Wahrscheinlich haben wir als Kinder Gedichtchen aufgesagt und Bilder gemalt und waren schon früh auf, um an diesem einen Tag ein Frühstück für unsere Mama, die wir Judy nannten, vorzubereiten.
Und besonders artig mussten wir natürlich auch sein, damit sie sich ja nicht kränkt, da hat unser Vater drauf geschaut.
Wahrscheinlich hat sie sich da gefreut. Dann war er wieder vorbei – der Tag der Mutter.
Am Montag danach war wieder alles wie immer.
Unsere Mutter stand als Erste auf – so gegen halb sechs –, um ihrem Mann die Kleidung von der Unterhose bis zur Krawatte zu richten, und den Tee und das Frühstück zu zubereiten, die Kinder aufwecken, die Schuljause einpacken.
Dann, als alle aus dem Haus waren, hat sie sicher mal ausgeatmet, denk ich mir.
Zusammenräumen, Einkaufen, Mittagessen zubereiten, auf die Kinder warten, zu Hause bleiben, immer zuhause bleiben, weil mein Vater niemals einen Schlüssel mitnahm, sie war ja ohnehin immer da. Den Beruf beim Steffl, wo sie mit ihren geliebten Stoffen zu tun hatte, hat sie längst aufgegeben für die klassische Rolle der Haus-Frau.
Zuhause sein, Hausfrau sein, Nähen, Bügeln, Wäsche waschen, spielen, dem Mann dienen.
In erster Linie dem Mann dienen.
Dafür sorgen, dass die Kinder ruhig sind, wenn er gestresst von der Arbeit heim kommt, Gsch Gsch…schnell ins Kinderzimmer, der Papa braucht seine Ruh.
Wenn er weg war, auf einer seiner Geschäftsreisen hatten die Mädels Kirtag – Fisch essen, aber nur am 1. Tag, damit er ihn ja nicht riechen konnte.
Schwimmen und Eislaufen gehen und keine Angst vor seinen Zuständen und seinem Gebrüll haben.
Ein bisschen frei und frech sein. Weil frech, keck war sie auch – meine Mama – lang vor der Sozialisation als Ehefrau.
Schade eigentlich, hätte sie gerne besser kennengelernt die freche, kleine, pfeifende Erni, die den Kopf noch nicht einzog, immer mal eine Ansage macht, auf den Tisch haut, zurückbrüllt, dass es ihr jetzt wirklich reicht, ihre starken Mädels packt, den Alten sich ausspinnen lässt, ab in die Kondi, Sachertorte mit Schlag und Kaffee oder Kakao und lachen, viel lachen und frei sein.
Schluss mit den Vorwürfen.
Die habe ich ihr schon zu Lebezeiten oft genug gemacht.
Dann hat sie schuldbewusst den Kopf gesenkt und sich flehentlich an ihren geliebten Schwiegersohn gewandt mit der Frage: „Thomas, war ich wirklich so eine schlechte Mutter?“ Das konnte er natürlich nicht wissen und überhaupt hat er sie sehr lieb gehabt. „Aber nein, liebe Erni, Du warst sicher eine gute Mutter.“
Wahrscheinlich würde ich sie nach wie vor im Regen stehen lassen mit der Frage, ärgern würde ich mich, wenn sie immer, wenn ich endlich etwas Unbequemes ausspreche, mit dieser Killerfrage antwortet statt sich anrühren und erschüttern zu lassen.
Jetzt 3 Jahre nach dem 1. Muttertag ohne sie möchte ich sie beantworten, und auch wenn das jetzt vielleicht abgeschmackt klingt: Du hast Dein Bestes gegeben.
Du warst immer großzügig – meintest bei jedem neuen schönen Kleidungsstück, „ich kauf Dir den schönen Rock, kann ja das Geld nicht mitnehmen und geb´ lieber mit einer warmen Hand.
Witzig warst Du und nicht nur, wenn Du den Judy Affen nachgemacht hast.
Und bemüht – bist mit uns, den Zwillingen durch halb Wien zum Eislaufverein oder ins Laabergbad oder täglich ins Amalienbad, damit ich mich beruhige, wenn ich wieder ganz im Schulstress war.
Hast uns die schönsten Kleider genäht und fürs Christkind die Puppen-Röckchen und Jäckchen.
Hast unser Lieblingsessen gekocht und warst auch nicht besonders beleidigt, wenn wir doch wieder nicht oder zu spät nach Hause kamen.
Hast Dich nicht aufgelehnt, schon gar nicht geschimpft oder mich auch nur den Schmerz spüren lassen, als ich mit 16 von einem Tag auf den anderen ausgezogen bin – jetzt selbst Mutter einer sehr selbständigen Tochter weiß ich, wie hart es ist, den Kindern die Freiheit zu gewähren.
Hast mich getröstet, wenn ich es zuließt.
Und hast Dein Schicksal als Zwillingsmutter ohne Murren und Hadern angenommen, wie Du so viele Zumutungen des Lebens angenommen hast.
Danke liebe Mama für Alles.
Und ehrlich: Ich war sicher auch keine gute Tochter. Oft tut mir das leid, auch wenn ich nicht weiß, ob ich jetzt liebe- und verständnisvoller zu Dir sein könnte.
Das musste auch mal gesagt werden.
Liebe Beatrix, danke! Wieder – wie jedesmal, wenn auch immer wieder anders – ist dir ein wunderbarer und berührender Text gelungen!!!
Umarmung und liebste Grüße! Thomas
PS Wie war heute DEIN Muttertag? ;-))
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Danke lieber Thomas und bis ganz bald!
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