Mein gutes Sterben

Keine Sorge, es geht mir gut.

Aber man kann nie früh genug anfangen, sich mit dem eigenen Sterben zu beschäftigen, wie immer es dann tatsächlich sein wird.

Mein gutes Sterben ist ein Prozess, ein bewusster Prozess – kein schnelles hinüber Schlafen, aus dem Leben gerissen ohne jegliche Anzeichen.

Mein gutes Sterben kündigt sich an, ich weiß um mein Sterben und ich mach´ mich auf den Weg – wissend, dass es um meinen letzten Weg geht. Um den letzten irdischen Weg.

Mein gutes Sterben ist schon lange vorbereitet.

Ich weiß, welche Musik ich hören möchte, wenn ich überhaupt etwas hören möchte, ich kann mir nämlich auch vorstellen, dass zu diesem Zeitpunkt die Stille, – wie Eckhart Tolle sagt, „die Sprache Gottes“ die schönste Musik ist.

Mein gutes Sterben ist ein Sterben, das begleitet wird von Menschen, nicht vielen – 2-3 vielleicht, das weiß ich noch nicht so genau -, die mich leise, sanft und aufmerksam begleiten. Sie picken nicht die ganze Zeit an mir und fragen, was ich brauche, weil viel – so glaube ich – werde ich nicht mehr brauchen. Sie sind in Rufweite oder öffnen immer wieder leise die Tür, um nach mir zu sehen.

Meine BegleiterInnen wissen, dass der Tod eine Geburt in eine neue Seinsweise ist. Sie begrüßen diesen Prozess wie sie ein Zur-Welt-Kommen, begrüßen. Sie sind daher ohne Angst, und wenn sie ängstlich oder hilflos sind, achten sie darauf, zu schauen, was sie selbst brauchen, um wieder frei zur Verfügung stehen zu können. Auch die Trauer über den menschlichen Verlust können sie zur Seite stellen für diese Zeit.

Sie sind da. Halten meine Hand, cremen mich ein, wenn ich das möchte.

Sie drängen mir kein Essen auf – schau, ein bisschen was musst ja essen. Sie geben mir schluckweise zu trinken, wenn ich überhaupt ein Bedürfnis habe, etwas zu mir zu nehmen oder sie befeuchten einfach Mund und Lippen.

Sie betten meinen Körper, sodass es bequem ist, halbwegs bequem, weil ganz bequem stell´ ich mir es auch nicht vor – das Sterben.

Sie sind eingestimmt in mich und den Prozess.

Sie atmen mit mir wie eine Hebamme wissen sie, dass mich jeder Atemzug dieser Geburt näherbringt.

Einatmen – Ausatmen

Auch habe ich dafür gesorgt – vielleicht ist das ja eines der großen Herausforderungen für mich – dass alles in Ordnung gebracht wurde, meine Überweisungen ebenso wie mein Nachlass und meine Beziehungen, die ich bestenfalls befriede, da wo Unfrieden ist.

Mein gutes Sterben ist begleitet von den Segnungen unserer Kirche, der Christengemeinschaft.

Es werden all die wunderbaren Sakramente wie die Krankenölung über die Aussegnung am offenen Sarg nach drei Tagen, die Bestattung und dann noch die Seelenmesse, die bei uns Totenweihehandlung heißt, gespendet und sie helfen mir, mich vom irdischen Sein zu lösen und in einer andere Seinsqualität überzugehen.

Das Bewusstsein, dass das alles geschieht, dass für meine Seele gesorgt wird, trägt und hält mich, es hilft mir, mich anzuheben und gleichzeitig sinken zu lassen.

Mein gutes Sterben ist auch unterstützt von den lindernden Maßnahmen der Medizin, ich möchte keine schlimmen Schmerzen ertragen, weil, so mein Empfinden, Schmerzen mich an meinen irdischen Leib festkrallen lassen.

Einatmen – Ausatmen

Irgendwann werde ich das letzte Mal ausatmen. Und dann werde ich drüben sein, aufgenommen von all meinen Lieben, meinen Eltern, meinen Seelen-Verwandten, meinen Krebsschwestern und vielleicht sogar von meinen geistigen Lehrern, dem Willi und dem Lenny zum Beispiel.

Vielleicht muss ich mich noch ein bisschen zurechtfinden, vielleicht werde ich mich auch sehnen nach Orten, Zuständen, nach den Pflanzen und Tieren.

Dennoch – ich bin gewiss, dass ich die Loslösung schon schaffe, wie ich so vieles geschafft habe in meinem Leben.

Überlebt

Zum 2.“Geburtstag“

Zum Schluss gab es noch die Topfenpalatschinken.

Grad serviert, öffnete sich die Krankenzimmertür, und ein bis zur Unkenntlichkeit verkleideter Arzt sagte dieses eine erlösende Wort – „Negativ“.

Fassungslos war ich da.

Nach gefühlt unzähligen Tagen der Enttäuschung, „noch immer positiv“, konnte ich mich plötzlich anziehen und gehen.

Der Krankentransport war im Anmarsch, so musst es schnell gehen.

Gar nicht so einfach, das Bücken, die Schuhe zubinden, die paar Sachen zusammenpacken, mich von der armen alten Frau, die seit Tagen im Nebenbett lag, verabschieden, noch die eine oder andere grausliche Bemerkung einer Krankenschwester hören.

Und dann konnte ich durch die Tür des Zimmers, das für mehrere Tage mein Gefängnis war, nach Draußen treten auf den Gang, wo sie alle standen, plötzlich mit offenem unbedeckten Gesicht – Standing Ovations.

Sie hätten nicht geglaubt, dass ich es überlebe, und sie würden sich sehr freuen.

Erstaunlich.

Gab es doch zwar auch Menschen, die für mich engelsgleich warmherzig und fürsorglich waren. Die Krankenschwester, die sich so dezent um intime Notwendigkeiten kümmerte, mir die verwickelten Haare entknotete, sich beglückt über meine Haarfarbe äußerte, und mir schließlich die Bilder all der Betreuungspersonen zeigte, die ich ja – da vermummt – nie zu Gesicht bekam.

