Krebs und ganzheitliche Gesundheit bei Wilhelm Reich

Wilhelm Reich, Psychoanalytiker, Arzt und Forscher (1897-1957) ist zu Unrecht in weiten Kreisen unbekannt. Er  erkannte, dass am Grund jeder Erkrankung eine Störung im bioenergetischen Funktionieren des Menschen besteht. Diese Störung drückt sich sowohl auf der körperlichen Ebene in Form von chronischen Kontraktionen, von ihm Panzerungen genannt,  aus, wie auch im Charakterlichen, in der Unfähigkeit sich auszudrücken und sich dem Leben hinzugeben. Er gilt als Vater der modernen Körperpsychotherapie, welche nicht nur an der Psyche sondern auch direkt am Körper ansetzt.

Ab den 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts begann er systematisch mit der Erforschung der Krebserkrankung wie auch mit Untersuchungen zu ihrer Heilung.

Er erkannte, dass der Krebserkrankung eine Pulsationsstörung zu Grunde liegt, die sich chronisch  über mehrere Stadien bis zum Krebssymptom entwickelt. Diese Pulsationsstörung nannte er Schrumpfungsbiopathie. Er beschrieb, dass bei Menschen, die letztlich an Krebs erkranken ein Überwiegen der Kontraktion besteht, eine Sympathikotonie des vegetativen Nervensystems, was mit vegetativem Stress und Veränderungen im immunologischen System und in der endokrinen Regulation einhergeht.

Es ist eine Erschöpfung des Gesamtsystems, welche eine Krebserkrankung begünstigt. Im Psychischen drückt sich diese in einer Resignation, einem Aufgeben, einem Nein zu Welt und zum Leben aus. Viele Krebskranke berichten von dieser Erschöpfung in den Monaten vor der Krebserkrankung. Die Lebensfreude ist abhanden gekommen und das Leben erscheint entfremdet und sinnlos.

Es ist unglaublich, wie weitsichtig dieser Sichtweise von Reich war. Sie deckt sich eins zu eins mit den neueren Untersuchungen aus der Psychoneuroimmunologie bei Krebs, wie sie zum Beispiel durch Christian Schubert an der Universitätsklinik in Innsbruck durchgeführt werden.

Reich betrachtet also die Krebsgeschwulst  als ein Symptom der Krebserkrankung. Konsequent setzt seine Behandlung demzufolge an diesem tieferliegenden Mechanismus des bioenergetischen Funktionierens an. Er wandte dazu Orgonakkumulatoren an. mit dem Ziel „der Aufhebung der Kontraktion und der Erzeugung einer Expansion…“

Die Pulsationsfähigkeit, also das Pendeln zwischen Kontraktion und Expansion ist die Grundlage für Gesundheit. Die Anwendung des Orgonakkumulators – bisweilen begleitet von einer psychosomatisch orientierten Vegetotherapie  – führte zu dramatischen Verbesserungen sowohl was objektive Befunde aus den Ergebnisse der Blutuntersuchung betrifft – Reich brachte eine Lebendblutuntersuchung zur Anwendung – auch dieser meiner Ansicht nach äußerst bedeutsame Test ist in Vergessenheit geraten und wird kaum noch angewandt.

Vielfach ging auch die Metastasierung zurück, vor allem zeigten sich Verbesserung im subjektiven Empfinden des Menschen – Gewichtszunahme, vermehrter Appetit, weniger Übelkeit und Schmerzen, verbesserte Hautdurchblutung, Zunahme an Lebendigkeit, Empfindung von Wohlbefinden und Lust.

Er beschreibt, wie wichtig es ist, das wie er sagt in der „Tiefe festgeklemmte Nein – Nein zu befreien und die gesamtorganismische Fähigkeit zum Ja zu fördern. Gesundheit ist in diesem Sinne dann gegeben, „wenn der Organismus als ein totales Ganzes funktioniert, ….wenn die Ausdrucksbewegungen des Menschen frei ablaufen können.“ (Reich, Charakteranalyse S. 386, 1976)

Am 11.3. 2017 werde ich am Abend zum Thema „Ganzheitliche Gesundheit bei Wilhelm Reich“ sprechen. Genauere Infos zur Veranstaltung siehe hier: www.tzg.at/dieveranstaltungenimeinzelnen/tag-der-ganzheitlichen-gesundheit.html

Information über Wilhelm Reich, seine Therapieansätze und TherapeutInnen bzw. ÄrztInnen, welche in seiner Tradition arbeiten siehe www.wilhelmreich.at

Zu-Ruf statt Nach-Ruf

„Wenn nur 1% dessen, was ehrlich und wertschätzend über Politiker/innen nach ihrem Tod gesagt wird, schon zu Lebzeiten gesagt wird, wär´s gut.Und das gilt für alle Menschen, nicht nur für Politiker/innen.“ postete Christoph Chorherr am 24.2. 2017 anlässlich des Todes der  österreichischen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser.

Viel Gutes wurde über sie gesagt in den letzten Tagen – dass sie ein wertvoller, aufrichtiger, verbindlicher, positiv denkender Mensch war, der über die Parteigrenzen hinweg wertschätzende Beziehungen führte. Für mich rückten diese Wortmeldungen die mir unbekannte Frau in ein neues, angenehmes Licht.

Es zählt zu den lieb gewonnen Gepflogenheiten, dass man am Grab über die Verstorbenen Gutes sagt. Vielmehr noch – man bemüht sich, das Gute, das vielleicht zu Lebzeiten gar nicht so deutlich offenbar wurde, heraus zu streichen.

So wird beispielsweise in einem Nachruf aus einem konfliktscheuen ein verbindlicher Mensch, dem die Harmonie zwischen den Menschen über Allem stand, und aus einem  zuvor als streitsüchtig  geltendem Menschen wird  ein kompromissloser, der sich ganz und gar für eine Sache einsetzte.

Anhand dieser  Beispiele kann gesehen werden, wie unterschiedlich Sichtweisen sein können.

Und es wird darauf ankommen, wie wir eine Eigenschaft eines Menschen sehen wollen. Die Erfahrung zeigt, dass wir zu Lebzeiten mit den für uns schwierigen, unbehaglichen Seiten  eines Menschen leider oftmals  in einer be- und verurteilenden Weise umgehen.

