Über das Wohlgefühl im Körper als Daseins-Basis

Das ist das Allerwichtigste :

Sich im eigenen Körper wohl zu fühlen.

Das getraue ich mich jetzt einfach so apodiktisch zu sagen.

Damit dieses Wohlgefühl sich ausbreiten kann, braucht es eine Genauigkeit mit sich selbst, eine Wahrnehmungsgenauigkeit. Dass ich also überhaupt wahrnehme, wie es mir so geht mit allem, was ich zu mir nehme und tue.

Erst dann kann  ich spüren, dass der Kaffee, wie heute Morgen auf nüchternen Magen getrunken, mich kränkt.

Dass er genau genommen, meinen sanft sich in den Tag ausdehnenden Körper in Aufruhr bringt – deshalb trinken wir ihn ja auch, – um wach zu werden, um den Tag angehen zu können.

Wenn wir uns jedoch Zeit nehmen, wie ich jetzt im Urlaub, kann ich spüren, dass dieser Aufruhr gar nicht angenehm ist, dass mir der Kaffee den Magen beleidigt, dass ich und mein ganzer Organismus damit beschäftigt ist, mit dieser Missempfindung fertig zu werden.

Und damit die Offenheit für das, was jetzt zu erfahren, zu erleben ist, beeinträchtigt.

Ja so ist es mit Vielem, was wir glauben, dass gut ist.

Das Wohlgefühl in unserem Körper ist zentral, habe ich eingangs gesagt.

Es ist zentral für mein Hierbleiben-Wollen auf der Erde, in der irdischen Realität.

Ich habe über Jahre und Jahrzehnte erfahren, wie sehr ein dauerndes Unwohlsein in meinem Bauch meinen Lebenswunsch dimmt. Leider geht es vielen Menschen, welche an einer (frühen) Traumafolgestörung zu leiden haben ähnlich.

Entweder sie nehmen ihren Körper überhaupt oder nur peripher wahr, muten ihm daher schier Unerträgliches zu, oder aber sie leiden unter  Schmerz und Unbehagen.

Kelly Turner nennt in ihrem hervorragenden Buch „9 Wege in ein krebsfreies Leben“ (https://krebscoaching.org/buchempfehlungen/bucher/) als einen wesentlichen Faktor fürs Überleben das Vorhandensein von starken Gründen für das Leben.

In den Interviews, die sie mit Menschen führte, welche eine unerwartete Genesung erfahren haben, nannten diese als starke Gründe zum Beispiel, dass sie das Großwerden ihrer Kinder, die Fertigstellung eines Projekts, das Großmutter Werden, oder aber auch endlich seine Berufung zu finden, erleben möchten.

Ich meine, dass einer der wesentlichsten Gründe, hier in dieser irdischen leiblichen Existenz zu bleiben, ist, dass mein Körper ein behagliches Zuhause ist, der mich mit Wohlbefinden speist, und der mir dient für das Erleben einer begrüßenswerten irdischen Realität.

Ja – da möchte ich bleiben, möchte nicht abhauen in einen Körper-  und damit schmerzfreien Zustand, wie es die überirdische, nachtodliche Realität verspricht.

Hier möchte ich bleiben, das Leben genießen, mich mit dem Leben verbinden.

Jede Faser, jede Zelle sich öffnend der irdischen Existenz.

Über das Recht auf´s Allein-Sein

Dieser Beitrag richtet sich in erster Linie an Menschen, die in einer Beziehung oder in einem Familienzusammenhang leben. Es ist mir bewusst, dass es viele Menschen gibt, die sich nach Gemeinsamkeit und einem Aufgehoben sein in einer Familie sehnen und deren Allein-Sein nicht freiwillig ist, und welche vielmehr an einem Zuviel davon leiden.

Alleinsein gehört zu meinen Hauptnahrungsmitteln – Tür zu, niemand im Haus, nur ich und die Stille.

Ausatmen. Sein.

Es war eines der größten Geschenke, welche mir die Krebsdiagnose gab – die Möglichkeit, oft allein zu sein, ungestört. Dankenswerterweise konnte ich es mir leisten, mir sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Operation einige Monate ohne Berufstätigkeit zu gönnen. Das war eine richtige Frei-Zeit – ohne Projekte, ohne Aufgaben und mit viel freier Zeit, alleine.

Wie ich es schon in meinem Blogbeitrag „Das Recht auf´s Nein“ https://krebscoaching.org/2017/04/  beschrieb, fällt es manchen Menschen schwer, Nein zu den Bedürfnissen der anderen zu sagen. Sie sind ausgerichtet auf deren Erfüllung, können schwer in ihrem eigenen energetischen Raum bleiben und erschöpfen sich damit zunehmend.

Für solche Menschen ist es wichtig, sich immer wieder aus den Kontakten zurückzuziehen, für sich zu sein, in einem sicheren ungestörten Raum. Gerade bei Menschen, welche eine schwere Traumatisierung mit Übergriff, Missbrauch und Gewalt erlebt haben, reicht nicht mal die geschlossene Tür zum eigenen Zimmer, um  Sicherheit zu empfinden, und damit die Möglichkeit, sich wirklich auszudehnen. Sie brauchen es, dass niemand in der ganzen Wohnung ist, um ausatmen zu können.

Das mag für Menschen, welche diese Erfahrung nicht gemacht haben, sehr befremdlich klingen, aber es gilt dies zu würdigen. Da nützt es nichts, mit Forderungen an sie oder sich selbst heran zutreten, dass man doch bei sich bleiben können muss, auch wenn man im Kontakt mit anderen ist.

Es gilt wahrzunehmen, wie ich angelegt bin, mit einer Durchlässigkeit meiner energetischen Grenzen, wo vieles von außen einfließt. So ist es einfach.

Und dann gibt es noch die gesellschaftlichen Vorgaben, dass es um eine Beziehung bereits schlecht bestellt ist, wenn man sich zurückziehen, für sich sein will, einen Tag oder vielleicht sogar einen Urlaub ohne den/die PartnerIn verbringen will. Da muss schon was im Argen sein, wenn man nicht Tag und Nacht mit dem Partner/der Partnerin sein will. Auch das getrennt Schlafen gilt als Anfang vom Ende.

