kongressen zum Thema Ernährung, sei diese vegan, ketogen, Rohkost, Intervallfasten…

Und da erfahre ich vieles, was ich bislang noch nicht wusste und worauf frau achten sollte, wenn sie gesund bleiben oder werden will.

Viele dieser hier befragen ExpertInnen erläutern mit differenziertem Wissen, was zum Beispiel in der (Krebs-) Zelle vor sich geht, wenn man gewisse Nahrungsmittel zu sich nimmt oder weglässt. Das ist sehr beeindruckend.

Und so mach´ ich mich von dieser (einen!!) Sicht der Welt und des Lebens voll überzeugt alsbald ans Werk. Wie zuletzt nach einem wirklich profunden Vortrag über Gluten, das Klebereiweiß, das in nahezu allen Getreidesorten, vor allem im Weizen vorhanden ist.

Gluten macht das Brot oder Backwerk besser verarbeitbar und sorgt für einen größeren Ertrag.  Das sind Gründe, weshalb der Glutengehalt im normalen industriell verarbeiteten Getreide innerhalb der letzten Jahr-(zehnte) von unter 20 auf 80 % im Weizen gesteigert wurde.

Der hohe Gehalt wirkt sich nicht nur auf Zöliakie kranke Menschen aus, sondern führt zu Allergien und Unverträglichkeiten, auch solche, die wir nicht unmittelbar wahrnehmen, weil sie langsam verlaufen, z.B. als Entzündungen im Darm, die auch zum Phänomen des leaky gut führen.

Nun habe ich bei einer tollen Darmspezialistin Dr. Steinkellner vor einiger Zeit eine Stuhluntersuchung vornehmen lassen und aufgrund dieser erfahren, dass bei mir keine Gluten-Unverträglichkeit vorliegt. Das war für mich als Brotjunkie eine große Erleichterung.

Nein, ich möge es dennoch nicht im Übermaß konsumieren wegen der generell schädlichen Wirkung des hohen Glutengehalts. Das kann ich berücksichtigen, kein Problem!

Nun hörte ich jenen Vortrag, und ich hörte auch, dass man diese tieferen Prozesse einer Unverträglichkeit nur durch einen bestimmten, aufwendigen Bluttest vornehmen kann.

Und da schlägt dann bei mir die zu Extremen neigende Pitta-Struktur zu – fand ich doch alle Symptome in der Liste der Kriterien dieser sogenannten Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität. Sofort strich ich gleich mal alles glutenhaltige Getreide.

Sowieso kein Weißbrot mehr, aber auch kein Vollkorn-Roggen usw., alles wurde gestrichen und auf Amaranth, Quinoa, Reis, Mais umgestiegen.

Nie mehr – oder zumindest 2 Jahre lang.

Man könnte nun annehmen, dass die Symptome schon bald weniger wurden.

Dem ist aber nicht so, nach wie vor leide ich unter all diesen Symptomen. Darüber hinaus stellte ich eine innere Enge, eine Verschattung, eine Dimmung meines Lebenslichts und meiner Lebensfreude fest.

Nicht mal mehr….:-((

Und es reifte in mir der Gedanke – wie schon so oft – dass Gesundheit, meine Gesundheit nicht dadurch gefördert wird, dass ich mich (blind!) und radikal an Vorgaben halte, sondern dass ich das durchaus wertvolle Wissen zwar zur Verfügung habe und es mitbestimmend ist, was ich in welchem Maße zu mir nehme.

Dass es jedoch zu allererst darum geht, dass ich mit mir verbunden bleibe, meinem Körper Gehör schenke, wann er was will und braucht, und das in jedem Moment.

Dass ich mir folge.

So will ich mich neuerlich zurückerobern aus den Fängen der wissenschaftlich begründeten Gesundheits-Maßnahmen.

Will mich mir zurückgeben.

Sanftmütig will ich leben – mit mir und natürlich auch mit den Tieren und Pflanzen.

Achten will ich auf mich und das Ganze. Und derart mit mir in Fühlung, vertrauen, dass es schon richtig ist – im Sinne meiner ganzheitlichen Gesundheit – immer wieder auch ein gutes Brot zu essen, mit Bedacht zubereitet und aus wertvollem naturbelassenem Korn.

