Es ist nur eine Zahl, die da schwarz auf weiß auf dem Befund steht – 2,4 cm steht da, wo vor 1 ½ Jahren noch 1,9 cm stand. Das ist beeindruckend und zieht mich sofort in den Bann.
2,4
2,4
2,4
2,7
Progredient wachsend.
Nicht gut, gar nicht gut.
Das Schicksal, oder was auch immer, hat es mir erspart, dass ich diese Zahl sogleich, noch bevor ich meinen Radiologen sah, auf meinem Handy lesen musste.
So konnte er mich vorwarnen, was dann tatsächlich „unbeeinflusst und objektiv“ dastehen wird.
2,4 cm
Ein ziemliches Wachstum also, rein so gesehen.
Beeindruckend, Angst machend, zur baldigen Handlung auffordernd.
Abklären, Reinstechen, Bestimmen, was es ist.
Endlich – hätte schon längst geschehen sollen.
Sofort wird diese Realität zur einzigen Wirklichkeit, die alles andere überschattet.
Von 1,9 auf 2,4 cm, ein deutliches und stetiges Wachstum.
Da könnte ich gleich 1 und 1 zusammenzählen. Was soll das sein, noch dazu, wo es so böse aussieht.
Das ist die eine Realität.
Schritt für Schritt bläht sie sich auf.
Schon bin ich nicht mehr gesund, sondern (potentiell) schwer krank.
Schon habe ich eine fragliche Zukunft, schon kann ich mich nicht mehr in meiner Gesundheit erfahren und an ihr erfreuen.
Schon starre ich fortan auf diese 2,4 oder 2,6 oder 3,0 oder 3,5 cm.
Das ist die eine Realität.
Nur die eine.
Eine zweite zeigte sich im Gespräch, im direkten, persönlichen Gespräch mit meinem Radiologen. Er zeigte uns, meinem Mann und mir, alle 5 CT – Bilder seit 2002.
Sofort sah ich ihn, meinen Jupiter, wie ich ihn gleich einmal nannte, damals, als er mir vom 1. CT- Bild entgegen leuchtete.
Hallo, ich bin noch da!
Am selben Platz, hat seine Form nicht verändert und von der Ferne betrachtet ist er auch größenmäßig gleichgeblieben.
Vertraut irgendwie.
Schlagartig waren mein Mann und ich erleichtert, auch wenn es uns nicht gelang, meinen Röntgenologen davon zu überzeugen, dass sich augenscheinlich nichts verändert hat.
Das ist die 2. Realität: die Wahrnehmung des Augenscheinlichen.
3 ½ Jahre der Beobachtung und keine wesentliche Veränderung.
Wären da nicht die Zahlen, die mich gestern Morgen heftig wachrüttelnden.
Ja, aber warum wächst da was, und was wächst ist böse und gehört raus.
Stand by steht er da – der Befund – mit all den Zahlen und Warnungen.
Er ruft nach meiner Aufmerksamkeit.
Komm´ her, beschäftige Dich mit mir. Was, Du willst fröhlich weiterleben, Deine Dinge machen. Nix da, her mit der Aufmerksamkeit.
Schon lieg´ ich gelähmt im Bett, die Stunden vergehen.
Total freeze.
Wegen zwei Zahlen: 1,9 und 2,4
Glücklicherweise hatte ich ein erfreuliches Telefonat mit einer Freundin, wir sprachen über ihren Hund, den Bauernhof, über unsere Brust-Op´s, über die O-Töne, Streeruwitz und das Leben – alles heiter und leicht.
Jetzt nur nicht zurück – hej da war doch noch was – dieser Befund.
Meine Lebendigkeit wahrnehmen, den Himmel sehen, die Wolken ziehen lassen.
Zurück in die Wirklichkeit.
Hab´ nämlich keine Lust mehr, mich um ein Krebsgeschehen zu kümmern, schulmedizinische „Angebote“ abzuwehren, mich den nicht weniger fordernden komplementärmedizinischen Maßnahmen zu überantworten und um den Krebs zu kreisen, als Lebenszentrum.
Will forschen, mich freuen, mich bewegen, denken, lieben, gut sein…
Eine unscheinbare Email von meinem Röntgenarzt, der mich seit 28 Jahren treu begleitet, dass er wieder mal nachgesehen hätte im System und keinen CT Befund von mir findet.
Das hab´ ich jetzt über Monate erfolgreich verdrängt, hatte bereits Verordnung und Bewilligung und einen Termin, dann wurde ich krank und damit durfte, musste ich es auf die lange Bank schieben.
Ich bin also hingegangen – ein letztes Mal – muss ja auch meinem Hausverstand – ein gar nicht so schlechtes Wort, der Verstand, der in meinem Körperhaus lebt – benutzen. Und der sagt, wenn nach 3 Jahren keine wesentliche Veränderung in Wachstum und Form passiert ist, dann kann da nichts sein, kein Krebs und schon gar keine Metastase.
Also, ich bin hingegangen am Dienstag und aufgeregt war ich wieder und zigmal kontrollierte ich, ob ich eh alle Zettel dabei habe, die Verordnung, die Bewilligung und den Blutbefund – alles nicht älter als 3 Monate.
Gerade noch ganz gesund, kann ja laufen, gehen, denken, meine Sachen machen und dann die Maschinerie – und schon (tod-)krank.
Überall können sie sein, die todbringenden Herde, sie lauern im Körper, sie gehören abgeklärt, reingestochen, angeschaut, ob man darin diese bösen Zellen findet.
Kann mich nicht dran gewöhnen und voller Mitgefühl denke ich an all meine lieben Krebs-Klientinnen, die das teilweise alle 3 Monate durchmachen müssen.
Reingeschoben in die Röhre, das Kontrastmittel im Arm, Hände hinter dem Kopf abgelegt, ausgestreckt, wie aufgehängt lieg´ ich da, den Platz nahezu wortlos zugewiesen, keine Anrede, kein sich Vorstellen.
Die Maschine ist es, worum es geht.
Mein Leben, das Urteil über mein Leben einer Maschine überantwortet, kein Gesicht zu einem Befund, unemotional und damit unbeeinflusst, nennt das mein Radiologe.
Ein Stück Fleisch liegt da, lieg´ ich da, gekreuzigt am Marterpfahl der Technik.
Einatmen – Ausatmen.
Einatmen.
Den Atem halten.
Weiter atmen.
Zuvor den Fragebogen ausfüllen, die Zeilen reichen nicht aus für die vielen Diagnosen, die ich bereits hatte.
1998 rechts
2002 links
2018 beidseits.
2022 links.
Dasselbe noch einmal für die OP´s und die Bestrahlungen.
Mühsam ist das und fast geniere ich mich – das ist wahrlich keine Erfolgsstory. Vorsorglich trage ich einen Body und eine Hose ohne Metall dran, sonst müsste ich – Oberkörper nackt – in der Unterhose rein, mich entschuldigen für den Ablatio-Anblick, aber es schaut eh´ keine, der Fokus ist auf meinen Venen, pump, pump, klopf, klopf. Ist diese junge Frau überhaupt eine Ärztin, schließlich spritzt sie mir ein Kontrastmittel in die Venen. „Das möchte ich nicht im Gewebe haben“, sage ich scherzend, man will ja Kontakt haben.