So halten wir vieles aus. Und das tut uns und auch unserer Beziehung nicht gut. Wir werden grantig, fokussieren zunehmend auf die Fehler und Eigenartigkeiten des anderen und schaffen damit eine Distanz  – eine Distanz jedoch, die sich – weil konflikthaft –  nicht gut anfühlt.

Ich glaube, dass sich viele Menschen von ihrem Partner trennen, weil sie über Jahre einem derartigen vorgegebenen Konzept von Beziehung gehorchten, wo es dazu gehört, das man/frau so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen wollen muss, dass das Paar selbstverständlich jede Nacht das Bett teilen und auch noch nach jahrzehntelanger Beiziehung leidenschaftlichen Sex miteinander haben soll.

Sie halten aus, bis dieses Aushalten nicht mehr geht, sie sich trennen müssen oder eine Krankheit „einspringt“, und mir einen Frei – Raum gewährt. Jetzt  darf ich mich um mich kümmern, zum Beispiel im Zuge einer Kur mehrere Wochen nur auf mich schauen ohne Orientierung auf den anderen. Das ist erholsam.

An der Basis dieses Gebots, dieses Tabus ist wie bei so vielen Lebensrichtlinien ein Mangel an Vertrauen in die rhythmische Natur unseres Organismus.

Dieser Rhythmus pendelt zwischen Öffnung, nahe kommen wollen und Intimität und einem Rückzug, einer Distanz, einem zu mir kommen und einer Innigkeit mit mir selbst.

Im Alleinsein zentriere ich mich, schwinge mich in mich selbst ein, komme in Berührung mit meinem Wesen und meiner schöpferischen Kraft. Und ich kann auch erleben, dass ich mir genug bin und nicht angewiesen auf die Erfüllung von Bedürfnissen durch andere. Gleichgültig, was ich dann tue, es ist zutiefst verbunden mit mir.

In dieser Vertiefung meiner Beziehung zu mir selbst öffnet sich sodann – das ist meine Erfahrung – erneut die Liebe zu ihm,  ich kann die Sehnsucht nach Begegnung erneut spüren und im Kontakt ist wirklich er gemeint.

Jetzt verweilen solange bis……

Das Recht auf´s Nein als heilender Faktor

Jetzt hab´ ich schon wieder zu etwas zugesagt, von dem ich bereits im Zusagen spürte, dass ich es eigentlich nicht will.

Ein Freund/eine Freundin ist mit einem Wunsch, einer Einladung, einer Bitte an mich herangetreten. Ich spüre, dass es ihm/ihr ein Bedürfnis ist, dass ich ihm/ihr diese Bitte erfüllen möge. Bisweilen ist diese nicht mal explizit ausgesprochen, in unserem Verbundensein spüren wir jedoch, dass es wichtig wäre, dass ich der Bitte nachkomme. Das erzeugt einen inneren Konflikt – möchte die Freundin nicht enttäuschen, andererseits gibt es da mein organismisches Nein.

Dieses Nein bleibt zumeist ungehört und drückt sich nur in einem Unwohlsein, einem Unbehagen, einem Stress aus. Die Zeit verstreicht, der Zeitpunkt kommt näher, wo es das Versprechen einzulösen gilt. Ich stecke den Kopf  in den Sand –  das Unbehagen bleibt – ungehört, da muss ich durch, hab´s ja versprochen, es wird immer unmöglicher abzusagen, die Enge immer spürbarer, der Aufwand, mein organismisches Aufbegehren zurück zu drängen immer größer. Und das ganze Leben wird angepatzt vom Tintenklecks des ungesagten Neins.

Schade!

Viele Menschen mit einer Krebsdiagnose berichten, dass sie immer versuchten, den Bedürfnisse der anderen gerecht zu werden. Sie stellten diese über die eigenen und standen damit – bisweilen kaum merkbar – unter Stress.

Es gibt ja viele Theorien zur Krebsentstehung, viele davon wurden falsifiziert. Was ich aber sowohl in meinem persönlichen Bezug als auch in Krebsbiographien, beziehungsweise in neueren Betrachtungsweisen wiederholt bestätigt fand, ist der Aspekt der Ohnmacht dem eigenen Leben gegenüber, der Fremdbestimmtheit, der Ent-fremdung von sich, das sich oftmals im Inneren des krebskranken Menschen finden lässt.

Am Grund dieser Ent-Eignung finden sich oftmals viele, viele ungesagte Neins und die Überzeugung, nicht Nein sagen zu dürfen.

So wird das Leben fest, bisweilen ganz und gar ohne Lücken der Freiheit. Die stille Verzweiflung, welche krebskranken Menschen von Le Shan (siehe Buchempfehlungen) zu geschrieben wird, begleitet diese Menschen wie ein dunkler Schatten.

Es ist diese grenzenlose stumme Verzweiflung darüber, dass man keinen Aus-Weg sieht oder vielmehr keine Berechtigung hat, ein für sich gültiges, gemäßes Leben zu führen, ein Leben, das die Seele begrüßt.

So wird das Nein zu diesem Leben – mit einem Beruf, der mich nicht erfüllt und erschöpft, einem Partner, von dem ich mich nicht gesehen und geliebt fühle, mit den Freundschaften, welche mich nicht nähren, aber auch mit all den ungeliebten Verpflichtungen, die ich eingegangen bin, all den Konzessionen, die ich gemacht habe, all den Zusagen die ich wider besseren Spürens getroffen habe –  zu einem Nein zum Leben überhaupt.

Die Resignation ist tief und greift das biologische Fundament den Kern des Lebens an.

Das ist es, was Wilhelm Reich als Kern der Krebsbiopathie beschreibt, dieser Rückzug aus der Welt bis auf eine plasmatische Ebene.

Ja und Nein als die zwei Grundbewegungen des Lebens – Ja als öffnende , von sich ausgehende nach außen in alle Richtungen, in die Welt gewendete Bewegung, Nein kontrahierend, zusammenziehend, in den Kern hinein, wobei ein Nein, das nach außen gesprochen wird, auch ein Ja ist.