Schon merke ich, wie etwas aufgeht in mir und ein Samen an schöpferischem Tun-Wollen aufkeimt.

Der Satz „Life is bigger than you“, gesprochen von meinem lieben Körpertherapielehrer Michel Smith, kommt mir in den Sinn.

Dass das Leben größer ist als das, was ich zu mir nehme, selbst als der Umstand, ob ich im medizinisch-pathologischen Sinn gesund oder krank bin, und dass sich mein Leben weiterlebt über mein irdisches Sein hinaus.

Mich dessen zu erinnern, ist wahrlich heilsam.

P.S. Divine Perfection würde mein lieber Thomas Hübl sagen. Am Wochenende nach dem Blogbeitrag habe ich an einem Brotbackworkshop teilgenommen, veranstaltet vom ehemaligen Demeter-Bäcker Kaschik und seiner Frau Birgit Leitinger.

Neben einer Einführung ins Backen köstlicher Vollkornbrote und einem Ciabatta erfuhren wir viel über das Wesen des Korns, dass ein Roggen z.B. 1 Jahr auf dem Feld ist, dass Getreide im Unterschied zu Gräsern Tiefwurzler sind, dass sie 3 mal durchwärmt werden – von der Sonne, der Herzens-Arbeit des Bäckers und dem Ofen. Dass es darum geht, dass wir uns dem spezifischen Getreide anpassen. So ist es ein großer Unterschied, ob dieses im Schatten wächst oder unmittelbar der Sonne ausgesetzt ist.

Und dass der wesentliche Unterschied, ob ein Brot heilsam oder „kränkend“ ist, der ist, inwiefern wir dem Getreide in der Verarbeitung folgen und nicht umgekehrt, es unseren Produktions-steigernden Interventionen unterwerfen.

Dass es darum geht, dass wir dem Teig lauschen, wie das Herr Kaschik so liebevoll ausdrückte und ihn derart „bewirken“, wie wir ihn gehört haben. Derart verbunden kann das „Kulturgut Brot“ eigentlich nur heilsam sein!

P.P.S.: es war einfach zu verlockend – habe mich daher gleich mal übernommen mit dem Brotgenuss und wieder mal gelernt, dass ein Zuviel (auch an Gutem) niemals gut ist!

P.P.P.S: Die Brotbackkurse sind sehr zu empfehlen. Weitere Infos: www.kaschikdemeterbrot.at

Embrace

Zwei Tage nach der Totaloperation meiner Brüste vor einem Jahr sah ich am Frauentag den Film „Embrace“. Er hat  mich sehr berührt, weil er aufzeigt, wie sehr das Diktat, was als schön gilt, in uns Frauen wirkt. Und auch weil er ermutigend ist, zeigt er doch viele Frauen, die in Bezug auf ihr Aussehen und ihren Körper einen tiefen Transformationsprozess durchliefen.

Mir gefällt mein neues Brust-loses Sein. Mein Leben lang habe ich mich für meine Brüste geniert, obwohl sie „eigentlich“ schön waren, weder waren sie zu groß, noch zu klein, auch waren sie symmetrisch. Nichts auszusetzen. Immer fühlte ich mich exponiert durch sie, dem anonymen, männlichen Blick ausgesetzt, trachtete sie daher zu verbergen, mich einzustülpen.

Jetzt bin ich flach und die Scham ist vorbei, zumindest, wenn ich bekleidet bin, kann ich mich ohne Fritz und Fritzi, meine beiden Ergänzungsteilchen – auch unschön Prothesen genannt, einfach flachbusig zeigen. Selbstverständlich.

Dellen haben sie, wegen des oftmaligen Punktierens und auch Hautverfärbungen, die sich aufgrund der Hämatome nicht zurückgebildet haben. Und natürlich gibt es keine Brustwarzen mehr.

Nein genieren tu´ ich mich nicht dafür.

„Flat is beautiful“ wurde bald zu meiner Devise – (siehe dazu auch: https://krebscoaching.org/2019/02/.  Ich habe leicht reden, bin ich doch seit Jahrzehnten mit meinem lieben Mann verheiratet, der mich liebt und mich schön findet und begehrt, ob mit oder ohne Brüste, auch wenn er sie bisweilen vermisst.

