Zwei Tage nach der Totaloperation meiner Brüste vor einem Jahr sah ich am Frauentag den Film „Embrace“. Er hat mich sehr berührt, weil er aufzeigt, wie sehr das Diktat, was als schön gilt, in uns Frauen wirkt. Und auch weil er ermutigend ist, zeigt er doch viele Frauen, die in Bezug auf ihr Aussehen und ihren Körper einen tiefen Transformationsprozess durchliefen.
Mir gefällt mein neues Brust-loses Sein. Mein Leben lang habe ich mich für meine Brüste geniert, obwohl sie „eigentlich“ schön waren, weder waren sie zu groß, noch zu klein, auch waren sie symmetrisch. Nichts auszusetzen. Immer fühlte ich mich exponiert durch sie, dem anonymen, männlichen Blick ausgesetzt, trachtete sie daher zu verbergen, mich einzustülpen.
Jetzt bin ich flach und die Scham ist vorbei, zumindest, wenn ich bekleidet bin, kann ich mich ohne Fritz und Fritzi, meine beiden Ergänzungsteilchen – auch unschön Prothesen genannt, einfach flachbusig zeigen. Selbstverständlich.
Dellen haben sie, wegen des oftmaligen Punktierens und auch Hautverfärbungen, die sich aufgrund der Hämatome nicht zurückgebildet haben. Und natürlich gibt es keine Brustwarzen mehr.
Nein genieren tu´ ich mich nicht dafür.
„Flat is beautiful“ wurde bald zu meiner Devise – (siehe dazu auch: https://krebscoaching.org/2019/02/. Ich habe leicht reden, bin ich doch seit Jahrzehnten mit meinem lieben Mann verheiratet, der mich liebt und mich schön findet und begehrt, ob mit oder ohne Brüste, auch wenn er sie bisweilen vermisst.
Nur, wenn ich mir vorstelle, dass ich mich im Zuge einer Ayurvedakur massieren lasse oder in eine Sauna gehe, wird mir etwas unbehaglich zumute. Fühle mich aufgefordert, vorzuwarnen.
Da will noch etwas umarmt werden, sodass ich zu meinem Anderssein selbstverständlich stehen kann.
Im Film Embrace werden Frauen vorgestellt, die zum Beispiel aufgrund einer Verbrennung oder eines hormonell bedingten Bartwuchses vor die Wahl gestellt wurden, sich lebenslänglich zu verbergen oder aufwendige Prozeduren auf sich zu nehmen, um den Makel unkenntlich zu machen.
Und es werden viele – schöne! – Frauen befragt, wie sie ihren Körper finden und die Antworten sind erschreckend – hässlich, zu fett, abstoßend… sei er. Das war schmerzlich zu hören.
Der Film war ein neuerlicher Weckruf, mich immer wieder zu versöhnen mit diesem meinen Körper, wie immer er ist.
Dass es darum geht, uns von der ständigen selbstbezüglichen kritischen Betrachtung unseres Äußeren zu lösen.
Dass es darum geht, nicht mehr unsere Zeit, unser Geld und unsere Energie zu investieren, um einer suspekten – künstlich kreierten – Norm zu entsprechen.
Dass wir Räume – in guter alter feministischer Tradition – kreieren, wo wir uns über all das ehrlich austauschen können und einander zeigen, wie wir aussehen und sind. Dass wir einander auch bekräftigen und unterstützen, in dem was wir eigentlich hier zu schaffen haben.
Dann kann unsere Lebenskraft in unser Wirken hier auf die Erde strömen, wo es ja wahrlich nötig gebraucht wird.