Ein nicht gesprochenes Nein führt jedoch zu einem Abziehen der Energie von der Peripherie, zu einer  Kontraktion – zu einer Lebensverneinung, fortschreitend.

Ich denke, dass dies ein wesentlicher, ganz grundlegender Prozess bei der Krebsentstehung ist.

So war es bei mir: ich wollte dieses Leben nicht mehr, ein von Leistung, Druck und Angst bestimmtes Leben, und da ich es nicht wagte, zu glauben, dass ich ein mir angemessenes Leben erschaffen kann, dass ich dazu berechtigt bin, lehnte ich das Leben an sich ab, wollte nicht mehr leben, raus aus dieser Welt, nein, dieses Leben war von meiner Seele nicht begrüßt.

Und dann die Diagnose:

Das Leben in seiner unmittelbaren Qualität ist bedroht, ich könnte sterben an meinem Krebs. Der Tod jetzt an die Seite gestellt, die Endlichkeit meiner irdischen Existenz wird bewusst.

Und plötzlich geht es nicht mehr ums Erfüllen von Erwartungen und Formen des Lebens, sondern ums Leben an sich, um mein Leben und vielleicht das allererste Mal um mich.

So wohnt der Krebsdiagnose neben dem Schock der Todesgefahr auch ein Potential inne. Das Potential aufzuwachen, das Leben als meines zu begreifen, und zu beginnen für dieses mein Leben zu sorgen.

Eine Lücke tut sich auf, durch die Lebens-Licht durchscheint. Viele krebskranke Menschen beschreiben eine Anhebung des Bewusstseins rund um die Diagnose, in dem vieles viel klarer gesehen wird. Das ist eine große Chance.

Hier in einer Situation, wo es wahrhaft ums Über-Leben geht, ist es vielleicht leichter, sich einzusetzen für die eigene Wahrheit, für das Nein oder Ja.

Es ist jedoch nicht übertrieben zu sagen, dass es immer um dieses mein Leben geht, darum, dass ich mich frage, was und wem ich in meinem Leben Raum geben will, was ich bejahe und verneine. Letztlich geht es um die Qualitäten von Ausdehnung,  Pulsation, Wohlgefühl und Freude.

Zu sehen, dass das hier mein Leben ist –  in jedem Moment.

Wenn all die ungesagten Neins unser Lebenslicht dimmen, so  schafft  ein ausgedrücktes Nein sofort Frei-Raum, es kräftigt uns, lässt uns uns aufrichten, öffnen.

Und schon entfaltet sich unser Ja zum Leben – ganz einfach und selbstverständlich.

Stress hat viele Gesichter….

Nein, nicht jetzt mit dem Radl fahren. Mir die Straßenbahn gönnen, dann zu Fuß gehen, ganz gemütlich, kein Aufwand, keinen Platz fürs Fahrrad suchen müssen, einfach aussteigen und dann gehen, nicht mir überlegen müssen, wie ich all die Sachen vom Markt und Bioladen transportieren kann, einfach eine Einkaufstasche mitnehmen und dann mit der Bim zurück, zu Fuß. Das ist beruhigend im wahrsten Sinne des Wortes.

So vieles verursacht subtilen Stress, den wir als solchen gar nicht erkennen. So gilt das Radfahren als gesund und eine sportliche Betätigung grundsätzlich als stressabbauend.

Was ist Stress?  Stress ist für mich, wenn etwas, das ich mache oder denke eine Spannung erzeugt. Diese Spannung entsteht aus einem Nein meines Organismus zu dem, was ich tue oder glaube, jetzt tun zu müssen.

Und da gibt es vieles, was nicht unbedingt notwendig wäre für mein Leben, was ich mir jedoch vorstelle, dass es notwendig ist – wie zum Beispiel klarerweise mit dem Rad zu fahren, wenn es möglich ist.

So ziehen wir unsere Fitnessprogramme durch, ungeachtet unserer aktuellen Befindlichkeiten, wir überwinden, wie man so hässlich sagt, unseren inneren Schweinehund, koste es, was es wolle.

Das alles basiert auf einem geringen Vertrauen in unseren Körper, der uns seine Bedürfnisse mitteilen würde, wenn wir ihm Gehör schenken.

Diese Bedürfnisse sind – das ist meine Erfahrung – rhythmisch angelegt. So verlangt unser Organismus bisweilen nach Ruhe, Stille, Sanftheit, manchmal jedoch nach kraftvollem Ausdruck, einem Reintreten in die Pedale usw.

Eines geht aus dem anderen hervor, wenn wir es zu – lassen.

Wenn wir unseren Körper nicht unter unsere Ideen über ein gesundes Leben unterjochen, bis er sich so kräftig meldet, dass wir gar nicht anders können, als Ruhe zu geben.

Krebs ist in meinem Verständnis oftmals ein Ergebnis eines über lange Zeit ungehörten Organismus – ein Ergebnis eines Prozesses, wo wir nicht wahrgenommen haben, was jetzt dran ist.

In körperlicher Hinsicht heißt das, dass wir unseren Bedürfnissen nach Ruhe und Entspannung oder auch umgekehrt dem Bedürfnis nach Bewegung und Ausdruck nicht Rechnung  getragen haben. Aber auch im psychosozialen Bereich gilt es, die je wechselnden Bedürfnisse nach Rückzug, Einkehr und Sammlung beziehungsweise nach einem nach außen gehen wahrzunehmen.

Wir können – in Verbindung mit unserem Körper –  immer wieder den Faden aufgreifen und uns fragen, wo dieser Lebens-Faden jetzt beginnt –  indem ich auf mich Rück-Sicht nehme, und eben heute nicht mit dem ach´ so gesunden Fahrrad fahre.

Oder aber, indem ich meine Trägheit, meine Lähmung, mein Erstarren in gewohnheitsbedingten Mustern wahrnehme und so den Faden aufgreife, weil es nämlich ohnedies gar nicht angenehm ist, in der Bewegungslosigkeit zu verbleiben und unser Körper sich bewegen will.

