Ode an die Begeisterung!

Be-Geist-erung – vom Geist erfasst, durchgeistet. Alles hebt sich an, ich bin ergriffen, habe die Niederungen des Bedrücktseins und der Materie verlassen.

Begeisterung ist auch mit Freude verbunden und damit, dass sich mir  in der Tiefe ein Sinn erschließt.

Es ist, wie wenn sich die vom Himmel trennende Decke hebt. Frei strömt das Himmelslicht herein und mein Seelenlicht aus mir heraus.

Begeisterung bringt man nicht unbedingt mit einer Krebserkrankung in Zusammenhang. Da ist es oft die Verzweiflung, die Wut, vor allem die Angst, von welcher gesprochen wird.

Und doch – liest man die Heilungsgeschichten in den wunderbaren Büchern von  Kelly Turner, Hirshberg und Barasch oder auch die von Thomas Hartl herausgegebenen Bücher (https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/), in welchen ungewöhnliche Heilverläufe beschrieben werden, dann fällt auf, dass viele dieser Menschen nicht wie die Opferlämmer durch die Therapien gegangen sind, verzagt und ängstlich und nur der dringenden Empfehlung des Arztes gehorchend, ohne selbst voll nachvollziehen zu können, warum genau diese Therapie genau zu diesem Zeitpunkt notwendig ist.

Es zeigt sich vielmehr, dass sie (freudig!) und mit großem Engagement an die Umsetzung der als heilsam erkannten Maßnahmen heran gingen. Ja sie waren mit Begeisterung dabei – sei es bei einer tiefgreifenden Nahrungsumstellung, beim Einschlagen eines spirituellen Weges, bei sportlichen Aktivitäten, weil etwas in ihnen die Sinnhaftigkeit dieser Handlungen erkannte.

Es mag eine gewagte These sein: Aber genau um diese Begeisterung, auf der Basis eines tiefen Erkennens der Sinnhaftigkeit geht es auch bei schulmedizinischen Therapien.

Es geht um das tief empfundene Verstehen der Wirksamkeit dieser Therapie für mich. Dann kann ich auch Freude und ja auch Be-Geist-erung empfinden, weiß ich doch, dass es hilfreich und heilsam ist.

Das Ergriffenwerden von großen Emotionen wie Dankbarkeit, Freude, Freiheit und einer generellen Berührtheit scheint ein wesentliches Element der Heilung zu sein. Dispenza schreibt in seinem wertvollen Buch „Du bist das Placebo“, wie wesentlich es ist, dass Erkenntnisse (z.B. über die geeignete Therapiewahl) oder Vorstellungen (über Heilungsprozesse) nicht nur intellektueller Art sind, sondern auch emotional spürbar werden, weil nur dann die für die Veränderung wesentlichen Bereiche im Nervensystem bzw. im Gehirn aktiviert werden.

Ebenso wesentlich scheint die Aktivierung von tranceähnlichen Bewusstseinszuständen zu sein, wie das durch Visualisierungen (siehe Simonton –https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/) aber auch durch das Hören von Musik beziehungsweise auch durch schamanisches Trommeln möglich ist.

Als ich vor ca. einem Jahr an einem Seminar von Joe Dispenza in Wien teilnahm, konnte ich im Zuge der Meditationen, welche alle mit emotional berührender,  bombastischer Musik befeuert wurden, erkennen, wie wesentlich es ist, in einen Bereich des Bewusstseins zu kommen, wo ich berührt bin, wo ich spüren kann, dass es sich sozusagen auszahlt am Leben zu bleiben, wo ich mich in meiner Sehnsucht, in meiner Größe und Inspiration fühlen kann.

Das liegt nicht in trockenen, intellektuellen Vorstellungen über meine Berufung, meine Aufgabe, meinen Lebenssinn. Derartige Fragen sind im Übrigen oftmals eine große Belastung für Menschen, weil sich dieser Sinn nicht aus der kognitiven Ebene erschließt, und sie sich angstgetönt mit diesen Fragen quälen – wird doch gesagt, dass ihr Leben an der Verwirklichung dieses einen großen Lebenssinns hängt.

Nein, das ist nicht nur eine kognitive Idee, das ist eine gefühlte Erinnerung an meinen Daseinsgrund.

In diesen Bewusstseinssphären spüre ich eine Übereinstimmung mit mir selbst,  meine Tönung, meinen Klang, mein ureigenstes Sein. Und das begeistert.

Bei mir geschieht das zum Beispiel, wenn ich großen Geistern zuhöre, die Neues denken, die selbst von etwas ergriffen sind, oder wenn es aus mir heraus schreibt,  im Tanzen, vor allem über die Musik.

Es geschieht, wenn etwas, das größer ist als ich, mich ergreift. Das hebt mich an.

„Dann bin I ka Liliputaner mehr, I wochs, I wochs…“ sagt Andre Heller in einem seiner wunderbaren Lieder.

Zutiefst berührt bin ich dann, die Brust weitet sich, Tränen fließen, aufstehen möchte ich, was Gutes tun, schon fühle ich mich ganz und gar heil und schöpferisch.

Ich könnte jetzt unendlich viele Musikbeispiele anführen –  Monteverdis Marienvesper, Händel, Gluck, Bach, Schuberts Streichquintett, mein geliebter Beethoven, ein Meister der großen Töne, Mozart immer und überall, Mumford&Sons, Estas Tonne mit seiner radikalen Hingabe, Elvis Presley mit seiner Herzensstimme, um nur einige zu nennen.

Heute möchte ich Euch zwei Lieder von einem Begeisterten mitgeben – Konstantin Wecker. Er hat mich wahrlich schon aus so mancher Depression gerettet.  DANKE! https://www.youtube.com/watch?v=PA6tWxfemIk Da geht bei Minute 3.30 die Post ab und https://www.youtube.com/watch?v=q5LS6YyLVAA –  eine gute Ermutigung gegen das Still- und Angepasst sein.

Was begeistert Dich?

Von der Patientin zur Zeugin

Patiens bedeutet im Lateinischen erleiden, erdulden.

In der Tat spielt das Erleiden und Erdulden im Zusammenhang mit Krebs eine große Rolle.