Und das Bemühen um eine erweiterte Sicht, die das Gute im anderen sieht, findet oftmals erst anlässlich seines Todes statt – sozusagen in unserer Komfortzone.

Was würde es tatsächlich verändern, wenn wir dieses Bemühen schon zu Lebzeiten walten lassen. Wie würde sich diese Bereitschaft zur zärtlichen Offenheit für die andere in meinem Inneren auswirken, und wie würde es für die betroffen Person wirken, wenn wirkliche An-Erkennung stattfindet.

Wie würde es sich darüber hinaus auswirken, wenn ich von meinem größten Feind, der ich für mich bin, in dem  ich mich zum Beispiel  als eine sehe, die  sich immer so aufführt, die zu viel redet, immer im Mittelpunkt stehen will, zu meiner Freundin werde, die meinen Mut zur Unbestechlichkeit wahrnimmt, die einfach viel zu sagen hat, die nun mal nicht am Rand sondern in der Mitte zu stehen hat, weil das ihr Platz ist.

Ich getraue mich zu sagen, dass das das ganze Leben ändert.

Mich anzuerkennen in dem, wie ich (nein nicht halt so) angelegt bin,  zu sehen, welche Note ich dieser Welt mit meinem So-Sein hinzuzufügen haben, zu sehen, was und wie etwas durch mich zu geschehen hat – hier und jetzt.

Dann würde die Energie, welche ich mein Lebtag aufbiete, um mich in meiner Essenz zurück zu drängen für mich und mein Lebenswerk zur Verfügung stehen.

Der große Lawrence Le Shan schreibt in seinem wertvollen Buch „Diagnose Krebs – Wendepunkt und Neubeginn“ (siehe dazu auch die Buchempfehlungen auf dieser Seite) darüber, wie das grundsätzliche Problem der Verzweiflung, das zum Leben von krebskranken Menschen seiner Erfahrung nach zu gehören scheint, zu lösen sei. „Die Lösung liegt darin, mehr und mehr der Mensch zu werden, der Sie wirklich sind.“

Die/der zu werden, die/der ich bin, braucht die Unterstützung meiner Umgebung, es braucht den liebevollen Blick von mir und den anderen.

Dann kann das Leben gut werden und ich kann, wie Le Shan schreibt, ein Leben führen, das mich wirklich befriedigt, bei dem ich jeden neu Tag freudig begrüße und mit Hoffnung in die  Zukunft schaue.

Über-Gewicht

Es zählt wohl zu den häufigsten Neujahrsvorsätzen, ein paar Kilos zu verlieren.

Auch ist das bisweilen notwendig, weil Übergewicht gesundheitlich belastend sein kann, und bei einigen Krebsarten zu den Risikofaktoren zählt.

Viele Menschen versuchen mit Diäten ihre überflüssigen Kilos loszuwerden. Und oftmals sind diese Kilos bald wieder da, oder noch mehr.

Für mich ist Übergewicht die Folge davon,  dass ich zum Beispiel Dinge esse, die ich eigentlich jetzt gar nicht will – z.B. weil in der Weihnachtszeit alle Vanillekipferl essen,  dass ich also wo mitmache, unbewusst, weil alle das jetzt so tun. Es entsteht da, wo ich Alkohol trinke, weil man zu einem guten Abendessen in einem Restaurant Alkohol trinkt, anstelle des köstlichen alkoholfreien Cocktails. Also dann, wenn ich einer Idee und nicht einem organismischen Bedürfnis folge.

Aber Übergewicht ist für mich auch eine Folge davon, dass ich  mir grausliche Filme ansehe, wo wehrlose Menschen festgehalten und gequält werden von unbarmherzigen Menschen.  Und zwar sowohl im tatsächlichen Sinne – Untersuchungen bestätigen, dass längeres Fernsehen, vor allem, wenn man spannungsreiche Filme schaut, dick macht. Aber auch im energetischen Sinne, dass wir –  so empfinde ich das – eine natürliche Abwehr gegen Grausamkeit und dagegen haben, dass Menschen oder Tieren Gewalt angetan wird. Diese Abwehr bewirkt ein Entgegenhalten und verhindert damit den freien Fluss der Energie. Das ist und verursacht alles Über-Gewicht. Zuviel von jetzt für mich Falschem, Unbekömmlichem, Unverdaulichem, Unverträglichem.

Für mich gilt es in diesem Sinne vom Man zum Ich zu erschlanken, indem ich mich, meinen Körper frage, was ich jetzt wirklich will.

Und zwar auf jeder Ebene –  auf der Ebene des Essens und Trinkens ebenso wie der sozialen Kontakte, welche mich nicht nähren, wo ich meine, aushalten zu müssen, dass jemand eine Bestätigung von mir will, und ich nicht wage, sie ihm zu verweigern, obwohl ich ganz und gar nicht mit dem Gesagten übereinstimme. Dann wenn ich mir endlose Klagen anhöre, weil ich nicht unhöflich sein will und es nicht wage, die andere Person auf ihre Verantwortung für dieses ihr Leben hinweise.

Wenn ich Ja zu etwas sage, wo mein ganzer Organismus Nein sagt. Wenn ich  dieses Nein ersticke in einem Wust von Rechtfertigung – man muss die Menschen nehmen so wie sie sind, oder noch gefinkelter, aus einem spirituellen Eck, die anderen sind nur unser Spiegel, dann halte ich den Atem an, schlucke all das Wider runter, und das ist dann Schlacke, Stagnation und fest.

So vieles macht also Über-Gewicht. Auch wenn ich etwas zusage, wo ich schon beim Aussprechen weiß, dass ich es nicht will. Wo ich mich nicht gleich dem Unangenehmen stelle, und es dadurch über Tage und Wochen und vielleicht Monate mit mir rumschleppe. Dann ist das Über-Gewicht.

Man sagt Übergewicht ist eine Frage der Energiebilanz zwischen Aufnahme und Abgabe, ausgedrückt in Kalorien.

Für mich ist Übergewicht ein Ausdruck einer energetischen Stagnation, eines Zuviel von Unbekömmlichem, Falschem (in dem Sinne, dass es jetzt für mich nicht stimmt) in jederlei Hinsicht. Es ist eine Folge von Unbewusstheit, dass ich ohne zu spüren, zu schmecken, zu fühlen mir einfach irgendwas „reinziehe“.