Kontakt ist das Wichtigste.
„Reden Sie mit mir!“, hat sie gesagt, meine liebe Gundula, als sie ihr die Maske für die Kopfbestrahlung aufgesetzt haben.
„Reden Sie mit mir!“.
Da war er wahrscheinlich ganz schön erschreckt, der RT Mensch, dass diese Frau kein stummes Lamm auf der Schlachtbank ist, sondern ein Mensch, ein großer Mensch, der durch die Schlitze rausspricht, der vor-kommt, sich äußert mit einer Stimme, die ja hier eigentlich gar nicht angesagt ist.
„Reden Sie mit mir!“
Alle lassen wir uns sie gefallen, die Behandlung, die keine ist.
Massenmenschenhaltung.
Am Schalter den Schein abgeben, das ist das Wichtigste, die Bewilligung, die die Kohle garantiert, sonst geht gar nichts.
Code für den Befundabruf entgegennehmen.
Platz nehmen, auf einem der drei Sessel.
Aufgerufen werden, zwischen Tür und Angel Durchsprechen des Informationsblattes. Eigentlich ist mir das gar nicht recht, dass die Frau, die bereits an meinem Platz sitzt, das so alles detailliert mitbekommt.
„Da ist der Kopf“– einziger Begrüßungssatz. „Ich weiß“, schmunzle ich, „ich kenne es schon“ – so mein vorsichtiger Kontaktversuch.
„Reden Sie mit mir, bitte reden Sie mit mir!“
„Zeigen Sie mir, dass ich ein Mensch bin, dass Sie ein Mensch sind, der lächeln und antworten kann, der eine Ahnung, zumindest eine leise Ahnung hat, wie beschissen eine solche Situation ist, dass Menschen wie ich, die jetzt schon das 5. Mal auf das Urteil warten, ob der Herd, dieser hochsuspekte Herd mit dem Namen SBL – Abkürzung für Metastase- von mir liebevoll Jupiter getauft, größer geworden ist.
Größer ist nämlich ganz schlecht, oder vielleicht sind ja sogar noch welche dazu gekommen – Aufhellungen, Verdunkelungen, da ist ja viel Platz in so einem Körper.
„Reden Sie mit mir, bitte, ich flehe Sie an, lassen Sie mich nicht allein!““
„Reden Sie mit mir! Sagen Sie mir, dass Ihnen meine Haarfarbe gefällt, fragen Sie mich, welcher Art mein Doktortitel ist, und dass Sie auch immer schon Psychotherapeutin werden wollten.
Oder erzählen Sie mir von ihrem Hund oder dass Sie froh sind, dass es jetzt gleich zu Ende ist mit all dem Nadel-Setzen und Rein- und rausschieben und Sie jetzt endlich gleich die vom Foodora gelieferte Pizza essen können.
Oder sagen Sie mir – wieder geschafft! Haben Sie noch einen schönen Abend.“
Egal was, einfach mit mir reden, mir das Gefühl geben, dass ich nicht allein bin. Weil dann lässt sich sogar ein schlechter Befund besser verdauen.
Naja, so gesehen kann man sich schon auf mit passender KI programmierte Roboter freuen, die einen mit Namen ansprechen, die Hand halten, fragen, ob ich gut liege, mich beruhigen über liebe Worte.
Was ist Liebe und was ist sie nicht – für mich. Natürlich weiß ich das auch nicht. Aber einige Ideen dazu sind heute morgen in mir entstanden. Versteht es bitte als eine idealtypische Annäherung.
Konflikte vermeiden um des sogenannten lieben Friedens Willen.
Für die eigene Klarheit sorgen und in kontaktvoller Verbundenheit dafür eintreten.
Den anderen schonen aus Angst, ihn zu verletzen
Ihm, ihr Halt geben durch das Geschenk der eigenen Wahrnehmung, auch wenn diese vielleicht schmerzlich ist. Die Wahrheit, so sie eine schmerzliche ist, ist es sowieso.
Romantische Gefühle
(Bemühen) den anderen zu sehen und entdecken, wer er ist jenseits von Gefühlsgetönten Zuschreibungen, was er für uns ist.
Sehnsucht
Da sein, wo ich bin und mich freuen, dass der andere da ist, wo er ist, wissend, dass wir verbunden sind über Zeit und Raum.
Haben wollen
Geben
Die eigenen Grenzen überschreiten aus „Liebe“
Der eigenen Grenzen bewusst sein und sie grundsätzlich bewahren, auch wenn wir sie im gemeinsamen Eintauchen und Verschmelzen bisweilen überschreiten. Damit eine Einladung geben, dass der andere auch die seinen beachtet und bewahrt.
Vernebelung
(Bemühen um) Klarheit, Gewissheit, Da Sein
Illusion
(Bemühen um ein) radikales in die Tiefe gehendes Wissen um mich und den anderen.
Verklärung
Pragmatismus: die sogenannten Schwächen des anderen liebevoll zur Kenntnis nehmen und sich damit nicht aufhalten.
Verliebt-Sein
Den, die andere/n als andere/n an-erkennen.
Deals
Geben, empfangen, empfangen, Geben, Geben, Geben, Empfangen, Empfangen, Empfangen, Empfangen, Geben, Geben, Geben, Geben, Geben. Und somit die gegenseitige Anhebung unterstützen.
Investition
Ich bin Geschenk genug in meinem So Sein, wie auch der andere Geschenk genug ist in seinem So Sein.
Wir haben einander gefunden.
Das ist kein Zufall.
Und damit ist es genau richtig so.
Und hier noch das Lieblingszitat von meinem Mann von Rainer Maria Rilke – damit hat er mich ein paar Mal ganz schön gequält ;-))
Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist: die Freiheit eines Lieben nicht vermehren um alle Freiheit, die man in sich aufbringt. Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies: einander lassen; denn daß wir uns halten, das fallt uns leicht und ist nicht erst zu lernen
Gegen eine solche Aufforderung hab´ ich mich immer gewehrt.
Ab-grenzen.
Da bin ich ganz mit der Aufmerksamkeit an meiner Peripherie, versuche mit angespannte Armen für meinen Raum zu sorgen.
Grenze mich ab.
Und schon bin ich abgegrenzt, stets bedacht, die nächste Lücke zu schließen. Entäußert, abgezogen.
Da gefiel mir ein anderes Bild schon besser: So sehr in meiner Mitte verankert zu sein, dass diese wie ein ins Wasser geworfener Stein Kreise um sich zieht, weite Kreise…
Da ist Ausdehnung, die kraftvoll eine Grenze schafft.
In den letzten Wochen bin ich selbst und vor allem auch in der Begleitung von Menschen, die an Krebs erkrankt sind, damit konfrontiert worden, wieviel Kraft für die innerliche Abwehr von ungünstigen Einflüssen erforderlich ist.