Zunächst ist es die Diagnose, welche ins Leben herein bricht, teilweise aus heiterem Himmel. Sogleich wird das medizinische System aktiv, mit all den Maßnahmen, die aus dieser Sicht notwendig sind, und die sofort angewandt werden sollen.

Da ist es schwer, aufrecht zu bleiben, die eigene Selbstwirksamkeit zu bewahren, das Ebenbürtige, Autonome und Eigenverantwortliche. Grad noch ein selbstbewusster, erwachsener Mensch wird man alsbald zum Patienten.

So taumeln viele Menschen (zu) schnell in sehr fordernde Therapien, zu welchen sie sich nicht mit vollem Bewusstsein entschieden haben, weil dafür keine Zeit gegeben wurde. Und dann – innerlich nicht ausreichend vorbereitet – erleiden sie all die Prozeduren, welche an ihnen angewandt werden.

Ich konnte am eigenen Leib erfahren, wie wesentlich es ist, sich für die Therapiewahl die je eigene Zeit zuzugestehen. In meinem Fall waren es über 4 Monate, um mich für die Bestrahlung zu entscheiden – trotz des Drucks von allen Seiten.

Die Entscheidung bezog nicht nur die statistischen Daten, die Nebenwirkungen und Gefahren mit ein. Sie wurde aus einer tieferen Ebene meines Organismus getroffen, oder wie ich es einmal in einem Vortrag beschrieb: Sie wurde von meiner Seele begrüßt.

Voll entschieden zu dem Zeitpunkt des Bestrahlungsbeginns und des konkreten Ortes – dort wo die Räume hell und einladend sind, verfügte ich über ein gutes Fundament, um die Therapie nicht bloß zu erleiden sondern mitzutragen.

Und – es war zu allererst eine sehr intensive, bereichernde, gute Erfahrung.

So machte ich mich – das mag jetzt sehr ungewöhnlich klingen –  freudig täglich auf den Weg ins radioonkologische Institut des KFJ. In der Wartezeit konnte ich vieles wahrnehmen, Menschen in unterschiedlichen Phasen der Erkrankung, verschiedenen Alters und Geschlechts, doch vereint in der Diagnose Krebs – ein intimer Kontakt der Schwesterlichkeit.

Ich fühlte mich in meiner Mitmenschlichkeit berührt und wurde als Mensch berührt.

Auch  der Kontakt mit dem röntgentechnischen Personal, welches im Wissen der schwierigen Situation besonders behutsam war, war wohltuend.

Dann die Erfahrung des Bestrahlungsprozederes: Mich hinlegen auf die Liege, das Bestrahlungsfeld wird eingestellt, alle verlassen den Raum, eine rote Lampe leuchtet auf, ein warnendes Geräusch ertönt, und ich bin allein, für ein paar Minuten, kon-zentriert, dass die Strahlen nur dieses bestimmte Areal be-treffen, dass sie heilsames Licht sind, die meine Krebszellen umhüllen. Das alles war zu allererst eine sehr intensive Erfahrung, und ich war dankbar dafür.

Natürlich ist eine derartige Haltung weit schwieriger, wenn man es mit größeren Beschwerden zu tun hat, etwas mit der Übelkeit, den Sensiblitätsstörungen, dem unangenehmen Geschmack im Mund usw. während einer Chemotherapie.

Aber auch da ist es manchen Menschen möglich, in der wertungsfreien Wahrnehmung zu bleiben. So war ich sehr beeindruckt im wunderbaren Buch von Sandy Boucher “ Im Herzen des Feuers. Eine buddhistische Frau durchlebt Krebs“ zu lesen, wie sie vollkommen geschwächt durch die Erkrankung und die Behandlung das nahezu unmögliche Stiegensteigen zu einer Achtsamkeitsübung nützte.

Ich möchte diesen Text nicht als Aufforderung zum positiven Denken verstanden wissen, als ein Schönreden von Leid.

Möchte vielmehr aufzeigen, dass es meistens – außer ich habe es mit überwältigenden Schmerzen und Schwäche zu tun – einen Frei-Raum gibt, die Situation in ihrer Vielschichtigkeit wahr zu nehmen, wozu auch die Intensität der Situation zählt, die vielen Facetten dieser Erfahrung – meine Gefühle, meine Empfindungen  – und auch das Gute – die Fürsorge, die Zuwendung, das Engagement, die Hilfe und Unterstützung.

Die Krebserkrankung konfrontiert uns mit dem (scheinbar!) Unausweichlichen. In unserer Stellungnahme dazu sind wir frei.

Wir sind frei in der Qualität der „zärtlichen Bejahung“, das anzuerkennen, was ist.  Wir sind frei, sich all dem, was wir zu erleiden haben bereit-willig zuzuwenden und diese intensive Erfahrung zu erkunden.

Dann schwindet das Erleidende gegenüber der aktiven Zeuginnenschaft.

Und ich werde von einer Patientin zu einem Menschen, der die dem Mensch-Sein innewohnende Freiheit realisieren kann.

Disziplin – zur Rehabilitation eines Begriffs

Disziplin – „Dieses Wort hat für mich förmlich schon das „Gift“ in sich, meint mein Freund Ferdinand in einem Kommentar zu meinem letzten Blogbeitrag zur Disziplin der Lust  (https://krebscoaching.org/2017/06/)

Stimmt! auch wenn man die ursprüngliche Definition von Disziplin heranzieht, wonach Disziplin Lehre, Zucht, Schule bedeutet, so wollen wir damit natürlich nichts zu tun haben. Wir verbinden sie mit Strammstehen, Stillsitzen und artig sein.

Disziplin, so verstanden, wird eingesetzt, um das Lebendige zu unterdrücken, es ist Korsett, Einschränkung, erbarmungslose Unterwerfung, ein Instrument der Macht.

So hat die Disziplin in der westlichen Welt einen schlechten Ruf. Sie lässt sich nicht mit Freiheit, mit Autonomie, mit Selbstbestimmung und schon gar nicht mit Lust und Freude vereinbaren.