Oder der Oberarzt, der im Gegensatz zu den anderen seiner KollegInnen mich ermutigte, mich lobte, dass ich so gut mitwirken würde, und der mir Hoffnung gab, dass ich bald einmal von der Intensiv- auf die Normalstation wechseln könne. Ich erinnere mich an sein Erstaunen, als ich ihm meinen Dank ausdrückte und ihm sagte, wie wertvoll es sei, so bekräftig zu werden, einfach menschlich. Das sei normal, meinte er nur. Nein, war es leider nicht. Hatte ich es doch vor allem mit der Geringschätzung, der Wut und auch dem Hass, der mir entgegenschlug, zu tun.

Mir, der Ungeimpften, wegen der man diesen Scheißjob – O-Ton des Sanitäters – machen müsse, die, die selber schuld sei, wenn sie jetzt stirbt, die die es sich früher überlegen hätte sollen, die, die halt stirbt, wenn sie die künstliche Beatmung ablehnt.

Es war ein Martyrium.

Nicht nur die Krankheit, deren tödliches Potential ich unterschätzt hatte, sondern und vor allem die Unmenschlichkeit, die mir wederfahren ist.

Und Nein, das war nicht bloß Ausdruck und Ergebnis einer über damals fast 2 Jahre währenden Stressbelastung. Dieser Hass, diese Unerbittlichkeit, die Verachtung, die Härte und die Unbarmherzigkeit ließ mich in die Abgründe menschlicher Seele blicken, und erschütterte mein Vertrauen in die Menschheit und leider auch in das Medizinsystem nachhaltig so sehr, dass ich jetzt 2 Jahre danach, als ich es neuerlich mit einer Viruserkrankung zu tun hatte, genau wusste, ich werde und kann keine Rettung mehr anrufen, um um Hilfe zu bitten.

Zwei Jahre habe ich dem Geschehen in meinen Erzählungen die Spitze genommen, auch weil ich bald merkte, dass die Menschen, auch wenn sie zu meinen FreundInnen zählen, das nicht hören wollten. Kein Eingang, nur Abwehr, ja, aber die Pflegepersonen müsse man auch verstehen, einfach überfordert, fertig, konnten nicht mehr.

Dann war ich schnell einmal still, enttäuscht über das Unverständnis.

Hej, wollte ich sagen, und tat es dann oftmals doch nicht, „Hej, das, was ich und sicher viele andere – als Ungeimpfte – erlitten habe(n), ist eine, wenn auch vielleicht nicht neue, so doch eine andere Dimension.

Da geht es nicht um eine bissl mehr oder weniger grantig, forsch sein, da geht es um einen Verlust an Menschlichkeit, wo selbst einer Sterbenden nicht mit Mitgefühl begegnet wird, sie vielmehr, so sie den Notfallknopf drückt, 4 Stunden warten gelassen wird, und dann ungehalten und schreiend ins Zimmer gestürmt wird, erzürnt über die Störung.

Kein Gruß, keine Frage, nur spürbare Ablehnung.

Ich war kein Mensch mehr, sondern nur mehr eine Ungeimpfte. So habe ich das empfunden.

Und sie – die Ungeimpften – sind an allem schuld – das war common sense.

Das war der Boden, auf dem all die Ungeheuerlichkeiten stattfanden.

Das Alles – die Betretungsverbote, der Ausschluss eines Drittels der Menschen von wichtigen Lebensbereichen, die Diskriminierung, das Mobbing, der Verlust des Arbeitsplatzes, die Überlegungen, Ungeimpfte überhaupt von der medizinischen Versorgung auszuschließen, ihnen keinen Intensivplatz zuzugestehen, all das konkretisierte sich in meiner Erfahrung im Krankenhaus.

The „Body keeps the Score“ heißt ein Standardwerk des Traumaforschers Bessel van der Kolk.

Ich kann mittlerweile meine Wunden versorgen, aber – und das habe ich auch dieses Jahr neuerlich gemerkt, mein Körper weiß darum. Spürbar.

Und vielleicht ist das ja auch gut so.

Heute vor 2 Jahren bin ich entlassen – Sic! – worden.

Es war der schönste Tag in meinem Leben, auch wenn ich mich das kaum zu sagen traue, gab es doch auch die Geburt meiner Tochter, Hochzeitstage, meine Promotion, und noch so einige andere Hoch-Zeiten.

Jedoch dieser eine – der 1.12.2021 war der Allerschönste.

Ent-lassen.

Ent-kommen.

In die Arme meiner Liebsten, keine Gefahr mehr, keine Über-Macht, keine Schmerzen.

Nur Liebe, Geborgenheit und Sicherheit.

Darüber und über die Erkenntnis, wie kostbar das Leben an sich ist – ganz ohne Zutat – bin ich zutiefst dankbar.

Der Körper – mein Freund

Von außen betrachtet könnten wir denken, dass eine (zweite) Corona-Erkrankung nicht unbedingt freundlich ist.

Das Fieber, der Husten, die entzündeten Nebenhöhlen, der Hautausschlag, die Schwäche, all das ist sehr unangenehm und ich könnte diesen Zustand als eine (sinnlose) Quälerei betrachten.

Und natürlich quälten mich diese Befindlichkeiten für einige Tage, als ich neuerlich an Corona erkrankte. Ich stöhnte und ächzte, fühlte mich hilflos und schwach, vor allem jedoch triggerte es meine Erfahrung vom November 2021.

So hatte ich Angst, dass das Fieber wie damals nicht und nicht sinkt, Angst, dass der Sauerstoffgehalt im Blut zu niedrig ist, Angst, dass die Krankheit außer Kontrolle gerät und ich wieder auf der Intensivstation lande.

Dann nach drei Tagen, abends. habe ich mich jedoch entschieden, dass es diesmal anders ist.

Ich habe mich entschieden, dass es mir von Tag zu Tag besser und nicht schlechter geht, und tatsächlich war diese Nacht dann schon leichter.

Mein Körper – der Freund

Ehrlich gesagt, war dieser Kurbeginn, der nach einer Woche schon wieder endete, heftig für mich. Ich habe mich überwältigt gefühlt von so mancher Maßnahme – der Schwellstrom war zum Beispiel eine reine Folter.  Und der Satz der Therapeutin, „Sie haben es überlebt!“, die mich nach quälenden 15 Minuten endlich vom Strom ließ, mehr als passend.