Es ist aber auch eine Folge von Unausgedrücktem, Unterdrücktem, gesellschaftlichen Tabus, von Unfreiheit. Dann fließt es nicht mehr in meinem Organismus, der Atem flach befeuert nicht die Verdauung, es bleibt eine Schicht unergriffen von meinem lebendigen Sein.

Es funktioniert meiner Ansicht nach nicht, mich noch mehr zu kasteien, mir noch mehr zu verbieten, z.B. verbissen eine Sportart auszuüben, nicht aus Freude sondern aufgrund von  Vernunftgründen.

Vielmehr geht es darum, zu schauen, wonach es mich jetzt wirklich verlangt, was mein Organismus, oder wie ich es einmal in einem Artikel genannt habe, meine Seele wirklich begrüßt. Mich aber auch zu fragen, was ich jetzt sagen und ausdrücken und tun und verändern will.

Und es wäre im Sinne einer Krebsprophylaxe förderlich, dass wir einander ermutigen, diese unbequemen, aber auch schönen Wahrheiten („Wow, Du siehst gut aus, ich mag es, wie Du sprichst, ich danke Dir für das, was Du in die Welt gibst…“) zu schenken.

Und dann, wenn ich in einer Art Verliebtheitsgefühl bin, verliebt ins Leben, dann beginnt es zu fließen, der ganze Körper ist ergriffen und durchdrungen von dem, was Wilhelm Reich Strömen nennt.

Und schon purzeln die Kilos jeglicher Art.

Frei-Raum Schaffen

Eines der größten Geschenke meiner Krebsdiagnose war die Notwendigkeit und das Recht, mir einen Freiraum zu verschaffen.

Ich, die mich verpflichtet fühlte, jede freie Minute zu nutzen, um an etwas – einem Vortrag, einem Artikel, an meiner Selbstverwirklichung oder an meinem geistigen und körperlichen Wohl –  zu arbeiten, musste mich plötzlich ganz und gar um mich kümmern. Termine bei Ärzten mussten vereinbart werden, ich musste mich auf die OP vorbereiten und dann während der Bestrahlung für gute Bedingungen sorgen, um die Nebenwirkungen gering zu halten.

Und plötzlich war es ganz selbstverständlich, Kliententermine abzusagen, mich nach der ersten Diagnose für 4 Monate ganz aus den beruflichen Verpflichtungen zurück zuziehen.

Die Welt rückte ab, und ich wurde zu ihrem/meinem Mittelpunkt.

Dann 4 Jahre später erhielt ich die 2. Diagnose. Wieder war ich in eine Lebensweise zurück gefallen, welche von Absolvieren, zur Verfügung stehen und Überforderung geprägt war. Die Nebenwirkungen der Bestrahlung waren jedoch von einer unerwarteten Massivität, sodass ein Weiterhasten  nicht mehr möglich war. Und hier im Zuge einer Meditation wurde ganz klar, dass ich die Praxis zuzusperren hatte. Glücklicherweise war mir dies, da ich finanziell abgesichert war, möglich.

Und ich spürte, wie sogleich Heilung stattfand.

Es folgten eineinhalb Jahre mit Frei-Raum in Hülle und Fülle. Nein, ich nahm mir auch nichts vor für diese Zeit, ich musste die Zeit nicht „sinnvoll nutzen“.

Ich riskierte den Frei-Raum des Lebens. Ich lebte in den Tag hinein, wusste am Morgen nicht, ob ich das Haus überhaupt verlassen würde heute, oder doch lieber einen Schlafsack für das Enkelkind stricken, OE1 hören, in der Küche sitzend verbringen wollte.

Oder ich traf mich mit einer Freundin im Kaffeehaus und als ich mich verabschiedete und auf die Straße trat, begegnete mir eine andere, mit der ich sogleich ins Kaffeehaus zurückkehrte, um eine weitere Stunde dort zu verbringen.

Mein Organismus, die organismische Resonanz wie Carl Rogers diese innere Bewertungsinstanz nennt, die weiß, was jetzt im Augenblick zu tun ist, führte Regie.

Ich fand statt.

Und  lebte auf.

In derartigen Extremerfahrungen, wie es eine Krebsdiagnose und die nachfolgenden Behandlungen sind, ist es oftmals leichter, sich selbst bedingungslos Gehör zu schenken. Viele an Krebs erkrankte Menschen haben in dieser Zeit den Mut, weil sie auch das Recht haben – „Jetzt wo Du Krebs hast….“- für ihre Bedürfnisse einzustehen und sich zum Mittelpunkt zu machen.

Ein wesentliches Bedürfnis war und ist für mich das terminlose Alleinsein. Der Tag-  nicht zurückgestaut auf eine Reihe von einzuhaltenden Terminen – dehnt sich in mich aus und schafft einen kreativen Raum, aus dem Ent-Faltung stattfinden kann.

Das Leben wird nicht mehr absolviert sondern gelebt.

Und oft sind es ganz einfache Bedürfnisse, die dann entdeckt werden: in Stille sein, in der Natur, die Bedürfnisse nach gesunder Nahrung, nach Bewegung, nach Einkehr, nach kreativem Ausdruck….

Bald jedoch nach der uns zugestandenen Zeit der Rekonvaleszenz beginnt es wieder zu wuchern –  die Außenwelt-  und der „Weltinnenraum“, wie Rilke diesen Bereich des „Offenen“, der „Unbetretbarkeit“ nennt, droht erneut verloren zu gehen.

Da ist es wichtig, sich zu entsinnen, was und wann es zu viel wird. Und das sind oft auch Dinge, Ereignisse, die mir grundsätzlich Freude bereiten, wie FreundInnen zu treffen, ein Seminar zu besuchen, auszugehen in ein Theater, in ein Kino…

Dann gilt es, den Mut zu haben, abzusagen, für mich einen Frei-Raum zu schaffen, mich von dem Getose des außen zurück zu ziehen in mich.

Immer wieder und wieder.

Über das Müssen, Dürfen und Wollen – Teil 2: Das Dürfen

„Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Karl Valentin

Ist das Müssen für mich im Erleben mit einem Druck von oben, einer Verengung, einer Kontraktion, einem Kleinerwerden verbunden, so erlebe ich im  Dürfen eine Weitung, eine Öffnung, ein heilsames Aufatmen, letztlich eine große Befreiung.