Und schon kommt Freude auf, und dann darf es sich auch wandeln.

Vielleicht ja doch mit dem Fahrrad fahren?

Liegen lernen oder ein Lob dem Kranksein

Als ich 1998 das erste Mal mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war, war das natürlich zunächst ein großer Schock. Zugleich war es auch ein Befreiungsschlag.

„Krebs berechtigt. Krebs berechtigte mich, auf mich zu schauen, mich zum Mittelpunkt des Lebens zu machen, Termine und Verpflichtungen abzusagen, mich um mich selbst zu drehen, aus mir heraus zu sein.“ schrieb ich damals in einem Artikel mit dem Titel „Krebs Sei Dank“

Jetzt viele Jahre später und krebsfrei bin ich natürlich auch immer wieder mit „normalen“ Krankheiten konfrontiert, wie zur Zeit mit einem grippalen Infekt, mit allem was dazu gehört, aber ! ich habe kein Fieber, schon gar nicht habe ich (Gott sei Dank!) eine derartig spektakuläre Diagnose wie Krebs.

Und da fängt es dann wieder an: „Darf ich meine Therapiestunden absagen, die KlientInnen enttäuschen, sie, die mich brauchen, allein lassen?“ frage ich mich.

So verhandle ich täglich mit mir, ob es nicht eh schon wieder geht, anstatt in einem Akt alle Stunden für die Woche abzusagen. Auch bei privaten Terminen wie einem gemeinsamen Essen befällt mich das schlechte Gewissen. Und es fällt mir sogar schwer, selbstauferlegte Verpflichtungen wie mein Fitnessprogramm (man/frau beachte das Wort!) sausen zu lassen.

So halte ich meinen Geist und damit auch meinen Körper auf Trab, gönne ihm nicht die Ruhe, die er jetzt braucht. Er, der so lieb eingesprungen ist, mich aufmerksam gemacht hat, dass eine Auszeit dran ist, wird neuerlich nicht erhört.

Dass wir erst dann von der Schule fernbleiben dürfen, wenn wir wirklich krank sind, haben wir früh erfahren. Da gilt es nicht als ein Entschuldigungsgrund, dass ich einfach nur Bauch- oder Kopfweh habe, dass ich mich schlecht und gestresst fühle.

Auch wenn wir erwachsen sind, sollten wir uns so früh wie möglich gegen Grippe impfen lassen, damit sie uns nicht erwischt, wir nicht ausfallen aus dem Arbeitsprozess, wird uns beständig gesagt.

Das alles ist ein – wie ich meine – kranker Umgang mit Krankheit, der, so bin ich überzeugt, krank macht. Im Gegensatz dazu wäre es höchst notwendig, die einfachen Krankheiten zu würdigen in ihrem Wert für unser Leben und ihrem Beitrag zur Prophylaxe von schwerer chronischer Krankheit, (denn die haben sie!).

Auf diesem Boden der gesellschaftlichen Wertschätzung könnten wir in Fühlung mit unseren Bedürfnisse kommen, wenn wir krank sind. Wir würden  uns zuallererst Ruhe gönnen, uns zurückziehen, statt zu laufen, zu gehen, zu sitzen einfach liegen, abgeben, uns versorgen lassen und reduzieren auf allen Ebenen.

Wir würden tun, was wir wollen – lesen oder nicht lesen, Radio hören, nicht einfach nur im Nebenbei, die Blumen ansehen und uns an ihnen freuen, das Fenster öffnen, um frische Luft rein zulassen, inhalieren, Tee  trinken, eine Wärmeflasche unter die Füße legen, oder ganz einfach nichts tun.

In diesem Eintauchen in uns selbst kommen wir unserem Körper wieder nahe, wir spüren ihn anhand dem Unwohlsein, in seiner Schwere, in seinem Atmen und der Erleichterung zwischen den Hustenanfällen.

Dann, nachdem die größten Beschwerden gewichen sind, werden auch Seelenkräfte spürbar, andere Dimensionen unseres Selbst eröffnen sich, Eingebungen kommen zu Tage. Erneuerung und Transformation findet statt.

Und dann, wenn wir das alles zu-lassen, wenn wir uns selbst Raum geben und die Zeit, die es braucht gewähren, erwachen die Lebensgeister, wir erstehen neu und erfrischt aus all dem wieder auf.

Bis zum nächsten Mal.

Krebs und ganzheitliche Gesundheit bei Wilhelm Reich

Wilhelm Reich, Psychoanalytiker, Arzt und Forscher (1897-1957) ist zu Unrecht in weiten Kreisen unbekannt. Er  erkannte, dass am Grund jeder Erkrankung eine Störung im bioenergetischen Funktionieren des Menschen besteht. Diese Störung drückt sich sowohl auf der körperlichen Ebene in Form von chronischen Kontraktionen, von ihm Panzerungen genannt,  aus, wie auch im Charakterlichen, in der Unfähigkeit sich auszudrücken und sich dem Leben hinzugeben. Er gilt als Vater der modernen Körperpsychotherapie, welche nicht nur an der Psyche sondern auch direkt am Körper ansetzt.

Ab den 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts begann er systematisch mit der Erforschung der Krebserkrankung wie auch mit Untersuchungen zu ihrer Heilung.

Er erkannte, dass der Krebserkrankung eine Pulsationsstörung zu Grunde liegt, die sich chronisch  über mehrere Stadien bis zum Krebssymptom entwickelt. Diese Pulsationsstörung nannte er Schrumpfungsbiopathie. Er beschrieb, dass bei Menschen, die letztlich an Krebs erkranken ein Überwiegen der Kontraktion besteht, eine Sympathikotonie des vegetativen Nervensystems, was mit vegetativem Stress und Veränderungen im immunologischen System und in der endokrinen Regulation einhergeht.

Es ist eine Erschöpfung des Gesamtsystems, welche eine Krebserkrankung begünstigt. Im Psychischen drückt sich diese in einer Resignation, einem Aufgeben, einem Nein zu Welt und zum Leben aus. Viele Krebskranke berichten von dieser Erschöpfung in den Monaten vor der Krebserkrankung. Die Lebensfreude ist abhanden gekommen und das Leben erscheint entfremdet und sinnlos.