Tapfer, wie es meine Art ist, habe ich durchgehalten.

Und dann die Massagen – immer andere Hände auf meinem Körper, die einen mehr in Kontakt, mit der Intensität des Drucks, die für mich passend ist, die anderen, die reinbohren in die Knubbeln, als handle es sich nicht um einen lebendigen, fühlenden Körper sondern um eine dichte, anorganische Masse, die es zu zerreiben gilt – jedenfalls viel zu hart, zu fest, zu penetrant für mich. Angeblich wollen es die meisten Menschen so, so hart, so fest, so deutlich. Unglaublich.

Das wäre vielleicht kein Problem, wenn ich sofort sagen könnte, dass das für mich zu hart ist. Ich jedoch verhandle 5 Minuten mit mir, ob ich es aushalten muss oder für mich sorgen darf. Und so war es schon ein Triumph, dass ich mal was gesagt habe, nicht geschwiegen, wie so oft.

Und dann das Gestellt-sein-müssen gleich in der Früh um 7 Uhr – Wirbelsäulengymnastik  – Bein heben, solange bis die aufgeweckte Kursleiterin sagt, dass wir es endlich absenken dürfen. Stöhnen rundherum und wieder was geschafft. Abgehakt und schon zum nächsten (fordernden) Termin.

Ich habe mich vor der Kur bewusst geöffnet für all die neuen Erfahrungen – einmal was anderes, dachte ich, und vielleicht hat ja auch eine derartige Zugangsweise durchaus einen therapeutischen Effekt.

Aber – irgendetwas in mir war die ganze Zeit im Stress, hat laut Nein geschrien.

Und wieder, wie so oft hat mein lieber Körper dieses Nein ausgedrückt, hat einen bedingungslosen Stopp veranlasst, ist eingesprungen.

Mein lieber Körper – und ich seine Freundin

Ich bin meinem Körper dankbar dafür. dass er das so lange und verlässlich immer getan hat. Er hat mich rausgebracht aus vielen überwältigenden Situationen, in einen Bereich der Sicherheit – wieder krank, ich mit mir und die anderen lassen (endlich) ab.

Jetzt will ich es anders: Will ihm die Last, die er so fürsorglich und verlässlich für mich übernommen hat, abnehmen.

Will das Nein selbst verantworten und es vertreten, ICH gegenüber den anderen.

Will mich hinstellen in meiner Integrität und Aufrichtigkeit und meine Bedürfnisse äußern.

Will das Unbequeme nicht mehr bei mir behalten, sondern es dem Gegenüber zumuten.

Will endlich ihm eine liebe Freundin sein – zärtlich, liebevoll, einfühlsam und genau.

Dann ist mein Körper – mein lieber Freund – frei, zu heilen.

Und WIR sind frei im Einklang mit dem, was lebensfördernd ist in einem freudigen Ja durch´s Leben zu gehen – geschmeidig und wach und mit der Sicherheit, auf jede Gegebenheit antworten zu können, einfach so, mit Leichtigkeit und ohne großen Aufhebens.

Na, das ist doch mal ein Projekt, auf das ich mich wirklich freue!

Feier – Tag

Heute vor einem Jahr, am 18.11.2021 um 9 Uhr früh hat mein Mann die Rettung gerufen.

Am Abend davor sind meine beiden Liebsten an meinem Bett gesessen, von dem ich nur mehr schwer aufstehen konnte und wir haben beschlossen, dass dies der nächste Schritt ist – morgen früh.

Lisa, meine Süße, packte noch Einiges zusammen – ich hab es nicht gebraucht, weggesperrt in Schränken bis zum letzten Tag meines Aufenthalts, warteten sie darauf, einfach wieder nach Hause gebracht zu werden.

Dann, am 18,11. 2021 wurde ich abtransportiert. So kann man das sagen.

Die nächsten 15 Tage und besonders das tagelange Schweben zwischen Leben und Tod waren eine eindrückliche Erfahrung.

Irgendetwas in mir hat sich dann doch für das Leben entschieden.

Ich habe mich für das Leben entschieden.

Hab´ noch was zu tun, zu erleben hier auf Erden.

Heute, am 18.11.2022 um 12 Uhr Ortszeit hat meine Tochter Lisa die Defensio ihrer Dissertation. Nach 7 Jahren PhD Studium an der McGill University in Montreal.

Sie wird das nicht einfach überleben, sondern bravourös meistern. Davon bin ich überzeugt.

Oft meinen Eltern, dass sie stolz auf ihre Kinder sind. Ich scheue mich, das zu sagen. Stolz auf – da ist mir zu viel Eigenes, Besitz und auch zu viel Hierarchie dabei.

So suchte ich nach einem Wort, das meine Empfindungen ausdrückt.

Groß sind sie, meine Gefühle. Ich kann sie in meiner Brust spüren.

Vielleicht bin ich ja doch stolz, auf sie, wie sie sich, meine schöne, weise, liebe Tochter all das erarbeitet und oft auch errungen hat.

Sie ist durch Tiefen des Selbstzweifels gegangen, sie hat sich furchtlos und oft auch ängstlich Vielem gestellt, was ihr den Weg verbaute.

Und letztlich hat sie sich ihre Größe erobert.

Und wurde – endlich – gesehen.

Welch´ eine wunderbare Gelegenheit, all dieses tapfer erworbene Wissen zu offenbaren, zu zeigen, wer Du bist, meine Liebe.

Und wie schön, dass ich noch da bin, um dieses wunderbare Ereignis zu erleben.

Offenbarungseid – der Vierte

Wider die Individualisierung von Leid

Eigentlich wollte ich es diesmal anders machen – meinen Text nicht mehr überarbeiten, einfach die (Wut-) heißen Semmeln direkt aus dem Ofen servieren. Aber dann setzte sich doch mein Bedürfnis nach Genauigkeit und Gerechtigkeit durch und der Semmelteig rastete, wie Ihr seht, einige Zeit.

Anlass ist ein Gespräch, das am 18.8.2022 auf Ö1 in der Sendung Punkteins über Vulnerabilität, Verletzlichkeit und Resilienz gesendet wurde.