Das können Eltern sein, wo wir gehorsam Zeit miteinander verbringen (müssen), weil es sich so gehört, oder auch Freudinnen, die den Namen eigentlich nicht verdienen, weil sie uns in unseren Vorhaben und Visionen nicht unterstützen, uns die eigene Wahrheit absprechen, uns bewerten und uns mit ihren eigenen unhinterfragten Konzepten befassen. Es kann aber auch ein Kollege sein, der unseren Beitrag zum gemeinsamen Projekt nicht würdigt.
Und dann hat es unser Organismus damit zu tun, all das abzuwehren. Und dann kann es sein, dass ich innerlich Runde um Runde abgehe, immer mit der Frage, wie ich das wohl mitteilen könnte, ohne den/die andere zu verletzen.
Gerade wenn unser Körper nicht gesund ist, oder es mit einem Genesungsprozess zu tun hat, wie das zum Beispiel nach einer fordernden Therapie der Fall ist, brauchen wir einen unbedrohten Raum, einen organismischen Raum, der erneut in die Ausdehnung und damit in die Pulsation kommen kann. Und das ist nur möglich, wenn dieser Raum ein sicherer Raum ist, ein unbedrohter, ein Raum, in dem wir uns niederlassen können, atmen, uns ausdehnen, atmen, pulsieren.
So tauchte vor einigen Tagen ein Bild in mir auf über den je eigenen Lebensgarten, den es zu pflegen und zu hegen und den es ebenso zu schützen gilt.
Und so ein wunderbarer Garten braucht einen Zaun, einen hölzernen Lattenzaun. Latte um Latte in braunem Holz stehen sie nebeneinander, sie schützen mich vor den Blicken und dem Eindringen. Und nein da ist nicht einfach ein kleines, leicht zu öffnendes Schloss, sondern ein richtiges, das man nur von innen öffnen kann.
Und dann schau´ ich, wer da so reinkommen will, verborgen in meinem Häuschen und dann entscheide ich, ob ich Eintritt gewähre oder nicht. Und dann darf die Person vielleicht reinkommen und da gibt es ein Salettl, wo wir auf einen Tee zusammensitzen für eine gewisse – nicht allzu lange Zeit – und dann bitte ich sie wieder zu gehen.
Und dann bin ich wieder in meinem Raum.
Ausatmen.
Mich freuen, angeregt von der Begegnung.
Und dann kann ich in aller Ruhe nachsehen, ob der Zaun wohl noch intakt ist, oder ob die Holzwürmer Löcher rein gefressen haben. Dann ist es gut, zu schauen, wo Löcher zu schließen sind. Welche Sätze sind noch nicht gesprochen? Sätze, die diese Lücken schließen, etwas Aufgewühltes abschließen.
Abschließen, rund machen, sich umdrehen, etwas hinter sich lassen, erneut in die Welt gehen.
Dann kann sich ein neuer Raum eröffnen, ein Lebensraum,
Oder wie man es in der Gestalttherapie sagt, es hat sich ein Gestaltkreis geschlossen und Neues kann in den Vordergrund treten.
Grenzen zu setzen braucht Mut.
Im Bewusstsein und tiefen Verstehen, dass dies notwendig ist, um zu heilen, können wir diesen Mut aufbringen.
Die Krebserkrankung ist ein wahrlich guter Anlass dazu.
Vor mittlerweile über zwei Monaten hat mich eine Journalistin angefragt, ob ich einen Beitrag zum Thema Veränderung/Trennung schreiben könnte.
Der Artikel ist dann Ende September unter dem Titel „Happy? End!“ in der österreichischen Zeitung Woman erschienen. Meine Antworten auf die Fragen von Nina Horcher sind dem begrenzten Raum geschuldet, jedoch sehr einfühlsam gekürzt worden, und so will ich an dieser Stelle meine vollständigen Antworten veröffentlichen.
Beim Schreiben wurde mir bewusst, wie groß der Schritt der Ablatio war und auch wie wesentlich.
Welche Veränderung/Trennung hat dein Leben rückblickend nachhaltig verändert?
Es war die Trennung von meinen Brüsten nach einem nahezu 50-jährigen Leben mit ihnen.
Wann und warum / wie kam es dazu?
Ich war zu dem Zeitpunkt knapp 61 Jahre alt, hatte schon 2 Mal eine Brustkrebsdiagnose. Einen Tag vor meinem 61.Geburtstag wurde neuerlich ein suspekter Herd in der rechten Brust festgestellt.
Sofort, noch auf der Untersuchungsliege, im Zuge des Ultraschalls wusste ich, wenn es wieder Krebs ist, dann lasse ich mir beide Brüste abnehmen, auch wenn es nur ein einziger Herd ist. Das war eine intuitive Eingebung, wie ich sie auch schon davor bei den zwei anderen Diagnosen in Bezug auf meinen Therapie-Weg hatte.
Was war die größte Herausforderung dabei, diese Entscheidung zu treffen? Wer oder was hat dir geholfen, es durchzuziehen?
Die größte Herausforderung war, dass es sich ja wirklich um eine endgültige Entscheidung handelte, die mein Aussehen unwiederbringlich verändern würde, anders als bei den anderen beiden Diagnosen, wo ja nur der Krebsbereich entfernt wurde.
Es war ein sehr großer Abschied, der auch viel Trauer und Wehmut mit sich brachte. Ich ging also immer wieder innerlich zahlreiche Entscheidungsrunden durch, ob es wirklich notwendig sei, noch dazu, wo es medizinisch nicht als indiziert galt, handelte es sich zu diesem Zeitpunkt doch nur um einen einzigen Herd – also warum gleich sogar beide Brüste abnehmen lassen. Ich wusste jedoch genau, ohne dass ich es erklären konnte, dass es sich hier um ein systemisches Geschehen handelt, und dass – in meinem intuitiven Wissen – wahrscheinlich beide Brüste betroffen sind.
Diese Vermutung hat sich durch den postoperativen histologischen Befund bestätigt, was meine Chirurgin sehr erleichterte, weil die beidseitige Ablatio damit im Nachhinein betrachtet auch medizinisch indiziert war. Ich hätte mir auch nur eine Brust abnehmen lassen können, doch es war für mich klar, dass ich keinen Aufbau will und auch keine Prothesen tragen möchte. Ich fand es auch schöner, symmetrisch flach zu sein als auf einer Seite.
Geholfen hat mir mein Mann, der meine Entscheidung unterstützte und Menschen, die nicht an einem Konzept festhielten, dass es für eine Frau katastrophal ist, ohne Brüste zu sein. Das war für mich nämlich zu keinem einzigen Zeitpunkt so. Außerdem war die Reaktion meiner Chirurgin sehr unterstützend, die zunächst natürlich nicht gleich ein potentiell gesundes Organ entfernen wollte, aber dann erkannte, dass meine Entscheidung aus der Tiefe kam und wohlüberlegt ist – immerhin ließ ich mir fast 3 Monate von der Diagnose bis zur Operation Zeit -, sodass sie meinem Wunsch nachkam.