Nur, wenn ich mir vorstelle, dass ich mich im Zuge einer Ayurvedakur massieren lasse oder in eine Sauna gehe, wird mir etwas unbehaglich zumute. Fühle mich aufgefordert, vorzuwarnen.

Da will noch etwas umarmt werden, sodass ich zu meinem Anderssein selbstverständlich stehen kann.

Im Film Embrace werden Frauen vorgestellt, die zum Beispiel aufgrund einer Verbrennung oder eines hormonell bedingten Bartwuchses vor die Wahl gestellt wurden, sich lebenslänglich zu verbergen oder aufwendige Prozeduren auf sich zu nehmen, um den Makel unkenntlich zu machen.

Und es werden viele –  schöne! – Frauen befragt, wie sie ihren Körper finden und die Antworten sind erschreckend – hässlich, zu fett, abstoßend… sei er. Das war schmerzlich zu hören.

Der Film war ein neuerlicher Weckruf, mich immer wieder zu versöhnen mit diesem meinen Körper, wie immer er ist.

Dass es darum geht, uns von der ständigen selbstbezüglichen kritischen Betrachtung unseres Äußeren zu lösen.

Dass es darum geht, nicht mehr unsere Zeit, unser Geld und unsere Energie zu investieren, um einer suspekten – künstlich kreierten – Norm zu entsprechen.

Dass wir Räume – in guter alter feministischer Tradition – kreieren, wo wir uns über all das ehrlich austauschen können und einander zeigen, wie wir aussehen und sind. Dass wir einander auch bekräftigen und unterstützen, in dem was wir eigentlich hier zu schaffen haben.

Dann kann unsere Lebenskraft in unser Wirken hier auf die Erde strömen, wo es ja wahrlich nötig gebraucht wird.

Busen-los glücklich. Ein Gegenentwurf!

„Es ist eine sehr schwere Zeit“ sagt Elia Bragagna im Radiokollegbeitrag vom 13.3.2018 in Bezug auf die Zeit nach einer Brustkrebsoperation. „Es ist eine schwere Zeit, und es ist harte Arbeit“, zu einem neuen Verhältnis und einem Selbstbild zu kommen, sagt sie da.

Nein, will ich gleich widersprechen. War es nicht. Dieses Jahr – heute jährt sich die 3. Brustkrebsdiagnose – war kein schweres und nein, es war auch keine harte Arbeit, mich mit meinem neuen Selbstbild wohl zu fühlen.

Ja, es war eine intensive Zeit, oftmals eine Hochschaubahn der Gefühle, ein Aufgeregtsein war es, aber nicht dunkel und nicht schwer. So habe ich es erlebt.

Zu allererst war es eine wandelnde Zeit.

Ich durfte noch einmal ganz tief in die Schichten meiner Selbst eindringen, mich von Altlasten befreien. Und dazu gehört auch meine Brust. Ich musste sie nicht hergeben, da hätte es auch andere Wege gegeben, hat es sich doch nicht um einen schnell wachsenden, aggressiven Tumor gehandelt. Diese anderen Wege wollte ich nicht gehen. Ziemlich schnell war klar, dass ich mich von ihr trennen wollte.

Viele wunderbare Erlebnisse hatte ich in diesem Jahr, angefangen von der Suche nach einer geeigneten Form des Umgangs mit der Diagnose. Konnte wieder mal die Bewusstseinsanhebung rund um die Diagnose bemerken, meine Klarheit, die Unbeirrbarkeit in meinem Wissen, was zu tun ist.

Dann durfte ich mich in meinem Mut erfahren, meinen bei den ersten beiden Diagnosen außerordentlich dienlichen Chirurgen zu „entlassen“, weil ich merkte, dass seine Haltung (dass die Brust zu erhalten ist) keine stabile Basis für eine derartig große Unternehmung ist. Dann die Begegnung mit meiner Chirurgin, wir zwei Frauen – zu erleben, wie viel nahezu schwesterliches Einverständnis es in unserer Beziehung gibt.

Für mich war diese Zeit eine lichtvolle.  Eine Zeit der Befreiung, eine Befreiung auch von Konzessionen und Konzepten, woran die Schönheit einer Frau geknüpft ist.

Und dann war sie weg, die Brust, und gar nichts, wirklich gar nichts fehlt mir. So ist es.