Dieses Gespräch mit dem Titel „Die (Un-)Verwundbaren“ wurde von der von mir geschätzten Andrea Hauer geleitet und mit dem ebenfalls von mir grundsätzlich geschätzten Alfred Pritz und der Psychologin und Resilienzspezialistin – Monika Spiegel – geführt.

In diesem Gespräch wurde zwar die Corona Zeit, die Kriegssituation und die Klimakrise als Bedingungen für individuelles Leid und auch die Rolle der Medien bei Angstmache, Polarisierung und Destabilisierung angesprochen.

Was mich aber derart empörte, dass ich beim Zuhören schreien und weinen hätte können, ist die Individualisierung und die individualisierte Pathologisierung von Leid, die sich durch das ganze Gespräch zog.

Den einzelnen Menschen als Ursache für seine Glücks- und Leidensfähigkeit, für Verwundbar- und Verletzlichkeit und für seine Resilienzfähigkeit zu machen, geht vielleicht, wenn man in grundsätzlich freilassenden, moderaten Verhältnissen lebt.

Dann ist es vielleicht (?!) möglich, den je eigenen Umgang mit den Wiederfährnissen des Lebens als Beurteilungsgrundlage für Angemessenheit, Überzogenheit und Normalität von Reaktionsweisen heran zu ziehen.

Nicht jedoch, wenn über 2 Jahre eine kollektive Traumatisierung, die die Verarbeitungskapazität der Menschen weit überschreitet, stattfindet.

Man weiß aus Traumatherapeutischen Untersuchungen, dass der überwiegende Teil der Menschen, die über lange Zeit Gewalt jeglicher Art, Unterdrückung, Vernachlässigung und traumatisierenden Bedingungen ausgesetzt sind, die ihre Selbstwirksamkeit und ihre Regulationsmechanismen überfordern, Schäden an Köper und Seele erleiden wird.

Zudem habe ich in der Traumatherapie gelernt, dass es keine Heilung gibt, wenn das Ereignis und ja auch die Täter nicht benannt werden. Wenn die Taten glaubwürdig (!) anerkannt werden, kann ein Prozess der Verarbeitung beginnen, im Zuge dessen die Verantwortung für die Folgen der Traumatisierung und das eigene Leben sukzessive übernommen werden kann. Siehe dazu auch das wunderbare Buch des Vergebens von Desmond Tutu über den Versöhnungsprozess in Südafrika.

Am Anfang gibt es die Tat. Punkt. Aus. Ende.

Und deren gab es viele in den letzten Monaten, und nein, es war nicht die „Krise“, wie die unerhörten Geschehnisse in neutralisierender, anonymisierender Weise genannt werden, die selbst bislang starken, stabilen Menschen die Widerstandskraft, die Resilienz und das Gleichgewicht nahmen.

Es war der Terror, die Geringschätzung und Schändung unserer Würde, die Ohnmacht und die Willkür, deren wir beständig ausgesetzt waren, die viele von uns an den Rand (des Wahnsinns) brachten.

  • Wenn man über Monate mithilfe manipulativer Aussagen und Informationen sukzessive von Sinnen gebracht wird, sodass ein Mensch nach dem anderen eine für ihn/sie gültige, realistische Einschätzung der Situation verlor, dann ging damit auch die Basis für ein selbstwirksames und selbstbestimmtes Leben verloren – der Wahrheitssinn über das, was (für mich) richtig und falsch ist.
  • Wenn man – wie im 1. Lockdown – nur mehr heimlich gemeinsam im Wald spazieren gehen kann, aus Angst, vom Polizeiwagen aufgehalten und nach dem gleichen Wohnungsschlüssel gefragt zu werden – zur Erinnerung: nur wenn man im gleichen Haushalt lebte, durfte man derart spazieren gehen, so breitet sich sukzessive ein Polizeistaatgefühl aus und die Angst vor Amtspersonen dringt nachhaltig in die Menschen ein.
  • Wenn man mitbekommt, dass ein bislang anerkannter Uniprofessor seine Reputation verliert, öffentlich verunglimpft wird und schließlich seine Stelle an der Uniklinik verliert, wie das dem von mir sehr geschätzten Prof. Sönnichsen passierte. Wenn also ein wahrer wissenschaftlicher Diskurs ausgeschlossen wird, dann werde ich es mir gut überlegen, ob ich meine Haltung, mein Wissen und meine Überzeugungen offen kundtue.
  • Wenn bei ÄrztInnen, welche Maskenbefreiungen ausstellten, eine Polizeieinsatztruppe, die üblicherweise nur zu Terroreinsätzen ausrückt, Türen eintritt, Laptops und Handys mitnimmt, werden ihre KollegInnen ein Bedürfnis haben, sich zu schützen und ja nicht durch derartige Initiativen aufzufallen.
  • Wenn man als einzig Ungeimpfter mit Maske gebrandmarkt und nur mit dem täglichem Testergebnis am Arbeitsplatz erscheinen darf und beim Essen weit entfernt von den anderen zu sitzen hat, dann werden nur die Überzeugtesten diesen aufrechten Gang bewahren und sich alsbald doch impfen lassen, auch wenn sie das nach wie vor – aus wohlüberlegten  Gründen – nicht wollen.
  • Wenn man in Fernsehdiskussionen bezeugt, wie Menschen angeschrien werden, wenn sie eine andere (Wissenschafts-) Auffassung haben, und kein Moderator dem Einhalt gebietet, sondern im Gegenteil dies durch manipulative, hetzerische Fragen befeuert und fördert, dann lerne ich, dass es gefährlich ist, eine andere Meinung – so wohl begründet diese sein mag – zu haben, und dass ich nicht davon ausgehen kann, dass auf bislang übliche Regeln des höflichen, wertschätzenden Miteinanders Verlass ist.
  • Wenn man täglich durch Angsterzeugende Bilder von intubierten, verkabelten Menschen in Intensivstationen überflutet wird, ist es ganz natürlich, dass man darauf mit Angst reagiert und auf keinen Fall will, dass man in eine derartig schreckliche Situation kommt. In der Traumatherapie nennt man das sekundäre Traumatisierung.
  • Wenn Menschen über Monate aufgrund eines fehlenden Status von wesentlichen Bereichen des Lebens ausgesperrt werden, sich nicht mal einen Bleistift in einem Schreibwarengeschäft kaufen dürfen, so ist es nicht nur für diese traumatisierend, sondern für die ganze Gesellschaft.
  • Wenn Jugendliche massenhaft Essstörungen und diverse andere Süchte entwickeln, wenn die Suizid(versuchs-)rate überdimensional steigt, in zeitlichen Zusammenhang mit den Maßnahmen des Kontaktverbots, des Homeschoolings usw., dann ist das kein individuelles Geschehen, dem man mit noch mehr Psychiatrie-/Psychotherapieplätzen beikommen kann. Vielmehr ist es das Ergebnis von Maßnahmen, die das Ganze, die Gesundheit auf jeder Ebene außer Acht lassen und unbarmherzig und gewaltsam, und ja auch sehr dumm in das Leben dieser jungen Menschen mit unabsehbaren Langzeitfolgen eingriffen.
  • Wenn dies alles nicht mal vom Verfassungsgerichtshof beanstandet wird, so breitet sich eine Ohnmacht in den Menschen aus, und das Vertrauen in die Welt, in das Rechtssystem und die Menschen, aber auch in sich selbst ist, wie bei jeder Traumatisierung, zutiefst erschüttert.
  • Wenn Menschen, wie ich, todkrank, bereits im Krankenwagen durch den Nebel des beginnenden Bewusstseinsverlusts die erste von vielen Schimpftiraden über mich ergehen lassen muss, dass er – der Sanitäter oder Röntgenassistent oder Krankenschwester – ja nur wegen solchen wie mir, einer Ungeimpften, diesen Job tun muss…. Wenn ich in meiner größten Not zu hören bekomme, dass ich ja selber schuld sei und mir das früher überlegen hätte sollen, dann passiert da eine schwere Verletzung, die mein Leben und Vertrauen (in das medizinische Personal) nachhaltig erschütterte, und von der ich mich noch lange zu erholen haben werde, Und es ist natürlich meine Verantwortung, wie ich für mich sorge, um wieder ein gutes, vertrauensvolles Leben zu führen.