Ganz anders in den östlichen Traditionen. Hier folgen die Menschen Jahrtausende alten Traditionen, wie sie im Ayurveda, in der chinesischen Medizin oder im Buddhismus festgelegt sind. Sie stehen zu bestimmten Zeiten auf, nehmen ihren Meditationssitz ein, praktizieren Yoga, bauen immer wieder Fasten- oder Rückzugsperioden ein,  ganz selbstverständlich, in dem tief verankerten Wissen, dass es das Leben mehrt, es weitet und bereichert.

Auch bei uns gibt es Rituale, lieb gewonnene Gewohnheiten, die uns Halt geben und auch Freude. Oft jedoch übersehen wir, dass diese Gewohnheiten unsere Gesundheit abträglich werden, wir uns damit nichts Gutes mehr tun, und sie uns schon lange nicht mehr mit Freude beschenken.

Dann wäre es Zeit, eine Veränderung vorzunehmen.

Soll eine Disziplin nachhaltig sein, so entspringt sie einer tiefen Erkenntnis. Oft ist das „Triebmittel“ dafür eine Lebenskrise, wie dies eine Krebsdiagnose ist. Viele an Krebs erkrankten Menschen beschreiben, wie sie spontan und aus sich heraus erkannten, dass sie etwas verändern wollen.

Jetzt nach der Diagnose ist es soweit – sie müssen und dürfen etwas an ihrem Lebensstil ändern. Da gibt es viele Möglichkeiten, die als heilsam erachtet werden – mehr Bewegung, weniger Alkohol, die Süßigkeiten zu reduzieren, oder wie bei mir, mit dem Meditieren zu beginnen und den Regeln der ayurvedischen Medizin zu folgen.

Da hat mich zutiefst etwas an-gesprochen, begierig las ich alles über ayurvedische Medizin, ich passte meinen Rhythmus an, kochte Pitta beruhigende Gerichte, und merkte bald, wie ich immer ausgeglichener wurde und weniger in Extremen lebte.

Der begeisterte Anfängergeist, das begeisterte Erkunden der ganz und gar neuen Welt half mir, dran zu bleiben und so etwas Neues zu bahnen. Ist das Erkennen der Sinnhaftigkeit einer neuen Disziplin das Fundament, so ist das Dranbleiben über einen gewissen Zeitraum – bisweilen spricht man von 3 Wochen einer Praxis – die Voraussetzung, dass sich neue Bahnen im Gehirn  bilden können. Das braucht es, sonst siegt schnell einmal der Gewohnheitsleib, und wir geben dem Widerstand nach und hören auf.

Welche Methode für wen:

Wie Ama  in einem Kommentar zu dem oben erwähnten Blogbeitrag „Über die Disziplin der Lust“ schreibt, gilt es aus, all den vielen (tradierten) Strickmustern das für mich passende zu wählen. Und sie betont, dass es (in jedem Moment) eine freie Entscheidung ist, welchem Muster, welcher Tradierung ich folge.

Es ist sehr günstig, sich bei der Entscheidung, mit welcher Praxis ich mich einlassen will, von der Freude leiten zu lassen, nicht so sehr von den Konzepten – Meditation ist gut, weil es beruhigt ….-  oder nur von den Erfahrungen anderer. Jeder Weg ist unterschiedlich. Die Frage ist, was zieht mich an – ist es das Gehen, das Tanzen, das Laufen, das sich bewusste Strecken in der Früh, die sinnliche Erfahrung in der Körperpflege, das Stillsitzen, Was wird jetzt von meiner Seele begrüßt. Es  ist günstig, dann eine Wahl zu treffen für eine gewisse Zeit und dieser Praxis treu zu bleiben.

Förderlich können auch Bedingungen im Außen sein: ein fixer Platz, den ich aufsuche, ein „Altar“ mit Kerzen, Blumen und Räucherstäbchen, die mich erinnern lassen, dass es hier um eine Eröffnung einer anderen Qualität geht, ein guter Zeitpunkt (am Morgen oder Abend).

Sehr förderlich hab ich erlebt, immer wieder in einer Gemeinschaft zusammen zu kommen und gemeinsam zu meditieren, optimalerweise gemeinsam mit einem Lehrer. Das bekräftigt mich im alleinigen Tun.

In diesem Sinne ist die Disziplin, die ich meine, aus meiner grundsätzlichen menschlichen Freiheit der höheren Wahl und des tiefen Wissens geboren. Ich entscheide mich frei, einem Weg treu zu bleiben.

Wenn ich mich zu einer Praxis, ob das jetzt Sitzmeditation, Yoga oder eine Form der regelmäßigen Bewegung ist, entscheide, erfahre ich mich an der Form. Die Form, die ja gleich bleibt, lässt mich erleben, was unterschiedlich jetzt in diesem Moment in mir ist. Wenn ich mich immer um die Erfüllung von neuen Formen kümmern muss, kann ich dies nur eingeschränkt erleben. In der je gleichbleibenden Form erfahre ich das Neue im Alten. Es ist die Freiheit in der Form, nicht jenseits der Form, die sich hier erfüllen kann.

Zum Beispiel mache ich seit einiger Zeit mehrmals wöchentlich Yoga Asanas, die das Gleichgewicht fokussieren, wie zum Beispiel den Baum oder den Kopfstand. Immer die gleiche Position und jeden Tag eine andere Erfahrung, manchmal sehr stabil, manchmal sehr wackelig.

Und siehe da: Im Bleiben kann ich erkennen, dass sich alles wandelt, Schmerzen, Langeweile, Aufruhr, Ärger – all das offenbart seine grundlegende Substanzlosigkeit.

Ich kann erfahren, was wirklich und tief und nachhaltig befriedigend ist – mein Da-Sein, pur, konkret, essentiell.

Und dann nach einer Zeit des Treu Bleibens geschieht etwas Wunderbares:

Der Lebensfaden, der sich an die Praxis knüpft, will immer neu aufgegriffen werden, ich muss mich nicht mehr überwinden, nein es verlangt mich danach es zu tun, weil mir die Praxis ein Wohlbefinden schenkt, eine Tiefe der Erfahrung meiner Selbst.

Die Disziplin verbindet sich mit der Lust und wird zu einer Disziplin der Lust.