Mehr noch, ich habe das Gefühl, endlich in meinem Körper angekommen zu sein, so bizarr das klingen mag. Und der ist nicht mal brustlos, gibt es ja noch diese innere Brust und auch diesen kleinen Brustansatz, der dank der wunderbaren Operation noch immer da ist.

Schön fühl ich mich.

Bei allem Respekt und Verständnis, dass es für viele Frauen leider eine schwere Zeit ist und eine große Belastung,  gilt es dies mitzuteilen:

Nein, es muss keine Katastrophe sein, wir sind keine kastrierten Frauen, Brust- und Sexualitäts-amputiert. Wir können über einen derartigen Einschnitt, der auch patriarchale Bilder von uns, wie wir sein sollen, durchtrennt, zu unserer wahren Kraft und Schönheit finden.

Das gibt es auch.

Da steht sie auf, die alte Feministin in mir und möchte  entgegenrufen: Hej, es ist wichtig, auch davon zu erzählen und nicht bloß, dass es ach´ so schlimm ist (sein muss) und ach´ so eine schwere Zeit.

Lasst uns die Frauen mit ermutigenden Botschaften speisen, dass es im Wesentlichen sooooo was von wurscht ist, für uns und unseren Weg, ob da zwei Gewebsteile an uns dran hängen oder nicht.

Das musste jetzt einmal gesagt werden.

Meine Tochter ist eine besondere Frau

Und das ist sie in vielerlei Hinsicht – in ihrer Weisheit, die der einer älteren, lebenserfahrenen Frau gleicht, in ihrer Mädchenhaftigkeit, die mit kindlicher Stimme ein Glas Leitungswasser bestellt, in der Verbindung von weit auseinander liegenden Welten – der Wissenschaft, der Kunst, der Emotionalität und Nüchternheit…..

Vor nunmehr einem Jahr hat sie sich, inspiriert durch ein sehr freies Umfeld in Montreal, entschieden, keinen BH mehr zu tragen, und sich auch nicht mehr zu rasieren.

Wir könnten jetzt glauben, sie habe ohnedies nur eine kleine, nicht weiter auffällige Brust, aber nein, der Busen meiner Tochter ist nicht klein sondern deutlich sichtbar.

Und nein, sie verhüllt diesen nicht mit weiten dunklen Hängerchen, sie trägt enganliegende T-Shirts, die auch ihre Brustwarzen zu erkennen geben. T-Shirts, die ihre Brüste offenbaren.

Und nein, sie hält sich auch nichts schützend vor, wie ich es jahrzehntelang gemacht habe. Sie verschränkt nicht ihre Arme, auch wenn sie durch eine Menschen-Männer-Menge geht.

Damit habe ich es bisweilen schwer. Ich, die ich mich mit meinen Brüsten immer zu exponiert fühlte, sie weg haben wollte, weil sie Hauptangriffspunkt anonymen Begehrens waren, die mich zu-  und eindringlichen Blicken aussetzten.

„Willst Dir keinen BH anziehen?“, sag ich dann, wenn uns ein Tag voller Ausgesetztseins bevorsteht. „Nein,“ sagt sie, „sind doch meine lieben Brüste, die ich nicht in einen BH zwängen will. Die gehören zu mir, wie zu jeder Frau dazu.“

Ich möchte mich vor sie stellen, wenn ich merke, dass die mit uns fahrenden Männer sie anstarren. Ich lasse es, unter Aufbietung aller Ein-Sicht, die ich in einer derartigen Situation aufbringen kann, und weil ich es toll finde, dass sich meine Scham über die offenkundigen Zeichen meiner Weiblichkeit nicht in die nächste Generation tradiert hat.

Und weil ich es bewundernswert finde, dass meine Tochter frei ist, ein Zeichen zu setzen.

Und sie – sie geht völlig unbeeindruckt munter vorbei, selbst-verständlich und selbst-vergessen, gibt es doch so viel Wichtigeres, was ihre Aufmerksamkeit anzieht.

Sie hat das Gefängnis der Selbst-Bezüglichkeit, dass das Leben so vieler Frauen (meiner Generation ?!) prägt, verlassen – dieser Selbstbezüglichkeit, sich ständig des eigenen Körpers bewusst zu sein, wie er aussieht, wo etwas zu viel oder zu wenig ist, wo etwas wackelt und hervorschaut, wo etwas Begierden hervorlocken könnte, was frau essen darf und vermeiden muss.