Aber auch wenn ich die Verantwortung dafür übernehme, werde ich nicht müde, darauf hinzuweisen, dass da ein menschenverachtendes Verbrechen passiert (ist), dass unermessliche Folgen für jeden Einzelnen und leider wahrscheinlich für Generationen haben wird, ob vulnerabel, verletzlich, ob sensibel, ob resilient oder nicht.

Dann gilt es, diese krankmachenden Bedingungen zu benennen.

Und ja, auch diese Wunden können Kraft unserer Resilienz und Lebenskraft heilen, jedoch nur, wenn sie mit Einsicht, einem Schuldbekenntnis und mit Mitgefühl gewürdigt und gesalbt werden.

So das alles musste (endlich) gesagt werden.

Als Trösterchen füge ich noch hinzu:

Die Bach´sche Charconne, gespielt von James Rhodes, der sein Trauma mithilfe eben dieses Stücks überlebte. https://www.youtube.com/watch?v=pZ82pECqiUg

Außerdem das letzte Buch von der klugen, aufrechten, klaren Ulrike Guérot: „Wer schweigt stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir leben wollen“. https://www.kopp-verlag.at/a/wer-schweigt-stimmt-zu

Und einen Tanz aus dem Widerstand: https://www.youtube.com/results?search_query=danser+encore

Die Hochschaubahn

Für mich ist das nichts – das Hochschaubahnfahren.

Wann man hinauffährt, weiß man schon, dass es bald einmal dem Abgrund entgegen geht.

Dann der höchste Punkt, da ist nichts von Aussicht genießen, ein kurzes Verweilen, dann geht´s  schon wieder in rasendem Tempo bergab.

Da könnte ich dann schon aussteigen – Boden unter den Füßen – einfach gehen auf einer Ebene.

Am 1.12. wurde ich aus dem Spital entlassen, nachdem ich in einen Abgrund stürzte, unerwartet und heftig – Mit dem Heimkommen konnte ich wieder Boden unter den Füßen spüren – da sein, mich spüren, Sicherheit. – UP

„Jetzt nach der schweren Corona-Erkrankung fängt ein neues Leben an, ein von Krankheit befreites Leben, eines, in dem das Wohlgefühl und die Freude vorherrscht“– dachte ich.

Ja die Lunge war noch geschädigt, verständlich, aber ich konnte Zeugin meiner Selbstheilungskräfte sein und schon bald ohne nachfolgenden halbstündigen Hustenanfall die Stiegen zu meinem Zimmer erklimmen – UP

„Zur Sicherheit machen wir ein CT, um etwaige profunde Schäden auszuschließen“, meinte der Lungenfacharzt Anfang Jänner.

Ganz sicher war ich nicht, ob ich das wollte, aber warum nicht.

Dann der Befund – da musste ich ein Wort lesen „suspekter blastomatöser Herd“.

Mittlerweile etwas kundig in der medizinischen Terminologie wusste ich sogleich, dass das wahrscheinlich nicht Gutes bedeutet.

Der Herr Lungenfacharzt bestätigte meine Befürchtung und drängte auf weitere Untersuchungsmaßnahmen – eine Biopsie und/oder ein PET-CT. Ich verhandelte mir 5 Wochen Regenerations- und Bedenkzeit aus.

Das gab mir erneut einen Boden unter den Füßen und so konnte ich beide Diagnoseoptionen  für 5 Wochen ausblenden.

Die tägliche Atemmeditation – sehr empfehlenswert – Quantum Light Breath von Jeru Kabal – trug mich in höchste Wissensgefilde. Ich wusste, dass alles gut ist und sein wird und war ruhig – UP

Der Tag des PET-CT rückte näher, ein mulmiges Gefühl beschlich mich schon im Vorhinein und dann wurden aus einem drei suspekte, weil stoffwechselaktive Herde – 2 in der Lunge und einer in meiner nicht mehr vorhandenen Brust (das gibt es auch).

Und wieder war es ein Wort, das mein Gefühlsgefährt hinunter stürzen ließ – SBL – „Sekundärblastomatöse Läsion“ – gar nicht gut, umgangssprachlich: eine Metastase.