Die Disziplin der Lust

Sport, regelmäßige Bewegung, Meditation, gesundes Essen, Chi Gong oder Yoga – all das regelmäßig und konsequent durchgeführt gilt als gesund und im Fall einer Krebserkrankung als unerlässlicher Teil einer Rezidivprävention.

Viele von einer Krebsdiagnose betroffene Menschen übernehmen die Verantwortung für ihre Gesundung und tragen in diesem Sinne ihren Beitrag bei.

Konsequent erfüllen sie ihr Heilprogramm, auch wenn sich bereits ein leichter oder schwererer Widerwillen breit macht.

Zu groß ist die Angst, aus der Disziplin heraus zu fallen und sich damit aufzugeben.

Diese Disziplin ist an sich etwas Gutes – wir übernehmen Verantwortung für unser Leben und unsere Gesundheit, und wir bleiben auch dran, wenn es uns heute nicht genehm ist.

Ich konnte jedoch an mir selbst und an einigen KlientInnen erkennen, dass sich diese Disziplin auch gegen uns wenden kann.

Eine so verstandene  Disziplin, die starr befolgt wird und ohne Spielräume ist, verengt und dimmt das Lebenslicht. Es wird zur ungeliebten Hausübung und die Verbindung zur gefühlten Sinnhaftigkeit geht verloren.

Da braucht es einen Feinschliff, eine Anpassung an die Wirklichkeit, wie sie jetzt ist.

Es braucht ein anderes Verständnis von Disziplin –  nicht eine, die etwas durchzieht gegen alle innere Rebellion und Nein´s,.

Es braucht eine Disziplin, die meinem Körper, mir folgt, die mir konsequent treu bleibt in den stets sich verändernden Bedingungen. Al Baumann nannte dies die Disziplin der Lust –  eine Disziplin, die die Pulsation, die Ausdehnung, die Lebendigkeit fördert.

In einer meiner Beratungsstunden mit einer Frau, die von einer Krebsdiagnose betroffen war, zeigte sich eine derartige Erschlaffung der Freude und Begeisterung in ihrer täglichen Heilpraxis. Dennoch wurden die Energie- Übungen weiter  in voller Länge durchgeführt.

Ich lud sie ein, mit ihrem organismischen Spürsinn jede einzelne Einheit in ihrem Programm hinsichtlich der Stimmigkeit abzutasten.

Stimmt es jetzt grundsätzlich noch, die Energieübungen zu praktizieren?  Wie steht es mit den Visualisierungen?  Sind die überhaupt noch gebraucht, sollten sie adaptiert werden, weniger Simonton´sche Ritter, die noch vor ein paar Wochen so dienlich waren und vielleicht anstelle dessen mehr Vorstellungen über ein Aufkeimen von Gesundheit und heilstrahlender Zellen?

Das ist eine subtile Arbeit, und wie immer in meinem Ansatz ist dies keine intellektuelle Betrachtung. Nein, es ist das Instrument der organismischen Resonanz, welches uns spüren lässt, was jetzt dran und damit lebensfördernd ist.

Und oft ist es nicht ein „ganz-oder-gar-nicht“, wo wir das Kind mit dem Bade ausschütten, indem wir ganz mit einer für uns grundsätzlich guten und förderlichen Praxis aufhören.

Im oben beschriebenen Fall meiner Klientin teilte ihr ihr Organismus mit, dass es darum ging, die „Daumenschrauben“ zu lockern, nein nicht ganz mit den Energie- Übungen aufzuhören, aber auch nicht 1 1/2 Stunden täglich üben zu müssen, sondern z. B. eine Minimalzeit der täglichen Praxis festzulegen, eine Zeitspanne, wo sie sich freudig dran machen kann, zu üben, oder aber ohne vorgegebene Zeit ins Üben zu gehen, und dem Körper Gehör zu schenken, wann es Zeit ist, für heute zu enden.

Diese Feinabstimmung ermöglichte ihr, weiter dran zu bleiben, im Gefühl, dass sie einen Beitrag zum Gesundwerden leistet, jedoch ohne Anstrengung und Belastung.

Ich bin überzeugt, dass für ein Heilwerden nicht so sehr  ausschlaggebend ist, was wir tun, sondern die innere Einstellung, letztlich die Freude, die Begeisterung, die gefühlte Sinnhaftigkeit bei dem, was wir tun.

Wenn wir damit in Fühlung sind, können wir erkennen, dass sich stets alles verändert und dass das, was wir vor Wochen noch ganz begeistert machten, an Engagement und Kraft verliert.

Warum? Weil es nicht mehr in der Art notwendig ist. Das weiß unser Körper nämlich, weil alle Informationen in ihm gespeichert sind.

Und wenn wir diesem steten Wandel im Sinne einer Feinabstimmung unseres Tuns Rechnung tragen, kommt Freude auf.

Wie schön!

Ich darf mein Yoga machen, es fühlt sich gut an.

Was für ein Geschenk!

Für die Heilung ist es nie zu spät

Zumeist spricht man bei Krebs von Heilung, wenn ein Mensch gegen den Krebs angekämpft und den „Kampf“ gewonnen hat.

Er/ sie darf in diesem Prozess nicht aufgeben, die Hoffnung nicht verlieren, muss alles dran setzen, an der Heilung zu arbeiten, alles, was möglich ist, dafür tun, um gesund zu werden. So wird es an die Menschen herangetragen. Das ist ein enormer Druck.

So werden alle Möglichkeiten der Schul- und Komplementärmedizin in Anspruch genommen, Heiler und andere Helfer aufgesucht und Tausende Euro ausgegeben, um ja keine Möglichkeit auszulassen, „den Krebs zu besiegen.“  Das ist verständlich.

Es gibt jedoch eine Vielzahl von Beispielen, wo Menschen – wie es heißt – aufgegeben wurden, wo sie hören mussten, dass man nun leider wirklich nichts mehr für sie tun könne, und sie sich noch eine schöne letzte Zeit machen sollten,  und wo sie letztlich zum Sterben nach Hause entlassen wurden.

Und – die, ohne sichtbares Zutun, eine vollständige Heilung erfuhren.

Von drei Frauen, bei welchen eine derartige Totalremission wie eine Spontanheilung auch genannt wird, stattfand, will ich erzählen:

Teil 1 : Die heilende Kraft des Hier und Jetzt

Stefanie Gleising berichtet in ihrem gleichnamigen Buch von ihrer „wundersamen Heilung“.