Es ist unglaublich, wie weitsichtig dieser Sichtweise von Reich war. Sie deckt sich eins zu eins mit den neueren Untersuchungen aus der Psychoneuroimmunologie bei Krebs, wie sie zum Beispiel durch Christian Schubert an der Universitätsklinik in Innsbruck durchgeführt werden.

Reich betrachtet also die Krebsgeschwulst  als ein Symptom der Krebserkrankung. Konsequent setzt seine Behandlung demzufolge an diesem tieferliegenden Mechanismus des bioenergetischen Funktionierens an. Er wandte dazu Orgonakkumulatoren an. mit dem Ziel „der Aufhebung der Kontraktion und der Erzeugung einer Expansion…“

Die Pulsationsfähigkeit, also das Pendeln zwischen Kontraktion und Expansion ist die Grundlage für Gesundheit. Die Anwendung des Orgonakkumulators – bisweilen begleitet von einer psychosomatisch orientierten Vegetotherapie  – führte zu dramatischen Verbesserungen sowohl was objektive Befunde aus den Ergebnisse der Blutuntersuchung betrifft – Reich brachte eine Lebendblutuntersuchung zur Anwendung – auch dieser meiner Ansicht nach äußerst bedeutsame Test ist in Vergessenheit geraten und wird kaum noch angewandt.

Vielfach ging auch die Metastasierung zurück, vor allem zeigten sich Verbesserung im subjektiven Empfinden des Menschen – Gewichtszunahme, vermehrter Appetit, weniger Übelkeit und Schmerzen, verbesserte Hautdurchblutung, Zunahme an Lebendigkeit, Empfindung von Wohlbefinden und Lust.

Er beschreibt, wie wichtig es ist, das wie er sagt in der „Tiefe festgeklemmte Nein – Nein zu befreien und die gesamtorganismische Fähigkeit zum Ja zu fördern. Gesundheit ist in diesem Sinne dann gegeben, „wenn der Organismus als ein totales Ganzes funktioniert, ….wenn die Ausdrucksbewegungen des Menschen frei ablaufen können.“ (Reich, Charakteranalyse S. 386, 1976)

Am 11.3. 2017 werde ich am Abend zum Thema „Ganzheitliche Gesundheit bei Wilhelm Reich“ sprechen. Genauere Infos zur Veranstaltung siehe hier: www.tzg.at/dieveranstaltungenimeinzelnen/tag-der-ganzheitlichen-gesundheit.html

Information über Wilhelm Reich, seine Therapieansätze und TherapeutInnen bzw. ÄrztInnen, welche in seiner Tradition arbeiten siehe www.wilhelmreich.at

Zu-Ruf statt Nach-Ruf

„Wenn nur 1% dessen, was ehrlich und wertschätzend über Politiker/innen nach ihrem Tod gesagt wird, schon zu Lebzeiten gesagt wird, wär´s gut.Und das gilt für alle Menschen, nicht nur für Politiker/innen.“ postete Christoph Chorherr am 24.2. 2017 anlässlich des Todes der  österreichischen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser.

Viel Gutes wurde über sie gesagt in den letzten Tagen – dass sie ein wertvoller, aufrichtiger, verbindlicher, positiv denkender Mensch war, der über die Parteigrenzen hinweg wertschätzende Beziehungen führte. Für mich rückten diese Wortmeldungen die mir unbekannte Frau in ein neues, angenehmes Licht.

Es zählt zu den lieb gewonnen Gepflogenheiten, dass man am Grab über die Verstorbenen Gutes sagt. Vielmehr noch – man bemüht sich, das Gute, das vielleicht zu Lebzeiten gar nicht so deutlich offenbar wurde, heraus zu streichen.

So wird beispielsweise in einem Nachruf aus einem konfliktscheuen ein verbindlicher Mensch, dem die Harmonie zwischen den Menschen über Allem stand, und aus einem  zuvor als streitsüchtig  geltendem Menschen wird  ein kompromissloser, der sich ganz und gar für eine Sache einsetzte.

Anhand dieser  Beispiele kann gesehen werden, wie unterschiedlich Sichtweisen sein können.

Und es wird darauf ankommen, wie wir eine Eigenschaft eines Menschen sehen wollen. Die Erfahrung zeigt, dass wir zu Lebzeiten mit den für uns schwierigen, unbehaglichen Seiten  eines Menschen leider oftmals  in einer be- und verurteilenden Weise umgehen.

Und das Bemühen um eine erweiterte Sicht, die das Gute im anderen sieht, findet oftmals erst anlässlich seines Todes statt – sozusagen in unserer Komfortzone.

Was würde es tatsächlich verändern, wenn wir dieses Bemühen schon zu Lebzeiten walten lassen. Wie würde sich diese Bereitschaft zur zärtlichen Offenheit für die andere in meinem Inneren auswirken, und wie würde es für die betroffen Person wirken, wenn wirkliche An-Erkennung stattfindet.

Wie würde es sich darüber hinaus auswirken, wenn ich von meinem größten Feind, der ich für mich bin, in dem  ich mich zum Beispiel  als eine sehe, die  sich immer so aufführt, die zu viel redet, immer im Mittelpunkt stehen will, zu meiner Freundin werde, die meinen Mut zur Unbestechlichkeit wahrnimmt, die einfach viel zu sagen hat, die nun mal nicht am Rand sondern in der Mitte zu stehen hat, weil das ihr Platz ist.

Ich getraue mich zu sagen, dass das das ganze Leben ändert.

Mich anzuerkennen in dem, wie ich (nein nicht halt so) angelegt bin,  zu sehen, welche Note ich dieser Welt mit meinem So-Sein hinzuzufügen haben, zu sehen, was und wie etwas durch mich zu geschehen hat – hier und jetzt.

Dann würde die Energie, welche ich mein Lebtag aufbiete, um mich in meiner Essenz zurück zu drängen für mich und mein Lebenswerk zur Verfügung stehen.