Wow – damit hatte ich nicht gerechnet. Schwerkrank, ohne mich als solche zu fühlen. – DOWN DOWN

Dank meiner lieben Zwillingsschwester, die selbst Lungenfachärztin und Wissenschaftlerin ist, erhielt ich nähere Auskünfte. Leider musste ich erkennen, dass es ganz und gar nicht selbstverständlich ist, dass ich als Patientin mit der Nuklearmedizinierin selbst sprechen kann, wie es nicht mal selbstverständlich ist, dass der Befund nicht bloß dem zuweisenden Arzt sondern auch mir ausgehändigt wird. ,

Die Stoffwechselaktivität dieser drei Herde war nämlich zwar über dem Höchstwert, der als gesund gilt, aber dennoch nicht so hoch, dass mit Sicherheit ein höchst alarmierendes Krebsgeschehen sich in mir ausbreitet – UP

Schnell entschied ich mich für eine OP des Knotens am Brustrand, wollte ich doch keinen in die Rippe wachsenden Krebs riskieren.

Meine Chirurgin empfing mich im Aufwachraum mit der guten Botschaft – im Gefrierschnitt war kein (gravierendes) Krebsgeschehen zu sehen und auch im Entlassungsbericht stand „Exzision gutartiger Läsionen“

Welche eine Erleichterung – beflügelt verließ ich das Krankenhaus bereits am OP Tag. Jetzt nur noch die Narben verheilen lassen und dann einfach leben.

Die Histo stand zwar noch aus, dennoch war ich froh – UP

Dann der Anruf meiner Chirurgin – Leider ist es doch bösartig.

„Leider“ und „bösartig“ sind keine guten Worte im Zusammenhang mit Krebs und demensprechend erschüttert war ich von dieser Nachricht. Mittlerweile war ich bereits so verunsichert und entfernt von meiner inneren Stimme – die bis jetzt immer in genauem, intuitiven Wissen um das Geschehen war, dass ich mir alles vorstellen konnte – der Krebs, der ja bislang niemals kein wirklich böser war ist mutiert und es handelt sich um ein G3 und die Lungenherde sind wahrscheinlich doch Metastasen – DOWN.

Als der Befund dann tatsächlich da war, es ist wieder ein G1 – das heißt ein langsam wachsendes Geschehen – war die Erleichterung erneut groß – ein vorsichtiges UP.

Wie gesagt: Hochschaubahnfahren ist nicht so mein´s. Da schau ich lieber, was mir einen Boden unter den Füßen bereitet:

  • Wissen ist ein Boden
  • Eigene Forschung, mich nicht zufriedengeben mit dem Wissensstand der ÄrztInnen – ist ein Boden
  • Unbequeme Fragen stellen und lästig sein (dürfen) – ist ein Boden
  • Selbst entscheiden, wann, was richtig und stimmig ist, zu tun – ist ein Boden.
  • Menschen, die mich in der Gründlichkeit und Genauigkeit unterstützen – ist Boden
  • Menschen, die mir ihre Liebe bekunden und an meiner Seite gehen – ist ein Boden.
  • Dinge, zu tun, die mich anheben, ist ein Boden, ein Himmelsboden – zu meditieren, berührende Musik zu hören, zu schreiben, vor allem, wenn mein Schreiben aus einer höheren Ebene kommt.
  • Verantwortung zu übernehmen für mein Leben (mit Krebs) – ist ein Boden
  • Mein Leid, meine Sorgen, die Ratlosigkeit und Verzweiflung in göttliche Hände zu geben – ist ein himmlischer Boden.
  • In die Stille gehen, ist der profundeste Boden

Mit diesem Boden, der letztlich mein innerstes Zentrum ist, mit einem Bewusstsein über mein Ich, das durch alles durchzugehen vermag, kann ich mich den Bewegungen der Ups and downs (leichter) überlassen – mal mehr und mal weniger.

Ich muss den Atem nicht anhalten, kann das das Abenteuer des Lebens begrüßen, – mal mehr und mal weniger – und ich kann eine Sicherheit spüren, die nicht so leicht zu gefährden ist.

Dann wird die Achterbahn zur Hoch-Schau-Bahn und ich kann sehen, wie weit und groß das Leben ist.

Das Leben feiern!

Heute ist mein 4. Busenlos-Geburtstag.

Welch´ ein großes, freudiges Ereignis war das damals!

Vieles ist in der Zwischenzeit passiert, Vieles hat mir sehr zugesetzt, hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht und am Leben verzweifeln lassen.

Und dann Ende November, auf der Intensivstation, als ich einige Zeit zwischen Leben und Tod schwebte, habe ich zu tiefst erkannt, dass das Leben per se ein kostbares Geschenk ist.

So habe ich eine Entscheidung getroffen:

Den Flirt mit dem Tod zu beenden und das Leben, wie immer es sein mag, anzunehmen.

Diese Entscheidung wurde nach einer kurzen glückseligen Erholungszeit mit meiner Familie stark herausgefordert.

Ein CT und nachfolgend ein PET CT zeigte 3 suspekte Herde, 2 in der Lunge und einen in meiner nicht mehr vorhandenen Brust.

Das war ein schwerer Schlag.

Dennoch – Dank der liebevollen Unterstützung meiner Familie und FreundInnen hielt die Entscheidung für´s Leben – erstaunlich!

Und ich konnte unaufgeregt, nur hin und wieder unterbrochen von verschattenden Einbrüchen immer wieder ganz im Moment sein und das Leben, das ja – immer – ganz (für mich) da ist, erfahren.

Die Histo von der Brust-OP letzte Woche steht noch aus, und auch die beiden Herde werden wohl noch eine Weile da sein.

Dennoch – ich bin wild entschlossen, mich nicht von Befunden und meinen Stimmungen vereinnahmen zu lassen, meiner Entscheidung treu zu bleiben, und das Leben einfach zu leben, solange ich darf.