Sie, die mit der Diagnose  Brustkrebs konfrontiert war, hat wirklich alles versucht, was an Möglichkeiten zur Verfügung stand – von der Operation, über Virenimpfung, Hyperthermie, Mistel, Infusionen mit Vitamin B17, Hormontherapie, Sport, Meditation, Lachtherapie bis zur Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen.

Und dennoch – der Tumor wuchs und streute, bis in die Knochen und ins Gehirn.

Jedoch –  immer wieder, bei all dem Stress und der Angst tat sich ein Feld des Friedens, der Stille und der Glückseligkeit auf.

Sie schreibt: „Ich musste so viel loslassen, meine Brust, Sport machen zu können, ein schmerzfreier Körper. Vor allem aber die Illusion, die Zukunft planen zu können. Im Grunde kann das keiner wirklich, auch die scheinbar Gesunden nicht. Dies alles katapultiert mich immer wieder direkt ins Hier und Jetzt. Manchmal kann ich dann weinen vor Liebe und Dankbarkeit, dass alles so ist, wie es ist.“ S. 199

Im sogenannten Endstadium ihrer Krankheit angelangt, kann sie nichts mehr zu sich nehmen, verliert dramatisch an Gewicht und dämmert immer länger einfach vor sich hin.

Sie ist mittlerweilen so schwach, dass sie einverstanden ist, diesen letzten Abschied – von ihrem Zuhause – zu vollziehen und in ein Hospiz zu kommen.

„Jeden Tag kamen Menschen, um sich von mir zu verabschieden. Doch anstatt zu sterben, geht es mir von Tag zu Tag etwas besser“. S. 205

Und sie – die Todkranke – kann nach einer Woche ein erstes richtiges Frühstück mit allem Drum und Dran, einem Ei, Saft, Kaffee, Topfen, Marmelade und Brötchen zu sich nehmen.

Bald kann sie in eine kleine Ferienwohnung im Hospiz übersiedeln, und nach ein paar Monaten sitzt sie wieder auf ihrem Pferd. Da sie seit 2014 keine schulmedizinische Behandlung mehr erhielt, gilt sie als geheilt.

Was trug zu dieser Heilung bei:

War es vielleicht der kathartische Traum vom KZ, den sie am Weg ins Hospiz hatte?

War es die Liebe und die unterstützenden Gedanken von vielen, vielen FreundInnen?

Oder das Absetzen eines Medikaments durch eine Hospizärztin, oder die Verdreifachung der Schmerzmitteldosis, wodurch sie leichter ins Hier und Jetzt zurückkehren konnte, da die Schmerzen sie nicht mehr vollständig bannten?

Oder war es das Auf- und Hingeben von allem Wollen, von den Illusionen dessen, was wir zu sein haben, oder wie sie selbst Markof Niemz Buchtitel zitiert: sich selbst verlieren und alles gewinnen.

Das Buch ist jedenfalls ein starkes Dokument dafür, dass egal, „wie schlimm die Umstände auch sind, es Hoffnung auf eine positive Entwicklung gibt“ S. 235

Und dass es immer wieder darum geht, ganz ins Hier und Jetzt zurück zu kehren und zu erkennen, „dass jede Situation, so schlimm sie auch nach außen sein möge, irgendwo auch einen Grund zur Freude bietet.“

Das können wir tun. Das ist unsere Wahl – zwischen einem Leben in Angst über eine unbestimmte Zukunft zu verharren oder uns für die Heilkraft des Moments zu öffnen.

Für mich ist es – das ist natürlich eine Interpretation, welche von der Autorin verifiziert werden müsste –  die Hingabe, das vollständige Ja zu allem Geschehen, ja auch das Aufgeben von Lebenswillen im Einverständnis für ein Hospiz, welche die Wende bringen kann.

Es ist damit nicht (nur) der oben genannte Kampf, wiewohl alle Beiträge zur Gesundung vielleicht doch auch eine Basis für die Heilung bildeten.

War es  letztlich vielleicht vielmehr das Ja zum Schicksal, an diesem Krebs sterben zu müssen, sich von allen lieben Menschen wirklich ein für allemal zu verabschieden, welche dann die Wendung brachte. Und dass es sich bei dieser Heilung um eine radikale Wendung handelte, kann man an der raschen Erholung – bereits nach wenigen Tagen – erkennen.

Diese radikale Wendung scheint sich für mich ganz von innen – aus dem innersten Zentrum heraus – ereignet zu haben. Ein Prozess, der sich vielleicht gerade nur in jenem Dämmerzustand, im vielen Schlafen, im mehr drüben als hier Sein ereignen kann.

Wenn wir diesen Gedanken glauben, was würde das wohl für unser Verständnis von Heilung und der dafür notwendigen Prozesse bedeuten? Wären wir dann nicht angehalten, die Menschen nicht zum weiteren dagegen Kämpfen, sondern zum Anerkennen und Sein Lassen, zur Tiefe  zu ermutigen?

Viele Fragen, auf welche nur die wirklich davon Betroffene Antworten finden werden. Dazu bräuchte es genaueste tiefgehende Fragen, nicht bloß einen Fragebogen, sondern prozessorientierte Untersuchungsmethoden, die vieles offen lassen, so dass nicht einfach Altbekanntes wiederholt, sondern Neues ergründet und erforscht wird. Und wo mein Organismus als Resonanzraum genutzt wird.

Über das Wohlgefühl im Körper als Daseins-Basis

Das ist das Allerwichtigste :

Sich im eigenen Körper wohl zu fühlen.

Das getraue ich mich jetzt einfach so apodiktisch zu sagen.

Damit dieses Wohlgefühl sich ausbreiten kann, braucht es eine Genauigkeit mit sich selbst, eine Wahrnehmungsgenauigkeit. Dass ich also überhaupt wahrnehme, wie es mir so geht mit allem, was ich zu mir nehme und tue.

Erst dann kann  ich spüren, dass der Kaffee, wie heute Morgen auf nüchternen Magen getrunken, mich kränkt.