Die Burka des kritischen Selbst-Blicks.

Meine Tochter isst, wenn sie Hunger hat und das, wonach ihr Körper gerade verlangt.

Sie liebt ihren Körper in seinem So-Sein und sie achtet darauf, was für ihn gut ist.

Sie ist frei und mutig.

Dafür und für so vieles mehr liebe ich sie.
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Alles wieder ganz normal !?!

Vier Monate war ich mit Krebs beschäftigt, vier Monate, die nahezu vollständig vom Krebsgeschehen bestimmt waren.

Zunächst die Diagnoseschritte, Arztbesuche, Therapiewahl, die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts, die Vorbereitung auf die Operation.

Auch die Gespräche mit FreundInnen rankten sich fast ausschließlich um dieses große Ereignis in meinem Leben.

Dann die Operation.

Und jetzt das Danach.

Langsam normalisiert sich das Leben wieder. Die Narben benötigen zwar noch etwas Zuwendung, jedoch brauche ich erst wieder in 6 Monaten zur Kontrolle zu gehen.

Nun steh ich da, entlassen in mein Krebs-freies Leben.

Frau könnte nun annehmen, dass das doch wunderbar ist, ich habe es überstanden.

Endlich ist das Leben nicht mehr vom Krebs bestimmt. Und das ist ja auch wunderbar.

Und:

Nicht einfach.

Vielmehr ist es wie eine Vollbremsung.

Alles könnte so sein wie davor, ich greife meinen All-Tag wieder auf, gehe ganz normal meinem Leben nach, mache die Dinge, die ich auch davor gemacht habe.

Ganz normal halt…

Natürlich ist es erleichternd, nicht mehr mit der Angst vor einem Rezidiv leben zu müssen, keine weiteren Therapieschritte gehen zu müssen.

Und dennoch –  da gibt es vieles, das ich vermisse.

Ich vermisse die Intensität dieser Zeit, ich vermisse die Klarheit meines Bewusstseins, das Angehobensein, die Erkenntnisflut.

Ich befürchte, dass alles in die Normalität abzusinken droht.

Ich befürchte, wieder in Verpflichtungsgefühlen zu ersticken, mich erneut für alles und jeden zuständig zu fühlen.

Und manchmal befürchte ich, dass ich mich neuerlich veräußere. Dass dieses Krebsrezidiv bloß ein weiteres Intermezzo an Selbstfürsorge und Selbstzentriertheit war, in einem sonst oftmals fremdbestimmten Leben.

Und dann  fürchte ich auch, dass das nie aufhört, dass ich nicht die Kraft habe, diese eingefleischten Muster zu transzendieren.

Dass es nie still wird, das Rasen nicht aufhört, ich die Essenz des Lebens, dieses pure Sein, von welchem ich hin und wieder gekostet habe, nicht spüren kann. Dass ich am Leben bin, ohne zu leben, dass ich die Bedürfnisse anderer erfülle, ohne erfüllt zu sein.

Den Tumor hat man mir (ab)nehmen können, das Leben habe ich zu führen. Das ist die Herausforderung.

Während die Diagnose für mich ein Geschenk war, in Fühlung zu kommen mit der Person, die leben will, so ist die Zeit danach geprägt von eben dieser Herausforderung,  dieses, mein Leben zu würdigen, es zu genießen in jedem Moment, für mich zu sorgen, und mich einfach wohl zu fühlen.

Das ist (nach wie vor) oftmals schwer.

Und nein, heute möchte ich nicht mit einem Zuversichts-fördernden Satz schließen, nur ein paar Liedzeilen von meinem verehrten André Heller seien (mir) Trost:

Weine wieder, wenn Du weinen willst.

Verzichte nicht auf die Verzweiflung.

Leiste Dir eine Mutlosigkeit,

Sabotiere die Heldin in Dir,

Tauch´ manchmal in den Rauch der Angst.

Ein Abgrund fehlt Dir doch nie.

Zum Kotzen ist doch wirklich bloß die viele falsche Sympathie.

(André Heller aus dem Lied: Das System)