Aus der Spur?

Diesmal ist es anders.

Das 1. Mal, als ich mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war, lief alles wie am organismischen Schnürchen. Zumindest ist es in meiner Erinnerung so abgebildet.

Mein Organismus wusste, was nicht zu tun ist – mir die eine Brust ganz entfernen zu lassen, und mehr noch, nach State of the Art, gleich auch die zweite und die Eierstöcke dazu. Nein, das wusste ich genau, das wollte ich nicht, das war nicht dran, mit 41 Jahren, die ich damals war. Und mein Organismus wusste auch, was zu tun ist – welcher Chirurg, wann und wo und wie. (siehe dazu auch https://krebscoaching.org/eine-seite/18-2/)

Alles ging sehr stimmig und wie geführt vonstatten.

Nun, Mitte Dezember 2018 war ich zu meiner Überraschung erneut mit einem Krebsgeschehen, mit Sicherheit in einer und vielleicht auch in der 2. Brust konfrontiert.

Wieder wandte ich mich an meinen Chirurgen, nahm zunächst gar nicht an, dass er – aufgrund seines fortgeschrittenen Alters – noch arbeitete. Siehe da, es war eine Handynummer angegeben, und sogleich hörte ich seine sonore, professorale Stimme. Gleich am nächsten Tag konnte ich zu ihm kommen – „Wir behandeln ja keine Befunde, sondern Menschen, und deshalb möchte ich Sie sehen.“

Das war äußerst beruhigend, er ist noch da, ich kann zu ihm in die gute, vertraute Praxis kommen. Wie schön.

Die Wiedersehensfreude war groß, und er nahm sogleich den Prozess in die Hand, gleich morgen könne ich eine Biopsie machen lassen, der Termin sei schon mit einem kompetenten Spezialisten vereinbart.

Ja, dann mache ich das so!

Habe ich da bereits meine innere Spur verlassen, den bedächtigen (sic!!) Gang? Dass aus mir heraus, in meinem Tempo gehen, Schritt für Schritt?

Dennoch – es war gut, die Biopsie gemacht zu haben, war es doch eine Bestätigung schwarz auf weiß, was ich bereits ahnte.

Nach einem – auch von ihm empfohlenen – kleinen Abstecher bei einer plastischen Chirurgin, wonach ganz klar war, dass ich diesen schmerzenden, aufwendigen und für mich ganz und gar unsinnigen Prozess eines Brustaufbaus auf keinen Fall machen würde, musste ich meinen Chirurgen, der durch und durch Ästhet ist, und sein ganzes Leben der Erhaltung der Schönheit, wozu für ihn wesentlich die Brüste der Frau gehören, gewidmet hat, enttäuschen.

Dennoch vereinbarten wir einen Termin für Anfang März für die Ablatio beider Brüste. Dachte ich zumindest. Denn bei einem weiteren Gespräch wurde mir ganz deutlich, dass er mir zumindest die 2. Brust erhalten will, oder zumindest auch hier eine abklärende Biopsie für sinnvoll erachtet.

Meine Entscheidung ist jedoch eine andere, und so stehe ich jetzt in der unangenehmen Situation, ihm absagen zu müssen, kann ich mich doch auf eine derartige Unternehmung nur im Bewusstsein der vollen Übereinstimmung und Sicherheit, dass er diese meine Entscheidung gerne ausführt, einlassen.

Aus der Spur?

So könnte frau/man es sehen: Dass ich vielleicht die Ingredienzien, die Bestimmungsmerkmale dieser neuen, einmaligen und noch nie da gewesenen Situation nicht genügend berücksichtigt, mir und meiner Stimme nicht genügend Gehör geschenkt habe – mit Ausnahme der großen Zeitspanne zwischen Diagnose und Operation, die sich  jetzt als hilfreich erweist.

Habe ich das Alte ins Neue gebracht, wäre es notwendig gewesen, alles ganz neu und ganz anders von Anfang an wirken zu lassen, neuer Chirurg, gar kein Chirurg, aussteigen aus dem System?

Aus der Spur?

Ich könnte, ich möchte es so sehen: Diesmal ist es kein linearer Weg, mehr ein Erkunden eines Wegs wie in einem Dschungel.

Ein Weg, der sich mir im Gehen erschließt.

Ah, da geht´s lang, da sind Schritte möglich, da eröffnet sich eine Lichtung, wo ich verweilen kann, wahr-nehmend, aus mir heraus. Einem derartigen Weg haftet nicht die (Vorstellung von) Sicherheit und Klarheit an, wie bei meinem ersten Krebsweg.

Ja, und manchmal ist ein derartiger Weg unbequem. So ist es für mich, wie gesagt,  sehr unangenehm, dass ich meinem lieben Professor absagen muss.

Diese Situation habe ich mir jedoch geschaffen – so sehe ich das.

Ich habe sie mir vielleicht geschaffen, um (neuerlich) aufzustehen, um mich in meiner Wahl zu würdigen und dafür einzustehen.

Um meine Autorität nicht nur in anerkennenden Komfortzonen leben zu dürfen, sondern zu mir zu stehen in allem, was ich bin, und was für mich richtig und notwendig ist zu tun.

Mir zu gönnen, dass ich hier bestimme, was mit meinem Körper geschieht.

Und mir Raum zu geben, genau die richtigen PartneriInnen für dieses Gesamtkunstwerk meiner Heilung zu wählen.

Gleich-Gültig

Seit ich meine neuerliche Krebs – Diagnose veröffentlicht habe, erhalte ich viel Zuspruch, Mitgefühl aber auch Bewunderung für meinen Mut und die Art, wie ich damit umgehe. Das berührt mich, ist wirklich wohltuend und ich bin dankbar dafür.

Andererseits ist die Krebsdiagnose – das mag jetzt komisch klingen –  noch nie das Schlimmste in meinem Leben gewesen.  Er ist ja auch kein wirklich böser (https://krebscoaching.org/2018/01/20/mein-krebs-ist-kein-boeser/).

Vielmehr bringt mich die Diagnose in meine Klarheit, in mein höheres Wissen, in meine Essenz und meine Kraft.

Ich kann es nicht mal Krankheit nennen, weil ich mich nicht krank fühle, und deshalb mich nicht als krank bezeichnen möchte. Ich habe bloß eine Krebs-Diagnose. Da ist was in meiner Brust – sehr umschrieben und nicht groß, aber rundherum bin ich gesund und fühle mich auch so.

Ich glaube, es könnte vielen Menschen Vieles erspart werden, wenn sie sich (auch!!) an das halten, wie sie sich fühlen.

So hat mir vor einiger Zeit eine Frau mit metastasierendem Brustkrebs gesagt, dass sie sich fortan nicht mehr von der Höhe der Tumormarker beeindrucken lassen will und auch nicht von der doch sehr drastischen Diagnose.

Sie misst ihre Gesundheit an ihrem Befinden, ihrer Energie und daran gemessen, erscheint sie mir gesünder als viele andere, die sich mit schweren Schritten und Atemlosigkeit die 2 Stock zu mir hinauf plagen.

Auch ist die Krebsdiagnose im Gegensatz zu anderen wie HIV, Hepatitis C, aber auch Colitis ulcerosa …. mittlerweile gesellschaftsfähig und anerkennungswürdig. Für eine Krebsdiagnose erfahren wir viel Verständnis, echtes Interesse und ganz konkrete Unterstützung

Für mich ist das ganz normale Leben oftmals viel schwieriger zu bewältigen als das geordnete Vorgehen, das meine Krebsdiagnose nach sich zieht.

Krebs ordnete mein Leben, und gibt bestimmte für mich bewältigbare Schritte vor – Ärzte kontaktieren, Untersuchungen, die Therapiewahl, dann die Therapie, die Berücksichtigung der Nebenwirkungen und die Behandlung der Konsequenzen.

All das ist für mich im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar und damit auch machbar, auch wenn es teilweise unangenehm ist.