Der große Lawrence Le Shan schreibt in seinem wertvollen Buch „Diagnose Krebs – Wendepunkt und Neubeginn“ (siehe dazu auch die Buchempfehlungen auf dieser Seite) darüber, wie das grundsätzliche Problem der Verzweiflung, das zum Leben von krebskranken Menschen seiner Erfahrung nach zu gehören scheint, zu lösen sei. „Die Lösung liegt darin, mehr und mehr der Mensch zu werden, der Sie wirklich sind.“

Die/der zu werden, die/der ich bin, braucht die Unterstützung meiner Umgebung, es braucht den liebevollen Blick von mir und den anderen.

Dann kann das Leben gut werden und ich kann, wie Le Shan schreibt, ein Leben führen, das mich wirklich befriedigt, bei dem ich jeden neu Tag freudig begrüße und mit Hoffnung in die  Zukunft schaue.

Über-Gewicht

Es zählt wohl zu den häufigsten Neujahrsvorsätzen, ein paar Kilos zu verlieren.

Auch ist das bisweilen notwendig, weil Übergewicht gesundheitlich belastend sein kann, und bei einigen Krebsarten zu den Risikofaktoren zählt.

Viele Menschen versuchen mit Diäten ihre überflüssigen Kilos loszuwerden. Und oftmals sind diese Kilos bald wieder da, oder noch mehr.

Für mich ist Übergewicht die Folge davon,  dass ich zum Beispiel Dinge esse, die ich eigentlich jetzt gar nicht will – z.B. weil in der Weihnachtszeit alle Vanillekipferl essen,  dass ich also wo mitmache, unbewusst, weil alle das jetzt so tun. Es entsteht da, wo ich Alkohol trinke, weil man zu einem guten Abendessen in einem Restaurant Alkohol trinkt, anstelle des köstlichen alkoholfreien Cocktails. Also dann, wenn ich einer Idee und nicht einem organismischen Bedürfnis folge.

Aber Übergewicht ist für mich auch eine Folge davon, dass ich  mir grausliche Filme ansehe, wo wehrlose Menschen festgehalten und gequält werden von unbarmherzigen Menschen.  Und zwar sowohl im tatsächlichen Sinne – Untersuchungen bestätigen, dass längeres Fernsehen, vor allem, wenn man spannungsreiche Filme schaut, dick macht. Aber auch im energetischen Sinne, dass wir –  so empfinde ich das – eine natürliche Abwehr gegen Grausamkeit und dagegen haben, dass Menschen oder Tieren Gewalt angetan wird. Diese Abwehr bewirkt ein Entgegenhalten und verhindert damit den freien Fluss der Energie. Das ist und verursacht alles Über-Gewicht. Zuviel von jetzt für mich Falschem, Unbekömmlichem, Unverdaulichem, Unverträglichem.

Für mich gilt es in diesem Sinne vom Man zum Ich zu erschlanken, indem ich mich, meinen Körper frage, was ich jetzt wirklich will.

Und zwar auf jeder Ebene –  auf der Ebene des Essens und Trinkens ebenso wie der sozialen Kontakte, welche mich nicht nähren, wo ich meine, aushalten zu müssen, dass jemand eine Bestätigung von mir will, und ich nicht wage, sie ihm zu verweigern, obwohl ich ganz und gar nicht mit dem Gesagten übereinstimme. Dann wenn ich mir endlose Klagen anhöre, weil ich nicht unhöflich sein will und es nicht wage, die andere Person auf ihre Verantwortung für dieses ihr Leben hinweise.

Wenn ich Ja zu etwas sage, wo mein ganzer Organismus Nein sagt. Wenn ich  dieses Nein ersticke in einem Wust von Rechtfertigung – man muss die Menschen nehmen so wie sie sind, oder noch gefinkelter, aus einem spirituellen Eck, die anderen sind nur unser Spiegel, dann halte ich den Atem an, schlucke all das Wider runter, und das ist dann Schlacke, Stagnation und fest.

So vieles macht also Über-Gewicht. Auch wenn ich etwas zusage, wo ich schon beim Aussprechen weiß, dass ich es nicht will. Wo ich mich nicht gleich dem Unangenehmen stelle, und es dadurch über Tage und Wochen und vielleicht Monate mit mir rumschleppe. Dann ist das Über-Gewicht.

Man sagt Übergewicht ist eine Frage der Energiebilanz zwischen Aufnahme und Abgabe, ausgedrückt in Kalorien.

Für mich ist Übergewicht ein Ausdruck einer energetischen Stagnation, eines Zuviel von Unbekömmlichem, Falschem (in dem Sinne, dass es jetzt für mich nicht stimmt) in jederlei Hinsicht. Es ist eine Folge von Unbewusstheit, dass ich ohne zu spüren, zu schmecken, zu fühlen mir einfach irgendwas „reinziehe“.

Es ist aber auch eine Folge von Unausgedrücktem, Unterdrücktem, gesellschaftlichen Tabus, von Unfreiheit. Dann fließt es nicht mehr in meinem Organismus, der Atem flach befeuert nicht die Verdauung, es bleibt eine Schicht unergriffen von meinem lebendigen Sein.

Es funktioniert meiner Ansicht nach nicht, mich noch mehr zu kasteien, mir noch mehr zu verbieten, z.B. verbissen eine Sportart auszuüben, nicht aus Freude sondern aufgrund von  Vernunftgründen.

Vielmehr geht es darum, zu schauen, wonach es mich jetzt wirklich verlangt, was mein Organismus, oder wie ich es einmal in einem Artikel genannt habe, meine Seele wirklich begrüßt. Mich aber auch zu fragen, was ich jetzt sagen und ausdrücken und tun und verändern will.

Und es wäre im Sinne einer Krebsprophylaxe förderlich, dass wir einander ermutigen, diese unbequemen, aber auch schönen Wahrheiten („Wow, Du siehst gut aus, ich mag es, wie Du sprichst, ich danke Dir für das, was Du in die Welt gibst…“) zu schenken.