Inwiefern hat dein Alter dabei eine Rolle gespielt?
Natürlich hat das Alter eine Rolle gespielt. Bei meiner ersten Diagnose mit 41 Jahren war eine Totaloperation der einen Brust indiziert, weil das Krebsgeschehen, das sich in Mikroverkalkungen zeigte, sehr ausgedehnt war. Für mich war klar, dass das zu diesem Zeitpunkt keine Option ist. Ich habe dann auch einen wunderbaren Chirurgen gefunden, der die Operation so machte, dass trotz des großen Volumens nahezu nichts zu sehen war. Für die letzte Entscheidung, 20 Jahre danach, war wahrscheinlich auch ausschlaggebend, dass ich in einer sehr stabilen, innigen Beziehung mit meinem Mann seit mittlerweile 43 Jahren lebe.
Wenn du heute zurückblickst: Was hat sich seitdem positiv verändert?
Ich fühle mich freier, ich fühle mich unbelasteter, auch weil ich keine Mammographien mehr über mich ergehen lassen muss. Auch brauche ich nicht ängstlich auf das Ergebnis zu warten. Ein gar nicht so kleiner Benefit ist, dass ich auch beim Sport keinen BH tragen muss, das war mir nämlich immer sehr unangenehm.
Ich fühle mich jedoch nicht nur befreit von der Angst vor einer neuerlichen Diagnose, sondern in einem viel übergreifenderen Sinn. Sofort am ersten Tag nach der OP, als ich mich, den Verband noch eng um meine Brust gebunden, im Spiegel sah, jauchzte etwas in mir.
Das Flachsein, die Brustlosigkeit spürte sich so richtig für mich an, warum auch immer. Ich fühlte mich nicht weniger als ich selbst, sondern mehr. In meinen darauffolgenden Forschungen zur Bedeutung der Brust im Leben von uns Frauen, konnte ich erkennen, dass die Brust mich immer sehr exponiert hat den Blicken und dem Zugriff, und dass hier auch viel Traumatisierung stattgefunden hat, und so war die Brustabnahme auch eine Befreiung vom Ort des Geschehens.
Ein weiteres positives Erlebnis war, dass ich am eigenen Leib und Seele erfahren konnte, wie wichtig die innere Vorbereitung auf eine OP ist, um die Nachwirkungen gering zu halten und nicht von einem Verlusterleben nachträglich emotional überrascht zu werden. So verließ ich das Krankenhaus bereits am 4. postoperativen Tag mit dem freudigen Gefühl, eine schöne, intensive, bereichernde Erfahrung gemacht zu haben.
Kein Bedauern, kein Hadern, kein Zweifeln.
Es war eine Wahl getroffen, für die besten Bedingungen der Umsetzung gesorgt, dann war es vollbracht und das war ein großes dankbares Glücksgefühl.
Letztlich – und das ist auch eine Bereicherung für mich – bin ich mir der Endlichkeit noch einmal deutlicher bewusst geworden und habe in diesem Sinn mein Leben noch mal radikaler ausgerichtet, meine Praxistätigkeit sehr reduziert und ich schaue sehr genau, was in meinem Leben Platz haben soll und was nicht.
Wo gab es hinsichtlich dessen die größte Umstellung / den größten Bruch im Vergleich zu früher?
Dass ich zwei sehr lange und deutlich sichtbare Narben habe, die mir nicht so gut gefallen.
Wie nimmst du diese Veränderungen (z.B. in deiner Einstellung/Persönlichkeit) auch im Alltag war?
Eigentlich nur, wenn es darum geht, dass ich mich nackt zeigen „muss“, da kann ich noch nicht so gut dazu stehen, so warne ich die Menschen immer vor, dass sie nicht erschrecken. Im angekleideten Zustand merken es die meisten Menschen gar nicht, obwohl ich eben keine künstlichen Körbchen trage, außer wenn ich ein Dirndl anziehe. Ich glaube, das ist deshalb, weil ich so selbstverständlich damit bin.
Wie hat sich auch dein Umfeld dadurch verändert? (Freunde, Familie, Job…)?
Manche Menschen haben meine Entscheidung nicht verstanden. Ich konnte sehen, wo die Grenzen bei Einzelnen sind. In der Familie hat die letzte Diagnose neuerlich die Beziehung zu meiner Zwillingsschwester belebt und ich habe eine große Innigkeit und ein Mittragen von meinem Mann und meiner bereits erwachsenen Tochter erlebt. Es hat generell eine Art Reinigungsprozess in Bezug auf Beziehungen stattgefunden.
Was ist dir heute wichtig, was dir früher (vor dieser Entscheidung) nicht so klar war?
Ich kann so deutlich spüren, dass meine Weiblichkeit nicht an meine Brüste gebunden ist. Diese Botschaft möchte ich auch anderen Frauen weitergeben, vor allem, wenn sie von Brustkrebs betroffen sind. Deshalb habe ich auch eine Initiative mit dem Titel „Flat is beautiful. Breast Cancer is not the end of femininity“ ins Leben gerufen. Unter diesem Titel haben wir, eine Gruppe von Frauen im Jahr 2019 am Frauenlauf teilgenommen. Es tut mir noch immer im Herzen weh, wie unsere Brüste missbraucht werden im Sinne eines Schönheitsideals und als sexueller Reiz. Sie sind soviel mehr.
Was hättest du rückblickend gerne schon früher gewusst oder gemacht?
Meine Brüste mehr geliebt, sie als meine Brüste gesehen, die so schön und wertvoll, lebensspendend und kräftig sind.
Ich hätte gerne radikaler auf meine Grenzen geachtet, die vielen Neins, die ich nicht gesagt habe, ausgedrückt und damit ein freudvolleres, nicht so braves, angepasstes, leistungsorientiertes Leben gelebt. Vielleicht hätte ich dann auch keinen Krebs bekommen, auch wenn ich in einem größeren Ganzen sehen kann, dass Alles gut und richtig ist, wie es ist.
Angeregt durch ein Gespräch in meinem kleinen, feinen KrebsbegleiterInnenkreis, habe ich mir Gedanken gemacht, was eine Begleitung, die auch die Spiritualität (was immer das genau ist) einbezieht, auszeichnen könnte.
Die folgenden Punkte sind ungeordnet und sicher nicht vollständig:
Ein Abstandnehmen können von den eigenen (angstbesetzten) Konzepten über die Krebserkrankung und darüber, was richtig und falsch ist, zu tun.
Um die Schicksalshaftigkeit jeden Weges zu wissen.
Zu wissen, dass das Leben mit dem Tod nicht endet.
Zu wissen, dass es um den Weg geht, der immer in sich richtig ist und heilsam wird, wenn er bewusst beschritten wird – egal wie er aussieht (!?!)
Zu wissen, dass der (Heil-)Weg zu allererst ein Prozess ist, mit der je eigenen, individuell unterschiedlichen Zeit.