Und da ich mir, wie an jedem Geburtstag auch etwas wünschen darf, möchte ich das auch jetzt in buddhistischer Tradition tun:

  • Möge ich mich an meine Entscheidung fürs Leben erinnern, komme da, was wolle.
  • Möge ich mich an meinem Körper freuen, an seiner Lebendigkeit und wie lieb er mir dient und auch an seiner Schönheit.
  • Möge ich mir meine Wildheit, meine Lebendigkeit gönnen, auf dass ich das Lebenslicht in mir erleben kann.
  • Möge ich mit Jupiter (so habe ich den so leuchtend strahlenden Herd in meiner Lunge genannt) in friedlicher Koexistenz leben können.
  • Mögen meine Haare, die post-covid großzügig ausgefallen sind, erneut kräftig sprießen.
  • Möge ich mir meiner Weisheit bewusst sein und sie un-verschämt teilen.
  • Möge ich die Schöpferin in mir zum Ausdruck bringen, sei es im Schreiben, Malen, Tanzen…
  • Möge ich im Frieden sein mit allem, was geschieht.
  • Möge ich lieben und mich lieben lassen,
  • Möge ich oft und oft meine schützische Be-Geist-erung erleben dürfen.
  • Möge ich wissen, dass ich immer heil war, bin und immer sein werde.
  • Möge ich mich freuen am Leben!
  • Möge ich mich freuen am Leben!
  • Möge ich mich freuen am Leben!
  • Mögen alle Wesen glücklich, frei und im Frieden sein.

Mein schönster Augenblick 2021

Endlich – endlich nach quälenden 2 Wochen im Krankenhaus mit (Todes-)Angst, Ausgeliefert- und Alleinsein und Schmerzen jeglicher Art sagte der Assistenzarzt das erlösende Wort:

„NEGATIV“.

Ich konnte heim – endlich.

Auf wackligen Beinen trat ich aus dem Isolierzimmer und sah zum ersten Mal Gesichter, wo zuvor nur Vollvisiere zu sehen waren, freundliche Gesichter, Menschen, die sich sichtbar freuten, dass ich auf beiden Beinen das Krankenhaus verlassen konnte.

Auf wackligen Beinen ging ich zum Lift – die größte Strecke der vergangenen 3 Wochen, in denen ich nicht mehr als 5 Meter ging.

Große Freude, in den Sessel des Wagens zu sinken.

Und dann gingen mir die Augen auf – alles sah ich zum ersten Mal, die Weite des Himmels, die Häuser, die Straßen, die ich sicher schon Hunderte Male befahren und begangen hatte, der Meidlinger Bahnhof, die „Kichererbse“ bei uns ums Eck, die Weinrotherstraße und dann war ich da, in meiner Straße.

Meine geliebten Platanen standen noch da, wie ich sie verlassen hatte.

Und dann waren sie da, meine Geliebten, mein Mann und meine liebste Lisa-Tochter.

Und endlich konnte ich – gehalten in liebevollen Armen – weinen.

Die 3 Stock ohne Lift waren zwar noch zu bewältigen, aber dann war ich Zuhause, in Sicherheit – keine bösen Worte mehr, keine körperlichen Zumutungen und zuallererst die Gewissheit, dass ich am Leben bleibe.

Glückseligkeit

Unbeschreiblich

Liegen

Die Hände über meine Brust gelegt

Schauen

Unsere Wohnung, mein Zuhause, meine Liebsten

Und ich

– wie selten –

einfach da.

Der Corona/Krebs – Aufruf zum Selbst-Sein

Der Corona-Krebs – Aufruf zum Selbst-Sein

Mein Krebs wurde erstmals 1997 diagnostiziert, in der rechten Brust, ausgedehnt auf 10×8 cm zeigten Mikroverkalkungen, einem Sternenhimmel gleich, ein niedrig malignes Krebsgeschehen an.

Der erste Chirurg, den ich 3 Tage nach der Diagnose kontaktierte – ein honoriger Universitätsprofessor – machte gleich mal klar: „Da muss Alles weg – die ganze Brust, dann sei ich geheilt.“

Das war der eigentliche Schock – der Verlust meiner Brust mit 41 Jahren. Das wollte ich nicht. Soviel war sofort klar.

Glücklicherweise fiel mir das wunderbare Buch „Brustgesundheit – Brustkrebs“ von Susun S. Weed in die Hände. Dieses Buch wurde zu meiner Bibel. Hier las ich – und das tat ich im Bus, in der Straßenbahn, zwischen den Therapiesitzungen, abends, morgens, überall und immer – dass wir, die von einer Krebsdiagnose betroffen sind, uns Zeit lassen dürfen, zunächst einmal innehalten, nichts tun, auf die innere Stimme hören und diesen Eingebungen folgen.

Das tat ich. Und so fand ich meinen ersten Chirurgen, der mir meine Brust beließ und mich nur von dem betroffenen Teil befreite – mit einer derartigen Kunstfertigkeit und in Liebe zu mir als Frau, sodass schon nach kurzer Zeit nichts mehr zu sehen war. Wunderbar.

Man/frau möge meinen, dass die Zeit um die Krebsdiagnose verschattet war, dunkel, bedrückend. Das war sie nicht. Vielmehr fühlte ich mich in meinen Bewusstsein angehoben. Leben durfte ich endlich, mich zum Zentrum meines Lebens machen, Leben aus mir heraus.

20 Jahre später erhielt ich die nunmehr dritte Brustkrebsdiagnose. Wieder wurden multizentrische Krebsherde gefunden und erneut traf ich ganz klar eine Entscheidung: Ich trennte mich von beiden Brüsten nach nahezu 50 Jahren Zusammenleben.

Und es war gut und richtig. Auch das mit einer gnadenvollen Geistes-Klarheit, die mir jeden notwendigen Seelen-nahen Schritt zeigte.

Dieser Chirurg, diese Chirurgin, dieser Operationszeitpunkt, diese Ernährungsumstellung, dieser spirituelle Weg, diese Ayurvedakur, das Beenden von belastenden Beziehungen, das Zusperren meiner psychotherapeutischen Praxis usw. – all das, entstand aus meinem Innersten.

Und dann vor nahezu zwei Jahren: Corona.

Auch hier war und bin ich ganz klar, was für mich zu tun und zu lassen ist. Auch habe ich keine Angst vor der Krankheit – bei aller Um- und Vorsicht. Ich weiß, dass sie, wie auch mein Krebs, der ja mein Krebs ist, mit mir zu tun hat, mit meiner Lebensweise ebenso wie mit meinem Schicksalsweg.

So weit, so ähnlich.