Aber (wie vor ein paar Tagen) einen den Strom in einer Wohnung einleiten lassen müssen, einen Energieanbieter wählen, die ganze Prozedur zunächst heraus finden – dass es zum Beispiel einen Unterschied zwischen Netzbetreiber und Anbieter gibt, dass man einen Zählpunkt angeben muss, und der nicht wie vermutet am Zählerkasten steht, dass ich mich da sowas von nicht auskenne, und mich in all dem Unwissen äußerst blöd fühle….

Dass sodann der Strom nicht in 8 bis höchstens 24 Stunden angedreht wird, sondern erst in  zwei Wochen, dass ich das um 21 Uhr erfahre, wo ich natürlich niemanden mehr erreiche, um da gleich Gegenmaßnahmen einleiten zu können, da die zwei jugendlichen Menschen, die ab übermorgen drin leben werden, sicher nicht all die Tage in einer kalten Wohnung verbringen können….

Das ist es, was mich an den Rand der ohnmächtigen Verzweiflung bringt. Umso mehr, als es mich sehr beschämt, wie sehr mir das zusetzt, und was das mit mir macht.

Welch ein Problem? Da gibt es ja echt Ärgeres, Schlimmeres, wie zum Beispiel meine Krebsdiagnose.

Nein gibt es für mich (zu diesem Zeitpunkt) nicht.

Weil diese Dinge einfach alte Überforderungen in mir berühren, oder wie man in der traumtherapeutischen Diktion sagt, sie triggern mich. Und dann hänge ich Stunden im State – auch das ein Fachterminus aus der Traumatherapie – mit allem Drum und Dran.

So gibt es viele Beispiele von Belastungen, die nicht als solche gewürdigt werden, und die damit in den Bereich der Verschwiegenheit geraten:

Zum Beispiel über Jahre auf  Bewerbungen um einen Arbeitsplatz keine Antwort bekommen, depressiv sein, vor allem und jedem Angst zu haben, Zwänge (sehr tabuisiert !!), Panikattacken, Lustlosigkeit, Schamgefühle über das eigene Aussehen, das Süchtig Sein, oder noch größere „Kleinigkeiten“ wie zum Beispiel, dass ein geliebter Mensch nicht antwortet auf meine Nachricht, und ich mich Tage nicht beruhigen kann deshalb, oder wenn ich zum Beispiel ein Geheimnis verrate, und das nicht tun hätte dürfen, und damit lange umgehe, wie wenn ich eine Todsünde begangen hätte….

So ist alles relativ.

Und nichts ist so, wie es von außen erscheint.

Vielleicht müssten Menschen ja gar nicht so schwer krank werden – eine gewagte These (!) – , wenn wir uns selbst und denen, welche mit derartigen Nöten und „Kinkerlitzchen“, die für uns und diese Menschen gar keine sind, die selbe Beachtung schenken, das selbe Mitgefühl und wahrhaftige Interesse für das Leid und die Not entgegenbringen würden, wie wenn wir es mit einer allgemein anerkanntem Belastung wie Krebs zu tun hätten.

Das wäre wahrlich heilsam.

Die wissende Lücke….

Der folgende Artikel ist erstmals im  FocusingJournal (Nr. 24, S. 20-23, 2010) erschienen. Er ist die Zusammenschrift eines Vortrages im Rahmen einer Psychoonkologietagung

Die wissende Lücke.

Zur Weisheit des Organismus im Leben mit Krebs

von Beatrix Teichmann-Wirth

Es war vor einem Jahr, im September 2008[1], als ich einer Einladung folgte, im Rahmen eines Psychoonkologie-Kongresses einen Vortrag zu halten. Ich wählte den oben genannten Titel.

Mein Vortrag sollte am letzten Tag des Kongresses stattfinden. Ich hatte in den Tagen zuvor Gelegenheit zu erfahren, wie sehr auch die Psychoonkologie – bei aller Anreicherung durch Menschlichkeit – in naturwissenschaftlichem Denken befangen ist.

Referiert wurden Ergebnisse basierend auf Untersuchungen an vielen Menschen. Die Psychoonkologie stellte sich auf diesem Kongress als eine „third person science“ dar, wie Gendlin all jene Wissenschaften bezeichnet, in denen die Person, das Subjekt, herausfällt. Dabei habe ich, inspiriert durch die Lektüre des Buches „Focusing und Philosophie“ (Wiltschko, 2008) die „Person“ vermisst.

Es war eine große Herausforderung, mich als diese „Erste Person“, die selbst von der Diagnose Krebs zweimalig betroffen war, zu zeigen. Der vorliegende Beitrag ist eine Abschrift meines Vortrages. Über große Strecken habe ich den Wortlaut des Gesprochenen beibehalten, um der Lebendigkeit des Moments Rechnung zu tragen.

Heute morgen, als ich mich entschieden hatte, zu Hause zu bleiben, um mich noch auf meinen Vortrag vorzubereiten, erhielt ich eine SMS von Birgit Konteh, einer Freundin und Mitreferentin: „Deinem Thema gemäß musst du dich wohl ganz persönlich heute der ‚Lücke’ aussetzen, um wissend zu werden – eine Absicherung gibt es nicht…“

Das hat mich sehr berührt. Eigentlich wäre es ja wirklich konsequent, jetzt die Situation hier zu „beantworten“. Das bräuchte Mut – Mut mir meine Zeit zu nehmen, auch wenn sie die mir zugestandenen 20 Minuten überschreitet; Mut für gute Bedingungen zu sorgen, also beispielsweise die Sessel umzustellen und mich um einen guten Platz zu kümmern; es bräuchte Mut zur Blöße, mich nicht hinter meinen Konzepten und Vorstellungen zu verstecken. Es bräuchte Mut, zu verzichten – darauf zu verzichten, alles, was ich an Gescheitem vorbereitet habe, auch vorzubringen. Letztlich bräuchte es Mut, dem Prozess zu folgen.

Durch all das ist auch ein krebskranker Mensch herausgefordert – mit der Notwendigkeit, für sich zu sorgen, und dem Mut, für sich einzutreten und oftmals auch Tabus zu brechen, wenn man die engen Grenzen der Konvention sprengt.

Und zuallererst bräuchte es Vertrauen – Vertrauen, dass alles da ist.

Ja, das bräuchte es jetzt: mich dieser wissenden Lücke auszusetzen, es darauf ankommen zu lassen, was sich jetzt offenbaren will – und – ich fühle, dass ich mich das jetzt gar nicht so ganz traue in diesem Kreis der vielen klugen Menschen.

So will ich sanft-mütig sein, mir und dem Ganzen Genüge tun und das geben, was mir jetzt angemessen erscheint.

So will ich im Sinne des Vortragstitels die noch verbleibenden Wissenslücken nicht mit Inhalten „stopfen“, sondern die „wissende Lücke“ offenhalten und in der Öffnung eines Erfahrungsraumes die Möglichkeit geben, mit diesem Wissen, das hinter einem vermeintlichen Unwissen liegt, in Berührung zu kommen.

Ich möchte Sie also einladen, mir mit einem – ich nenne es – „Ganzkörperohr“ zuzuhören.

 

Von einem inneren Ort

Der Ort, von dem aus ich spreche, ist ein innerer Ort. Es ist ein Platz, an dem ich jetzt, nach 10 Jahren Leben mit Krebs, angekommen bin. Das, was ich sage, gründet auf intensiver Selbsterforschung in dieser Zeit. Ich sage es im Vertrauen darauf, dass, wie Carl Rogers sagte, das Persönlichste das Allgemeinste ist.

Ich spreche auch von einem Ort, der meiner Krebserkrankung sehr dankbar ist, weil sie mir ermöglicht hat, mich auf den Weg zu machen und herauszufinden, dass es ein Leben hinter dem Erfüllen von Ansprüchen und äußeren Bewertungen gibt, mein Leben neu auszurichten nach diesem unsicheren und doch so ganz sicheren inneren organismischem Wissen.