Dürfen eröffnet das Feld von Möglichkeiten –  alles wird weit, vor mir liegen all die Schätze der Welt und des Universums.

Oftmals haben Menschen, welche an Krebs erkranken schon lange nichts mehr dürfen, waren ganz im Müssen. Pflichtbewusst erfüllen wir die an uns herangetragenen oder verinnerlichten Ansprüche, gehen einer Arbeit nach, die uns schon lange nicht mehr erfreut oder leben mit Menschen, die uns nicht gut tun, die uns nicht wahrnehmen.

Dann kommt die Diagnose, der Einbruch in das existentielle Fundament und plötzlich geht es nicht mehr um das Erfüllen von Ansprüchen, sondern um mich. Krebs gibt Erlaubnis, ich darf mich um mich kümmern, zum Beispiel endlich meinen Bedürfnissen nach Erholung und Ruhe, nach Selbstverwirklichung nachgehen – alles, was lange nicht mal denkbar war, ist auf einmal selbstverständlich – „Schau jetzt mal ganz auf Dich, ganz klar, dass das jetzt notwendig ist.“

Ohne Dürfen, ohne die radikale Erlaubnis, alles tun zu dürfen, wirklich alles, kein Lebens- und Genussmittel, das verpönt ist, alle Schätze der Welt vor uns ausgebreitet und uns zur Verfügung, kein Tabu, alles gut – erst auf dieser Basis können wir eine wirkliche Wahl treffen.

Tun wir etwas, weil wir es müssen, so ist oftmals ein in der Zukunft liegendes Ziel leitend – gesünder werden, besser auszusehen, sich Ruhm und Anerkennung erwerben, von sich sagen zu können, dass ich ein guter Mensch bin und so weiter.

Mit der radikalen Erlaubnis, indem wir uns gestatten alles zu dürfen, bringen wir uns un-mittel-bar ins Jetzt. Und damit in den Erfahrungsraum gegenüber dem Erfüllungsraum.

Indem wir zum Beispiel laufen gehen, um schlanker oder fitter zu werden, geht es vor allem um die Erfüllung einer Vorgabe – zum Beispiel mindestens eine halbe Stunde im Stück laufen. Wenn wir jedoch – jenseits von dem, was wir lesen oder hören, dem nachgehen, wonach uns ist und uns das erlauben, z.B. einfach eine Runde spazieren zu gehen oder immer wieder gehen und dann ein Stück laufen und wieder gehen und in Fühlung mit unseren Impulsen sind, so ist es der Moment, den wir genießen. Wir brauchen uns nicht danach auf die Schulter zu klopfen und den Wert aus der Tapferkeit, Überwindung, oder dass wir den inneren Schweinehund (was für ein Wort!) bezwungen haben, beziehen.

Es gilt zunächst uns von all den Konzepten und wissenschaftlich verankerten Vorgaben zu bereinigen und alles zu gestatten, das Schokolade-Essen genauso wie das Zigarettenrauchen – ja auch das!, das Alkoholtrinken genauso wie das faul – nein besser gesagt bequem –  am Sofa liegen. Dann erst können wir eine Erfahrung damit machen.

Bei allem, was wir nicht dürfen, bei allem, was wir müssen, schalten wir – so ist meine Erfahrung – das Bewusstsein ab. Entweder weil wir das, was wir glauben zu müssen nicht wollen und es damit auch nicht bewusst erleben können/wollen sondern nur absolvieren, oder aber, weil wir das, was wir nicht dürfen,  eigentlich ja gar nicht tun – schnell noch eine Schokolade bewusstlos in den Mund geschoben, mit dem richtigen Vorsatz für Morgen oder Montag.

Das Negative, Ausschließende hat offenbar keine wirklich förderliche Wirkung, was die nachhaltige Veränderung von Verhaltensweisen betrifft. Das zeigt sich am Effekt der grauslichen Bildern auf den Zigarettenpackungen, welchen zum Trotz dennoch die Anzahl der Raucher gestiegen ist.

Der kluge buddhistische Mönch Bhante Seelawansa meinte damals, als es nur schriftliche – ebenso unwirksame – Warnungen auf den Päckchen gab, dass folgender Aufdruck effizienter wäre:  „Rauchen Sie, aber rauchen Sie achtsam!“

Wenn wir bewusst etwas tun, dann merken wir, was wir tun, wir fühlen die Wirkung, die es auf uns und unseren Organismus hat. Wir können zum Beispiel bemerken, wie der Rauch sich in der Mundhöhle, im Rachen, in der Luftröhre und auch in der Lunge anfühlt, wir können erfahren, wie wir uns nachher fühlen und diese Erfahrung kann ein Korrektiv sein.

Erst auf der Basis, die nichts ausklammert, nichts tabuisiert, nichts verpönt und verurteilt, kann eine freie Wahl stattfinden.

Und es eröffnet sich die Frage: Ich darf, aber will ich denn?

Über das Müssen, Dürfen und Wollen

Teil 1 Das Müssen

„Du musst besser auf Dich schauen, Du musst Dich mehr lieben,  gesund essen, Sport betreiben, keinen Alkohol trinken, genügend Schlaf haben, alten Groll loslassen, verzeihen, in Frieden sein , Dich selbst verwirklichen, Dein Leben leben, wissen, was Du wirklich willst, positiv denken, Vertrauen haben, zuversichtlich sein, an die Heilung glauben….!“

All diese Sätze bekommen wir  – oft ungefragt – zu hören, wenn wir an Krebs erkrankt sind oder ihn verhindern wollen.

Die Welt ist voll von derartigen Ansichten, was gut und was schlecht ist, was krank macht und was gesund erhält oder heilt.

Ich bitte die Leser, sich die oben genannten Sätze einen Augenblick zu vergegenwärtigen und sie in ihrer Wirkung auf sich wahr zunehmen.

In mir kann ich bei all diesem Müssen eine Verengung spüren, ein ganzkörperliches Zusammenziehen, eine angsterfüllte Tönung, und gleichzeitig ein braves, artiges Erfüllen wollen, will ich doch gesund bleiben und einen Beitrag dazu leisten.