Und dann, wenn ich in einer Art Verliebtheitsgefühl bin, verliebt ins Leben, dann beginnt es zu fließen, der ganze Körper ist ergriffen und durchdrungen von dem, was Wilhelm Reich Strömen nennt.

Und schon purzeln die Kilos jeglicher Art.

Über das Große und Kleine in uns

Wilhelm Reich´s „Rede an den kleinen Mann“ ist ein sehr herausfordernder Text, welchen ich nun schon zum wiederholten Mal vom genialen Ignaz Kirchner im Vestibül hören durfte.

Und wieder, wie schon zuvor, war ich zutiefst berührt vom Wahrheitsgehalt und der Zeitlosigkeit der Inhalte.

Der Text, der 1946 ohne die Absicht, ihn zu veröffentlichen von Wilhelm Reich verfasst wurde. „…. war das Ergebnis der inneren Stürme eines Naturforschers und Arztes, der jahrzehntelang zunächst mit Naivität, dann mit Staunen und schließlich mit Entsetzen erlebte, was der kleine Mann aus dem Volke sich selbst antut; wie er leidet, rebelliert, seine Feinde verehrt und seine Freunde mordet.“ (so Wilhelm Reich im Vorwort)

Er  ist eine schonungslose Aufdeckung von all dem Kleinen und Kleinlichen in uns, davon, wann wir anderen die Verantwortung überlassen, Autoritäten mehr Glauben schenken als unserem inneren Sensorium und Wahrheitsempfinden. Und es ist ein Appell an unseren Kern, das Lebendige, das „gütig und naiv ist“.

Was hat das nun mit der Krebserkrankung zu tun:

Ich konnte an mir selbst und an vielen anderen an Krebs erkrankten Menschen wahrnehmen, wie wir aus Angst um unsere Existenz, dem um jeden Preis in der Gesellschaft verankert bleiben wollen, unsere tiefsten Sehnsüchte und (körperlichen) Bedürfnisse verleugnen, und das Leben zunehmend freud- und sinnlos wird.

Ich kann auch bemerken, wie die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, dann, wenn man sich nicht ausbeutet und über seine Grenzen geht,  zunimmt. Und dass, wenn  die Konkurrenz in den (beruflichen) Beziehungen und die Wachstumsorientierung  unser Leben beherrscht, wir uns zunehmend von unserem So-Sein, unserer Berufung entfernen und uns jegliche Kraft geraubt wird. Auch dominiert in einer Zeit allgemeiner Existenzangst die Anpassung gegenüber dem Mut zur Selbsteinbringung und dem Aufstehen.

Und dennoch gibt es da eine Sehnsucht –  eine Sehnsucht nach Gemeinschaftlichkeit, Emotionalität und intensivem Erleben. Dies – und auch das konnte Wilhelm Reich in seiner tiefgreifenden Analyse „Massenpsychologie des Faschismus“ zeigen, wurde im Nationalsozialismus  bestens „bedient“ – Zugehörigkeit zu einer (Volks-)gemeinschaft, auserwählt sein, groß und mächtig  sein. Der Preis war, wie wir wissen, hoch – Unterwerfung unter übermächtige Autoritäten, Leugnung des eigenen Empfindens bis zur Unmenschlichkeit, Entmenschlichung.

Und das hat – das konnte Reich in seiner jahrzehntelangen Forschungstätigkeit zeigen –  eine Basis: die Unterdrückung der biologischen, natürlichen Bewegungen des Organismus und damit die Entfremdung von unserem (biologischen) Fundament.

Wollen wir wirklich gesund sein, so geht es darum, unserem Organismus erneut Gehör zu schenken, wahrzunehmen,  wenn etwas zu viel ist, wenn wir über unsere Grenzen gehen, uns ausdrücken wollen, den  natürlichen Rhythmen zu folgen und uns auf unsere „einfache, anständige Natur“ zu besinnen.

Oder um Wilhelm Reich selbst zu Wort kommen zu lassen:

„Du fragst, wann dein Leben gut und sicher sein wird, kleiner Mann: Dein Leben wird gut und sicher sein, wenn die Lebendigkeit mehr bedeuten wird als Sicherheit, Liebe mehr als Geld, deine Freiheit mehr als parteiliche oder öffentliche Meinung; wenn  die Stimmung Beethoven´scher oder Bach´scher Musik die Stimmung deiner gesamten Existenz wird (du hast sie in dir, kleiner Mann, irgendwo tief verborgen in einer Ecke deines Wesens!); wenn dein Denken in Einklang, und nicht mehr in Widerspruch mit deinen Gefühlen wirken wird; wenn du deine Gaben beizeiten erfassen und dein Altern beizeiten erkennen wirst; wenn du die Gedanken der großen Weisen, und nicht mehr die Untaten der großen Krieger, leben wirst, wenn die Lehrer deiner Kinder, und nicht die Politiker, von dir besser entlohnt sein werden; ….wenn du Erhebung beim Anhören von Wahrheiten, und Grauen beim Anblick von Formalitäten verspüren wirst, ….wenn die Menschengesichter auf den Straßen Freiheit, Beweglichkeit, Heiterkeit und nicht mehr Trauer und Elend ausdrücken werden; wenn ihre Körper nicht mehr wie heute, mit zurückgezogenen, eingesteiften Becken und erkalteten Geschlechtsorganen auf dieser Erde wandeln werden.“

und weiter

„Es gibt nichts außer diesem: das Leben gut und glücklich zu leben! Folge deinem Herzen, auch wenn es vom Pfade ängstlicher Seelen wegführt. Verhärte nicht, auch wenn dich mal das Leben quält.“

Krebs – die Krankheit hinter der Krankheit und die Gesundheit hinter der Symptombeseitigung

Die Krankheit hinter der Krankheit

„Den Tumor hat man mir (ab)nehmen können, das Leben habe ich zu führen. Das ist die Herausforderung.“  Diesen Satz habe ich einmal für einen Buchbeitrag mit dem Titel „Krebs sei Dank“ geschrieben.

Für mich war und ist das Leben das Schwierige, nicht so sehr der Krebs- Die Konfrontation mit einer Krebsdiagnose – so erschreckend diese auch für mich war –  war eine fokussierte Geschichte mit einer Richtung,  was zu tun ist – Infos recherchieren, Entscheidungen treffen, Behandlungen durchführen.