 

Zwei „Felt Shifts“ – zwei Entscheidungen

Der Ausgangspunkt meiner Erkenntnisse über das Vorhandensein eines umfassenderen Wissens waren zwei Erfahrungen im Zuge meines Krebs-Ganges: Die erste Diagnose war zunächst ein großer Schock, der massive Angst in mir auslöste. Zugleich bemerkte ich, dass mein Bewusstsein angehoben war, sich mein Blick weitete und ich plötzlich sehr klar wusste, was jetzt zu tun ist. Diese unerschütterliche Gewissheit war mir unerklärlich, aber sie sagte mir unmissverständlich: „Ja genau, das tue ich jetzt. Von diesem Chirurgen lasse ich mich operieren, zu diesem Zeitpunkt, in diesem Krankenhaus.“

Die zweite eindrückliche Erfahrung: Nach der zweiten Brustkrebsdiagnose und im Zuge der starken unvorhersehbaren Nebenwirkungen der Bestrahlung erkannte ich, diesmal während meiner täglichen Meditation und wieder zweifelsfrei, eindeutig, mit absoluter Gewissheit, dass es darum geht, meine psychotherapeutische Praxis zuzusperren – was ich dann auch für eineinhalb Jahre tat.

Beide Erkenntnisse waren körperlich stark spürbar, im Sinne einer Öffnung, einer Erdung, so wie ein Ruck nach unten durch den Körper. Eugene Gendlin, nennt das „felt shift“.

Es gibt also etwas, das mehr weiß als ich, und dieses Etwas äußert sich, wenn ich ihm Raum gebe, in spürbaren körperlichen Reaktionen.

 

Die zweifache Realität

Im Hinblick auf die Realität einer Krebsdiagnose sind zwei Aspekte bedeutsam:

Durch den Einbruch der Diagnose in die Lebensrealität, in das Festgefügte, das immer schon so Gewusste eröffnet sich eine Lücke, und durch diese Lücke scheint ein Bewusstseinslicht – wenn es gelingt, sie offenzuhalten, ihr Raum und Zeit zu geben und somit hinter die Angst, die Wut, die Verzweiflung, das Anklagen und Hadern zu gelangen.

Das ist die eine Realität: die Eröffnung eines nicht determinierten, freien, offenen Bewusstseinsfeldes.

Die zweite, ebenso wesentliche Realität ist die äußere: die Reaktionen der Angehörigen in ihrer verständlichen Angst und Sorge, aber auch die Zugangsweisen der Betreuer, der Ärzte, die die Diagnosen mitteilen, und all der Betreuungspersonen, die rund um die Diagnosestellung an den Patienten herantreten.

Da gibt es also eine Lücke, einen Einbruch in das Strukturgewordene durch die Diagnose, ein, wenn auch erschrecktes Erwachen. Und dann gibt es eine Maschinerie, einen Ablauf, der eigenen Gesetzen folgt und der aus sich heraus erklärt auch verständlich ist.

Der von einer Krebsdiagnose betroffene Patient wird mit einer Vielzahl von Informationen konfrontiert, er ist vielen für ihn unbekannten Situationen ausgesetzt, und dies alles oftmals unter großem Zeitdruck. „Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit!“, ist eine der wesentlichen Botschaften. Alles drängt, zwingt, verengt.

Was bewirkt das? Die Lücke, gerade geöffnet, schließt sich erneut, und der Mensch kommt im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr vor.

Beim Schreiben merke ich, wie ich mich eingeladen fühle zu werten: „Ja, aber das ist doch auch notwendig und das muss man ja von ärztlicher Seite auch so machen“. Das ist es gerade, was ich vermitteln möchte: dass es hier nicht um ein Entweder-Oder geht.

Was ich sagen möchte, ist: Da gibt es ein tieferes, höheres Wissen darüber, was gut und heilsam für mich ist und welche Menschen, Orte, Behandlungsmaßnahmen von meiner Seele begrüßt werden. Dieses Wissen ist, so behaupte ich, in jedem Menschen vorhanden.

 

Mein „Spür-Wissen“ weiß mehr als ich

Dieses Wissen ist ein aus dem Körper Kommendes, es ist ein Spür-Wissen. Es ist der „Felt Sense“, dieser im Körper gefühlte Bedeutungsgehalt, der immer abrufbar ist. Man kann es auch Körperintelligenz nennen oder organismische Weisheit, zelluläres Wissen, Lücke des Impliziten, Intuition oder gefühltes Wissen.

Es ist ein Wissen, das über das, was ich weiß, hinausreicht. Es ist neu, noch nie gedacht, überraschend und ganz gewiss. Es ist ein Wissen, dass alle Umstände, alle Fakten, alle relevanten Bezüge einschließt. Es schließt die vergangenen Erfahrungen ebenso ein, wie auch die weiterführenden Schritte, die mein Leben auf „richtige“ Weise fortsetzen.

Wie Gendlin sagt: „Der Felt Sense hat in sich implizit eine ganze Menge Verbindungen“ (in Wiltschko 2008, S. 88). Carl Rogers (1959/1987) nennt dies „organismische Bewertung“ – im Gegensatz zur Bewertung, die aufgrund von Konzepten und äußeren Bewertungskriterien erfolgt.

Mein Organismus weiß, und er weiß mehr als Ich.

 

Innehalten, um sich zu spüren

Damit sich dieses Wissen entfalten kann, braucht es zuallererst Zeit-Räume – „Frei-Raum“ wird das im Focusing genannt. Ein Verweilen mit dem, was jetzt ist. Und das ist ja auch ganz natürlich. Wenn wir uns verirren, wenn unsere Landkarte des Lebens nicht mehr gilt, wie das bei einer Krebsdiagnose der Fall ist, halten wir zunächst an, wir halten inne, wir folgen sodann unserer Intuition.

Es gilt also, den Menschen einzuladen innezuhalten, mit sich in Fühlung zu kommen, sich in seiner inneren Antwort auf die Komplexität der Situation wahrzunehmen. Diese Antwort wird sich vielleicht nicht sofort einstellen, und dann ist sie da, diese Lücke des vermeintlichen Unwissens.

„Wenn man eine ganz komplizierte Situation hat, die noch nie jemand ganz genau so gehabt hat, und daher das, was in der Blaupause vorgesehen ist, nicht mehr passt – es geht nicht mehr, so wie gewohnt weiterzuleben, und das, was geht, weiß man noch nicht; der Atem ist angehalten und dann impliziert der Körper einen nächsten Schritt. Der ist so wie Ausatmen. Und doch ist er ganz neu“ (Gendlin in Wiltschko 2008, S. 119).

Wir sind nicht gewohnt, unser Inneres, unseren Körper zu befragen. Wir versuchen viel eher, über Gedanken und innere Dialoge herauszufinden, was richtig ist zu tun.

 

Verweilen im Un-ge-wissen

Verweilen im Ungewissen braucht Vertrauen, Vertrauen eben in jenes dahinterliegende Wissen. Gendlin sagt einen schönen Satz: „Es ist immer jemand drinnen“ (in Wiltschko 2008, S. 136).

Da ist immer jemand drinnen hinter dem Krebs, im Krebs, um den Krebs herum. Und diese Person, dieser Mensch, den gilt es aufzusuchen, dieses Ich, das den Krebs hat. Oft scheint es so, als ob nur der Krebs da wäre oder nur die Gefühle zu der Diagnose.

Krebs jedoch war zumindest für mich eine wunderbare Möglichkeit zu erfahren, dass ich mehr bin als meine Geschichte, meine Rollen, meine Definitionen, meine Beziehungen, mein Beruf, mein Determiniert­sein, und selbst mehr als meine Erkrankung. Dahinter, darüber hinaus, darunter bin ich, wer ich wesenhaft bin.

 

Was braucht das von uns Betreuern/­Therapeuten/Ärzten?