Dass er genau genommen, meinen sanft sich in den Tag ausdehnenden Körper in Aufruhr bringt – deshalb trinken wir ihn ja auch, – um wach zu werden, um den Tag angehen zu können.

Wenn wir uns jedoch Zeit nehmen, wie ich jetzt im Urlaub, kann ich spüren, dass dieser Aufruhr gar nicht angenehm ist, dass mir der Kaffee den Magen beleidigt, dass ich und mein ganzer Organismus damit beschäftigt ist, mit dieser Missempfindung fertig zu werden.

Und damit die Offenheit für das, was jetzt zu erfahren, zu erleben ist, beeinträchtigt.

Ja so ist es mit Vielem, was wir glauben, dass gut ist.

Das Wohlgefühl in unserem Körper ist zentral, habe ich eingangs gesagt.

Es ist zentral für mein Hierbleiben-Wollen auf der Erde, in der irdischen Realität.

Ich habe über Jahre und Jahrzehnte erfahren, wie sehr ein dauerndes Unwohlsein in meinem Bauch meinen Lebenswunsch dimmt. Leider geht es vielen Menschen, welche an einer (frühen) Traumafolgestörung zu leiden haben ähnlich.

Entweder sie nehmen ihren Körper überhaupt oder nur peripher wahr, muten ihm daher schier Unerträgliches zu, oder aber sie leiden unter  Schmerz und Unbehagen.

Kelly Turner nennt in ihrem hervorragenden Buch „9 Wege in ein krebsfreies Leben“ (https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/) als einen wesentlichen Faktor fürs Überleben das Vorhandensein von starken Gründen für das Leben.

In den Interviews, die sie mit Menschen führte, welche eine unerwartete Genesung erfahren haben, nannten diese als starke Gründe zum Beispiel, dass sie das Großwerden ihrer Kinder, die Fertigstellung eines Projekts, das Großmutter Werden, oder aber auch endlich seine Berufung zu finden, erleben möchten.

Ich meine, dass einer der wesentlichsten Gründe, hier in dieser irdischen leiblichen Existenz zu bleiben, ist, dass mein Körper ein behagliches Zuhause ist, der mich mit Wohlbefinden speist, und der mir dient für das Erleben einer begrüßenswerten irdischen Realität.

Ja – da möchte ich bleiben, möchte nicht abhauen in einen Körper-  und damit schmerzfreien Zustand, wie es die überirdische, nachtodliche Realität verspricht.

Hier möchte ich bleiben, das Leben genießen, mich mit dem Leben verbinden.

Jede Faser, jede Zelle sich öffnend der irdischen Existenz.

Das Recht auf´s Nein als heilender Faktor

Jetzt hab´ ich schon wieder zu etwas zugesagt, von dem ich bereits im Zusagen spürte, dass ich es eigentlich nicht will.

Ein Freund/eine Freundin ist mit einem Wunsch, einer Einladung, einer Bitte an mich herangetreten. Ich spüre, dass es ihm/ihr ein Bedürfnis ist, dass ich ihm/ihr diese Bitte erfüllen möge. Bisweilen ist diese nicht mal explizit ausgesprochen, in unserem Verbundensein spüren wir jedoch, dass es wichtig wäre, dass ich der Bitte nachkomme. Das erzeugt einen inneren Konflikt – möchte die Freundin nicht enttäuschen, andererseits gibt es da mein organismisches Nein.

Dieses Nein bleibt zumeist ungehört und drückt sich nur in einem Unwohlsein, einem Unbehagen, einem Stress aus. Die Zeit verstreicht, der Zeitpunkt kommt näher, wo es das Versprechen einzulösen gilt. Ich stecke den Kopf  in den Sand –  das Unbehagen bleibt – ungehört, da muss ich durch, hab´s ja versprochen, es wird immer unmöglicher abzusagen, die Enge immer spürbarer, der Aufwand, mein organismisches Aufbegehren zurück zu drängen immer größer. Und das ganze Leben wird angepatzt vom Tintenklecks des ungesagten Neins.

Schade!

Viele Menschen mit einer Krebsdiagnose berichten, dass sie immer versuchten, den Bedürfnisse der anderen gerecht zu werden. Sie stellten diese über die eigenen und standen damit – bisweilen kaum merkbar – unter Stress.

Es gibt ja viele Theorien zur Krebsentstehung, viele davon wurden falsifiziert. Was ich aber sowohl in meinem persönlichen Bezug als auch in Krebsbiographien, beziehungsweise in neueren Betrachtungsweisen wiederholt bestätigt fand, ist der Aspekt der Ohnmacht dem eigenen Leben gegenüber, der Fremdbestimmtheit, der Ent-fremdung von sich, das sich oftmals im Inneren des krebskranken Menschen finden lässt.

Am Grund dieser Ent-Eignung finden sich oftmals viele, viele ungesagte Neins und die Überzeugung, nicht Nein sagen zu dürfen.

So wird das Leben fest, bisweilen ganz und gar ohne Lücken der Freiheit. Die stille Verzweiflung, welche krebskranken Menschen von Le Shan (siehe Buchempfehlungen) zu geschrieben wird, begleitet diese Menschen wie ein dunkler Schatten.

Es ist diese grenzenlose stumme Verzweiflung darüber, dass man keinen Aus-Weg sieht oder vielmehr keine Berechtigung hat, ein für sich gültiges, gemäßes Leben zu führen, ein Leben, das die Seele begrüßt.

So wird das Nein zu diesem Leben – mit einem Beruf, der mich nicht erfüllt und erschöpft, einem Partner, von dem ich mich nicht gesehen und geliebt fühle, mit den Freundschaften, welche mich nicht nähren, aber auch mit all den ungeliebten Verpflichtungen, die ich eingegangen bin, all den Konzessionen, die ich gemacht habe, all den Zusagen die ich wider besseren Spürens getroffen habe –  zu einem Nein zum Leben überhaupt.

Die Resignation ist tief und greift das biologische Fundament den Kern des Lebens an.

Das ist es, was Wilhelm Reich als Kern der Krebsbiopathie beschreibt, dieser Rückzug aus der Welt bis auf eine plasmatische Ebene.