Ahnend zu wissen, dass die Krankheit im Verständnis von Viktor von Weizsäcker eine, wenn auch vielleicht unzureichend gebliebene „Schöpfungstat“ ist. Dass ihr also ein finaler Sinn innewohnt.
Zu wissen, dass es verschiedene Ebenen des Seins gibt – eine non duale, eine duale, eine Ebene des Körpers, der Seele, des Geistes,….., und dass diese Ebenen oftmals eine eigene Berücksichtigung brauchen.
Zu wissen, dass immer die Liebe das heilsame Agens in der Begegnung zwischen dem/der BegleiterIn und dem krebskranken Menschen ist. Und da meine ich jetzt nicht eine kitschig-sentimentale Zuneigung, sondern eine Liebe, die den anderen in seinem So- und Angelegtsein wahrnimmt und herzlich schätzt.
Zu wissen, dass es ein großes Geschenk ist, jemanden begleiten zu dürfen, der mit der Herausforderung einer Krebserkrankung zu leben hat.
Zu wissen, dass es im Beschreiten der Wege, sei es die Ernährung, die Bewegung, die Lebensveränderung… eine Haltung der Selbstfürsorge und Selbstliebe und eine innere Bejahung braucht, damit sie eine wahrhaft heilsame Wirkung entfalten können.
Zu wissen, dass neben unserem eigenen Beitrag, dem Machbaren immer auch Gnade waltet.
Zu wissen, dass die genaue Wahrnehmung dessen, was jetzt richtig und stimmig ist, Alles verändern kann.
Zu wissen, dass eine radikale Wendung immer möglich ist.
Zu wissen, dass das Leben größer ist, viiiiel größer als unsere irdische Existenz.
Zu wissen, dass es viele nicht sichtbare Kräfte gibt, die für uns sorgen und da sind.
Für mich ist das nichts – das Hochschaubahnfahren.
Wann man hinauffährt, weiß man schon, dass es bald einmal dem Abgrund entgegen geht.
Dann der höchste Punkt, da ist nichts von Aussicht genießen, ein kurzes Verweilen, dann geht´s schon wieder in rasendem Tempo bergab.
Da könnte ich dann schon aussteigen – Boden unter den Füßen – einfach gehen auf einer Ebene.
Am 1.12. wurde ich aus dem Spital entlassen, nachdem ich in einen Abgrund stürzte, unerwartet und heftig – Mit dem Heimkommen konnte ich wieder Boden unter den Füßen spüren – da sein, mich spüren, Sicherheit. – UP
„Jetzt nach der schweren Corona-Erkrankung fängt ein neues Leben an, ein von Krankheit befreites Leben, eines, in dem das Wohlgefühl und die Freude vorherrscht“– dachte ich.
Ja die Lunge war noch geschädigt, verständlich, aber ich konnte Zeugin meiner Selbstheilungskräfte sein und schon bald ohne nachfolgenden halbstündigen Hustenanfall die Stiegen zu meinem Zimmer erklimmen – UP
„Zur Sicherheit machen wir ein CT, um etwaige profunde Schäden auszuschließen“, meinte der Lungenfacharzt Anfang Jänner.
Ganz sicher war ich nicht, ob ich das wollte, aber warum nicht.
Dann der Befund – da musste ich ein Wort lesen „suspekter blastomatöser Herd“.
Mittlerweile etwas kundig in der medizinischen Terminologie wusste ich sogleich, dass das wahrscheinlich nicht Gutes bedeutet.
Der Herr Lungenfacharzt bestätigte meine Befürchtung und drängte auf weitere Untersuchungsmaßnahmen – eine Biopsie und/oder ein PET-CT. Ich verhandelte mir 5 Wochen Regenerations- und Bedenkzeit aus.
Das gab mir erneut einen Boden unter den Füßen und so konnte ich beide Diagnoseoptionen für 5 Wochen ausblenden.
Die tägliche Atemmeditation – sehr empfehlenswert – Quantum Light Breath von Jeru Kabal – trug mich in höchste Wissensgefilde. Ich wusste, dass alles gut ist und sein wird und war ruhig – UP
Der Tag des PET-CT rückte näher, ein mulmiges Gefühl beschlich mich schon im Vorhinein und dann wurden aus einem drei suspekte, weil stoffwechselaktive Herde – 2 in der Lunge und einer in meiner nicht mehr vorhandenen Brust (das gibt es auch).
Und wieder war es ein Wort, das mein Gefühlsgefährt hinunter stürzen ließ – SBL – „Sekundärblastomatöse Läsion“ – gar nicht gut, umgangssprachlich: eine Metastase.
Wow – damit hatte ich nicht gerechnet. Schwerkrank, ohne mich als solche zu fühlen. – DOWN DOWN
Dank meiner lieben Zwillingsschwester, die selbst Lungenfachärztin und Wissenschaftlerin ist, erhielt ich nähere Auskünfte. Leider musste ich erkennen, dass es ganz und gar nicht selbstverständlich ist, dass ich als Patientin mit der Nuklearmedizinierin selbst sprechen kann, wie es nicht mal selbstverständlich ist, dass der Befund nicht bloß dem zuweisenden Arzt sondern auch mir ausgehändigt wird. ,
Die Stoffwechselaktivität dieser drei Herde war nämlich zwar über dem Höchstwert, der als gesund gilt, aber dennoch nicht so hoch, dass mit Sicherheit ein höchst alarmierendes Krebsgeschehen sich in mir ausbreitet – UP
Schnell entschied ich mich für eine OP des Knotens am Brustrand, wollte ich doch keinen in die Rippe wachsenden Krebs riskieren.
Meine Chirurgin empfing mich im Aufwachraum mit der guten Botschaft – im Gefrierschnitt war kein (gravierendes) Krebsgeschehen zu sehen und auch im Entlassungsbericht stand „Exzision gutartiger Läsionen“
Welche eine Erleichterung – beflügelt verließ ich das Krankenhaus bereits am OP Tag. Jetzt nur noch die Narben verheilen lassen und dann einfach leben.
Die Histo stand zwar noch aus, dennoch war ich froh – UP
Dann der Anruf meiner Chirurgin – Leider ist es doch bösartig.
„Leider“ und „bösartig“ sind keine guten Worte im Zusammenhang mit Krebs und demensprechend erschüttert war ich von dieser Nachricht. Mittlerweile war ich bereits so verunsichert und entfernt von meiner inneren Stimme – die bis jetzt immer in genauem, intuitiven Wissen um das Geschehen war, dass ich mir alles vorstellen konnte – der Krebs, der ja bislang niemals kein wirklich böser war ist mutiert und es handelt sich um ein G3 und die Lungenherde sind wahrscheinlich doch Metastasen – DOWN.
Als der Befund dann tatsächlich da war, es ist wieder ein G1 – das heißt ein langsam wachsendes Geschehen – war die Erleichterung erneut groß – ein vorsichtiges UP.