Zuallererst die Bereitschaft, mit sich in Fühlung zu kommen, ebenso innezuhalten, mir meiner Gefühle, meiner Gedanken, meiner Konzepte zu dieser Diagnose dieses Menschen bewusst zu sein. Das ist nicht analytisch zu erfassen, sondern nur im Wahrnehmen des Felt Sense, dieses körperlichen Gespürs über das Ganze, über die ganze Situation zu erfahren.

Es braucht sodann eine Bereitschaft, sich dem Kontakt jetzt zu öffnen, in Verbindung mit diesem betroffenen Menschen zu treten und mich von ihm anstimmen zu lassen, jetzt, im Bewusstsein, dass es nicht meine Gefühle sind, sondern die des Patienten, welche ich über meine „organismische Resonanz“, wie Wiltschko (1992) es nennt, über diese tiefe körperliche Empathie in mir wahrnehme. Wilhelm Reich (1948/1989) nannte das „vegetative Identifikation“.

Dann ist es möglich zu spüren, ob der Patient die Behandlungsmethode ablehnt, weil er aufgrund von Mitteilungen oder Vorurteilen Angst vor ihr hat, oder weil dieses tiefe Etwas in ihm weiß, dass sie ihm nicht zum Heil gereicht. Dies gilt es auszuhalten – auch im Wissen, dass das Ja des Patienten zur Therapie ein heilsamer Faktor ist (Teichmann-Wirth, 2002).

Angereichert durch die fachlichen Informationen kann sodann ein Kreuzen stattfinden zwischen dem Felt Sense und den relevanten Fakten. Und auf dieser ganzheitlichen Basis kann dann das Verhalten „implizit gesteuert“ sein[2].

 

Der nächste kleine Schritt

Eigentlich ist alles ganz einfach. Es fängt ganz basal und damit banal anmutend an. Es ist wie mit dem Sitzen auf diesen Sesseln hier im Raum. Da gibt es einen Sessel, der mich mit seinen Lehnen begrenzt, und es gibt eine Freiheit, eben in dieser Begrenzung die jetzt stimmigste Haltung einzunehmen. Jene Haltung, die ein gesamtorganismisches Ausatmen auslöst: Ja, genau so ist es richtig. Das ist die Freiheit in der Determiniertheit.

Gendlin sagt, der Körper impliziert den nächsten Schritt. Dieser nächste Schritt trägt den Lebens-Prozess weiter; das ist ganz selbstverständlich, weil das Leben das so will oder, um mit Gendlin zu sprechen: „Das Ziel ändert sich, aber dass man leben will, ändert sich nicht. Es will leben, von Anfang an“ (in Wiltschko 2008, S. 120).

Krebskranke Menschen sind oft mit einer Vielzahl von Ratschlägen konfrontiert und auch mit der angstgetönten Überzeugung, dass sie ihr Leben zu ändern haben und zwar radikal und sofort. Das ist oft nicht zu machen.

Aber was ich tun kann, ist, zunächst dieses Nicht-mehr-weiter-Wissen, diese Lücke zu würdigen, sie da sein zu lassen und mich dann zu fragen, was ein guter nächster, vielleicht kleiner Schritt wäre.

Mit jedem kleinsten angemessenen, guten Schritt bekräftigen wir unsere Lebenskompetenz und fördern eine lebensbejahende Qualität. Um mit Le Shan (1989) zu sprechen: All diese Schritte sind wie Noten unserer Lebensmelodie, einer Melodie, die wir so vielleicht noch nie vernommen haben und in der immer wieder neue Harmonien, Obertöne und Bassstimmen hinzukommen, die aber immer unsere ureigenste Melodie ist.

In all der Endlichkeit, die uns im Leben mit Krebs so bewusst wird, eröffnet der gute Schritt, das „stimmige Jetzt“ ein zeitloses Fenster, in welchem die zeitliche Grenze unbedeutend wird.

Es ist eine große Herausforderung für den (psychotherapeutischen) Begleiter, immer wieder für die Bedingungen zu sorgen, die ermöglichen, dass die nächste Gedichtzeile im Leben des von Krebs betroffenen Menschen geschrieben werden kann. Dies erfordert eine Würdigung des Stockens, eine Würdigung des Steckenbleibens und des Noch-nicht-Wissens. Es erfordert Vertrauen. Vertrauen in dem von meinem Lehrer Michael Smith ausgedrückten Sinn, der einmal zu mir sagte: „Life is bigger than you.“ Letztlich geht es um ein tief verankertes Wissen, dass das Leben nicht mit dem Tod des Körpers endet, sondern sich immer weiter über den physischen Tod hinaus fortsetzt, sich weiter-lebt.

 

Literatur

Le Shan, L. (1989). Diagnose Krebs. Wendepunkt und Neubeginn. Stuttgart: Klett-Cotta

Reich, W. (1948/1989). Charakteranalyse. Köln. Kiepenheuer&Witsch

Rogers, C.R. (1959/1987). Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Entwickelt im Rahmen der des klientenzentrierten Ansatzes. Köln. GwG

Teichmann-Wirth, B. (2006). Von der Seele begrüßt. Das Ja zur Therapie als heilender Faktor. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (Hrsg.), Mitteilungen der Sanitätsverwaltung, 107, 11, 9-13

Teichmann-Wirth, B. (2008 ). (M)eine Krebserkrankung. Eine personzentrierte Wegbeschreibung. In M. Tuczai, G. Stumm, D. Kimbacher & N. Nemeskeri (Hrsg.). Offenheit und Vielfalt. Wien: Krammer

Wiltschko, J. (1992). Von der Sprache zum Körper. Focusing Bibliothek. Bd 2. Würzburg: DAF

Wiltschko, J. (Hrsg.) (2008). Focusing und Philosophie. Eugene T. Gendlin über die Praxis körperbezogenen Philosophierens. Wien: Facultas

 

 

 

 

 

[1] Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Psychoonkologie (ÖGPO) vom 3.-6.9. 2008 in Baden bei Wien

[2] „Kreuzen“ und „implizit gesteuert“ sind zwei Termini in Gendlins körperbezogener Philosophie (siehe Wiltschko 2008, S. 102ff)

Mein Krebs ist kein böser….

Bösartig nennt man gemeinhin die Krankheit Krebs.

Bösartig, schädlich und zerstörerisch. Er gilt als der Feind im Inneren, von dem eine existentielle Bedrohung ausgeht. (Siehe dazu auch das wunderbare Buch von Susan Sontag „Krankheit als Metapher).

Überhaupt wird so getan, als gäbe es diesen einen Krebs, dessen Gesetzmäßigkeiten über alle individuellen Bedingungen hinweg sich unweigerlich in immer der gleichen, letztlich todbringenden Art vollziehen.

Dem steht gegenüber, dass Krebs nicht eine Krankheit ist, und die Erfahrung zeigt, dass es selbst bei ein und demselben Krebs und ein und derselben Behandlung und ein und derselben Prognose, verschiedene Ausgänge gibt.

Diese Konnotation von Krebs hat weitreichende Folgen. Es ist der bewusstseinsmäßige Boden, auf den eine Krebs-Diagnose fällt, ein Boden, der irrational, undifferenziert einen unheilvollen Weg vorzeichnet, wo das Schicksal von vornherein besiegelt scheint. Die natürliche Reaktion ist verständlicherweise eine Abwehr, eine Wegbewegung, ein Wegsehen, ein Weghaben wollen –  so schnell wie möglich.

Nein, bösartig ist er nicht, mein Krebs. Schon im Ultraschall schaut er nicht aggressiv aus. Ja, da sind einige graue Schleier, wo es, wenn es eine harmlose Zyste wäre, ganz schwarz sein müsste. Das ist eine Andeutung, ein An-Zeichen.

Er, mein Krebs, lädt mich ein, hinzuschauen auf das, was nicht in Ordnung ist, was eine Eigendynamik entwickelt hat, etwas, was sich aus dem Ganzen herausgelöst hat.