Ja und Nein als die zwei Grundbewegungen des Lebens – Ja als öffnende , von sich ausgehende nach außen in alle Richtungen, in die Welt gewendete Bewegung, Nein kontrahierend, zusammenziehend, in den Kern hinein, wobei ein Nein, das nach außen gesprochen wird, auch ein Ja ist.

Ein nicht gesprochenes Nein führt jedoch zu einem Abziehen der Energie von der Peripherie, zu einer  Kontraktion – zu einer Lebensverneinung, fortschreitend.

Ich denke, dass dies ein wesentlicher, ganz grundlegender Prozess bei der Krebsentstehung ist.

So war es bei mir: ich wollte dieses Leben nicht mehr, ein von Leistung, Druck und Angst bestimmtes Leben, und da ich es nicht wagte, zu glauben, dass ich ein mir angemessenes Leben erschaffen kann, dass ich dazu berechtigt bin, lehnte ich das Leben an sich ab, wollte nicht mehr leben, raus aus dieser Welt, nein, dieses Leben war von meiner Seele nicht begrüßt.

Und dann die Diagnose:

Das Leben in seiner unmittelbaren Qualität ist bedroht, ich könnte sterben an meinem Krebs. Der Tod jetzt an die Seite gestellt, die Endlichkeit meiner irdischen Existenz wird bewusst.

Und plötzlich geht es nicht mehr ums Erfüllen von Erwartungen und Formen des Lebens, sondern ums Leben an sich, um mein Leben und vielleicht das allererste Mal um mich.

So wohnt der Krebsdiagnose neben dem Schock der Todesgefahr auch ein Potential inne. Das Potential aufzuwachen, das Leben als meines zu begreifen, und zu beginnen für dieses mein Leben zu sorgen.

Eine Lücke tut sich auf, durch die Lebens-Licht durchscheint. Viele krebskranke Menschen beschreiben eine Anhebung des Bewusstseins rund um die Diagnose, in dem vieles viel klarer gesehen wird. Das ist eine große Chance.

Hier in einer Situation, wo es wahrhaft ums Über-Leben geht, ist es vielleicht leichter, sich einzusetzen für die eigene Wahrheit, für das Nein oder Ja.

Es ist jedoch nicht übertrieben zu sagen, dass es immer um dieses mein Leben geht, darum, dass ich mich frage, was und wem ich in meinem Leben Raum geben will, was ich bejahe und verneine. Letztlich geht es um die Qualitäten von Ausdehnung,  Pulsation, Wohlgefühl und Freude.

Zu sehen, dass das hier mein Leben ist –  in jedem Moment.

Wenn all die ungesagten Neins unser Lebenslicht dimmen, so  schafft  ein ausgedrücktes Nein sofort Frei-Raum, es kräftigt uns, lässt uns uns aufrichten, öffnen.

Und schon entfaltet sich unser Ja zum Leben – ganz einfach und selbstverständlich.

Stress hat viele Gesichter….

Nein, nicht jetzt mit dem Radl fahren. Mir die Straßenbahn gönnen, dann zu Fuß gehen, ganz gemütlich, kein Aufwand, keinen Platz fürs Fahrrad suchen müssen, einfach aussteigen und dann gehen, nicht mir überlegen müssen, wie ich all die Sachen vom Markt und Bioladen transportieren kann, einfach eine Einkaufstasche mitnehmen und dann mit der Bim zurück, zu Fuß. Das ist beruhigend im wahrsten Sinne des Wortes.

So vieles verursacht subtilen Stress, den wir als solchen gar nicht erkennen. So gilt das Radfahren als gesund und eine sportliche Betätigung grundsätzlich als stressabbauend.

Was ist Stress?  Stress ist für mich, wenn etwas, das ich mache oder denke eine Spannung erzeugt. Diese Spannung entsteht aus einem Nein meines Organismus zu dem, was ich tue oder glaube, jetzt tun zu müssen.

Und da gibt es vieles, was nicht unbedingt notwendig wäre für mein Leben, was ich mir jedoch vorstelle, dass es notwendig ist – wie zum Beispiel klarerweise mit dem Rad zu fahren, wenn es möglich ist.

So ziehen wir unsere Fitnessprogramme durch, ungeachtet unserer aktuellen Befindlichkeiten, wir überwinden, wie man so hässlich sagt, unseren inneren Schweinehund, koste es, was es wolle.

Das alles basiert auf einem geringen Vertrauen in unseren Körper, der uns seine Bedürfnisse mitteilen würde, wenn wir ihm Gehör schenken.

Diese Bedürfnisse sind – das ist meine Erfahrung – rhythmisch angelegt. So verlangt unser Organismus bisweilen nach Ruhe, Stille, Sanftheit, manchmal jedoch nach kraftvollem Ausdruck, einem Reintreten in die Pedale usw.

Eines geht aus dem anderen hervor, wenn wir es zu – lassen.

Wenn wir unseren Körper nicht unter unsere Ideen über ein gesundes Leben unterjochen, bis er sich so kräftig meldet, dass wir gar nicht anders können, als Ruhe zu geben.

Krebs ist in meinem Verständnis oftmals ein Ergebnis eines über lange Zeit ungehörten Organismus – ein Ergebnis eines Prozesses, wo wir nicht wahrgenommen haben, was jetzt dran ist.

In körperlicher Hinsicht heißt das, dass wir unseren Bedürfnissen nach Ruhe und Entspannung oder auch umgekehrt dem Bedürfnis nach Bewegung und Ausdruck nicht Rechnung  getragen haben. Aber auch im psychosozialen Bereich gilt es, die je wechselnden Bedürfnisse nach Rückzug, Einkehr und Sammlung beziehungsweise nach einem nach außen gehen wahrzunehmen.

Wir können – in Verbindung mit unserem Körper –  immer wieder den Faden aufgreifen und uns fragen, wo dieser Lebens-Faden jetzt beginnt –  indem ich auf mich Rück-Sicht nehme, und eben heute nicht mit dem ach´ so gesunden Fahrrad fahre.

Oder aber, indem ich meine Trägheit, meine Lähmung, mein Erstarren in gewohnheitsbedingten Mustern wahrnehme und so den Faden aufgreife, weil es nämlich ohnedies gar nicht angenehm ist, in der Bewegungslosigkeit zu verbleiben und unser Körper sich bewegen will.