Es gibt jedoch im wahrsten Sinne des Wortes gravierende Unterschiede.

Ja, ich hatte es auch in Bezug auf meine Therapieentscheidungen wie viele andere, die sich für einen nicht orthodoxen schulmedizinischen Weg entschieden, mit Kopfschütteln, Infragestellen meiner Entscheidungen zu tun, und viele meiner Krebsgeschwister werden deshalb angegriffen, fallen gelassen und manchmal sogar mit dem Tod bedroht – „dann, wenn Sie diese oder jene Therapie ablehnen,  sehen wir uns am Friedhof!“ Wie in der katholischen Kirche wird mit der Verdammnis gedroht, wenn man/frau sich vom einzig wahren Glaubensweg entfernt.

Aber: es war mein Körper, mein Weg und wenn ich mir ein Herz fasste und für mich und meine Entscheidungen eintrat, erfuhr ich oftmals auch Verständnis, Interesse und Respekt – auch von schulmedizinischer Seite.

Das, womit wir es jetzt seit nahezu 2 Jahren zu tun haben, ist ein anderes Kaliber.

Von Anfang an wurde diese Krankheit über Risikofaktoren hinweg generell dämonisiert und Menschen, die versuchten, diese Gefährlichkeit – auch mithilfe von wissenschaftlichen Untersuchungen – zu relativieren, wurden sogleich mit Titeln wie CoronaleugnerInnen, Covidioten, AluhutträgerInnen disqualifiziert und ja auch verfolgt.

Die Gehirne der Menschen wurden beständig mit der vermeintlich allumfassend tödlichen Realität der Erkrankung aller wissenschaftlichen Evidenz zum Trotz infiziert.

Sukzessive kamen Menschen, die gerade noch aufgeklärt, vernünftig zum Geschehen standen, von Sinnen. Sie verloren ihre organisimische Urteilsfähigkeit und letztendlich das, was mein lieber Wilhelm Reich als Wahrheitssinn bezeichnete.

Das – und ich sage das jetzt mal ganz unverblümt – ist das wahre Verbrechen.

Weil ohne diese Basis unserer organismischen Wahrnehmungsresonanz, unserer Einschätzungsfähigkeit, was wahr und angemessen ist, was wir als richtig und falsch für uns erachten, ein gesundes, der (inneren) Körper-Geist-Natur entsprechendes Leben schwer, wenn nicht unmöglich ist.

Die Krebsdiagnose führte mich durch alle Schichten meines verbiegenden Geworden-Seins geradewegs in mein Fundament, in das, was ich wesenhaft bin. Sie ließ mich in eine den Himmel und die Erde verbindende vertikale Ausrichtung kommen.

Und hier findet sich alles Wissen, das für das Jetzt und Hier gebraucht ist – ein Wissen, das aus der Erfahrung der Vergangenheit gespeist ist und den Möglichkeitsraum der Zukunft in sich trägt.

Diese Aufrichtigkeit, dieses Selbst-Bewusstsein, im Sinne eines Bewusstseins meines Selbst gilt es in einer Krise zu erwecken, das ist meine Erfahrung.

Ich könnte auch sagen, es bleibt uns nichts anderes übrig.

Und nein, dieser Prozess ist nicht schwierig, nicht anstrengend, nicht hart, vielmehr ist es eine riesige Befreiung, eine göttliche Freude.

Und hier in der Tiefe unserer Wahrheit findet Vernetzung statt zu Gleich-Gesinnten, Menschen, die gleich schwingen.

Wir ziehen über die Kraft unserer Authentizität Menschen an, wo eine Herzensverbindung, eine Vertrautheit spürbar und ein freudvolles gemeinsames Schaffen möglich ist.

Es tun sich Welten auf, Gutes strömt uns zu, und Neues entsteht.

Ganz einfach!

Schön, die Dritte!

Heute vor drei Jahren am 6.3. 2018 trennte ich mich von meinen Brüsten und den Krebszellen, die sich in ihnen nieder gelassen hatten.

Man/frau könnte annehmen, dass das schrecklich war. Nein, das war es nicht, es war schön, alles rund um diesen Akt, den man Ablatio nennt, war und ist von einem lichten Schein erhellt. https://krebscoaching.org/2018/03/28/schoen/

Cut and Go war meine Devise – zuerst die Brüste und nein, the first cut was not the deepest.

Die „Arbeit“, die ich zu leisten hatte, begann erst danach.

Meine psychotherapeutische Praxis zu schließen – endlich – war der 1. Schritt. Nicht so einfach, wie ich dachte, musste mich von dem Gebrauchtwerden lösen, davon, dass ich nur etwas wert bin, wenn ich Sinnvolles tue, anderen helfe, mir auf die Schultern klopfen kann, wenn ich wichtig war.

Dann löste ich mich von der strikten Disziplin meiner spirituellen Praxis, der ich seit 20 Jahren folgte.

Auch das nicht einfach – nicht täglich unhinterfragt gleich nach dem Aufstehen mindestens 45 Minuten, besser noch 1 Stunde Yoga und Meditation zu praktizieren, damit ich auf dem spirituellen Pfad bleibe, nicht der geistigen Verdammnis anheim falle.

So ging es dahin.

Step by Step versuchte ich mit all den Überzeugungen, mit all dem mich belastenden Tun aufzuhören.

Corona war und ist ein wahrer Booster in diesem Prozess des Abschieds, der Ent-täuschung und der Genauigkeit mit mir selbst.

Was ist richtig zu tun oder vielmehr, was ist richtig zu lassen?

So sitze ich heute, am 6.3. um 15 Uhr 30, auf meinem Sofa, bin erschöpft vom Herpes Zoster, den ich seit 1 Woche in mir trage, kann auch, wenn ich wollte, nicht zur Demo, die man neuerdings Spaziergang nennen muss – gehen, hab´ nach wie vor ein schlechtes Gewissen, sehe, wenn ich meinen Blick hebe, die viele Schönheit um mich herum, den blauen Himmel, meine geliebten Platanen vor dem Haus, die Bilder meiner Liebsten auf dem Schreibtisch, das wunderbare, sanfte Grün der Wände.

Still ist es und – ich wage es kaum zu sagen – ich fühle eine Art Zufrieden-Sein.