Ja das mach ich – 3 mal mindestens pro Woche Sport, wenig Kohlenhydrate, schon gar nicht das böse Weißmehl und den schlimmen Zucker, keinen Alkohol, am besten warm essen – das sagt die traditionell chinesische Medizin, und das klingt ja auch sehr logisch …

Ja das mach ich. Schon geht´s mir besser für einen Augenblick – bin ich doch mit diesen Gedanken an das Vorhaben in einer konfliktfreien Zone.

Ja das mach ich – nicht gleich jetzt sondern nach den Ferien, nach dem nächsten Geburtstagsfest, am 1. Jänner nächsten Jahres, oder beim nächsten abnehmenden Mond.

Der kluge, witzige Michael Musalek, Leiter des Anton Proksch Instituts in Kalksburg sagte einmal in einem Radiogespräch angefragt auf die weit verbreitete Praxis von Neujahrsvorsätzen: „Nehmen Sie sich nichts vor, was Sie sich vornehmen, wollen Sie nicht, sonst würden Sie es sogleich tun.“

Ja so ist das. Wenn ich mir etwas vornehme, dann lehne ich das, was ich jetzt tue, ab, weil es – so sagt man – schlecht ist. So ist es mittlerweile common sense, dass es ungünstig ist, am Abend Kohlenhydrate zu essen,  das Essen kann nicht mehr verdaut werden, und das ist schlecht ,und dick wird man auch.

Wenn wir diese Konzepte unreflektiert in uns rein lassen, in unseren Geist, dann erzeugen wir einen Konflikt, einen Konflikt zwischen einem gewohnheitsbedingten Bedürfnis z.B. sich am Abend  noch mit etwas Süßem oder mit Brot oder Nudeln zu verwöhnen und zu beruhigen einerseits und andererseits diesem – wissenschaftlich begründeten ? Konzept, das besagt, dass Kohlenhydrate essen schlecht ist.

Meiner Ansicht nach ist gerade dieser Konflikt das krankmachende, er erzeugt eine permanente Spannung, die sehr viel Energie in Anspruch nimmt und bis in die Zellen hineinwirkt.

Anders ist es, wenn ich diese Gesundheitsmaßnahmen, die durchaus ihre Berechtigung haben, ein-sehen kann – zutiefst verstehen kann, warum dies oder das sinnvoll ist. Dieses Verstehen kann einen Beitrag zur Veränderung meiner vielleicht tatsächlich ungesunden Gewohnheitsmuster leisten.

Auf dem Boden des Verstehens kann ein Annehmen stattfinden, das nicht von einem Müssen geprägt ist sondern von einem bewusstseinsmäßigen Bejahen. Diese tiefe Bejahung ist auf einer höheren Ebene jenseits der Dualität von Gut und Schlecht.

Es geschieht damit eine Öffnung für eine neue Erfahrung und das ist immer freudvoll.

Ja das mach ich. Gleich jetzt. Da freu ich mich drauf, Da kann ich endlich aus den alten Mustern, die mich träge und müde gemacht haben raus, kann mich erfrischen mit Neuem, Unbekannten und kann mich erfahren in einer nie gekannten Weise.

 

Krebs – die Krankheit hinter der Krankheit und die Gesundheit hinter der Symptombeseitigung

Die Krankheit hinter der Krankheit

„Den Tumor hat man mir (ab)nehmen können, das Leben habe ich zu führen. Das ist die Herausforderung.“  Diesen Satz habe ich einmal für einen Buchbeitrag mit dem Titel „Krebs sei Dank“ geschrieben.

Für mich war und ist das Leben das Schwierige, nicht so sehr der Krebs- Die Konfrontation mit einer Krebsdiagnose – so erschreckend diese auch für mich war –  war eine fokussierte Geschichte mit einer Richtung,  was zu tun ist – Infos recherchieren, Entscheidungen treffen, Behandlungen durchführen.

Da gibt es auch Fürsorge, Unterstützung durch andere und ganz konkret bekomme ich viel an Bemühen, an Aufmerksamkeit, ich habe ein Recht auf Selbstzentrierung. Andererseits fühle  ich mich –   wenn ich nichts offenkundig Bedrohliches, keinen Krebs habe – wie viele andere Menschen auch – oftmals allein.

Allein mit all den alltäglichen Unannehmlichkeiten, mit dem, was quälend in mir ist, allein mit dem, was unbewältigbar erscheint, und das kann schon die Einführung der Registrierkasse sein, ein Konflikt mit einem nahestehenden Menschen, die Angst, den Anforderungen des Lebens nicht gerecht werden zu können. Damit sind wir verschweigen, weil derartige Ängste nicht gesellschaftsfähig sind.

Dort fängt die Krankheit Krebs an – im Alleinsein, im Schweigen, im täglichen einsamen Ringen mit all dem, was mich bewegt. Oft steht am Anfang einer Krebserkrankung eine Überforderung, eine lange Zeit des Alleinkämpfertums, des Bemühens selbst mit Schwierigkeiten fertig zu werden. Mit all dem, was zu viel ist – zu viel Druck, zu viel Schmerz, zu viel Not, zu viel Angst…..

Und dann kommt die Diagnose und damit das Entpflichtetsein, und ein Raum entsteht in dem ich (ich) sein darf – Krebs gibt Erlaubnis.

Es ist allgemein verständlich, dass ich Angst habe, dass ich mich überfordert führe, dass ich Hilfe brauche. Dann – endlich werde ich wahr- und ernst genommen. Viele an Krebs erkrankte Menschen können nach der Diagnose und vor allem  nach den Behandlungen, – wenn sie es sich leisten und gestatten können, sich für die Genesung Zeit zu nehmen – erstmalig erfahren, wie sich die Essenz des Lebens anfühlt – einfach kochen, im Garten arbeiten, in entspannter Weise und nicht unter Druck dem Sohn bei der Hausaufgabe helfen. Und sie erfahren, wie sukzessive kritische innere Stimmen laut werden – „Jetzt sollte ich bald einmal wieder mit einer richtigen Arbeit anfangen.“ Viele Menschen können sich  nur  Achtung und Wertschätzung entgegenbringe, wenn sie viel leisten, über ihre Grenzen gehe, total im Stress sind.  Dann fühlen wir uns als ein wertvolles Mitglied in der Gesellschaft. – das ist der soziale Krebs.