Wie gesagt: Hochschaubahnfahren ist nicht so mein´s. Da schau ich lieber, was mir einen Boden unter den Füßen bereitet:
Wissen ist ein Boden
Eigene Forschung, mich nicht zufriedengeben mit dem Wissensstand der ÄrztInnen – ist ein Boden
Unbequeme Fragen stellen und lästig sein (dürfen) – ist ein Boden
Selbst entscheiden, wann, was richtig und stimmig ist, zu tun – ist ein Boden.
Menschen, die mich in der Gründlichkeit und Genauigkeit unterstützen – ist Boden
Menschen, die mir ihre Liebe bekunden und an meiner Seite gehen – ist ein Boden.
Dinge, zu tun, die mich anheben, ist ein Boden, ein Himmelsboden – zu meditieren, berührende Musik zu hören, zu schreiben, vor allem, wenn mein Schreiben aus einer höheren Ebene kommt.
Verantwortung zu übernehmen für mein Leben (mit Krebs) – ist ein Boden
Mein Leid, meine Sorgen, die Ratlosigkeit und Verzweiflung in göttliche Hände zu geben – ist ein himmlischer Boden.
In die Stille gehen, ist der profundeste Boden
Mit diesem Boden, der letztlich mein innerstes Zentrum ist, mit einem Bewusstsein über mein Ich, das durch alles durchzugehen vermag, kann ich mich den Bewegungen der Ups and downs (leichter) überlassen – mal mehr und mal weniger.
Ich muss den Atem nicht anhalten, kann das das Abenteuer des Lebens begrüßen, – mal mehr und mal weniger – und ich kann eine Sicherheit spüren, die nicht so leicht zu gefährden ist.
Dann wird die Achterbahn zur Hoch-Schau-Bahn und ich kann sehen, wie weit und groß das Leben ist.
Mein Krebs wurde erstmals 1997 diagnostiziert, in der rechten Brust, ausgedehnt auf 10×8 cm zeigten Mikroverkalkungen, einem Sternenhimmel gleich, ein niedrig malignes Krebsgeschehen an.
Der erste Chirurg, den ich 3 Tage nach der Diagnose kontaktierte – ein honoriger Universitätsprofessor – machte gleich mal klar: „Da muss Alles weg – die ganze Brust, dann sei ich geheilt.“
Das war der eigentliche Schock – der Verlust meiner Brust mit 41 Jahren. Das wollte ich nicht. Soviel war sofort klar.
Glücklicherweise fiel mir das wunderbare Buch „Brustgesundheit – Brustkrebs“ von Susun S. Weed in die Hände. Dieses Buch wurde zu meiner Bibel. Hier las ich – und das tat ich im Bus, in der Straßenbahn, zwischen den Therapiesitzungen, abends, morgens, überall und immer – dass wir, die von einer Krebsdiagnose betroffen sind, uns Zeit lassen dürfen, zunächst einmal innehalten, nichts tun, auf die innere Stimme hören und diesen Eingebungen folgen.
Das tat ich. Und so fand ich meinen ersten Chirurgen, der mir meine Brust beließ und mich nur von dem betroffenen Teil befreite – mit einer derartigen Kunstfertigkeit und in Liebe zu mir als Frau, sodass schon nach kurzer Zeit nichts mehr zu sehen war. Wunderbar.
Man/frau möge meinen, dass die Zeit um die Krebsdiagnose verschattet war, dunkel, bedrückend. Das war sie nicht. Vielmehr fühlte ich mich in meinen Bewusstsein angehoben. Leben durfte ich endlich, mich zum Zentrum meines Lebens machen, Leben aus mir heraus.
20 Jahre später erhielt ich die nunmehr dritte Brustkrebsdiagnose. Wieder wurden multizentrische Krebsherde gefunden und erneut traf ich ganz klar eine Entscheidung: Ich trennte mich von beiden Brüsten nach nahezu 50 Jahren Zusammenleben.
Und es war gut und richtig. Auch das mit einer gnadenvollen Geistes-Klarheit, die mir jeden notwendigen Seelen-nahen Schritt zeigte.
Dieser Chirurg, diese Chirurgin, dieser Operationszeitpunkt, diese Ernährungsumstellung, dieser spirituelle Weg, diese Ayurvedakur, das Beenden von belastenden Beziehungen, das Zusperren meiner psychotherapeutischen Praxis usw. – all das, entstand aus meinem Innersten.
Und dann vor nahezu zwei Jahren: Corona.
Auch hier war und bin ich ganz klar, was für mich zu tun und zu lassen ist. Auch habe ich keine Angst vor der Krankheit – bei aller Um- und Vorsicht. Ich weiß, dass sie, wie auch mein Krebs, der ja mein Krebs ist, mit mir zu tun hat, mit meiner Lebensweise ebenso wie mit meinem Schicksalsweg.
So weit, so ähnlich.
Es gibt jedoch im wahrsten Sinne des Wortes gravierende Unterschiede.
Ja, ich hatte es auch in Bezug auf meine Therapieentscheidungen wie viele andere, die sich für einen nicht orthodoxen schulmedizinischen Weg entschieden, mit Kopfschütteln, Infragestellen meiner Entscheidungen zu tun, und viele meiner Krebsgeschwister werden deshalb angegriffen, fallen gelassen und manchmal sogar mit dem Tod bedroht – „dann, wenn Sie diese oder jene Therapie ablehnen, sehen wir uns am Friedhof!“ Wie in der katholischen Kirche wird mit der Verdammnis gedroht, wenn man/frau sich vom einzig wahren Glaubensweg entfernt.
Aber: es war mein Körper, mein Weg und wenn ich mir ein Herz fasste und für mich und meine Entscheidungen eintrat, erfuhr ich oftmals auch Verständnis, Interesse und Respekt – auch von schulmedizinischer Seite.
Das, womit wir es jetzt seit nahezu 2 Jahren zu tun haben, ist ein anderes Kaliber.
Von Anfang an wurde diese Krankheit über Risikofaktoren hinweg generell dämonisiert und Menschen, die versuchten, diese Gefährlichkeit – auch mithilfe von wissenschaftlichen Untersuchungen – zu relativieren, wurden sogleich mit Titeln wie CoronaleugnerInnen, Covidioten, AluhutträgerInnen disqualifiziert und ja auch verfolgt.
Die Gehirne der Menschen wurden beständig mit der vermeintlich allumfassend tödlichen Realität der Erkrankung aller wissenschaftlichen Evidenz zum Trotz infiziert.
Sukzessive kamen Menschen, die gerade noch aufgeklärt, vernünftig zum Geschehen standen, von Sinnen. Sie verloren ihre organisimische Urteilsfähigkeit und letztendlich das, was mein lieber Wilhelm Reich als Wahrheitssinn bezeichnete.
Das – und ich sage das jetzt mal ganz unverblümt – ist das wahre Verbrechen.