Nein, (noch) wuchert er nicht, nein, noch überschreitet er nicht Grenzen und dringt  ins umliegende Gewebe. Er ist in situ – „unmittelbar am Ort“.

Still zeichnet er, wie man diesen Prozess nennt:  „Schau hin“, sagt er mir, „was aus der Ordnung gefallen ist, was in Deinem Leben wuchert, wo Du das ordnende Zentrum verloren hast, wo Du die Verbindung zur inneren (spirituellen) Heimat verloren hast, die Wurzeln, das Stillsein, wo zu viel Aufruhr, Veräußerung, Ent-Fremdung, Peripherie und Ent-Eignung stattfindet.

„Hej, da gibt es einen Prozess“, sagt er mir, „um den solltest Du Dich kümmern.“ Und das ist eigentlich ganz einfach – nichts Großes, in der Zukunft liegendes.

Step by Step: Informationen einholen, die wissende Lücke offen lassen, mit Allem sein, was stattfindet, mit den Emotionen, den Up and Downs, den Gewissheiten und Unsicherheiten, all die Therapieoptionen bewegen, sie vor-kosten, gleich-gültig da sein lassen, sich von Drängern entfernen, zu mir kommen, mich in meiner Antwort auf diese Situation wahrnehmen, auch die vielen Konzepte, dass ich eine bestimmte Maßnahme auf keinen Fall ergreifen darf, oder eine andere auf jeden Fall machen muss.

Dann der organismischen Wahl Gehör schenken, diesem Ja meiner Seele, wo sich mein Inneres weitet und ein Interesse an der Erfahrung, die ich mit dieser Therapiewahl machen werde, spürbar ist.

Und dann die Erfahrung machen, sie sodann verdauen und integrieren, mir Zeit und Raum nehmen, ungestört, so lange, wie es braucht.

Und dann freudig den nächsten Lebens-Schritt tun, welcher er immer ist.

So gibt uns das Leben die Richtung vor.

Und der Krebs, mein Freund, ist dabei eine Wegmarke.

 

P.S. Zur wissenden Lücke siehe meinen Artikel (2010). Die wissende Lücke. Zur Weisheit des Organismus im Leben mit Krebs. In FocusingJournal Nr. 24, S. 20-23).

 

 

Die Hochschaubahn

Endlich eine Entscheidung – ja, so mach´  ich das – keine aufwendigen Operationen mit zweifelhaftem Ausgang, eine Ablatio (Totaloperation) auf der linken Seite – ein klarer Schnitt, dann ist es, was es ist.

Dass eine Entscheidung gefallen ist, und dass sich diese richtig anfühlt, versetzt mich augenblicklich in eine Hochstimmung, das ist befreiend.

Doch schon bald schleicht sich erneut ein Zweifel ein – vielleicht ist das ja bei meinem Krebs gar nicht notwendig, vielleicht könnte ich noch zuwarten, den Selbstheilungskräften vertrauen, vielleicht müsste ich das sogar, bei allem, wovon ich überzeugt bin?

Auch was ich mit der anderen Brust tun soll, die ja ebenfalls Anzeichen eines neuerlichen Krebsgeschehens zeigt, lässt die Hochschaubahn sogleich steil abwärts fahren. Enge,  Betrübnis und Angst breiten sich in mir aus.

So sitze ich zur Zeit auf der Hochschaubahn:

Ein ermutigendes, bestätigendes Gespräch mit einer Freundin oder eine tolle, anspruchsvolle Radiosendung – up, das Ausbleiben eines Rückrufs meines Chirurgen  – down.

Der Gedanke, dass die Brustlosigkeit meinen Forschergeist weckt, und dies ein Anlass sein kann, mich mit der Mythologie der Amazonen oder mit der Geschichte von St. Agatha und der grundsätzlichen Bedeutung unserer Brust für uns Frauen zu befassen, ist,  beflügelt mich – up.

Der Gedanke, was ich jetzt endlich ändern sollte, und ob ich wohl mutig genug bin, das zu schaffen(!?) – schon geht die Stimmung in den Keller – down.

So kann jeder Gedanke, jedes Erlebnis Anlass für ein Hoch oder Tief sein, mein ganzes System ist davon betroffen, eine Kaskade von Gefühlen, Körperempfindungen und Stimmungen werden sogleich ausgelöst.

Wie schön, dass ich zu Silvester im Tarot die Karte der 2 Stäbe gezogen habe – Dominion. Da geht es um die Zentriertheit, das Versammeltsein, um den Träger, die feste Verankerung in mir selbst, die all diese Bewegungen betrachtet, von einer sicheren erdnahen Position.

Oder um es noch viel besser mit Rilke auszudrücken:

Da schwang die Schaukel durch den Schmerz -, doch siehe, 
der Schatten war´s des Baums, an dem sie hängt.

Ob ich nun vorwärtsschwinge oder fliehe,
vom Schwunge in den Gegenschwung gedrängt,
das alles ist noch nicht einmal der Baum.
Mag ich nun steiler schwingen oder schräger,
ich fühle nur die Schaukel; meinen Träger
gewahr ich kaum.

So lass uns herrlich einen Baum vermuten,
der sich aus Riesenwurzeln aufwärtsstammt,
durch den unendlich Wind und Vögel fluten
und unter dem, in reinen Hirtenamt,
die Hirten sannen und die Herden ruhten.

Und dass durch ihn die starken Sterne blitzen, 
macht ihn zur Maske einer ganzen Nacht.
Wer reicht aus ihm bis zu den Göttersitzen, 

da uns sein Wesen schon nachdenklich macht?

UP!

Taumel Taumel….klingelingling

Welch´ eine Zeit! Keine Spur von der viel gerühmten Besinnlichkeit und Stille.

Ein Rauschen und Tosen ist das seit dem ersten Krebsverdacht, einen Tag vor meinem Geburtstag.

Seit dem geht´s rund.

Mein ohnedies schon zur Aufregung neigendes Nervensystem ist außer Rand und Band.

Ja, ich weiß, grad dann sollte ich keinen Kaffee trinken, nicht mal einen einzigen. Besänftigende Kräutertees wären da indiziert. Stattdessen nütze ich jede Gelegenheit  – Untersuchung, Befund abholen, Bewilligung hinbringen, um mich in das nette Kaffee Franze http://xn--kaffeersterei-omb.wien/am Rande des Kutschkermarkts zu setzen.

Wie eine Oase ist das, und da könnte ich mir gleich einen zweiten bestellen, was ich natürlich dann doch nicht tue.

Ich sollte vieles tun oder nicht tun, wenn ich meinen Ansprüchen gerecht werden will. Natürlich meine Yoga-  und Meditationspraxis konsequent fortsetzen, wie ich es über Jahrzehnte getan habe. In die Stille gehen käme jedoch einer Vollbremsung eines Lastwagens gleich, und so mache ich das jetzt mal nur, wenn es mich wirklich danach verlangt.

Und dann ist es gut und besänftigend, aber nicht, wenn ich gleich einen neuen, mich stressende Auftrag draus mache – dass ich das jetzt wirklich wieder regelmäßig aufgreife, weil es mir doch gut tut.

Auch sollte ich natürlich weiterhin Sport machen, und manchmal zieht es mich auf den Rathausplatz, um meine Runden am Eis zu ziehen. Oft bleibe ich jedoch lieber zuhause, wo kein Wind und die Masse der Menschen mich noch mehr durcheinander bringt.

Ja, da gibt es so einiges, was nicht meinen hehren und auch wohl erprobten Anforderungen an mich gehorcht.

So ist das jetzt.

Sehr anders ist es, als es bei den letzten beiden Malen war, als ich mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war, und ich spüre auch eine leise Enttäuschung (über mich) und ein Bedauern, dass es mich diesmal nicht sogleich an diesen inneren Ort bringt, wo es still und zentriert ist.