Ist das nicht absurd – dass ich schwer erkranken muss, um das Leben wahrnehmen und  leben zu dürfen. An dieser Stelle ist auch der Förderwahn, der bereits an Kindergartenkindern angewandt wird, sehr kritisch zu sehen. Von früh an keine Freiräume mehr zu haben, Zielsetzungen erfüllen zu müssen, eingeteilt zu sein, nicht den Rhythmen des Lebens folgen zu können, nur mehr von einem Termin zum anderen hetzen zu müssen.

Das ist meiner Ansicht nach die wahre Krankheit Krebs – die kollektive Entfremdung von unseren  basalen Bedürfnissen nach Ruhe, Muße, Ausdruck, Bewegung und Innehalten. Und die Entfremdung von unserem innersten Wesen, unserem Angelegtsein.  Dort gilt es anzusetzen. Dort gilt es Gegenentwürfe in die Welt zu bringen, Ermutigung und Engagement.

Die Gesundheit hinter der Symptombeseitigung.

So wie am Anfang der Krebserkrankung die Trennung, die Entfremdung und Enteignung steht, so ist es die Wiederaneignung von mir selbst, indem ich meine Gefühle, Bedürfnisse, Nöte und Ängste aber auch mein Wesen wieder wahrnehme, die am Weg der Genesung stattfinden sollte.  In dem ich wieder in Kontakt trete mit mir und allen Bezügen, die mich ausmachen. Das braucht eine Offenheit, eine Stille und eine Entschleunigung. Dann kann Resonanz stattfinden.  In einer kürzlich gesendeten Radiokollegsendung zum Thema Resonanz wird betont, wie wichtig es ist, dass Kinder die Welt als tragend, wohlwollend, atmend und gütig  erleben. Im Gegensatz dazu wird das Kind oftmals zum „Objekt der erzieherischen Bemühung, ein Objekt, das an Erwartungen, Bewertungen und Zielen gemessen wird“ – so der Neurowissenschaftler Gerald Hüther in der Radiokollegsendung vom 21.3. 2016.  Wichtig wäre, – nicht nur für das Kind sondern auch für uns – sich mit dem Kind einzulassen, sich in seine Welt mitnehmen zu lassen, staunend sich zu öffnen für all die  bewegenden Äußerungsformen, die es zeigt. Dann kann Ausdehnung stattfinden und Wachstum.

Für uns Erwachsene braucht es, um diesem oben beschriebenen essentiellen Alleinsein entgegen zu wirken,  eine Gemeinschaft, die die Kultur des einander Wahrnehmens pflegt  – Wahlverwandtschaften, wo wirkliche An-er-kennung stattfindet.

Es braucht weiters:

Ein Bemühen, einander nicht bloß als Objekte in unserer Funktionalität wahr zu nehmen, sondern miteinander in Resonanz zu gehen. Räume zu schaffen, wo einfach Austausch stattfindet, wie es mir geht, worunter ich leide, wovor ich mich fürchte, worüber ich mich freue.  Einander nicht bloß mit der Brille von Bewertungen wahr zu nehmen, gemessen an Erwartungen und Zielen.

Um meinem Wesen gemäß zu sein, braucht es Menschen, die nach mir fragen, die sich für mich interessieren, für mich als Subjekt, als Individualität, in meiner Einzigartigkeit.

Es braucht Augen, die mich sehen und Ohren, die mich hören, die mich aus mir selbst heraus hören, mich heraus kennen, sodass ich vor – kommen kann.

Diagnose Krebs – Über das Placebo

Angeregt durch eine Radiokollegsendung auf OE 1 in der Woche vom 25.-28.1.2016 möchte ich der Frage nachgehen, inwiefern die Ergebnisse aus der Placeboforschung Relevanz in der Behandlung von Krebserkrankung haben.

Unter Placebo, das aus dem Lateinischen stammt und wörtlich übersetzt „ich werde gefallen“ bedeutet, versteht man ein Scheinarzneimittel, welches keine wirksame Substanz enthält und somit auch keine durch einen solchen Stoff verursachte pharmakologische Wirkung haben kann.

Unter Placeboeffekten versteht man positive Veränderungen, die sich im Zuge dieses -pharmakologisch unwirksamen – Mittels einstellen.

Placebo-Medikamente werden in klinischen (Doppel-Blindstudien) eingesetzt, um die therapeutische Wirksamkeit verschiedener, jeweils als Verum bezeichneter Verfahren möglichst genau erfassen zu können.

Das Gegenstück zum Placeboeffekt ist der Nocebo Effekt. Hierbei handelt es sich um unerwünschte Wirkungen, die analog einer Placebowirkung auftreten können.

Einen Hauptschwerpunkt der Untersuchungen bildet der Einsatz von Placebos in der Untersuchung der Wirksamkeit von Schmerzmitteln. Es zeigte sich, dass auch Placebos ohne schmerzlindernden Wirkstoff schmerzlindernd wirken, wenn die Erwartung auf Schmerzlinderung beim Patienten besteht. Umgekehrt ist es so, dass ein hocheffektives Medikament, selbst wenn es intravenös verabreicht wird, keine schmerzlindernde Wirkung hat, wenn dem Patienten vermittelt wird, dass diesen den Schmerz vielleicht sogar verschlimmert kann.

Die schmerzlindernden Effekte bei positiver Erwartung zeigen sich sowohl im Erleben /Verhalten als auch in der Ausschüttung von Opioiden, von Cannabinoiden und Dopamin. Im  Gegenteil dazu wird bei negativer Erwartung selbst ein starkes Opioid außer Kraft gesetzt. (Untersuchungen der Placebo Forschungsgruppe Ulrike Bingel der Universitätsklinik Essen).

Allerdings ist die Fähigkeit zur Bildung von positiven Erwartungen von Mensch zu Mensch unterschiedlich und kann durch eine Depression und Angst gehemmt sein.

Der zweite wesentliche Faktor sind Lernprozesse. Wie Pawlow in seinen für die Lerntheorie bahnbrechenden Untersuchungen zeigen konnte, reagiert ein Hund nach mehrmaliger Koppelung eines Signaltons mit der Darbietung von Futter auch bereits nach Ertönen eines Signaltons allein mit Speichelreflex – der Signalton wird somit zu einem konditionierten Reiz.