Und schon kommt Freude auf, und dann darf es sich auch wandeln.

Vielleicht ja doch mit dem Fahrrad fahren?

Über den Segen des achtsamen Essens

Der Tisch – ein Tischtuch am Boden mit vielen mitgebrachten Essensgaben – war reich und schön gedeckt. Und wir drum herum, eingestimmt in unsere inneren Nahrungsbedürfnisse – was ist es jetzt wirklich, was ich essen möchte – begannen wir am Tag der ganzheitlichen Gesundheit im Tzg www.tzg.at mit der Essmeditation.

Das ist eine Meditationsform, die ich im Rahmen meiner Zen-buddhistischen Praxis kennen gelernt habe. Ich kann mich noch gut an das erste Mal erinnern, wo ich sie praktiziert habe, im Jahre 2004 in Scheibbs auf einem Retreat. Und ich kann mich noch gut an meine Reaktionen erinnern auf den besonderen Ablauf.

Alles fand in Stille statt, schon beim Zubereiten der Mahlzeit sollte man nicht sprechen, die Teller mit möglichst wenig Geräusch auf die Tische stellen. Alles sehr bewusst und achtsam.

Dann galt es, sich am großen Buffet zu bedienen, eine nach der anderen. Und ich, die eine der Letzten war, bekam es mit der Angst zu tun – „Wird von dem, was ich so gerne möchte, wonach es mich gelüstet hoffentlich noch was übrig bleiben?“. So ist es, wenn man seinen Emotionen und Gedanken Gehör schenkt. Wir können spüren, was wirklich in uns lebt, die Angst zu verhungern, dass mir etwas weg genommen wird, dass nicht genug übrig bleibt, alles, was unter das Wort „Futterneid“ gefasst ist, wurde damals ganz laut.

Und dann die Essmeditation:  mit Dankbarkeit alles würdigen, was dazu beigetragen hat, dass es hier auf unserem Tisch ist – die Sonne, die Luft, das Wasser, die Erde, aber auch alle hilfreichen Hände, die geholfen haben.

Und dann zu essen beginnen – auch das still, ohne miteinander zu sprechen. Die Nahrung sehen und riechen, die Gabel, den Löffel, das Messer und die Schale wieder nieder legen, nachdem ich einen Bissen genommen habe – 50 mal kauen – „das klingt ja schrecklich, wie soll ich das schaffen?“

Oder aber immer wieder zum Geschmack, zum Kauen zurück kehren, sich mit der Nahrung verbinden, sie wirklich zu sich nehmen.

Das eröffnet einen großen Raum. Bei mir und auch bei vielen, mit welchen ich die Essmeditation geteilt habe, ist ein großes Glück spürbar, über den Wohlgeschmack und die Verschiedenheit in den Qualitäten. Und eine große Dankbarkeit über den Reichtum des Nahrungsangebots, der in vielen Teilen der Welt ganz und gar nicht selbstverständlich ist.

Das achtsame Essen hat eine vielfältige Wirkung: Da die Verdauung  ja bereits im Mund beginnt, wird sie durch das langsame, bedächtige, gründliche Kauen gefördert. Sie kann wirklich aufgeschlossen werden und muss daher nicht in ganzen Stücken in den Magen gelangen.

Auch wird der Geschmack deutlicher. Ich habe erst durch das achtsame Essen gemerkt, wie oft mir etwas zu salzig, zu sauer, zu scharf, zu süß ist, und wie oft ich durch das schnelle Runterschlucken vermeide, das zu spüren, weil es für mich unangenehm ist. Und ich konnte bemerken, dass am ehesten mittlere Geschmäcker für mich wohlschmeckend und bekömmlich sind.

Auch ist es meine Erfahrung, dass Nahrung, die gut ist, durch das Kauen immer besser wird. Aus lerntheoretischen Untersuchungen weiß man, dass Zucker, wie zum Beispiel in Milchschokoladen, zwar zunächst gut schmeckt, dann aber ziemlich schnell einen negativen Nachgeschmack bekommt, weshalb man schnell einmal zum nächsten Bissen greift, um den negativen Geschmack zu tilgen.

Die Erfahrung über das, was sich im achtsamen Essen als gut und bekömmlich erweist, hat sodann eine leitende Wirkung für die Auswahl beim nächsten Hunger.

Essmeditieren hat außerdem eine beruhigende Wirkung. Die Nahrungsaufnahme gibt uns drei Mal am Tag die Möglichkeit uns zu sammeln, den Trubel der Welt außen vor zu lassen, zu uns zu kommen, und das beruhigt. Ganz einfach.

Oftmals wurde auch berichtet, dass man/frau bereits nach einigen Bissen satt war, und eigentlich nicht mehr Essen gebraucht war. Das wirkliche Genießen und Schmecken ohne Ablenkung, ohne Weiterdenken, beziehungsweise ein immer wieder Zurückkehren zu dem, was ich jetzt tue, nämlich essen, lässt uns von Wenigem satt sein, auch weil wir das Sättigungsgefühl erst dann spüren können.

Ich habe außerdem bemerkt, dass ich, wenn ich mir treu bleibe, und wenn ich mir und meinem Organismus in seinen Bedürfnissen Rechnung trage, indem ich nur das zu mir nehme, was jetzt wirklich dran ist – nein nicht auch noch die köstlich aussehende Mangocreme, den Kuchen, das Sandwich  –   hat es mein Körper nicht damit zu tun, mit dem Zuviel oder Falschem fertig zu werden. Ich fühle mich damit bekräftigt in mir selbst, und mein Selbst-Bewusstsein im Wortsinn wird gestärkt. Hab ich mich doch nicht verführen lassen und mich damit außer mich gebracht.

So – wirklich genährt und zufrieden kann ich den nächsten guten Lebens-Schritt tun.

Lesetipps:

Jan Chozen Bays: Achtsam essen.

Aivanhov, Omraam: Yoga der Ernährung.

Thich Nhat Hanh, Lilian Cheung: Achtsam essen und achtsam leben: Der buddhistische Weg zum gesunden Gewicht.

Schilling, Jürgen. Kau Dich gesund!