Weil ohne diese Basis unserer organismischen Wahrnehmungsresonanz, unserer Einschätzungsfähigkeit, was wahr und angemessen ist, was wir als richtig und falsch für uns erachten, ein gesundes, der (inneren) Körper-Geist-Natur entsprechendes Leben schwer, wenn nicht unmöglich ist.
Die Krebsdiagnose führte mich durch alle Schichten meines verbiegenden Geworden-Seins geradewegs in mein Fundament, in das, was ich wesenhaft bin. Sie ließ mich in eine den Himmel und die Erde verbindende vertikale Ausrichtung kommen.
Und hier findet sich alles Wissen, das für das Jetzt und Hier gebraucht ist – ein Wissen, das aus der Erfahrung der Vergangenheit gespeist ist und den Möglichkeitsraum der Zukunft in sich trägt.
Diese Aufrichtigkeit, dieses Selbst-Bewusstsein, im Sinne eines Bewusstseins meines Selbst gilt es in einer Krise zu erwecken, das ist meine Erfahrung.
Ich könnte auch sagen, es bleibt uns nichts anderes übrig.
Und nein, dieser Prozess ist nicht schwierig, nicht anstrengend, nicht hart, vielmehr ist es eine riesige Befreiung, eine göttliche Freude.
Und hier in der Tiefe unserer Wahrheit findet Vernetzung statt zu Gleich-Gesinnten, Menschen, die gleich schwingen.
Wir ziehen über die Kraft unserer Authentizität Menschen an, wo eine Herzensverbindung, eine Vertrautheit spürbar und ein freudvolles gemeinsames Schaffen möglich ist.
Es tun sich Welten auf, Gutes strömt uns zu, und Neues entsteht.
Es ist nicht nur ein Bericht über eine spektakuläre Heilungsgeschichte, die im 1. Teil beschrieben wird, und bleibt nicht nur bei einem persönlich getönten Erfahrungsbericht, sondern geht weit darüber hinaus.
So findet sich in 2/3 des Buches eine auf profunden Daten beruhende Analyse zu vielen Aspekten um eine Krebserkrankung und ihre Therapie. Es zeigt damit auf, wie viel Unwissenheit im Zusammenhang mit Krebs und seinen Therapiemöglichkeiten nach wie vor herrscht.
Es gibt damit eine grundlegende Basis für einen bewussten, eigenverantwortlichen Weg, der aus einer Kombination der Möglichkeiten besteht. Erholsamer weise verdammt die Autorin weder das eine – die Schulmedizin – noch das andere – die alternativmedizinischen Möglichkeiten.
Es sollte unbedingt am Beginn des Krebsweges und vor einer Therapieentscheidung gelesen werden, weil die hier gegebenen Informationen entscheidend sein können, ob und auch wie man den einen oder anderen Weg antritt.
Bereits im persönlichen Bericht, finden sich viele wertvolle Hinweise und Botschaften, von welchen ich die für mich Wesentlichsten beschreiben will.
Die aller wichtigste ist wohl folgende:
1. „Meine eigene Geschichte ist der beste Beweis dafür, dass Krebs heilbar ist.“
Wohlgemerkt handelte es sich um ein Morbus Hodgkin Lymphom in Stadium 4b, mit einer Überlebensprognose von 8 Wochen.
Man braucht, um den Weg zu gehen, einen kundigen Begleiter, der gleichzeitig die Verantwortung ganz bei dem betroffenen Menschen lässt. Das hatte Miriam in ihrem homöopathischen Arzt.
Beginne da, wo Du beginnen kannst, eigenständig. Das war bei Miriam ihre Kohl- Diät, die sie über lange Zeit aufrecht erhielt.
Halte Dich fern von Menschen, welche ihr – unüberprüftes – Wissen ungefragt an Dich heran tragen! Halte Dich fern von Menschen, welche Dich mit mitleidigen Augen betrachten, die nicht an eine Heilung glauben und Dir mit Drohungen und moralischen Appellen („Bist ja Mutter von kleinen Kindern“) nahe treten!
Orientiere Dich an Krebsgeschichten mit einem wirklichen Happy End!
Bevor Du in einen diagnostischen, oft auch belastenden Prozess eintrittst, sei Dir bewusst, welchen Therapieweg Du auf der Basis dieser Diagnose einschlagen willst!
Sei Dir Deines persönlichen Heilungsziels bewusst! Miriam wollte nicht einfach ein paar mehr Monate überleben, sie wollte wirklich gesund sein mit allem, was dazu gehört.
Stell Dir die Frage, was Du von Deinem Leben wolltest und was Du gerne verwirklichen willst!
Nimm die Diagnose wahr, nicht jedoch alles was dran hängt – Statistik, Stigma, Prognose!
Forsche, forsche, forsche – mach´ Deinen Krebs zu Deinem Forschungsprojekt!
Wähle Ärzte, mit welchen ein dialogischer Prozess stattfinden kann, die Dich würdigen in Deiner Expertise, in Deiner Gründlichkeit und dies nicht als nervende Lästigkeit abtun!
Lege Deine Marschroute fest und bleibe ihr beharrlich treu!
Untersuche Deine grundlegenden Überzeugungen zum Beispiel zum Krebs und zum Tod und korrigiere sie, wenn sie einer Heilung nicht förderlich sind!
Nicht jeder Krebs muss eine psychische Ursache haben, lass´ Dich also nicht beirren, wenn es Dir gut geht in Deinem Leben, Du mit Deinem Mann und Deiner Familie glücklich bist, was nicht heißt, dass Du etwas verändern kannst im Sinne eines Dir gemäßen Lebens! Miriam hat Ihre Juristerei an den Nagel gehängt, und ist in ein weit entferntes Land gezogen, wo sie mit ihrem Pferd – wunschgemäß – über den Strand galoppieren kann und Bücher schreibt.
Sei nicht zu zimperlich mit Dir selbst in den Anforderungen, z.B. der disziplinierten Einhaltung der Diät!
Im 2. Teil geht Miriam anhand von ausführlicher Dokumentation von Forschungen auf sehr wesentliche Fragen ein – z.B. welche Wechselwirkungen sich aus der Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln, Vitaminen usw. mit einer Chemotherapie ergeben.
Sie geht weiters auf Nahrungsmittel und für Krebs spezifische Diäten, wie die Budwig oder Gerson Diät ein, und wie sie eine heilsame Wirkung entfalten können.
In Bezug auf die Chemotherapie werden Tests für Tumorprofile vorgestellt, mit welchen man feststellen kann, welche im konkreten Fall überhaupt wirksam sein können.
Es werden die Nebenwirkungen ebenso beschrieben wie Möglichkeiten, sie gering zu halten. Alles sehr detailliert, gründlich und übersichtlich.
Es wird beschrieben, wie wesentlich ein basisches Milieu ist und was man dazu beitragen kann.
In diesem Sinne ist es auch ein Nachschlagwerk, in dem man sich immer wieder vertiefen und damit neu motivieren kann.
Also, ich bin voll begeistert, wie man wahrscheinlich schon festgestellt hat.