Diese Vor-Stellung, dass es so sein muss, damit es heilsam ist, möchte ich jetzt einmal hingeben und mich dem (jetzt halt reißenden) Strom der Erfahrung überlassen – im Vertrauen, dass alles gut ist, so wie es ist, wenn man es da sein lässt, oder wie mein lieber Lehrer Michael Smith sagte: „Life is bigger than you“ – sowieso.

So will ich jetzt aufstehen, vielleicht den Sauhaufen am Schreibtisch beseitigen, dann vielleicht einen Kaffee trinken, den restlichen Teig zu Vanillekipferl formen – sehr beruhigend! – und dann weitersehen, was ich bis zum heutigen nachmittäglichen Termin bei der Chirurgin noch mache – vielleicht doch raus in die Sonne gehen?

Vom Müssen, Dürfen und Wollen – das Wollen

Nein, kein roher Apfel jetzt, mag er noch so gesund sein.

Vielleicht etwas Warmes oder etwa gar nichts?

Nein, nicht hinausgehen jetzt, auch wenn ein strahlend schöner Tag ruft.

Mich hinlegen, hier auf mein rotes Sofa – am hell-lichten Tag.

Nein, keine Nachrichten hören und auch keine Freundin anrufen.

Einfach still sein.

Vor einem Jahr habe ich mit einer Blogserie zum Thema „Vom Müssen, Dürfen, Wollen“ (https://krebscoaching.org/2016/10/; https://krebscoaching.org/2016/11/13/ueber-das-muessen-duerfen-und-wollen-teil-2-das-duerfen/)  begonnen.

Es hat eine Zeit gebraucht, um zum Wollen zu kommen.  Nun ist er da. Frisch, ohne lange dran zu basteln, entstand er aus meinen Morgenseiten.

Einfach so.

Wollen, wie ich es meine, ist frei und bedürfnisnah. So sind auch die sogenannten höheren Bedürfnisse, wie die in der Maslow´schen Bedürfnishierarchie genannten Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und Transzendenz, meinem Verständnis nach, in enger Verbindung mit dem Organismus.

Sie entspringen nicht leibfernen oder vielleicht sogar leibfeindlichen Ideen bestimmter Lebens- und Gesundheitspraktiken, weil ich mich dann als ein besserer und an seiner Gesundheit engagierter Mensch fühlen darf.

Nein, wirkliches Wollen entspringt einer tiefen organismischen Quelle.

Ganz natürlich.

Ich muss mir nichts vornehmen – dass ich z.B. jetzt wirklich endlich mit etwas „Gesundem“ beginne. Ich mache es oder auch nicht. Keine Auflagen. Zuerst Aufräumen in meinem Inneren, Bereinigen von (selbst) auferlegten Ideen, Konzepten, was gut, richtig und gesund ist.

Re-Set.

Natürlich ist es hin und wieder oder öfter mal so, dass wir uns den Zugang zu unseren organismischen Bedürfnissen im Wortsinn ver-baut haben. Weil ich zum Beispiel über lange Zeit verklebende und den Körper irritierende Nahrungsmittel zu mir genommen habe, oder weil ich mich schon von früh morgens, gleich nach dem Aufwachen mit (Internet-)nachrichten füttere.

Dann kann eine Bereinigung anstehen. Auch dieses Bedürfnis entsteht aus einer vitalen Erkenntnis.

Oh ja, da freu ich mich, weil ich sogleich spüren kann, dass ich meinen Körper damit entlaste. Da freu ich mich, wenn ich merke, wie sich eine Zuckerkarenz auf meine Wachheit, mein Wohlbefinden auswirkt. Und ich wieder frei bin – mich an Bewegung zu freuen, am Tanzen, Yoga und was immer mich beglückt.

Dann hab ich den organismischen Faden aufgegriffen, hab mich erneut eingeklinkt in den Strom des Lebens.

Und dann weiß ich, was jetzt dran ist, und das wird sich rhythmisch immer wieder verändern – nein, heute nicht laufen, weil ich mehr kontinuierliche Erdnähe brauche, heute vielleicht walken, wo ich in aller Ruhe herum schauen kann, atmen oder einfach spazieren gehen.

So können wir täglich die Re-Set-Taste drücken und von Neuem spüren, was dran ist.

Für mich sind hier die Tagesanfänge bedeutsam – mir Zeit zu lassen, in der Welt anzukommen, in den Tag hinein zu gleiten.

Ganz wichtig ist für mich dabei, abzuwarten, wann sich wirklich Hunger meldet – (das ist bei mir zum Beispiel erst nach einigen Stunden nach dem Aufwachen). Dann ist es gut, dem Rechnung zu tragen,  und nicht meinen Magen gleich nach dem Aufstehen zu füllen, auch wenn das von verschiedenen Ernährungswissenschaften propagiert wird.

Nur dann, wenn ich wirklich Hunger habe, kann ich, oder vielmehr mein Organismus, nämlich spüren, was wirklich gut ist, zu mir zu nehmen. Wenn ich hier genau bin – ist es heute ein warmes Porridge, eine Schnitte Brot, ein Smoothie oder Obst, dann steht der Tag auf einem guten Fundament. Dann bin ich nicht von vornherein belastet und in einer „organismischen Schräglage“.

Über meine Aufrichtung kann ich mich sodann von himmlischen Inspirationen speisen lassen, gehe gut gegründet auf der Erde meinen Tages-Weg und bin, da ich ja nicht mit dem Verdauen von schwer oder gänzlich Unverdaulichem beschäftigt bin, offen für das, was zu tun ist, und was von den anderen zu mir kommt.

Ja So Ist Es. Und das ist dann wahrlich ein gutes, freudvolles Leben.

Achtung Befund!!

Eigentlich empfinde ich mich als einen gesunden Menschen. Das mag erstaunlich klingen, erhielt ich doch bereits zwei Mal die Diagnose Krebs.

Doch auch damals empfand ich mich nicht als körperlich krank. Ja – in vielen Jahren meines Lebens und insbesondere in den Monaten vor der Diagnose war meine Seele gekränkt, weil sie sich – wie ich jetzt weiß – nicht in einer Form ausdrücken konnte, wie es für ihre Entwicklung notwendig gewesen wäre.

Nein, den Krebs habe ich eigentlich nie als die eigentliche Krankheit empfunden, allen gesellschaftlichen Meinungen zum Trotz, die den Krebs als den“ König aller Krankheiten“ (so der gleichnamige Titel eines legendären Werks zum Thema) sehen.

Der Krebs war für mich nicht die Krankheit, sondern bereits deren Heilungsversuch.

Schon nach dem ersten Diagnoseschock erwachten meine Seelenkräfte, und ich empfand mich mit meinem Wesenskern derart verbunden, wie selten zuvor.

Interessanterweise ließ ich mich damals nicht von der dramatischen Diagnose blenden, im Gegenteil, sie erhellte mein Bewusstseins-Licht.

Nun machte ich kürzlich eine für mich beeindruckende Erfahrung: Im Zuge eines Kuraufenthalts wurde auch eine Blutuntersuchung durchgeführt. Im Gegensatz zu vielen meiner KurkollegInnen hatte ich nichts zu befürchten, ernähre ich mich doch gesund und betreibe regelmäßig Sport, Yoga und Meditation.

Zu meinem großen Erstaunen beziehungsweise, ich möchte fast sagen, zu meinem Entsetzen befand sich mein Cholesterinwert (nein nicht nur das Gesamtcholesterin sondern auch das Verhältnis von „gutem“ und „bösem“ (sic!!) ganz und gar nicht im Normbereich.

