Vier Monate war ich mit Krebs beschäftigt, vier Monate, die nahezu vollständig vom Krebsgeschehen bestimmt waren.
Zunächst die Diagnoseschritte, Arztbesuche, Therapiewahl, die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts, die Vorbereitung auf die Operation.
Auch die Gespräche mit FreundInnen rankten sich fast ausschließlich um dieses große Ereignis in meinem Leben.
Dann die Operation.
Und jetzt das Danach.
Langsam normalisiert sich das Leben wieder. Die Narben benötigen zwar noch etwas Zuwendung, jedoch brauche ich erst wieder in 6 Monaten zur Kontrolle zu gehen.
Nun steh ich da, entlassen in mein Krebs-freies Leben.
Frau könnte nun annehmen, dass das doch wunderbar ist, ich habe es überstanden.
Endlich ist das Leben nicht mehr vom Krebs bestimmt. Und das ist ja auch wunderbar.
Und:
Nicht einfach.
Vielmehr ist es wie eine Vollbremsung.
Alles könnte so sein wie davor, ich greife meinen All-Tag wieder auf, gehe ganz normal meinem Leben nach, mache die Dinge, die ich auch davor gemacht habe.
Ganz normal halt…
Natürlich ist es erleichternd, nicht mehr mit der Angst vor einem Rezidiv leben zu müssen, keine weiteren Therapieschritte gehen zu müssen.
Und dennoch – da gibt es vieles, das ich vermisse.
Ich vermisse die Intensität dieser Zeit, ich vermisse die Klarheit meines Bewusstseins, das Angehobensein, die Erkenntnisflut.
Ich befürchte, dass alles in die Normalität abzusinken droht.
Ich befürchte, wieder in Verpflichtungsgefühlen zu ersticken, mich erneut für alles und jeden zuständig zu fühlen.
Und manchmal befürchte ich, dass ich mich neuerlich veräußere. Dass dieses Krebsrezidiv bloß ein weiteres Intermezzo an Selbstfürsorge und Selbstzentriertheit war, in einem sonst oftmals fremdbestimmten Leben.
Und dann fürchte ich auch, dass das nie aufhört, dass ich nicht die Kraft habe, diese eingefleischten Muster zu transzendieren.
Dass es nie still wird, das Rasen nicht aufhört, ich die Essenz des Lebens, dieses pure Sein, von welchem ich hin und wieder gekostet habe, nicht spüren kann. Dass ich am Leben bin, ohne zu leben, dass ich die Bedürfnisse anderer erfülle, ohne erfüllt zu sein.
Den Tumor hat man mir (ab)nehmen können, das Leben habe ich zu führen. Das ist die Herausforderung.
Während die Diagnose für mich ein Geschenk war, in Fühlung zu kommen mit der Person, die leben will, so ist die Zeit danach geprägt von eben dieser Herausforderung, dieses, mein Leben zu würdigen, es zu genießen in jedem Moment, für mich zu sorgen, und mich einfach wohl zu fühlen.
Das ist (nach wie vor) oftmals schwer.
Und nein, heute möchte ich nicht mit einem Zuversichts-fördernden Satz schließen, nur ein paar Liedzeilen von meinem verehrten André Heller seien (mir) Trost:
Weine wieder, wenn Du weinen willst.
Verzichte nicht auf die Verzweiflung.
Leiste Dir eine Mutlosigkeit,
Sabotiere die Heldin in Dir,
Tauch´ manchmal in den Rauch der Angst.
Ein Abgrund fehlt Dir doch nie.
Zum Kotzen ist doch wirklich bloß die viele falsche Sympathie.
(André Heller aus dem Lied: Das System)