Ich möchte nur einen Aspekt erwähnen, der mir wichtig erscheint bei der Lektüre:
Auch wenn alles Sinn macht, was Miriam zu ihrer Heilung unternahm, es sind wohl fundierte Entscheidungen, die da getroffen wurden und das wird auch sehr schlüssig dargelegt, ist es dennoch ihr Weg. Jeder Krebs ist anders und vor allem jeder Mensch ist anders. Bei Miriam war der Krebs ein existentiell bedrohliches Geschehen – es ging ums Überleben. Da geht es nicht darum, ein bissl von dem und ein bissl von dem zu machen, sondern um radikale Maßnahmen.
Bei mir selbst handelte es sich um einen langsam wachsenden Tumor, ein In situ Carcinom. In meiner subjektiven Kranheitstherorie war das Krebsgeschehen ein Ausdruck der erbarmungslosen Härte gegen mich und meine Bedürfnisse. Jahrelang hielt ich mich an diverse, „gesunde“ Diäten und befolgte sie mit großer Strenge.
Für mich war die Krebsdiagnose ein Aufruf, mehr Milde und Mitgefühl im Umgang mit mir walten zu lassen, damit endlich Ausdehnung stattfinden kann. Eine weitere strikte Diät hätte mein Lebenslicht gehörig gedimmt und mich in ein lichtloses Verließ gebracht, weshalb zwar eine grundlegende Orientierung an einer gesunden Ernährungsweise – in meinem Fall die ayurvedische Ernährung – gut war, nicht jedoch eine radikale Einschränkung, wie sie Miriam vornahm.
Ich möchte dies zu bedenken geben, weil ich weiß, dass Menschen, die in einer Krebs-Not sind, sich allzu schnell einem fremden Weg anschließen, wenn er einmal zum Erfolg geführt hat – für jemandem in einer anderen Situation, mit anderen Voraussetzungen. Oder wie Miriam selbst sagt: „Jeder Weg kann der richtige sein, wenn er selbstbestimmt und aus Überzeugung beschritten wird – und nicht aus Unwissenheit und Angst.“
Das Buch endet mit einer wunderschönen, märchenhaft anmutenden wahren Geschichte von einem Mann, der Heilung erfuhr, indem er sich von der Welt zurückzog, ein rhythmisches, immer gleich bleibendes Leben führte, indem er täglich literweise Säfte trank, viel lief und an seinem (Lebens-)Projekt arbeitete.
Wie das ganze Buch zeigt diese Geschichte, dass alles möglich ist – wenn wir die Verantwortung für unsere Heilung übernehmen, wenn wir beharrlich und treu unseren Heilungsweg gehen, und wenn wir uns nicht vom Außen und dem, was über den Krebs so gedacht wird, beirren lassen.
Das Buch ist ein Booster für Mut, Tatkraft, Ernsthaftigkeit, Genauigkeit und auch einer Prise Strenge, wie sie nur jemand äußern darf, der es mit einem derartigen Krebsgeschehen zu tun hatte.
Das Buch entfaltet so viel Kraft, weil es von einem wirklichen Krebsprofi geschrieben ist, von einer Frau, die weiß, wovon sie redet, weil sie es selbst erlebt hat und den Weg gegangen ist. Es ist in diesem Sinne wirklich ein „verständnisvoller Ratgeber, geistiger Leitfaden und seelische Unterstützung. “
„Es ist eine sehr schwere Zeit“ sagt Elia Bragagna im Radiokollegbeitrag vom 13.3.2018 in Bezug auf die Zeit nach einer Brustkrebsoperation. „Es ist eine schwere Zeit, und es ist harte Arbeit“, zu einem neuen Verhältnis und einem Selbstbild zu kommen, sagt sie da.
Nein, will ich gleich widersprechen. War es nicht. Dieses Jahr – heute jährt sich die 3. Brustkrebsdiagnose – war kein schweres und nein, es war auch keine harte Arbeit, mich mit meinem neuen Selbstbild wohl zu fühlen.
Ja, es war eine intensive Zeit, oftmals eine Hochschaubahn der Gefühle, ein Aufgeregtsein war es, aber nicht dunkel und nicht schwer. So habe ich es erlebt.
Zu allererst war es eine wandelnde Zeit.
Ich durfte noch einmal ganz tief in die Schichten meiner Selbst eindringen, mich von Altlasten befreien. Und dazu gehört auch meine Brust. Ich musste sie nicht hergeben, da hätte es auch andere Wege gegeben, hat es sich doch nicht um einen schnell wachsenden, aggressiven Tumor gehandelt. Diese anderen Wege wollte ich nicht gehen. Ziemlich schnell war klar, dass ich mich von ihr trennen wollte.
Viele wunderbare Erlebnisse hatte ich in diesem Jahr, angefangen von der Suche nach einer geeigneten Form des Umgangs mit der Diagnose. Konnte wieder mal die Bewusstseinsanhebung rund um die Diagnose bemerken, meine Klarheit, die Unbeirrbarkeit in meinem Wissen, was zu tun ist.
Dann durfte ich mich in meinem Mut erfahren, meinen bei den ersten beiden Diagnosen außerordentlich dienlichen Chirurgen zu „entlassen“, weil ich merkte, dass seine Haltung (dass die Brust zu erhalten ist) keine stabile Basis für eine derartig große Unternehmung ist. Dann die Begegnung mit meiner Chirurgin, wir zwei Frauen – zu erleben, wie viel nahezu schwesterliches Einverständnis es in unserer Beziehung gibt.
Für mich war diese Zeit eine lichtvolle. Eine Zeit der Befreiung, eine Befreiung auch von Konzessionen und Konzepten, woran die Schönheit einer Frau geknüpft ist.
Und dann war sie weg, die Brust, und gar nichts, wirklich gar nichts fehlt mir. So ist es.
Mehr noch, ich habe das Gefühl, endlich in meinem Körper angekommen zu sein, so bizarr das klingen mag. Und der ist nicht mal brustlos, gibt es ja noch diese innere Brust und auch diesen kleinen Brustansatz, der dank der wunderbaren Operation noch immer da ist.
Schön fühl ich mich.
Bei allem Respekt und Verständnis, dass es für viele Frauen leider eine schwere Zeit ist und eine große Belastung, gilt es dies mitzuteilen:
Nein, es muss keine Katastrophe sein, wir sind keine kastrierten Frauen, Brust- und Sexualitäts-amputiert. Wir können über einen derartigen Einschnitt, der auch patriarchale Bilder von uns, wie wir sein sollen, durchtrennt, zu unserer wahren Kraft und Schönheit finden.
Das gibt es auch.
Da steht sie auf, die alte Feministin in mir und möchte entgegenrufen: Hej, es ist wichtig, auch davon zu erzählen und nicht bloß, dass es ach´ so schlimm ist (sein muss) und ach´ so eine schwere Zeit.
Lasst uns die Frauen mit ermutigenden Botschaften speisen, dass es im Wesentlichen sooooo was von wurscht ist, für uns und unseren Weg, ob da zwei Gewebsteile an uns dran hängen oder nicht.