Das konnte ich sogleich bei der Befundbesprechung an den deutlich markierten Zahlen erkennen. Die gestrenge Ärztin, sagte, wir hätten da ein Problem, ich müsse fortan meine Ernährung umstellen – wohlgemerkt, ohne mich überhaupt zuvor zu fragen, wie ich mich denn ernähre. Auf meinen Einwurf, dass ich mich zu einem überwiegenden Teil vegan ernähre, meinte sie, ich esse sicher viel Süßes oder die schlechten Kohlenhydrate. Glücklicherweise war mein Mann dabei, der bestätigte, dass dem nicht so ist. Okay, dann habe ich wahrscheinlich Stress, meinte sie dann und der muss raus aus meinem Leben.

Ich startete einen weiteren Versuch auf meine persönliche Wirklichkeit hinzuweisen, indem ich erklärte, dass es sich dabei nicht so sehr um einen äußeren Stress handle, sondern um einen chronischen inneren, wie man sagt oxidativen Stress,  infolge früher traumatischer Belastungen, wodurch mein Organismus trotz vieler Therapien – in einer gelinderten Form zwar –  aber dennoch immer noch in einem Zustand erhöhter Wachheit und einer defensiven Bereitschaft ist. (Die Polyvagaltheorie von Porges gibt dazu ein für mich sehr schlüssiges Erklärungsmodell).

Okay, meinte sie, wenn ich Stress habe, dann muss ich den mithilfe von Sport abbauen. Die 3-5 Mal pro Woche 30-45 Minuten reichen da lang nicht aus, 50-60 Minuten sollten es jeweils mindestens sein, zuzüglich 2-3 mal pro Woche ein Krafttraining, aber ein wirklich forderndes.

Sofort wurde ich zum artigen Kind, das sich sehr bereitwillig zeigte. Mit ihrem Rat, bei all dem soll ich in erster Linie mein Leben genießen, aber das nächste Mal wolle sie hier eine deutlich niedrigere Zahl sehen, verließ ich den Behandlungsraum.

Es ist mir – wie man sieht – ein Bedürfnis, den Prozess derart detailliert zu schildern. Für mich selbst, aber auch, weil ich zeigen will, wie ich (man/frau) in einen Zustand der organismischen Defensivität und Wehrlosigkeit kommen kann, wo durch die Lücken, die eine derartige Befund-/Urteilsverkündung in die Selbstgrenzen schlägt, nachhaltig ein starker Ein-Druck entsteht.

„Ich habe einen erhöhten Cholesterinspiegel. Ich muss sofort etwas tun, um das zu ändern, den Anweisungen folgen, denn sonst….“

Noch schlimmer ist es natürlich, wenn Menschen eine Krebsdiagnose erhalten, wird diese doch allgemein mit einem nahe bevorstehenden Tod verbunden – etwas, was keine Bestätigung in der statistischen Realität erfährt. Oftmals ist ein drohender Zeigefinger dabei und ein Drängen auf die schnellstmögliche, natürlich schulmedizinische Behandlung.

Dann starren wir auf den Befund, auf diese Zahl, auf dieses Wort gleichsam wie auf ein Todesurteil, ganz und gar von Sinnen.

Und auch wenn mein Mann – selbst Arzt – versuchte mich zu beruhigen – „Das ist nur eine Zahl, eine Momentaufnahme“, und auch wenn ich selbst um die relativierende Bedeutung dieses Cholesterinwertes weiß, sind die Grenzwerte doch schon einige Male gesenkt worden, was meiner Ansicht nach auf den Einfluss der Pharmaindustrie zurückzuführen ist, so brauchte ich sicher 2-3 Stunden um mich aus dem Bann zu lösen.

Und endlich wieder meinem Organismus Gehör zu schenken:

Der sagt mir, dass er keinen weitere Stressfütterung braucht – kein Tatortkrimi am Sonntag, weil das eine im wahrsten Sinne fürchterliche Erregung in meinem System erweckt, keine Politsendungen, wo ich mehr oder weniger hilflos dem, was da an bedrohlichen Entwicklungen im Raum steht, ausgesetzt bin.

Auch will ich wach sein, wie lange ich mich in (ängstlichen, wütenden, sorgenvollen…) Gedanken/- Gefühlsspiralen aufhalte.

Aber auch:

Keine (weiteren) Daumenschrauben mehr, was körperliche Betätigung oder andere von außen verordnete Gesundheitsmaßnahmen betrifft, weil ich schon bei der Vorstellung bemerken kann, wie die Kontraktion meinen Körper ergreift, und es sich fast wie eine Zellquetschung anfühlt, wenn ich nur daran denke.

Vielmehr geht es um eine Lockerung des Disziplin-Korsetts, um ein neuerliches Bereinigen von Belastendem, Einengendem und um die Schaffung weiterer  Ausdehnungs- und Freiräumen, wo meine Seele das Leben begrüßt.

Und FREUDE!!

Aufsuchen, wo diese Freude berührt wird –  im Hören von wunderbarer Musik zum Beispiel oder im –  noch besser – selbst Musikspielen oder Singen. Singen besänftigt nämlich, nach der oben genannten Polyvagaltheorie, wesentlich die physiologische Stressaktivität, insbesondere wenn es gemeinsam geschieht.

Stricken, Sticken, einfach spazieren gehen, kochen, schreiben, tanzen, Katzen streicheln…..

Zu dieser Klarheit und neuerlichen Ausrichtung war diese Erfahrung gut, und ich bin dankbar dafür.

Mal sehen, wann, und ob ich wieder eine Blutuntersuchung machen lasse, denn wie ein Arzt einmal in einem Radiointerview sagte: „Es gibt keine gesunden Menschen, nur schlecht untersuchte“.

Von der Seele begrüßt….

Der von einer Krebsdiagnose betroffene Mensch steht vor einer Vielfalt an lebenswichtigen Entscheidungen – Operation, Chemotherapie, Bestrahlung…., oder aber ein alternativmedizinischer Weg.

Es stehen Entscheidungen über die Arztwahl, das Krankenhaus, die Wahl des richtigen Zeitpunkts an. Leider wird bisweilen bereits bei Diagnosestellung ein großer Druck ausgeübt („Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit“).  Das birgt die Gefahr, dass der Mensch (neuerlich) fremdbestimmt und überfordert wird.

Auch weiß man aus traumatherapeutischen Untersuchungen, dass im Schockzustand unsere kortikalen Aktivitäten herabgesetzt sind. Damit ist die Fähigkeit zu einer differenzierten, alles berücksichtigenden Urteilsfähigkeit eingeschränkt, vielmehr dominieren Überlebensmechanismen.

Eine so getroffene Entscheidung ist aus der Angst geboren, und wie Cecily Corti einmal bei einem wunderbaren Vortrag meinte, „wenn die Angst den Geist besetzt, schwächt dies“.

Auf der anderen Seite – das ist meine Erfahrung –  scheint es, dass sich durch die Erschütterung, durch diesen Einbruch in unser als sicher geglaubtes Fundament so etwas wie ein Himmelsfenster auftut, durch das Bewusstseinslicht hindurch scheint, und ich zu einer tieferen oder höheren Ebene meines Seins (Selbst) Zugang bekomme. Und hier ist alles nötige Wissen vorhanden. Ich habe dies einmal in einem Vortrag „die wissende Lücke“  genannt.

Dieses Wissen ist ein aus dem Körper Kommendes, es ist ein Spür-Wissen.  Man kann es auch Körperintelligenz, zelluläres Wissen, organismische Weisheit oder Intuition nennen.

Es ist ein Wissen, das über das, was ich weiß, hinausreicht. Es ist neu,  bisweilen sehr überraschend und ganz gewiss. Es schließt die vergangenen Erfahrungen ebenso ein, wie auch die weiterführenden Schritte.

Damit sich dieses Wissen entfalten kann, braucht es zuallererst Zeit-Räume – „Frei-Raum“ wird das im Focusing genannt. Ein Verweilen mit dem, was jetzt ist. Und das ist ja auch ganz natürlich. Wenn wir uns verirren, wenn unsere Landkarte des Lebens nicht mehr gilt, wie das bei einer Krebsdiagnose der Fall ist, halten wir zunächst an, wir halten inne, wir folgen sodann unserer Intuition.