Am Universitätsklinikum in Tübingen unter der Leitung von Paul Enck nutzt man diese Lernprozesse, um die Dosis von Immunsuppressiva, welche z.B. bei Nierentransplantierten, Morbus Crohn oder Rheuma notwendig sind, zu reduzieren.

Im Zuge von Lernprozessen können negative Vorerfahrungen, die zum Beispiel in einem bestimmten Krankenhaus mit einem bestimmten Arzt oder einer Behandlungsform gemacht wurden, auch dann wach gerufen werden, wenn nur daran gedacht wird.

Der dritte wesentliche Faktor zur Wirksamkeit ist die Arzt-Patient Kommunikation. Wie Ulrike Bingel von der Universitätsklinik Essen meint, geht es nicht nur darum, welches Medikament verschrieben wird, sondern wie. Wenn der Arzt ein Medikament als wirksam darstellt, ist seine Wirkung doppelt so stark, als wenn dieser von der Wirkung nicht überzeugt ist.

Die Wirkung einer Behandlung wird noch dadurch verstärkt, wenn der Arzt mitfühlend ist. Auch das Einbeziehen des Patienten im Entscheidungsprozess für eine Therapieform hat einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg. In diesem gemeinsamen Entscheidungsprozess sollten von Seiten des Arztes seine Sachkompetenz ebenso spürbar werden wie eine positive Tönung der Aufklärung, wo nicht so sehr die negativen Auswirkungen in den Vordergrund gerückt werden sondern die positiven Erwartungen auf einen heilsamen Ausgang. Es sollte zudem Raum gegeben werden, dass der Patient seiner inneren Stimme Gehör schenken kann. Eine derart getroffene bewusste Entscheidung hat gute Aussichten, die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode zu steigern.

Die Erkenntnisse aus der Placeboforschung lassen uns Einblick nehmen in Mechanismen der Geist – Materie Beziehung. Es konnte gezeigt werden, dass die Überzeugung, dass etwas wirkt  Heilungsprozesse in Gang setzt, auch wenn keine Substanz verabreicht wird. (siehe dazu auch das Buch von Dispenza „Du bist das Placebo – Bewusstsein wird Materie“. unter Buchempfehlungen auf dieser Seite).

Was bedeutet das konkret für die Krebserkrankung:

Auf der Ebene der Erwartungen :

– Es ist höchst notwendig, dass wir den „Krebs-Geist“ entdämonisieren, das Vorurteil entschärfen, dass es sich dabei in jedem Fall um eine tödliche Krankheit handelt. Damit entkräften wir eine diesbezügliche Erwartung.

– Dass man den Geist mit all den mittlerweilen unzähligen Berichten von Spontanremissionen speist, sodass die Patientin im Bewusstsein lebt, dass selbst bei Diagnosen wir Bauchspeicheldrüsenkrebs alles möglich ist (siehe dazu auch die Bücher „Spontanheilungen“ von Caryle Hirschberg und Marc Ian Barasch und „9 Wege in ein krebsfreies Leben“ von Kelly Turner).

– Dass bei der Diagnosestellung die Behandelbarkeit im Vordergrund steht, dass Prognosen also in dem Sinne relativiert werden, dass darauf hingewiesen wird, dass die Statistik nichts über den Einzelnen aussagt.

– Dass bei einer Chemo die Wirkweise in positiver Form ins Bewusstsein gerückt wird, sodass der/die Patientin Kraft ihrer Vorstellungskraft die genaue Wirksamkeit visualisiert und die negativen Nebenwirkungen demgegenüber im Hintergrund bleiben.

– Dass sich Ärzte für andere Behandlungswege öffnen und diese auf keinen Fall verdammen sondern im Gegenteil andere Heilungswege zulassen, wenn die Patientin tief im Innern spürt, dass diese erfolgversprechend sind.

– Dass die Genesung und vollständige Gesundung visualisiert wird. Dazu eignen sich zum Beispiel Methoden des EMDR.

– Da Depression und Angst die Bildung von positiven Erwartungen nachweislich hemmt, wäre eine medikamentöse/psychotherapeutische Behandlung notwendig.

In Bezug auf Lernerfahrungen:

– Ein gemeinsames Erkunden von guten Erfahrungen mit medizinischen Einrichtungen aber auch mit dem Heilwerden, sodass diese Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Selbstheilung im Bewusstsein wachgerufen werden können und somit positiv auf die Erwartung eines guten Ausgangs wirken.

– „Überschreiben“ bzw. Behandlung von negativen Erfahrungen – zum Beispiel im Zuge der Diagnosestellung, mit bestimmten Behandlungserlebnissen (Chemotherapie), mit Ärzten oder Behandlungseinrichtungen, damit diese Vorerfahrungen nicht negativ auf eine weitere Behandlungsunternehmung wirken. Hat sich eine Posttraumatische Behandlungsstörung entwickelt, d.h. ist der Mensch immer wieder von ängstigenden Erinnerungen getriggert, so ist es meiner Einschätzung nach unerlässlich, mit EMDR bzw. anderen traumaspezifischen Methoden diese posttraumatische Reaktion aus dem Körper heraus zu lösen, damit die Lebenskraft der Selbstheilung zur Verfügung steht.

– Eine Kenntnis über die Wirkweise der Therapie und eine bewusste Begleitung der Therapie durch den Patienten festigt Lernprozesse über die Wirksamkeit der Therapiemethode.

Zur Arzt-Patient Beziehung

– Achtung der Autorität der Patientin gegenüber, in dem Sinne, dass sie die Expertin für ihren Körper ist.

–  Ebenbürtigkeit: Mitgefühl mit dem  Patienten in Bezug auf die schmerzliche Realität einer Krebserkrankung und ihrer Folgen. Darüber hinaus eine Wahrnehmung der Patientin nicht nur als Patientin/Erleidende sondern in ihrer Ganzheit mit all ihren Ressourcen.

– Eine dialogische Therapiewahl, weil die Wirksamkeit einer Therapie nachgewiesenerweise größer ist, wenn sie nicht bloß erlitten, sondern  auf der Basis einer gemeinsam getroffenen Therapiewahl  auch mitgetragen wird.

