Lange habe ich mich vorbereitet, Abschied genommen von meinen beiden Brüsten, den Tag der OP sorgfältig ausgewählt, den Chirurgen gegen eine Chirurgin ausgetauscht, und dann war es soweit – ein großer Tag, an welchem ein grundlegend neuer Lebensabschnitt beginnen sollte, eine Neugeburt in ein neues Sein.
Schön war es, als mich meine beiden Lieben an jenem Dienstag vor drei Wochen ins Krankenhaus begleiteten.
Dass sie, meine liebe Tochter, „extra“ aus Montreal für die Zeit um meine OP zu mir gekommen ist, rührte mich zu Tränen.
Wie gut, dass ich die letzte, doch schwierige Nacht nicht im Spital verbringen musste. Welch´ ein komplexes System ein derartiges Krankenhaus doch ist. Für mich ist das Selbstverständliche ganz und gar nicht derart selbstverständlich. Alles ist geplant und läuft wie am Schnürchen.
Schon stand mein Zimmer bereit – wie schön!
Schnell noch Abschieds-Fotos gemacht von mir mit meinen Brüsten, dann die Schnittführung festgelegt – „Bitte ein bisschen tiefer, damit ich auch weiter ausgeschnittene Kleider tragen kann, schließlich möchte ich ja nicht meine weibliche Ausstrahlung abgeben.“
Alles fand in aufgeregter Heiterkeit statt. Jetzt findet das statt, wovon ich mir in zahlreichen schlaflosen Nächten eine Vorstellung gemacht habe. In den Tagen zuvor war endlich der ersehnte Frieden eingekehrt, ich ging keine erneute innere Befragungsrunde mehr ab, ob das wohl eine richtige Entscheidung war.
Dieser Frieden konnte sich auch einstellen, weil ich mich nicht mehr zerstreute, die bereits konzipierten Blogbeiträge für mich behielt, wollte keine Resonanz mehr, keine weiteren Irritationen.
Nochmal in ein Kurhotel, nochmal in die Sauna als „normale“ Frau.
Da war dann bereits eine Vorfreude spürbar.
Schon bekomme ich die Wurschtigkeitspille und werde im Bett liegend in den OP geschoben.
Ich bin dem lieben Herrn Christian sehr dankbar, dass er mich zieht und nicht schiebt, sodass ich sein Gesicht sehen kann. Mir wird bewusst, wie viel Bedürfnis nach Halt durch menschlichen Kontakt wir in einer derartigen Situation haben. „Lass mich nicht allein in dieser ängstigenden, unbekannten, unvorhersehbaren Situation, bleib´ bei mir, sichere mich über das Ansehen, das beruhigende Sprechen.“ Wie ein Anker ist das.
Schon werde ich neben meiner Vorgängerin positioniert, die lässt mich jedoch leider im Regen stehen, kein Blick, kein Wort, vielleicht hat sie ja eine höhere Dosis des Mittels bekommen.
Ich besinne mich auf meinen Atem – ein – aus – ein – aus.
Schon kommt meine liebe Chirurgin, setzt sich zu mir ans Bett und meint, dass wir eine besonders liebe Anästhesistin haben. Ja, das ist sie, nimmt meinen Kopf mit einem Halt gebenden Griff in die Hände und meint, ich möge an etwas Schönes denken – Korsika, die Berge, das Meer, der Duft.
Und – schon bin ich wieder wach – ohne Schmerzen, ohne Übelkeit und vollkommen orientiert und siehe da, über mir an der Decke wunderbar bunte, gemalte Blumenranken.
Wie schön, mit Schönheit begrüßt zu werden.
Bin beglückt über die Liebe, die da waltet.
Ich freue mich an den Blumen im Zimmer, welche sich immer mehr öffnen, ich freue mich an der Stille im Raum, am vielen Alleinsein, und der Fürsorge und Liebe der Menschen, die mich betreuen.
Ich freue mich am innigen Kontakt zu meiner Ärztin, an dem an-erkannt werden. Ich bin unendlich dankbar, dass sie diesen meinen ungewöhnlichen Entschluss, mich auch von einer potentiell gesunden Brust zu trennen, versteht und mit trägt.
Und – ich freu mich über mein neues Aussehen. Schön ist die Narbenform. Schön ist es, dass ich einen klitzekleinen Brustansatz habe. Schön fühle ich mich.
Schön bin ich.
Und – die, die mich kennen, wissen, dass ein derartiger Satz aus meinem Munde schier unglaublich ist.
So umhüllt ein lichter Schein die Zeit um die Operation. Das mag eigenartig anmuten, aber es war und ist eine schöne Erfahrung.
Einfach schön, das Alles!
Ein Gedanke zu “Schön!”