Da gibt es auch Fürsorge, Unterstützung durch andere und ganz konkret bekomme ich viel an Bemühen, an Aufmerksamkeit, ich habe ein Recht auf Selbstzentrierung. Andererseits fühle  ich mich –   wenn ich nichts offenkundig Bedrohliches, keinen Krebs habe – wie viele andere Menschen auch – oftmals allein.

Allein mit all den alltäglichen Unannehmlichkeiten, mit dem, was quälend in mir ist, allein mit dem, was unbewältigbar erscheint, und das kann schon die Einführung der Registrierkasse sein, ein Konflikt mit einem nahestehenden Menschen, die Angst, den Anforderungen des Lebens nicht gerecht werden zu können. Damit sind wir verschweigen, weil derartige Ängste nicht gesellschaftsfähig sind.

Dort fängt die Krankheit Krebs an – im Alleinsein, im Schweigen, im täglichen einsamen Ringen mit all dem, was mich bewegt. Oft steht am Anfang einer Krebserkrankung eine Überforderung, eine lange Zeit des Alleinkämpfertums, des Bemühens selbst mit Schwierigkeiten fertig zu werden. Mit all dem, was zu viel ist – zu viel Druck, zu viel Schmerz, zu viel Not, zu viel Angst…..

Und dann kommt die Diagnose und damit das Entpflichtetsein, und ein Raum entsteht in dem ich (ich) sein darf – Krebs gibt Erlaubnis.

Es ist allgemein verständlich, dass ich Angst habe, dass ich mich überfordert führe, dass ich Hilfe brauche. Dann – endlich werde ich wahr- und ernst genommen. Viele an Krebs erkrankte Menschen können nach der Diagnose und vor allem  nach den Behandlungen, – wenn sie es sich leisten und gestatten können, sich für die Genesung Zeit zu nehmen – erstmalig erfahren, wie sich die Essenz des Lebens anfühlt – einfach kochen, im Garten arbeiten, in entspannter Weise und nicht unter Druck dem Sohn bei der Hausaufgabe helfen. Und sie erfahren, wie sukzessive kritische innere Stimmen laut werden – „Jetzt sollte ich bald einmal wieder mit einer richtigen Arbeit anfangen.“ Viele Menschen können sich  nur  Achtung und Wertschätzung entgegenbringe, wenn sie viel leisten, über ihre Grenzen gehe, total im Stress sind.  Dann fühlen wir uns als ein wertvolles Mitglied in der Gesellschaft. – das ist der soziale Krebs.

Ist das nicht absurd – dass ich schwer erkranken muss, um das Leben wahrnehmen und  leben zu dürfen. An dieser Stelle ist auch der Förderwahn, der bereits an Kindergartenkindern angewandt wird, sehr kritisch zu sehen. Von früh an keine Freiräume mehr zu haben, Zielsetzungen erfüllen zu müssen, eingeteilt zu sein, nicht den Rhythmen des Lebens folgen zu können, nur mehr von einem Termin zum anderen hetzen zu müssen.

Das ist meiner Ansicht nach die wahre Krankheit Krebs – die kollektive Entfremdung von unseren  basalen Bedürfnissen nach Ruhe, Muße, Ausdruck, Bewegung und Innehalten. Und die Entfremdung von unserem innersten Wesen, unserem Angelegtsein.  Dort gilt es anzusetzen. Dort gilt es Gegenentwürfe in die Welt zu bringen, Ermutigung und Engagement.

Die Gesundheit hinter der Symptombeseitigung.

So wie am Anfang der Krebserkrankung die Trennung, die Entfremdung und Enteignung steht, so ist es die Wiederaneignung von mir selbst, indem ich meine Gefühle, Bedürfnisse, Nöte und Ängste aber auch mein Wesen wieder wahrnehme, die am Weg der Genesung stattfinden sollte.  In dem ich wieder in Kontakt trete mit mir und allen Bezügen, die mich ausmachen. Das braucht eine Offenheit, eine Stille und eine Entschleunigung. Dann kann Resonanz stattfinden.  In einer kürzlich gesendeten Radiokollegsendung zum Thema Resonanz wird betont, wie wichtig es ist, dass Kinder die Welt als tragend, wohlwollend, atmend und gütig  erleben. Im Gegensatz dazu wird das Kind oftmals zum „Objekt der erzieherischen Bemühung, ein Objekt, das an Erwartungen, Bewertungen und Zielen gemessen wird“ – so der Neurowissenschaftler Gerald Hüther in der Radiokollegsendung vom 21.3. 2016.  Wichtig wäre, – nicht nur für das Kind sondern auch für uns – sich mit dem Kind einzulassen, sich in seine Welt mitnehmen zu lassen, staunend sich zu öffnen für all die  bewegenden Äußerungsformen, die es zeigt. Dann kann Ausdehnung stattfinden und Wachstum.

Für uns Erwachsene braucht es, um diesem oben beschriebenen essentiellen Alleinsein entgegen zu wirken,  eine Gemeinschaft, die die Kultur des einander Wahrnehmens pflegt  – Wahlverwandtschaften, wo wirkliche An-er-kennung stattfindet.

Es braucht weiters:

Ein Bemühen, einander nicht bloß als Objekte in unserer Funktionalität wahr zu nehmen, sondern miteinander in Resonanz zu gehen. Räume zu schaffen, wo einfach Austausch stattfindet, wie es mir geht, worunter ich leide, wovor ich mich fürchte, worüber ich mich freue.  Einander nicht bloß mit der Brille von Bewertungen wahr zu nehmen, gemessen an Erwartungen und Zielen.

Um meinem Wesen gemäß zu sein, braucht es Menschen, die nach mir fragen, die sich für mich interessieren, für mich als Subjekt, als Individualität, in meiner Einzigartigkeit.

Es braucht Augen, die mich sehen und Ohren, die mich hören, die mich aus mir selbst heraus hören, mich heraus kennen, sodass ich vor – kommen kann.