Werden all diese Faktoren in der Begleitung auf dem Krebsweg berücksichtigt, hat die Therapieform – gleichgültig ob diese eine schulmedizinische oder eine komplementärmedizinische ist –  gute Chancen ein im wörtlichen Sinn verstandenes Placebo zu sein, also etwas was im gesamtorganismischen Sinne „gefällt“ und damit heilsam ist.

Mir selbst zur Freundin werden II – eine Krebs-Prophylaxe

Den folgenden Text habe ich vor einigen Jahren am Schluss meines Vortrags mit dem Titel „Von der Seele begrüßt – das Ja zur Therapie als heilender Faktor“ bei der Österreichischen Gesellschaft für Psychoonkologie vor gelesen. Er hat in meinem Ringen um ein organismisches, den Rhythmen des Lebens gehorchendes Leben noch immer Gültigkeit.

Leben wollen – Leben dürfen.

Eine Gewissheit: Leben zu wollen um meiner selbst willen, lässt mich am Leben bleiben.

Ein Beispiel: Laufen, beliebig auf Lebensfunktionen wie Essen, Schlafen, Sexualität, Meditation anzuwenden.

Laufen

Nicht laufen weil Dienstag ist, oder Freitag oder Sonntag oder besser noch an jedem anderen möglichen Tag, weil es gesund ist, nicht eine Stunde mindestens laufen müssen, weil ich mich sonst nicht in die Reihe der ernsthaften Läuferinnen einreihen darf. Kein Schulterklopfen mehr beim Heimkommen – „Tüchtig So“: Laufen weil ich laufen will oder nicht laufen oder ein bisschen laufen, dann gehen, stehen, oder sogar sich dort auf meine Bank setzen, auch das nicht mehr determiniert auf 5 Minuten, vom Terror der Zeit gehetzt, mich hinsetzen, sitzen, atmen, schauen. Laufen wollen – oder nicht.

Tagelang, wochenlang, vielleicht gar nicht mehr.

Ja das ist ein Risiko – die selbstauferlegten disziplinären Sicherheiten zu verlassen.

Mir zu folgen.

Mich zurückerobern aus den Fängen der wissenschaftlich begründeten Gesundheits-Maßnahmen.

Mich mir zurückgeben. Ja das ist wahrlich ein Risiko.

Und – Es passiert nichts.

Erstaunlich.

Leben wollen um meiner selbst willen, lässt mich am Leben bleiben.

Das ist gewiss.

Einfach leben. Darüber ist keine Aussage zu treffen.

Leben, solange ich leben darf.

Leben, solange ich lebe.

Mein Leben von der Seele begrüßt.

Mir selbst zur Freundin werden – eine Krebs-Prophylaxe

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„Ich möchte solidarisch sein mit den Bedürfnissen meiner Seele“ sagte Andre Heller anlässlich der Entgegennahme der Platin Romy für sein Lebenswerk.

Und mehr noch, er offenbarte, er sei – auch wenn er viele glänzende Auftritte im Leben hatte, sich immer als Feind selbst gegenüber gestanden.

Und dass er entschied, sein eigenes inneres Kind so vorbehaltlos zu lieben, wie es das bei seinem Sohn Ferdinand tut.

Das hat mich sehr bewegt.

So viele von uns – ob an Krebs erkrankt oder nicht – sind sich selbst ein Feind. Wir getrauen uns nicht, unseren organismischen Bedürfnissen zu ge-horchen, lehnen uns in unseren vermeintlichen Schwächen, in unserer Mutlosigkeit, Verzweiflung oder vielleicht vielmehr noch in unserer Kraft und Stärke ab. Haben Angst, den Arbeitsplatz und damit unsere Existenzbasis zu verlieren, wenn wir für unsere Bedürfnisse, für unsere Visionen und Ideale, für uns einstehen, getrauen uns nicht, unsere Freunde mit etwas Unbequemen zu konfrontieren, haben Angst, aus einer Gemeinschaft heraus zu fallen, wenn wir nicht über-einstimmen.  Damit verlagert sich ein Konflikt, ein Nein zum Außen – zu den teilweise krankmachenden Bedingungen – nach Innen. Und es wird ein Nein zu mir selbst. Der große Lawrence Le Shan beschreibt in seinem wunderbaren Buch „Diagnose Krebs – Wendepunkt und Neubeginn“ wie sich in der Biographie von Krebskranken wiederkehrend der Verlust der Lebensmelodie findet.

Mich mir selbst zurück zu geben aus der Ent-Eignung, der Ent-Fremdung, mich mit mir also anzufreunden, mag als ein großes Ding erscheinen und kann seinerseits Angst machen. Es nicht zu schaffen, das Eigene zu finden und dann dafür die nötigen Schritte zu setzen.

Eigentlich ist es jedoch ganz einfach:

Mit jedem kleinsten angemessenen, guten Schritt  – und ich meine wirklich jeden kleinsten guten Schritt, ob ich die Straßenbahn benutze oder eine Station zu Fuß gehe und mich damit am Frühlingslicht, dem neuen Grün der Bäume, dem Vogelgesang erfreue, oder es aber genieße. gefahren zu werden, beim Fenster rausschauen zu können, nichts tun zu müssen, – mit jedem dieser kleinen Schritte bekräftigen wir unsere Lebenskompetenz und fördern eine lebensbejahende Qualität. Um mit Le Shan zu sprechen: All diese Schritte sind wie Noten unserer Lebensmelodie, einer Melodie, die wir so vielleicht noch nie vernommen haben, und in der immer wieder neue Harmonien, Obertöne und Bassstimmen hinzukommen, die aber immer unsere ureigenste Melodie ist.

Und vielleicht mag ich dann weiter gehen, indem ich schaue, was mein Lebenslicht dimmt oder erhellt. Meine  Beziehungen, meine Ernährung, meine Arbeit, meine Gewohnheiten durch scannen, wo hellt sich mein Befinden auf, wo öffnet sich Etwas in meinem Inneren, wo geht mir das Herz auf, wo jauchzt meine Seele. Einfach wahrnehmen, einen Befund meiner Seelen-Verfassung  erstellen, ohne Handlungszwang, schlicht feststellend, wie es ist.

Mich kennen lernen,  mir  zum Freund werden, der wohlwollend, aufmerksam, liebevoll zuhörend mit mir ist. Das ist – so bin ich überzeugt – die beste Krebs-Prophylaxe.