Es gilt also, den Menschen einzuladen innezuhalten, mit sich in Fühlung zu kommen, sich in seiner inneren Antwort auf die Komplexität der Situation wahrzunehmen. Diese Antwort wird sich vielleicht nicht sofort einstellen, aber es gilt diese Lücke des vermeintlichen Unwissens offen zu halten.

„Wenn man eine ganz komplizierte Situation hat, die noch nie jemand ganz genau so gehabt hat, und daher das, was in der Blaupause vorgesehen ist, nicht mehr passt – es geht nicht mehr, so wie gewohnt weiterzuleben, und das, was geht, weiß man noch nicht; der Atem ist angehalten und dann impliziert der Körper einen nächsten Schritt. Der ist so wie Ausatmen. Und doch ist er ganz neu“, sagt mein verehrter Eugene Gendlin.

Wenn wir also unseren Körper, unser Inneres befragen, ist die Therapiewahl von der Seele begrüßt, wie ich einmal einen Vortrag nannte. Sie ist entschieden nicht allein aufgrund von Fakten, Prozentzahlen, Heilungsquoten, Vernunftgründen, sondern dies alles einschließend. Die alles einschließende Entscheidungs-Kraft ist genau in der Mitte von allem, un-bedingt, alle Bedingungen berücksichtigend, jedoch nicht in der Vereinzelung sondern in ihrer Ganzheit, vor sich hingelegt, betrachtet, wieder weiter weggestellt, sodann im rechten Abstand, sodass nicht eins vor dem anderen hervor sticht und den Seelenblick verstellt.

Und dann – wenn ich mich nicht einmische, dann offenbart sich ein tieferes, vielleicht höheres Wissen, das da sagt, „auch wenn ich es vielleicht nicht begründen kann rational, so weiß ich, so weiß etwas in mir, dass es richtig ist.“ Ja genau, das mach´ ich und dann spüre ich  diesen „felt shift“, wie Gendlin, der Focusing Begründer diesen organismischen Ruck nennt, wenn etwas als wahr erkannt wird. Ja genau, Bestrahlung jetzt, dort an diesem Platz. Und dann ebnen sich Wege, Termine stehen bereit, ohne Kampf, einfach so…

Und die Therapie jetzt von mir mit meinem organismischen Ja unterstützt entfaltet ihre heilsame Wirkung.

Jeder das Ihre….

Viele Menschen, welche mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind, oder auch wenn sie ihre Gesundheit fördern wollen, beginnen mit einer Praxis, wie Tai Chi, Chi Gong oder Yoga…..

Oftmals ist es das beruhigende, harmonisierende Element, als Ausgleich zu innerem Stress, das für sie vielversprechend ist.

Vertrauensvoll begeben sie sich in einen der vielzählig angebotenen Kurse und befolgen die Übungen.

Und viele erfahren dabei eine heilsame, beruhigende Wirkung.

Andere jedoch fühlen sich nicht wohl und hören alsbald auf, und empfinden das vielleicht als ein weiteres Scheitern.

Ich glaube, dass es sehr wesentlich ist, dass wir unserem Organismus Gehör schenken, und auch die erprobteste Methode mag für mich im Unterschied zu meiner Nachbarin ungeeignet sein, und das Gegenteil von dem bewirken, was durch sie intendiert ist.

Dies hängt u.a. davon ab, welches eigene innere Tempo ich habe, ob ich eher handlungsorientiert bin oder die Ruhe, das Kontemplative bevorzuge, ob ich mich gerne kräftig ausdrücke oder mich im Stillsein wohlfühle.

Aus der Traumaforschung weiß man beispielsweise, dass sich bei schwer traumatisierten Menschen das vegetatives Nervensystem im Zuge fortgesetzter Traumatisierung grundlegend verändert hat – viele leiden unter dauernder Übererregung, einer Rastlosigkeit. Da kann ein stillsein müssen, wie beispielsweise in Meditationen, eine Qual sein.

Auch ist deren  Umgang mit Macht und Eigen-Verantwortung von den Gewalterfahrungen geprägt. Sie befolgen „brav“ die vorgegebenen Übungen, können dabei jedoch schwer mit ihrem Körper in Fühlung bleiben.

Diese Eigenheiten benötigen  einen ganz besonderen Zugang, der die eigene Fühligkeit gegenüber sich selbst fördert und nicht das genaue Erfüllen von Vorgaben.

Es ist ein Erlaubnis gebender, einladender Zugang, den das sogenannte Traumasensible Yoga (siehe dazu das großartige Buch von Emerson, Hopper und van der Kolk: Trauma-Yoga: Heilung durch sorgsame Körperarbeit) auszeichnet. So wird darauf geachtet, dass die Wortwahl die eigene Entscheidungsfähigkeit betont, ebenso wie die Freiwilligkeit, wann man eine Yogaeinheit beenden will, beziehungsweise ob man dazwischen eine Pause machen möchte.

Auch sieht man – da es sich bei Traumatisierungen oftmals um körperliche Übergriffigkeit handelt, von der korrigierenden Berührung ab. (Anmerkung: Ich glaube im Übrigen, dass eine wirklich gute Yoga-Lehrerin genau so unterrichtet)

Der folgende kurze Text ist in der Sommerakademie in Zakynthos entstanden. Er ist aufgrund der freilassenden, kreativitätsfördernden Atmosphäre dort etwas launig ausgefallen.

Der Tai Chi Lehrer war wunderbar, und meine Erfahrungen mögen nicht als Kritik an ihm aufgefasst werden.

Tai Chi – eine Erfahrung: „….und nun langsam die Hände zum Bauch, alles sehr langsam. Darum geht es …“, sagt der Kursleiter, und das wird sogleich von einer erfahrenen Kurärztin bestätigt. „Wir sind alle zu schnell, das macht die schnelllebige Zeit, diese Hast und die Aufwärtsbewegung der Energie macht den inneren Aufruhr.“

Das stimmt ja auch – eine Schnelle bin ich, eine Rastlose, kurz und bündig, so habe ich es gerne.

Aber hier soll ich langsam sein, ganz langsam das Gewicht vom hinteren zum vorderen Bein verlagern, dann wieder nach hinten und sinken.

Das Sinken ist das Schlimmste, in mich hinein sinken, in den Boden hinein, um sich zu erden, möchte mich jedoch kräftig bewegen, etwas tun.

Schon steigt die Aufwärtsbewegung, das Wegwollen, aber nein, auf das Ankommen in mir, am Boden, kommt es an, höre ich.

Schon wird mir schlecht, zu viel Stau in meiner Mitte, spüre einen Anspruchsdruck in mir – es richtig zu machen –  und andererseits ein  organismisches Aufbegehren, ein mir gemäßes handeln wollen.

Auch dauert mir das Ganze zu lang, eine Stunde reicht allemal, ist überschaubar.

Überhaupt ist es so, dass wenn ich mich an eine  von außen verordnete (lange) Zeit ausgeliefert fühle, bald einmal das Schulsyndrom einsetzt, „wann ist es endlich vorbei“. Dann geht es (nur mehr) ums Aushalten und Absolvieren.

Mir das Recht zu nehmen, zu gehen, wann es mir im wahrsten Sinne des Wortes reicht, auch wenn, was ich, so wie ich gestrickt bin, eigentlich gar nicht verstehen kann, die anderen immer noch, und wie es scheint, wirklich konzentriert dran bleiben – das wäre gut.  

Selbst-verantwortlich  für mich  sorgen, anerkennen, wer und wie ich bin, welche Art der Bewegung mich wahrhaft besänftigt, was mir entspricht, was für mich stimmt – das ist gut.

In diesem Sinne lobe ich mir die ayurvedische Dosha Lehre und will anerkennen, dass aus einem quirlig/strebenden Vata/Pitta Typus niemals ein gemächlicher Kapha Mensch wird.